OLG München – Az.: 6 O 1674 – Urteil vom 27.05.2020
1. Auf die Berufungen des Beklagten vom 28.11.2019 und des Klägers vom 17.12.2019 wird das Endurteil des LG München II vom 06.09.2019 (Az. 6 O 1674/19) in Ziffer I abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.305,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.06.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 481,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.06.2019 zu bezahlen.
2. Die Ziffer II des Endurteils des LG München II vom 06.09.2019 (Az. 6 O 1674/19) bleibt aufrechterhalten.
3. Im Übrigen werden die Berufungen des Beklagten und des Klägers zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 25 % und der Beklagte 75 %.
5. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B.
Die statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten, somit zulässigen Berufungen der Parteien haben in der Sache jeweils nur teilweise Erfolg.
I. Einwendungen gegen den Tatbestand des Ersturteils
Soweit der Beklagte in seiner Berufung von einem anderen Tatbestand als dem des Ersturteils ausgeht oder diesen angreift, ist dies fehlsam, weil der Tatbestand des Ersturteils den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt bestimmt (BVerfG NJW 2005, 657 [i. Erg.]; BGH NJW-RR 2009, 981; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 (779) und 891 (892); OLG Rostock OLGR 2004, 61). Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden (BGH NJW 1994, 517; BGHZ 182, 76 [unter II 1]; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Wenn der Beklagte die erstgerichtliche Feststellung nicht hätte hinnehmen wollen, hätte er ein – fristgebundenes – Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO durchführen müssen (Senat, a.a.O.).
II. Nutzungsausfallschaden vom 17.06. bis 24.09.2018
Das Landgericht hat dem Grunde nach zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 17.06. bis 24.09.2018 (100 Tage à 119,00 €) bejaht. Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts beträgt der Nutzungsausfallschaden aber 11.305,00 € (11.900 € abzüglich eines vorprozessual bezahlten Betrages von 595,00 €) und nicht lediglich 10.325,56 € (unter Abzug der Mietwagenkosten für den Zeitraum vom 01.06. bis 16.06.2018 in Höhe von 979,44 €).
1. Nutzungswille
Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung für den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich bejaht (z.B. BGH in MDR 2018, 470; BGH Urteil v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154 = MDR 2005, 268; v. 10.6.2008 – VI ZR 248/07 Rz. 6, 8, MDR 2008, 969 = NJW-RR 2008, 1198). Anspruchsgrundlage ist insoweit § 251 Abs. 1 BGB.
Für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadensrechtlichen Grundsätze der subjektbezogenen Betrachtung des Schadens sowie des Bereicherungsverbots (BGH, NJW-RR 2008, 1198 mit Bezugnahme auf BGHZ 45, 212 [219f.] = NJW 1966, 1260; BGHZ 162, 161 [165] = NJW 2005, 1108 m.w. Nachw. und NJW 2008, 915 = DAR 2008, 139). Dem Geschädigten gebührt die Entschädigung daher nur dann, wenn er sein Kraftfahrzeug während der Reparaturzeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1198).
In der Regel spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten PKW diesen während eines unfallbedingten Ausfalls benutzt hätte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Januar 2007 – I-1 U 151/06; Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U 206/00 sowie Urteil vom 29. Oktober 2001, Az.: 1 U 211/00; so auch OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Frankfurt DAR 1984, 318; OLG Köln VRS 96, 325).
Der streitgegenständliche Unfall, der zur Verkehrsuntauglichkeit des Kraftfahrzeugs des Klägers geführt hat, ereignete sich vorliegend am 01.06.2018. Wie bereits in der Verfügung vom 03.03.2020 ausgeführt, verkennt der Senat keineswegs, dass nach Teilen der Rechtsprechung ein Nutzungswille fehlt, wenn der Geschädigte nach einem Unfall über längere Zeit keine Reparatur durchführen lässt bzw. kein Ersatzfahrzeug angeschafft hat (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Dezember 2012 – 4 U 164/12 – ein Jahr neun Monate, mit Verweis auf Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 249 Rz. 42 m.w.N.). Zumindest begründet der lange Zeitraum eine von dem Geschädigten zu entkräftende tatsächliche Vermutung für einen fehlenden Nutzungswillen (vgl. Wenker, jurisPR-VerkR 6/2012 Anm. 4 unter Bezugnahme auf OLG Celle, Urt. v. 13.10.2011 – 5 U 130/11 und u.a. ebenso OLG Bremen, Urt. v. 03.04.2001 – 3 U 108/00 – vier Monate; LG Hanau, Urt. v. 14.11.2008 – 9 O 650/08 –, mehrere Monate‘).
Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Kläger nur ca. drei Monate mit der Ersatzbeschaffung wartete, wobei er anfänglich nach der nicht widerlegten Darstellung eine Reparatur des Fahrzeuges beabsichtigte.
Zudem kann von einem fortbestehenden Nutzungswillen ausgegangen, mithin die Vermutung widerlegt werden, wenn der Geschädigte – wie vorliegend (sh. unten) – konkret nachweisen kann, dass die finanziellen Mittel für eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung fehlen (vgl. dazu AG Heilbronn, Urt. v. 10.08.2007 – 13 C 1458/06 – jurisPR-VerkR 9/2008 Anm. 2, Wenker).
Im Lichte der vom Kläger vorgetragenen eigenen Finanzsituation war diesem unter Berücksichtigung von Überlegungszeiten ein angemessener Zeitraum für die Durchführung einer Ersatzbeschaffungsmaßnahme zuzubilligen. Solange der Kläger über keine gesicherte Finanzierung für eine Ersatzbeschaffung verfügte, konnte er eine solche nicht vornehmen. Ferner ist ein passendes Fahrzeug auf dem Markt zu suchen. Daher kann für den Nachweis eines Nutzungswillens nicht verlangt werden, dass eine Ersatzbeschaffung unverzüglich vorzunehmen ist.
Daran ändert auch der vom Beklagten mehrfach angesprochene Umstand, dass der Kläger für die Zeit vom 01.06.2018 bis 16.06.2018 einen Mietwagen besaß, welchen er in der Folgezeit wieder zurückgab, nichts. Soweit der Beklagte in seiner Berufung und erneut im Schriftsatz vom 25.03.2020 ausführt, das OLG Düsseldorf habe in seinem Urteil vom 22.01.2007 – I – 1 U 151/06 (VVR 2007, 269 f.) einen solchen Umstand als ein Indiz für einen fehlenden Nutzungswillen gesehen, wird die Entscheidung unzutreffend wiedergegeben.
In dem Urteil des OLG Düsseldorf heißt es:
„Wird ein nach einem Unfallereignis gemieteter Ersatzwagen zurückgegeben, so ist dies kein [Anmerkung: Hervorhebung durch den Senat] Indiz dafür, dass der Geschädigte in der Folgezeit seinen eigenen Wagen ohne den Unfall nicht benutzt hätte; allein schon nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten Wagens sein Fahrzeug laufend in Gebrauch nimmt (OLG Celle VersR 1973, 717, 718)“.
Das OLG Düsseldorf kommt in seiner Entscheidung also gerade zu dem Ergebnis, dass die Rückgabe eines Mietwagens nicht für einen fehlenden Nutzungswillen spricht. Im Übrigen konnte der Kläger vorliegend überzeugend darlegen, dass im Hinblick auf die nicht erfolgte Regulierung seitens des Beklagten (bzw. dessen Regulierungsbeauftragten) wegen der fehlenden Geldmittel eine frühere Ersatzbeschaffung nicht möglich war. Die Einkommenslage des Klägers zwang ihn angesichts der bestehenden Verpflichtungen bezüglich des verunfallten Fahrzeugs nicht dazu, die unverständlich verzögerte Regulierung seitens des Schädigers bzw. dessen Versicherung abzufedern.
2. Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung
Voraussetzung für einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung über die gewöhnliche Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit hinaus ist im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB, dass der Geschädigte nicht in der Lage ist, ohne Erhalt der Entschädigung die Reparatur oder den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs vorrangig durch Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung (Senat, Hinweisverfügung nach § 522 II 1 ZPO vom 13.02.2007, 10 U 5484/06, – nicht veröffentlicht; Senat VersR 1984, 1054 = zfs 1984, 136; OLG Naumburg OLGR 2004, 390 = NJW 2004, 3191 = NZV 2005, 198 = DAR 2005, 158 = SP 2004, 235) oder hilfsweise durch Kreditaufnahme vorzufinanzieren (OLG Düsseldorf VersR 1998, 911 = SP 1998, 211; OLG Naumburg a.a.O.).
Eine Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen, ist ausnahmsweise nur dann zu bejahen, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2002, II ZR 355/00, – [juris]). In rechtlicher Hinsicht ist es grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Vielmehr hat der Schädiger grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat. Das Risiko, dem Geschädigten überhaupt zum Ersatz verpflichtet zu sein, trägt dabei der Schädiger, wie es umgekehrt zu Lasten des Geschädigten geht, wenn ein anfänglicher Streit über den Haftungsgrund später zu seinen Ungunsten geklärt wird (BGH, Urteil vom 26.05.1988, III ZR 42/87, – [juris]; OLG Naumburg Urt. v. 15.6.2017 – 9 U 3/17, BeckRS 2017, 142735).
Zwar trägt grundsätzlich der Schädiger die Beweislast für einen Verstoß des Geschädigten gegen die Schadensminderungspflicht und für dessen Schadensursächlichkeit. Da es aber hier um Umstände aus der Sphäre des Klägers geht, hat er darzulegen, inwiefern er nicht in der Lage ist, einen Kredit für die Ersatzbeschaffung eines Pkws zu erhalten (OLG Naumburg Urt. v. 15.6.2017 – 9 U 3/17, BeckRS 2017, 142735; OLG Düsseldorf OLGR 1997, 107; VersR 1998, 911; OLG Naumburg NJW 2004, 3191).
Dem kam der Kläger, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, mit dem gemäß Anlage K2 vorgelegten Schreiben nach.
Auf Seite 3 des Schreibens vom 14.06.2018 an die Haftpflichtversicherung führte der Kläger aus: „…Da mein Mandant keinen weiteren Bankkredit in Anspruch nehmen kann, ist er dringend auf die Reparaturkostenübernahmebestätigung oder die Zahlung angewiesen, um die Reparatur in Auftrag zu geben. Jegliche Verzögerung geht hier zu Ihren Lasten. Der Zeitraum für die Nutzungsausfallentschädigung wird sich hierdurch erhöhen.“
Damit hat der Kläger unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass ihm eine Finanzierung des Schadens unmöglich ist. Die Formulierung ist auch nicht zweifelhaft und kann nicht dahingehend missverstanden werden, der Kläger werde lediglich Vorfinanzierungskosten geltend machen. Dem widerspricht schon die klare Formulierung, dass sich der Zeitraum für die Nutzungsausfallentschädigung hierdurch erhöhen wird. Der Kläger sprach gerade nicht von einer Erhöhung von Finanzierungskosten. Weitere Angaben zu seiner finanziellen Situation hatte der Kläger nicht darzulegen.
Ferner hat der Kläger im Schriftsatz vom 14.07.2019 seine finanziellen Verhältnisse (vgl. Blatt 28 d. A.) auf das Bestreiten des Beklagten im Schriftsatz vom 16.06.2019 (vgl. Blatt 18 d. A.) dargelegt. Weitere Ausführungen sind nicht erforderlich. Eine Finanzierung mit Eigenmitteln war dem Kläger somit nicht zuzumuten, was das Landgericht zutreffend festgestellt hat.
Im Hinblick auf die Obliegenheit zur Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung teilt der Senat die Erwägungen des OLG Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2007 – I-1 U 52/07, juris), wonach der Geschädigte bei voller Haftung der Gegenseite in der Regel gerade keine Obliegenheit hat, aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht seine Vollkaskoversicherung zum Zwecke der Schadensregulierung in Anspruch zu nehmen.
Es gilt der Grundsatz, dass es vorrangig Sache des Schädigers ist, alsbald den Schaden zu beheben bzw. den hierzu erforderlichen Geldbetrag zu zahlen.
Entscheidender Gesichtspunkt bei der Frage, ob ein Geschädigter seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen hat, ist die Zumutbarkeit. Der Versicherungsnehmer einer Vollkaskoversicherung erkauft sich den Versicherungsschutz für die Fälle, in denen ihm ein nicht durch Dritte zu ersetzender Schaden verbleibt. Sinn und Zweck der Kaskoversicherung ist gerade nicht die Entlastung des Schädigers. Dementsprechend gilt im Rahmen der Vorteilsausgleichung allgemein der Grundsatz, dass Versicherungsleistungen an den Geschädigten (soweit der Anspruch nicht ohnehin nach § 86 VVG übergeht) den Schädiger nicht entlasten. Dieser allgemeine Rechtsgedanke ist im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen.
Sofern der Kläger bei der Behebung des Fahrzeugschadens seine Fahrzeugvollversicherung (Kaskoversicherung) in Anspruch nehmen würde, hat dies in der Regel eine Zurückstufung hinsichtlich des Schadenfreiheitsrabatts zur Folge. Der aus der Inanspruchnahme der Kaskoversicherung folgende Rabattverlust des Geschädigten, der auf dem Unfallereignis beruht, wäre zwar als adäquate Folge der Beschädigung des Fahrzeugs vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu ersetzen (BGHZ 44, 382, 387). Die hierbei vertretene Ansicht der Beklagtenseite, dass die Rückstufung durch eine Freistellung des Kaskoversicherers von dem Kaskoschaden aufgehoben werden könnte, lässt außer Betracht, dass zwar die Rückstufung als Schadensfolge feststeht, nicht jedoch gegenwärtig zu übersehen ist, ob und in welchem Umfang sich die Rückstufung in Zukunft nachteilig im Vermögen des Klägers auswirken wird (vgl. BGH, Urteil vom 03. Dezember 1991 – VI ZR 140/91). Daher ist ein vom Schädiger zu ersetzender Rabattverlust durch Rückstufung in der Fahrzeugvollkaskoversicherung nach der ständigen Rechtsprechung des BGH für die Zukunft regelmäßig nur mit der Feststellungsklage prozessual durchsetzbar (BGH NJW 1992, 1035). Der Geschädigte müsste also selbst in den Fällen, in denen die gegnerische Haftpflichtversicherung ihre Ersatzpflicht hinsichtlich des Rabattverlustes nicht bestreitet und es demnach gar nicht zu einem Feststellungsprozess kommt, diesen Schaden Jahr für Jahr aufs Neue berechnen, hierzu vorher mit der eigenen Kaskoversicherung korrespondieren und den Schaden jeweils geltend machen. Eine endgültige Abwicklung des Ursprungschadens würde so hinausgezögert. Dies ist im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf die Frage der Zumutbarkeit bleibt der Senat bei seiner Rechtsauffassung in der Entscheidung vom 02.03.1984 (vgl. Senat, VersR 1984, 1054). Die Frage der Zumutbarkeit ist dann zu Ungunsten des Geschädigten zu entscheiden, außer wenn von vornherein damit zu rechnen ist, dass er einen Teil seines Schadens selbst tragen muss, nicht aber in den Fällen, in denen die volle Haftung des Schädigers in Frage steht oder der Verlust des Schadenfreiheitsrabattes gleich oder höher als der zu tragende Schaden zu bewerten ist.
Aus dem Tatbestand ergibt sich, dass die Haftung der Beklagtenseite hier unstreitig ist. Damit hatte der Kläger nicht von vornherein damit zu rechnen, dass er Teile des Schadens selbst zu tragen hat. Die Inanspruchnahme seiner Vollkaskoversicherung musste er daher schon aus diesem Grunde nicht in Erwägung ziehen. Auf die weiteren Aspekte im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung braucht deswegen nicht mehr eingegangen werden.
Der Senat bleibt auch – trotz der Ausführungen der Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 25.03.2020 (Bl. 117 d. A.) – bei seiner Auffassung in der Verfügung vom 03.03.2020, wonach sich aus dem Schreiben des Klägers vom 14.06.2018 (Anlage K2) nicht ergibt, dass der Kläger seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen wollte.
Die Klageseite führt in dem Schreiben aus:
„Der Mandant ist vollkaskoversichert bei der A. Da mein Mandant keinen weiteren Bankkredit in Anspruch nehmen kann, ist er dringend auf die Reparaturkosten-Übernahmebestätigung oder die Zahlung angewiesen, um die Reparatur in Auftrag zu geben. Jegliche Verzögerung geht hier zu ihren Lasten. Der Zeitraum für die Nutzungsausfallentschädigung wird sich hierdurch erhöhen.“
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite enthält das Schreiben nur eine – wie es der Kläger im Schriftsatz vom 31.03.2020 (Bl. 120 d. A.) zum Ausdruck bringt – „standardmäßige“ Mitteilung über den Versicherungsstatus. Der Beklagte durfte dieser bloßen Mitteilung nicht den Willen des Klägers entnehmen, er werde zur Schadensgeringhaltung seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen. Dies ergibt sich zwanglos schon daraus, dass der der Mitteilung nachfolgende Hinweis zur fehlenden Finanzierungsmöglichkeit (s.o.) dann überflüssig gewesen wäre.
Der Kläger hat dementsprechend entsprechend der landgerichtlichen Entscheidung einen berechtigten Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 17.06.-24.09.2018 (100 Tage a‘ 119,00 €).
3. Nutzungsausfall neben Mietwagenkosten in der Zeit vom 01.06.-16.06.2018
Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass der Kläger nur eine Entschädigung für seine entgangenen Nutzungsmöglichkeiten geltend machen kann. Das Erstgericht führt daher folgerichtig aus, dass der Kläger für die Zeit vom 01.06.2018 bis 16.06.2018, in der er einem Mietwagen genutzt hat, dessen Kosten auch von der Beklagten übernommen wurden, keinen Nutzungsausfall beanspruchen kann (S. 5 des EU = Bl. 62 d. A.). Die Rechtsauffassung des Klägers, wonach der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen Mietwagenkosten und den im Sachverständigengutachten der DEKRA (Anlage K2 zur Klageschrift) bezifferten Nutzungsausfall ebenfalls erstattungsfähig sein soll, führt zu einer unzulässigen Verknüpfung konkreter und fiktiver Abrechnung. Verschafft sich der Geschädigte einen Ersatz, der seinen Nutzungsbedarf deckt, so darf er nicht zusätzlich zum Ersatz der Mietwagenkosten eine „Nutzungsausfallspitze“ geltend machen (vgl. Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, Kap. 3 Rd. 95 m.w.N.). Messbare Vermögenseinbußen trotz der Miete der Ersatzsache sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Der Kläger hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass das Landgericht fehlerhaft bei der Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 17.06.-24.09.2018 statt der berechtigten 11.900,00 € (100 Tage à 119,00 €) abzüglich einer vorprozessualen Zahlung in Höhe von 595,00 € (S. 9 der Klageschrift = Bl. 9 d. A.) lediglich 10.325,56 € zugesprochen hat, indem es die Mietwagenkosten in Höhe von 979,44 € für den Zeitraum 01.06.-16.06.2018 abgezogen hat. Da die Mietwagenkosten aber bereits bei der Bemessung des Zeitraums des berechtigten Nutzungsausfallschadens berücksichtigt wurden, steht dem Kläger insoweit ein weiterer Anspruch von 979,44 € zu (vgl. hierzu S. 2 der klägerischen Berufungsbegründung vom 22.01.2020 = Bl. 81 d. A.).
III. Standkosten
Das Erstgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf den Ersatz von Standkosten für mehr als 14 Tagen, welche bereits an den Kläger gezahlt wurden (vgl. Bl. 33 d.A.), angenommen.
Bei der Bemessung der Dauer der als angemessen anzusehenden Standzeit eines unfallbedingt beschädigten Kraftfahrzeugs hat sich der Geschädigte eine Kürzung oder sogar einen Ausschluss seines Schadenersatzanspruches gemäß § 254 II 1 BGB gefallen zu lassen, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Ihn trifft eine Mitverantwortung, wenn er vorwerfbar Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen hat, deren Erfüllung jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. April 2008 – I-1 U 212/07 mit Verweis auf BGH NJW 1997, 2234).
Vorliegend hat die Beklagtenpartei zu Recht auf einen Verstoß des Klägers gegen seine Schadensminderungspflicht hingewiesen, da dieser trotz vorliegender Restwertangebote nach dem Gutachten der DEKRA vom 06.06.2018 mit dem Verkauf des Fahrzeugs bis zum Vorliegen der Regulierungszusage der Beklagten abgewartet hatte. Hierdurch ergab sich eine Standzeit des Fahrzeugs vom 01.06.2018 bis 28.08.2018.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht sein Schreiben vom 14.06.2018 an die Haftpflichtversicherung (Anlage K2) berufen, wonach erst die Regulierungszusage der Beklagten abgewartet werden sollte, bevor eine Entscheidung über die Verwertung des Fahrzeugs getroffen werden konnte. Für die weitere Aufbewahrung eines beschädigten Fahrzeugs ist der Sinn und Zweck der Aufbewahrung zu beachten, welcher in der Schadensfeststellung liegt. Sofern für diese das Fahrzeug nicht weiter benötigt wird, verstößt der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht.
Der Unfall ereignete sich am 01.06.2018. Das Schadensgutachten der Dekra wurde am 06.06.2018 erstellt. Mit der Besichtigung durch den Sachverständigen in Verbindung mit der erfolgten Schadensdokumentation war vorliegend das zur Schadensfeststellung Erforderliche zunächst getan. Angesichts der Unfallsituation und des vorliegenden Schadensbildes ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Gutachtens unter Zubilligung einer Überlegungsfrist sichergehen konnte, dass die Schäden und der Wiederbeschaffungswert ausreichend dokumentiert waren. Die unterbliebene Verwertung des Restwertes mit den dann anfallenden weiteren Standkosten für das reparaturunwürdige Fahrzeug stellt sich danach als Verletzung der Schadensminderungspflicht dar. Maßgeblich für die Frage, ob dem Geschädigten die Verwertung des Pkw zumutbar ist, ist, ob dadurch der Kläger einen Beweisnachteil bei dem Versuch der Durchsetzung seiner Schadensersatzforderung gegen den Beklagten zu befürchten gehabt hätte und zwar aus ex ante Betrachtung eines vernünftigen, auch die berechtigten Belange des Beklagten und seine Schadensminderungspflicht beachtenden Geschädigten (vgl. Senat, Urteil vom 15. Februar 2019 – 10 U 1330/18 –, [juris]). In besonders gelagerten Fällen, etwa beim Verdacht der Unfallmanipulation oder wenn der Unfallhergang als solcher streitig ist und eine beweissichere Dokumentation durch Fotos nicht möglich ist, kann es sein, dass dem Geschädigten die Verwertung mit der Gefahr damit verbundener Beweisnachteilen nicht zumutbar ist (vgl. Senat, Urt. v. 17.04.2009, Az. 10 U 5690/08). So liegt der Fall vorliegend aber nicht und auch im weiteren Verlauf wurden Einwendungen zum Unfallhergang oder zur Ermittlung der Fahrzeugwerte nicht erhoben.
IV. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Das Erstgericht hat zu Recht eine Geschäftsgebühr von 1,3 für die außergerichtlichen Kosten des Klägers als angemessen erachtet. Insoweit steht das Erstgericht mit der Systematik des RVG und der ganz herrschenden Rechtsprechung, auch des Senats, und der Literatur im Einklang.
Nach § 14 I 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren, zu der auch die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zählt, der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen.
Bei der Bemessung kann in der Regel von der in Literatur und Rechtsprechung geschaffenen Mittelgebühr ausgegangen werden, die den „Normalfall“ erfassen soll (vgl. Winkler in Maier/Kroiß, 7. Aufl. 2018, RVG § 14 Rn. 39). Bei der Vergütungsnummer 2300 läge die Mittelgebühr demnach bei einem Satzrahmen von 0,5 bis 2,5 bei 1,5 (vgl. Winkler in Maier/Kroiß, a.a.O., § 14 Rn. 40). Hier vollzieht der Gesetzgeber aber einen Systembruch (vgl. Winkler in Maier/Kroiß, a.a.O., § 14 Rn. 43).
Unter Nr. 2300 heißt es ausdrücklich:
„Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit schwierig oder umfangreich war“.
Hierdurch ist das Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts eingeengt: Die als sogenannte „Schwellengebühr“ bezeichnete 1,3fachen Gebühr kann bei überdurchschnittlicher Bedeutung der Angelegenheit oder überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers nicht überschritten werden, sondern nur dann wenn alternativ die zusätzlichen Merkmale des Umfangs oder der Schwierigkeit der Tätigkeit vorliegen (vgl. Winkler in Maier/Kroiß, a.a.O., § 14 Rn. 43). Umgekehrt bedeutet dies, dass wenn die Rechnung auf diese zusätzlichen Merkmale nicht Bezug nimmt, jedenfalls die Gebühr mit 1,3 anzusetzen ist.
Die ganz herrschende Rechtsprechung geht davon aus, dass es sich bei der Abwicklung eines „durchschnittlichen“ bzw. „normalen“ Verkehrsunfalls auch nach Inkrafttreten des RVG grundsätzlich um eine durchschnittliche Angelegenheit handelt, bei der die Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angemessen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 420; so auch Senat, Hinweis vom 19.04.2006 im Verfahren 10 U 1613/06; vgl. ferner die Rechtsprechungsübersichten in DAR 2006, 58 f., NJW 2006, 1477 ff. und in MittBl. der Arge VerkR 2006, 53 ff.).
Der Senat sieht auch in Anbetracht der Ausführungen in der Berufungsbegründung des Klägers keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern. Insoweit teilt der Senat auch die Ausführungen des Beklagten in seiner Berufungserwiderung (vgl. Bl. 96/97 d. A.). Bei dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit kann gerade nicht nur auf die aufgewendete Stundenanzahl abgestellt werden, die für die Anfertigung von Anwaltsschriftsätzen aufgewendet wurde (vgl. Teubel in Maier/Kroiß, a.a.O., Nr. 2300 RVG VV Rn. 34). Im Übrigen wurde der Inhalt der eingereichten Stundennachweise von dem Beklagten bestritten. Auch aus der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger lässt sich keine Abweichung von der 1,3-fachen Gebühr ableiten. Insbesondere wurde kein „besonderes Affektionsinteresse“ dargelegt, welches im Einzelfall geeignet wäre, der Angelegenheit eine überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen (vgl. Teubel in Maier/Kroiß, a.a.O., Nr. 2300 RVG VV Rn. 33). Letztlich kann auch unter dem Gesichtspunkt der „Schwierigkeit“ der Sache, keine Abweichung vom Durchschnitts-Verkehrsunfall hergeleitet werden. Insbesondere rechtfertigt weder der Umstand, dass unterschiedliche Regulierungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen waren, noch der Umstand, dass bis zur Regulierung mehrere Wochen vergingen, die Festsetzung einer höheren Geschäftsgebühr. Unerheblich ist auch, ob es sich bei dem Rechtsanwalt um einen solchen mit besonderer Spezialisierung im Bereich des Verkehrsrechts (Fachanwalt) handelt oder nicht (vgl. Teubel in Maier/Kroiß, a.a.O., Nr. 2300 RVG VV Rn. 25).
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
VII. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.