LG Osnabrück – Az.: 7 S 188/19 – Beschluss vom 09.10.2019
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 29.05.2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lingen, Geschäftsnummer: 4 C 539/18, gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis und zur Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen 2 Wochen.
Gründe
I.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Lingen beruht weder auf einer Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung, Erstattung einer Unkostenpauschale, Wertminderung sowie Erstattung der Kosten für die Betankung des Fahrzeugs am 06.04.2018 zu Recht hinsichtlich der begehrten Nutzungsausfallentschädigung nicht vollumfänglich stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist Folgendes auszuführen:
1. Der Kläger hat mit dem Zahlungsantrag u.a. die Zahlung eines Nutzungsausfallschadens i.H.v. 3.445,00 € begehrt, und zwar für den Zeitraum vom 06.04.2018 bis zum 25.05.2018 (51 Tage). Das Amtsgericht hat die geltend gemachte Schadensposition auf 35 (Werk-) Tage gekürzt und dem Kläger insofern unter Berücksichtigung der durch den Sachverständigen festgestellten Nutzungsausfallentschädigungsklasse „J“ i.H.v 79,00 € pro Tag einen Betrag i.H.v. 2.765,00 € zugesprochen.
Der Anspruch eines Eigentümers eines privat genutzten Pkw, der die Möglichkeit zur Nutzung seines Fahrzeugs einbüßt, auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung hat, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, auch derjenige, der kein Ersatzfahrzeug anmietet. Das Amtsgericht stellt dabei im Einklang mit der st. Rspr. auf den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit ab, wobei Anspruchsvoraussetzung eine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung ist. Eine Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile des Kraftfahrzeugs setzt nämlich voraus, dass der Geschädigte tatsächlich die Gebrauchsmöglichkeit verloren hat und dieser Verlust sich für ihn als fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung auswirkt, weil er das Fahrzeug während der Wiederherstellungszeit in dieser Zeit nutzen wollte (Nutzungswille) und zur Nutzung in der Lage war (hypothetische Nutzungsmöglichkeit), wobei der Anspruch entfällt, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist (vgl. Palandt-Grüneberg 73. Aufl. § 249 Rn. 41 f.). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das Zweitfahrzeug einem Familienangehörigen zur ständigen Verfügung steht, dieser auf die Nutzung angewiesen ist und damit erkennbar wird, dass der Geschädigte auf das in der Familie vorhandene Zweitfahrzeug nicht zurückgreifen kann. In einem solchen Fall ist es aber Aufgabe des Geschädigten, den genauen Umfang der jeweiligen Fahrzeugnutzung durch andere Familienangehörige darzulegen, damit es ausgeschlossen ist, dass der Geschädigte den Unfall auf Kosten des Schädigers wirtschaftlich ausnutzt (vgl. OLG Brandenburg Urteil vom 01.03.2007, Az. 12 U 160/16 mwN).
Das Amtsgericht hat insoweit zu Recht angenommen, dass sich ein hinreichend substantiierter Sachvortrag bzgl. des Nutzungswillens und der hypothetischen Nutzungsmöglichkeit lediglich für die 35 in dem o.g. Zeitraum liegenden Werktage ergibt, an denen der Kläger das Fahrzeug zur Erreichung seines Arbeitsplatzes benötigte. Insofern hat der Kläger schlüssig dargelegt, das weitere in seiner Familie vorgehaltene Fahrzeug nicht nutzen zu können, da die Ehefrau des Klägers dieses für Einkäufe und den Transport der beiden gemeinsamen Kinder benötige und er seinerseits das Fahrzeug für die weiten Fahrtstrecken zum Arbeitsplatz (also ganztägig) beanspruche. Der Kläger hat insofern ein konkretes Bedürfnis für die gleichzeitige Nutzung beider Fahrzeuge dargelegt, sodass das Vorhandensein eines Zweitwagens dem zugesprochenen Nutzungsausfallschaden in diesem Zeitraum nicht entgegensteht.
Allerdings hat der Kläger hinsichtlich der in den o.g. Zeitraum fallenden Wochenend- sowie Feiertage seine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung nicht substantiiert dargelegt. Das Amtsgericht führt zutreffend aus, dass sich vor dem Hintergrund eines weiteren in der Familie vorgehaltenen Fahrzeugs aus dem klägerischen Vortrag nicht ergibt, dass der Kläger in diesem Zeitraum auf das verfahrensgegenständliche Fahrzeug angewiesen war.
Der Kläger hat lediglich pauschal dargelegt, dass es wohl der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche, dass ein Fahrzeug in einer Familie mit einem Kleinkind – auch wenn zwei Pkw vorhanden sind – am Wochenende auch genutzt werde. Der Kläger hätte jedoch gerade wegen des unstreitigen Vorhandenseins eines Zweitwagens darlegen müssen, dass und warum beide Ehegatten auf die zeitgleiche Nutzung eines Pkw auch an Wochenend- und Feiertagen angewiesen waren, und/oder, dass seiner Ehefrau der Zweitwagen zur ständigen, ausschließlichen Verfügung stand, sodass ihm eine Nutzung nicht möglich gewesen ist.
Dies wäre bspw. der Fall, wenn der Kläger mit seiner Familie in einer eher ländlich geprägten Gegend wohnen und jegliche Erledigungen, die sie zu tätigen hätten, jeder Ehegatte mit dem ihm „gehörenden“ Pkw durchführen würde und beide Ehegatten daran gewöhnt wären, ohne Planung im Speziellen sofort loszufahren und Dinge zu besorgen, wenn dies erforderlich würde (vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.05.2016, Az. 5 U 60/15).
Der Kläger hat diesbezüglich seiner Darlegungslast nicht genügt und lediglich pauschal darauf verwiesen, dass sein Vortrag hinsichtlich des Nutzungsausfalls sieben Tage pro Woche einschließen würde. Er hat weder eine „Zuweisung“ der Fahrzeuge innerhalb der Familie, noch die tatsächlich praktizierte Nutzung, noch den Umfang der jeweiligen Fahrzeugnutzung an Wochenend- und Feiertagen dargelegt. Er hat ebenso nicht ausgeführt, wieso er (bei unterstelltem Nutzungswillen) den Zweitwagen an Wochenend- und Feiertagen nicht habe nutzen können.
Auch wenn für die Werktage zu Recht darauf abgestellt wird, dass der Kläger ein Fahrzeug zwingend zur Erreichung seines weit entfernt liegenden Arbeitsplatzes und seine Ehefrau das weitere Fahrzeug für Einkäufe und den Transport der beiden gemeinsamen Kinder benötigte, so fehlt es hingegen an substantiierten Vortrag, wieso eine Absprache bzgl. der gemeinsamen bzw. abwechselnden Nutzung des Zweitwagens an Wochenend- und Feiertagen nicht möglich und zumutbar gewesen sein soll, mithin, dass auch an Wochenend- und Feiertagen ein konkretes Bedürfnis für die gleichzeitige Nutzung beider Fahrzeuge bestand.
Die Berufung nimmt bloß pauschal darauf Bezug, dass bei einer 4-köpfigen Familie stets „irgendwelche Fahrten“ – auch an Wochenende – durchzuführen seien, sei es für den Einkauf, den Transport der Kinder zu Sportgelegenheiten und Freunden, während der andere Elternteil (das andere Fahrzeug) „für die jeweils andere Tätigkeit oder sogar eigene Interessen“ nutze. Auch hier mangelt es an einer konkreten Darlegung der fühlbaren Beeinträchtigung des Klägers. Der Kläger beschränkt sich auch hier auf pauschale Ausführungen. Angesichts des Vorhandenseins eines Zweitwagens hätte der Kläger darlegen müssen, inwieweit ihm und seiner Ehefrau die beiden Fahrzeuge jeweils „zugewiesen“ und beide Eheleute gleichzeitig auf ein Fahrzeug an Wochenend- und Feiertagen angewiesen waren, sowie welches Fahrzeug regelmäßig lediglich ausschließlich durch den einen Ehepartner genutzt wird, wobei nicht die Eigentumsverhältnisse, sondern die Zuweisung innerhalb der Familie und die praktizierte Nutzung entscheidend ist (vgl. OLG Celle, aaO).
Die Berufung lässt hingegen sogar offen, ob der Nutzungswille hinsichtlich zweier Pkw an den Wochenenden immer und zu jeder Zeit vorhanden war, oder ob möglicherweise an einigen Tagen an den Wochenenden das zur Verfügung stehende Fahrzeug des Schwagers nicht genutzt wurde. Daraus muss die Kammer schließen, dass es dem Kläger tatsächlich möglich gewesen ist, auf das Zweitfahrzeug an Wochenend- und Feiertagen (möglicherweise in Absprache mit seiner Ehefrau) zurückzugreifen, sodass ihm der Einsatz eines Zweitwagens in diesem Zeitraum möglich und zumutbar war.
2. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf Entscheidungen des OLG Düsseldorf darauf abstellt, dass sich der Nutzungswille für die ganze Woche aus dem Nutzungswillen für die Werktage ergebe und darauf hinweist, dass nach st. Rspr. der hypothetische Nutzungswille des privaten Halters bzw. Eigentümers eines Fahrzeugs für die Dauer des Ausfalls grundsätzlich zu vermuten sei, ohne dass es insoweit einer besonderen Darlegung bedürfe, und der Schädiger lediglich den Ausnahmefall, dass der Geschädigte das Fahrzeug keinesfalls in der unfallbedingten Ausfallzeit hätte nutzen können, darlegen und beweisen müsse, verfängt dies nicht. Sämtliche zitierten Entscheidungen behandeln nicht den Fall des Vorhandenseins eines Zweitwagens. Gerade diese unstreitige Tatsache ist jedoch ausschlaggebend für die unter I. 1. erläuterte Darlegungslast des Klägers hinsichtlich seiner konkreten fühlbaren Beeinträchtigung und insofern hinsichtlich der konkreten Zuweisung der Fahrzeuge innerhalb der Familie und der praktizierten Nutzung sowie dem Bedürfnis der Eheleute für eine gleichzeitige Nutzung beider Fahrzeuge auch an Wochenend- und Feiertagen.
Die pauschale Behauptung in der Berufungsbegründung, dass das eine Fahrzeug der Ehefrau zur Verfügung stehe, das andere dem Ehemann, ist nicht geeignet, einen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung auch für die Wochenenden zu begründen.
3. Auch die weiteren Ausführungen der Berufung, dass auch hier jemand Drittes, nämlich die Ehefrau, ihr Fahrzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt hätte, was nicht zu einer Entlastung des Schädigers führe, verfängt nicht. Vielmehr hat der Kläger schon nicht dargelegt, dass der Zweitwagen ausschließlich der Ehefrau zur ständigen Verfügung zugewiesen war. Wäre ein derartiger Fall dargelegt und im Bestreitensfalle bewiesen worden, hätte die kostenfreie Überlassung des Fahrzeugs durch die Ehefrau an den Kläger (ebenso wie die Überlassung des Fahrzeugs durch den Schwager) zu einer Nutzungsausfallentschädigung geführt. Daran fehlt es aber aus den dargelegten Gründen.
II.
Aus diesen Gründen beabsichtigt die Kammer, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich.
III.
Dem Kläger war gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem obigen Hinweis zu geben.