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Eingliederungsmanagement (betriebliches) – Beweislast

Landesarbeitsgericht Köln

Az: 5 Sa 618/08

Urteil vom 08.09.2008


1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2008 – 6 Ca 5312/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristgerechten krankheitsbedingten Kündigung.

Der am 10.08.1967 geborene Kläger, verheiratet, Vater eines Kindes, war seit dem 14.08.2001 bei der beklagten Flughafengesellschaft als Abfertiger zu einem Monatsentgelt von 1.985,93 EUR brutto beschäftigt.

Der Kläger war in den Jahren 2004 bis 2007 verschiedentlich arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu wird auf die Aufstellung der AOK Rheinland (Bl. 80 ff. d. A.) über die aufgetretenen Erkrankungen und ihre Ursachen sowie auf die Aufstellung der Beklagten (Bl. 62 u. 63 d. A.) Bezug genommen.

In einem Schreiben der Beklagten vom 22.01.2007 (Bl. 64 d. A.), dessen Zugang der Kläger bestreitet, wurde der Kläger zu einem Gespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements am 21.02.2007 um 21.40 Uhr geladen.

Mit Schreiben vom 16.05.2007 (Bl. 65 d. A.), dessen Zugang der Kläger ebenfalls bestreitet, wurde der Kläger zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung für den 30.05.2007 aufgefordert. Zum Zeitpunkt des genannten Untersuchungstermins hatte der Kläger genehmigten Erholungsurlaub und zwar in der Zeit vom 20.05.-15.07.2007.

Mit Schreiben vom 08.06.2007 (Bl. 15 ff. d. A.) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur geplanten ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung an. In der Anhörung hieß es, dass der Kläger im Jahre 2007 21 Arbeitstage gefehlt habe, im Jahr 2006 48,37 Arbeitstage, im Jahr 2005 46,54 Arbeitstage und im Jahre 2004 105 Arbeitstage. Zudem sei der Kläger ohne Absage zu dem Termin im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagement am 21.02.2007 und zur geplanten arbeitsmedizinischen Untersuchung am 30.05.2007 nicht erschienen.

Mit Schreiben vom 14.06.2007 widersprach der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung (Bl. 66 d. A.) und führte aus, die krankheitsbedingten Ausfallzeiten seien seit 2004 rückläufig. Zudem habe der Kläger die Aufforderung zur arbeitsmedizinischen Untersuchung am 30.05.2007 nicht erhalten. Die krankheitsbedingten Ausfallzeiten hätten auch nicht zu Störungen im betrieblichen Ablauf und zu Mehrbelastungen anderer Arbeitnehmer geführt.

Mit Schreiben vom 16.06.2007 sprach die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung zum 30.09.2007 aus (Bl. 3 d. A.). Der vom Kläger fristgerecht erhobenen Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 14.02.2008 (Bl. 134 ff. d. A.) stattgegeben und zur Begründung darauf abgestellt, die vorgetragenen Fehlzeiten begründeten keine negative Zukunftsprognose. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten seien seit dem Jahre 2004 rückläufig. Zudem könne bezüglich der Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahre 2004 die auf die Meniskuserkrankung des Klägers zurückgehenden Fehltage, insgesamt 80 Arbeitstage, nicht in Ansatz gebracht werden, weil diese Meniskusschädigung infolge eines häuslichen Unfalls hervorgerufen und durch die anschließende Operation erfolgreich behoben worden sei. Zudem sei bezüglich des Jahres 2006 die Fehltage 06.07. und 07.07.2006, die infolge eines Arbeitsunfalls aufgetreten seien, aus der Berechnung herauszunehmen. Ausreichende Fehlzeiten für eine negative Prognose seien daher nicht vorhanden.

Gegen dieses ihr am 30.04.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagtenseite form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Die Beklagte bringt vor, es lägen ausreichende Fehlzeiten vor. Eine steigende Tendenz sei hierfür nicht erforderlich. Bestritten werde, dass die Meniskuserkrankung des Klägers ausgeheilt sei. Der Kläger habe die Krankheitsursachen nicht vollständig dargelegt. So fehle für 3 Tage in 2004, für 4 Tage in 2005, für mehr als 2 Wochen in 2006 sowie für 2 Tage in 2007 eine Angabe des Klägers zu den Krankheitsursachen. Angesichts dessen müsse von einer Wiederholungsgefahr bezüglich der Meniskuserkrankung ausgegangen werden trotz der im Jahr 2004 durchgeführten Operation. Unzutreffend sei es schließlich, wenn das Arbeitsgericht zur Begründung einer negativen Gesundheitsprognose darauf abstelle, dass der Kläger nach Ausspruch der Kündigung ab dem 01.10.2007 gesund gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.02.2008 – 6 Ca 5312/07 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger bringt vor, die Meniskuserkrankung sei durch die Operation im Jahre 2004 ausgeheilt. Zutreffend sei es daher, dass das Arbeitsgericht die 80 Fehltage, die im Jahre 2004 wegen der Meniskuserkrankung und der anschließenden Operation angefallen seien, aus der Berechnung herausgerechnet habe. Auch im Übrigen sei die Aufstellung der Beklagtenseite hinsichtlich der Fehltage fehlerhaft. Im Jahre 2005 seien nur 42 ausgefallene Arbeitstage zu verzeichnen, nicht 46, im Jahre 2006 nur 27, nicht 48 Arbeitstage. Die Differenz beruhe darauf, dass die Beklagte in ihrer Aufstellung auch Einzelfehltage berücksichtigen wolle, für die der Kläger keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung benötigt habe. Angesichts der länger zurückliegenden Zeiträume dürfe und müsse der Kläger mit Nichtwissen bestreiten, an diesen Einzeltagen arbeitsunfähig krank gewesen zu sein. Erst recht könne er diesbezüglich nichts zu Arbeitsunfähigkeitsursachen vortragen.

Die attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten seien zu erheblichen Teilen betrieblich verursacht, insbesondere die Bandscheibenerkrankungen. Dies beruhe auf der körperlichen Belastung, die durch die Be- und Entladevorgänge bei ständigem Wechsel zwischen drinnen und draußen entstünden, sowie auf dem Umstand, dass die Beklagte die Schichtstärke von 3 auf 2 Mitarbeiter verringert habe. Schließlich seien dem Kläger die Schreiben bezüglich des Eingliederungsmanagements und der arbeitsmedizinischen Untersuchung nicht zugegangen, abgesehen davon, dass der Kläger zu keiner Zeit von Verantwortlichen der Beklagten auf die genannten Termine, Gründe für das Ausbleiben oder Folgetermine angesprochen worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegt und begründete Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben.

Die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte ordentliche Kündigung liegen nicht vor.

I. Die Kündigung ist nicht als personenbedingte krankheitsbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt.

1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung in einer dreistufigen Prüfungsreihenfolge vorzunehmen. Es müssen zunächst auf der ersten Stufe erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten vorliegen, aus denen sich eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes und weiterer Ausfallzeiten ergeben muss. Diese prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie in der zweiten Stufe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von deutlich mehr als 6 Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Auf der dritten Prüfungsstufe schließlich ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (ständige Rechtsprechung s. BAG, Urteil vom 08.11.2007 – 2 AZR 292/06 – NZA 2008, 593 ff.; BAG, Urteil vom 19.04.2007 – 2 AZR 239/06 – NZA 2007, 1041 ff.; BAG, Urteil vom 29.04.1999 – 2 AZR 431/98 – NZA 1999, 978 ff.).

2. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an ausreichenden erheblichen Fehlzeiten, die eine negative Prognose begründen könnten.

a. Zu Recht hat das Arbeitsgericht bezüglich der Fehlzeiten des Jahres 2004 die Ausfallzeiten, die aufgrund der Meniskuserkrankung und der anschließenden Operation des Klägers beruhten, aus der Fehlzeitenberechnung herausgerechnet. Denn Krankheiten, bei denen keine Wiederholungsgefahr besteht, weil sie ausgeheilt sind, können keine negative Zukunftsprognose begründen (s. BAG, Urteil vom 12.12.1996 – 2 AZR 7/96 – EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 41).

Hierzu ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Kläger aufgrund der Meniskuserkrankung im Jahre 2004 an 80 Arbeitstagen krankheitsbedingt fehlte und sich diesbezüglich einer Operation unterzogen hat. Aus der Aufstellung der AOK Rheinland (Bl. 80 ff. d. A.) über die krankheitsbedingten Ausfallzeiten, denen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugrunde lag, ergibt sich, dass in den Jahren ab 2005 Meniskuserkrankungen des Klägers bis auf eine einmalige 4-tägige Ausfallzeit nicht mehr aufgetreten sind. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 08.09.2008 ist darüber hinaus unstreitig geworden, dass auch die Ausfallzeit vom 08.-22.09.2006, die zwischen den Parteien streitig war, jedenfalls nicht auf einer Meniskuserkrankung beruht. Diesbezüglich hat der Kläger ausgeführt, dass er wegen eines Bandscheibenleidens zunächst bei seinem Hausarzt gewesen sei und dieser ihn dann an den Nervenarzt Dr. S überwiesen habe, der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 08.-22.09.2006 (Bl. 121 d. A.) erstellt hat. Danach verbleiben für die Jahre 2005 bis 2007 nur wenige streitige Einzeltage, hinsichtlich derer noch streitig ist, ob der Kläger arbeitsunfähig war und welche Ursachen dies hatte. Denn alle Arbeitsunfähigkeitszeiten, denen ein ärztliches Attest zugrunde lag, sind in der Aufstellung der AOK Rheinland enthalten. Auch der 14-tägige Arbeitszeitraum vom 08.-22. 09.2006 ist geklärt und kann nicht einem etwaigen erneuten Ausbruch eines Meniskusleidens zugeordnet werden. Bei den streitigen Tagen handelt es sich lediglich noch um die Einzeltage 23.10., 28.08., 26.05. und 20.02.2005 sowie um den 03.02., 23.03., 28.04., 30.08., 07.11. und 07.12.2006. Anhaltspunkte dafür, dass diesen behaupteten Erkrankungen an einzelnen Arbeitstagen ein Wiederaufleben des Meniskusleidens zugrunde liegen könnten, sind in greifbarer Form weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG auch bei Erkrankung an einzelnen Arbeitstagen die Möglichkeit gehabt hätte, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.

Es verbleiben daher, wie das Arbeitsgericht mit Recht festgestellt hat, für das Jahr 2004 nur 25 zu berücksichtigende Fehltage.

b. Für das Jahr 2005 ist unter Hinzurechnung der 4 streitigen Einzeltage von einer Gesamtausfallzeit von 46 Arbeitstagen auszugehen; bei Zugrundelegung der klägerischen Darstellung von einer solchen von 42 Arbeitstagen.

c. Hinsichtlich der Fehltage des Jahres 2006 gesteht nunmehr die Beklagte zu, dass das Arbeitsgericht zutreffend die Arbeitsunfähigkeitstage, die auf einem Arbeitsunfall, herausgerechnet hat. Damit lägen nach Darstellung der Beklagtenseite insgesamt 46 infolge Krankheit ausgefallene Arbeitstage vor, während unter Herausrechnung der 6 streitigen Einzeltage nach der Darstellung der Klägerseite nur 40 Ausfalltage zu verzeichnen sind.

d. Hinsichtlich des Jahres 2007 ist unstreitig, dass bis zum Ausspruch der Kündigung 21 Arbeitstage krankheitsbedingte ausgefallen sind. Dies ist auch aus der Betriebsratsanhörung, die die Beklagte vorgenommen hat ersichtlich. Dort sind 21 Arbeitstage mit Stand 22.05.2007 angegeben. Da sich der Kläger ab dem 20.05.2007 in Urlaub befand und dieser Urlaub bis zum Erhalt der Kündigung andauerte, können weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten bis zum Ausspruch der Kündigung nicht aufgelaufen sein. Für die Beurteilung der sozialen Rechtsfertigung einer Kündigung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung maßgebend. Es kommt auf die Prognose im Kündigungszeitpunkt an. Eine spätere Entwicklung kann mit zu bewerten sein, soweit sie die Prognose im Kündigungszeitpunkt bestätigt (BAG, Urteil vom 13.05.2004 – 2 AZR 36/04 – NZA 2004, 1271).

Eine solche bestätigende Entwicklung kann aus dem Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung nicht abgeleitet werden. Zwar sind einerseits nach Ausspruch der Kündigung weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten, insbesondere während des Laufs der Kündigungsfrist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in einem Prozessbeschäftigungsverhältnis seit dem 01.03.2008 bei der Beklagten weiterbeschäftigt wird und unstreitig in den Monaten März bis August 2008 nur 4 Arbeitsunfähigkeitstage aufgetreten sind. Aus beidem zusammen lässt sich nicht schließen, dass eine Bestätigung einer negativen Prognose geschlussfolgert werden könnte. Vielmehr zeigt die zeitliche Entwicklung, dass der Trend zu Fehlzeiten in vorangegangenem Umfang nicht angehalten hat. Eine Bestätigung einer negativen Prognose durch den Verlauf nach Ausspruch der Kündigung kann folglich nicht angenommen werden.

e. Aus den zu berücksichtigenden bis zum Zeitpunkt der Kündigung aufgelaufenen Fehlzeiten kann eine negative Prognose nicht abgeleitet werden. Selbst wenn man insoweit die streitigen, von der Beklagtenseite geltend gemachten Fehlzeiten zugrunde legt, ergäben sich für 2004 25 Fehltage, für 2005 46 Fehltage, für 2006 ebenfalls 46 Fehltage und für 2007 21 Fehltage. Als Durchschnitt ergibt sich damit eine Ausfallzeit, die in der Schwankungsbreite der 6-wöchigen Entgeltfortzahlung des Entgeltfortzahlungsgesetzes liegt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die zu berücksichtigenden Ausfallzeiten von 46 Ausfalltagen im Jahre 2006 auf 21 Ausfalltage im Jahr 2007 zurückgegangen sind. Die aufgetretenen Fehlzeiten und ihr Verlauf indizieren daher keine negative Gesundheitsprognose.

Daher scheitert die krankheitsbedingte Kündigung bereits an nicht ausreichenden Fehlzeiten, die eine negative Prognose begründen könnten.

3. Unabhängig vom Vorstehenden ist die Kündigung auch deshalb nicht sozial gerechtfertigt, weil die Beklagte kein nachweisbares Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX vorgenommen hat.

a. Der Anwendungsbereich des § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sind, und nicht nur für die behinderten Menschen (s. BAG, Urteil vom 12.07.2007 – 2 AZR 716/06 – NZA 2008, 173). Zwar ist die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Anspruch einer personenbedingten Kündigung, jedoch stellt die Obliegenheit ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, eine gesetzliche Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Die Kündigung ist dann wegen des Unterlassens eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sozialwidrig, wenn bei gehöriger Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu verhindern (s. BAG, Urteil vom 12.07.2007 – 2 AZR 716/06 – NZA 2008, 173 ff.).

b. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keinen Beweis dafür anzutreten vermocht, dass sie versucht hat, das betriebliche Eingliederungsmanagement durchzuführen. Den Zugang des entsprechenden Einladungsschreibens hat der Kläger bestritten. Ebenso den Zugang des Schreibens, mit dem der Kläger zur Durchführung einer arbeitsmedizinischen Untersuchung aufgefordert worden ist. Dafür, dass den Kläger diese Schreiben erreicht haben, hat die Beklagte keinen Beweis anzutreten vermocht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte weder das Nichterscheinen des Klägers zum Wiedereingliederungsgespräch noch das Nichterscheinen zur ärztlichen Untersuchung zum Anlass genommen hat, beim Kläger nachzufragen und gegebenenfalls einen Folgetermin zu vereinbaren. Dies hätte jedoch außerordentlich nahe gelegen, insbesondere wenn das Eingliederungsmanagement mit dem Ziel betrieben worden wäre, den Kläger tatsächlich wieder einzugliedern. Die mangelnde Sorgfalt der Beklagten zeigt sich auch darin, dass die Beklagte dem Kläger mit der Einladung zur arbeitsmedizinischen Untersuchung in dessen bereits genehmigten Urlaub zugesandt haben will, ohne zuvor überhaupt zu prüfen, ob der Kläger in Urlaub war und an einem solchen Termin zur Verfügung stehen könnte. Wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, ist der Umstand, dass den Kläger das Schreiben bezüglich der arbeitsmedizinischen Untersuchung in dessen Urlaub zugesandt worden ist, auch im weiteren Verfahren nicht überprüft worden, sondern erst im Laufe des Prozesses durch den Vortrag des Klägers offenbar geworden. Der Nachweis eines entsprechenden betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX konnte damit nicht erbracht werden.

c. Bei ordnungsgemäßer Durchführung eines Eingliederungsmanagements hätte die Möglichkeit bestanden, eine Kündigung zu verhindern. Der Beklagtenvertreter Herr V hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 08.09.2008 ausgeführt, dass bei einem Wiedereingliederungsgespräch mit dem Kläger angesichts der mehrfach wegen Bandscheibenleiden aufgetretenen Ausfallzeiten insbesondere die Hilfestellung angesprochen worden wäre, einen Trage- und Stützgurt zur Verfügung zu stellen. Solche Trage- und Stützgurte würden Mitarbeitern zur Verfügung gestellt, die Ausfallzeiten wegen Rückenleiden hätten.

Damit bestand die Möglichkeit, dass durch ein solches Hilfsmittel auch beim Kläger die Fehlzeiten reduziert und eine Kündigung vermieden werden konnte. Zudem zeigt die Entwicklung nach Beginn der Prozessbeschäftigung ab dem 01.03.2008, dass eine erhebliche Reduzierung der Fehlzeiten möglich war, weil bis zum 31.08.2008 nur 4 Arbeitsunfähigkeitstage aufgetreten sind. Dies unterstreicht, dass auch durch ein Eingliederungsmanagement die Verminderung von Fehlzeiten und die Verhinderung einer Kündigung möglich waren.

Die Kündigung scheitert daher im vorliegenden Fall auch an der Nichtbeachtung der Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX.

II. Insgesamt war die Kündigung aus den dargestellten Gründen sozial ungerechtfertigt und daher rechtsunwirksam. Die Berufung der Beklagtenseite konnte folglich keinen Erfolg haben. Sie musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

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