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Verkehrsunfall – gravierender Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO

Ein riskantes Wendemanöver in Hamburg endete mit Blechschaden und einer komplizierten Frage der Schuld. Wer trägt die Hauptverantwortung, wenn Rückwärtsfahren und Wenden gleichzeitig zum Crash führen? Das Gericht musste entscheiden, wer „sehenden Auges“ in die Gefahr fuhr und wie die Schadenlast verteilt wird.

Übersicht:

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Hamburg
  • Datum: 19.12.2024
  • Aktenzeichen: 323 S 22/23
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Bürgerliches Recht
  • Beteiligte Parteien:
  • Klägerin: Fordert Schadensersatz von der Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls.
  • Beklagte: Wird von der Klägerin auf Schadensersatz verklagt und legte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts ein.
  • Um was ging es?
  • Sachverhalt: Es geht um einen Verkehrsunfall vom 08.10.2022, bei dem die Klägerin Schäden erlitten hat und Schadensersatz von der Beklagten fordert.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Höhe des Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte ist strittig.
  • Was wurde entschieden?
  • Entscheidung: Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf wurde teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 311,17 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
  • Begründung: Die Beklagte haftet für die entstandenen Schäden der Klägerin in Höhe einer Quote von 70%.
  • Folgen: Die Klägerin erhält einen Teil des geforderten Schadensersatzes. Die Kosten des Rechtsstreits werden zwischen Klägerin (84%) und Beklagter (16%) aufgeteilt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


Verkehrsunfall in Hamburg: Gericht urteilt über Schuldfrage und Schadensersatz nach Wendemanöver

Unfall auf einer Hamburger Straße: Fahrer macht U-Turn und kollidiert mit entgegenkommendem Fahrzeug.
Haftungsfrage und Schadensersatz nach Verkehrsunfall | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Landgericht Hamburg hat in einem aktuellen Urteil (Az.: 323 S 22/23) über die Haftungsfrage nach einem Verkehrsunfall entschieden, bei dem es um die Auslegung von grundlegenden Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr ging. Im Zentrum stand die Frage, inwieweit ein Wendemanöver und ein gleichzeitig stattfindendes Rückwärtsausparken zu dem Zusammenstoß führten und wie die Verantwortlichkeit zwischen den Beteiligten aufzuteilen ist. Das Gericht musste dabei die jeweiligen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) abwägen und den Schadensersatzanspruch festlegen.

Worum ging es in dem Fall vor dem Landgericht Hamburg?

Gegenstand des Rechtsstreits war ein Verkehrsunfall, der sich am 08. Oktober 2022 in Hamburg ereignete. Eine Klägerin forderte Schadensersatz von einer Beklagten aufgrund von Schäden an ihrem Fahrzeug. Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hatte zuvor in erster Instanz bereits ein Urteil gefällt (Az.: 408 C 9/23), gegen welches die Beklagte Berufung beim Landgericht einlegte. Das Landgericht musste nun die Entscheidung des Amtsgerichts überprüfen und in der Sache neu urteilen.

Kern des Urteils: Schwerer Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO durch Wendemanöver

Das Landgericht Hamburg kam zu dem Schluss, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs einen gravierenden Verstoß gegen § 9 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) begangen hat. Diese Vorschrift regelt das Verhalten beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren und schreibt vor, dass sich der Fahrzeugführer dabei so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs diese Sorgfaltspflicht in erheblichem Maße missachtet hatte.

Mit „sehenden Augen“ in die Gefahr: Vorwurf der groben Fahrlässigkeit

Die Richter am Landgericht formulierten es drastisch: Der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs habe die gefährliche Verkehrssituation „gewissermaßen sehenden Auges herbeigeführt“. Dies impliziert, dass die Gefahr eines Zusammenstoßes für den Fahrer erkennbar war, er diese aber dennoch ignorierte oder falsch einschätzte. Diese Einschätzung des Gerichts deutet auf ein besonders rücksichtsloses oder unaufmerksames Verhalten des Fahrers hin, was die deutliche Haftungsquote der Beklagten begründet.

Teilschuld des Rückwärtsfahrenden: Verstoß gegen grundlegende Sorgfaltspflicht

Obwohl das Gericht den Hauptanteil der Schuld beim Fahrer des Beklagtenfahrzeugs sah, wurde auch dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs, Zeuge M., ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO angelastet. Dieser wollte rückwärts in eine Parklücke einparken. Das Gericht argumentierte, dass auch beim Rückwärtsfahren eine ständige Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraums erforderlich ist. Diese Sorgfaltspflicht sei von Zeuge M. nicht ausreichend beachtet worden, was zu einer Teilschuld führte.

Ständige Beobachtungspflicht beim Rückwärtsfahren: Mehr als nur ein kurzer Blick zurück

Das Gericht stellte klar, dass die Pflicht zur Rückschau beim Rückwärtsfahren nicht mit einem einmaligen Blick in den Rückspiegel getan ist. Vielmehr erfordere es eine ständige Beobachtung des Bereichs hinter dem Fahrzeug während des gesamten Rückwärtsfahrvorgangs. Dies diene dazu, auch Verkehrsteilnehmer zu bemerken, die sich erst während des Einparkmanövers nähern. Die Richter betonten, dass man sich vergewissern müsse, dass der Gefahrraum hinter dem Fahrzeug frei ist und auch frei bleibt.

Kollisionsort entscheidend: Beklagtenfahrzeug bereits deutlich im Gefahrenbereich

Ein wichtiger Punkt in der Urteilsbegründung war der Ort der Kollision. Das Gericht stellte fest, dass der Erstkontakt zwischen den Fahrzeugen im Bereich der hinteren linken Tür des klägerischen Fahrzeugs stattfand. Dies, so das Gericht, zeige, dass sich das Beklagtenfahrzeug bereits mit der vorderen Hälfte – und damit deutlich erkennbar – hinter dem klägerischen Fahrzeug befand, bevor es zum Zusammenstoß kam. Dieser Umstand untermauerte die Einschätzung des Gerichts, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs die Situation falsch eingeschätzt oder ignoriert hatte.

Haftungsverteilung: 70% zu 30% – Deutliche Überwiegende Verantwortung des Wendenden

Aufgrund der festgestellten Verstöße und der Gewichtung der jeweiligen Fahrlässigkeit legte das Landgericht eine Haftungsquote von 70% zu Lasten der Beklagten und 30% zu Lasten der Klägerin fest. Dies bedeutet, dass die Beklagte für 70% des entstandenen Schadens aufkommen muss, während die Klägerin 30% selbst tragen muss. Diese Aufteilung spiegelt die Einschätzung des Gerichts wider, dass der gravierende Verstoß des Wendenden deutlich schwerer wiegt als die Sorgfaltspflichtverletzung des Rückwärtsfahrenden.

Berechnung des Schadensersatzes: Reparaturkosten, Gutachter und Kostenpauschale

Das Gericht berechnete den zu ersetzenden Schaden auf Basis der unstreitig gestellten Reparaturkosten (netto 4.451,80 €), der Gutachterkosten (862,16 €) und einer Kostenpauschale von 20,00 €. Insgesamt ergab sich ein Betrag von 3.733,77 €. Da bereits vorgerichtlich 3.422,60 € reguliert wurden, verurteilte das Gericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 311,17 € nebst Zinsen. Der Zinsanspruch basiert auf dem rechtlichen Grundsatz des Verzuges.

Kein Anspruch auf zusätzliche Anwaltskosten: Streitwert bereits angemessen berücksichtigt

Einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz weiterer vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,26 € wies das Gericht ab. Es argumentierte, dass der bereits regulierte Betrag die Anwaltskosten im Verhältnis zum berechtigten Gegenstandswert von 3.733,77 € bereits angemessen abdeckte. Somit sah das Gericht keine Grundlage für eine weitere Erstattung von Anwaltskosten.

Revision nicht zugelassen: Keine grundsätzliche Bedeutung des Falls

Das Landgericht Hamburg ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Dies bedeutet, dass der Fall in der Regel nicht mehr vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt wird. Die Richter begründeten dies damit, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Es handelte sich somit um eine Einzelfallentscheidung, die auf der spezifischen Würdigung der Umstände des konkreten Unfalls beruht.

Bedeutung für Betroffene: Sorgfaltspflichten beim Wenden und Rückwärtsfahren im Fokus

Das Urteil des Landgerichts Hamburg unterstreicht die hohe Bedeutung der Sorgfaltspflichten beim Wenden und Rückwärtsfahren im Straßenverkehr. Es macht deutlich, dass Fahrzeugführer, die solche Manöver durchführen, eine besondere Verantwortung tragen, um Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Gerade beim Wenden und Rückwärtsfahren ist eine ständige und aufmerksame Beobachtung des Verkehrsraums unerlässlich. Das Urteil zeigt, dass Verstöße gegen diese Pflichten zu einer erheblichen Haftung im Falle eines Unfalls führen können, selbst wenn auch andere Verkehrsteilnehmer eine Teilschuld tragen. Fahrzeugführer sollten sich daher stets der Risiken dieser Fahrmanöver bewusst sein und äußerste Vorsicht walten lassen, um Unfälle und die damit verbundenen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen zu vermeiden.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass bei einem Unfall während eines Einparkvorgangs die Haftungsverteilung von den spezifischen Sorgfaltspflichtverletzungen aller Beteiligten abhängt. Entscheidend ist hier, dass auch ein Rückwärtseinparkender eine ständige Beobachtungspflicht des rückwärtigen Verkehrsraums hat und nicht nur eine einmalige Rückschau genügt. Bei einem Zusammenstoß mit einem einfahrenden Fahrzeug wird die Haftung daher nicht vollständig dem einfahrenden Fahrzeug zugewiesen, sondern nach Verursachungsbeiträgen aufgeteilt – in diesem Fall 70:30 zulasten des einfahrenden Fahrzeugs.

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FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche allgemeinen Pflichten habe ich als Verkehrsteilnehmer, um einen Unfall zu vermeiden?

Als Verkehrsteilnehmer haben Sie allgemeine Pflichten, die Sie einhalten müssen, um Unfälle zu vermeiden und die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten. Diese Pflichten basieren auf der Straßenverkehrsordnung (StVO), insbesondere auf § 1, der besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer sich so verhalten muss, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird.

Wichtige Pflichten umfassen:

  • Vorausschauendes Fahren: Passen Sie Ihre Fahrweise an die Verkehrsbedingungen an, wie Wetter oder Straßenzustand.
  • Ablenkung vermeiden: Vermeiden Sie Ablenkungen wie das Nutzen von Mobiltelefonen während der Fahrt.
  • Sicherheitsabstand halten: Ein ausreichender Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug kann helfen, Auffahrunfälle zu vermeiden.
  • Vorfahrtsregeln beachten: Respektieren Sie die Vorfahrt anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere an Kreuzungen und Einmündungen.

Diese Pflichten sind entscheidend, um Unfälle zu vermeiden und die Haftungsfrage nach einem Unfall zu klären. Wenn Sie gegen diese Regeln verstoßen, können Sie für den Unfall verantwortlich gemacht werden und müssen möglicherweise Schadensersatz leisten.

Stellen Sie sich vor, Sie fahren an einer Kreuzung und sehen ein „Rechts-vor-Links“-Schild. Hier müssen Sie anhalten und den von rechts kommenden Verkehr passieren lassen, um Unfälle zu vermeiden. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Vorfahrtsregeln zu beachten.

In einem solchen Fall kann die Missachtung von Vorfahrtsregeln zu rechtlichen Konsequenzen führen, da derjenige, der die Vorfahrt missachtet, in der Regel die Hauptschuld am Unfall trägt.


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Was bedeutet „Haftung“ bei einem Verkehrsunfall und welche Arten von Schäden werden ersetzt?

Haftung bei einem Verkehrsunfall bedeutet, dass die Person, die den Unfall verursacht hat, für die entstandenen Schäden verantwortlich ist und diese ersetzen muss. Die Haftung kann sich auf verschiedene Arten von Schäden beziehen, darunter materielle Schäden wie Sachschäden an Fahrzeugen oder Gebäuden sowie immaterielle Schäden wie Personenschäden oder Schmerzensgeld.

Haftungsprinzipien

Die Haftung basiert auf zwei Hauptprinzipien:

  1. Verschuldenshaftung: Hier haftet derjenige, der den Unfall durch ein schuldhaftes Verhalten verursacht hat. Dies kann Fahrlässigkeit oder Vorsatz sein.
  2. Gefährdungshaftung: Diese Haftung greift unabhängig von einem Verschulden, wenn der Unfall durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht wurde. Sie ist in § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) geregelt.

Arten von Schäden

Typischerweise werden folgende Arten von Schäden ersetzt:

  • Reparaturkosten: Kosten für die Reparatur beschädigter Fahrzeuge oder Gebäude.
  • Wertminderung: Der Wertverlust eines Fahrzeugs nach einem Unfall.
  • Schmerzensgeld: Eine Entschädigung für erlittene körperliche oder seelische Schäden.
  • Nutzungsausfall: Kosten, die entstehen, wenn ein Fahrzeug aufgrund eines Unfalls nicht genutzt werden kann.

Haftungsquoten

In vielen Fällen wird die Haftung prozentual aufgeteilt, wenn beide Parteien am Unfall beteiligt sind. Dies bedeutet, dass jeder Beteiligte entsprechend seiner Haftungsquote für die Schäden aufkommt. Die Haftungsquote wird durch Gerichte festgelegt, indem sie alle Umstände des Unfalls berücksichtigen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einen Unfall verwickelt, bei dem beide Parteien schuld sind. In diesem Fall wird die Haftung entsprechend der jeweiligen Mitschuld aufgeteilt. Wenn Sie beispielsweise zu 60 % für den Unfall verantwortlich sind, müssen Sie 60 % der Schäden ersetzen. Die restlichen 40 % trägt die andere Partei.


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Was bedeutet „Teilschuld“ und wie beeinflusst sie den Schadensersatzanspruch?

Teilschuld bedeutet, dass mehrere Parteien an einem Schaden beteiligt sind und jeweils einen Anteil der Verantwortung tragen. Dies kann in verschiedenen rechtlichen Kontexten auftreten, beispielsweise bei Verkehrsunfällen oder bei Verträgen. In einem Verkehrsunfall kann eine Teilschuld vorliegen, wenn beide Beteiligten zum Unfallgeschehen beigetragen haben.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage für die Ermittlung der Teilschuld bei Verkehrsunfällen findet sich im § 254 BGB, der das Mitverschulden des Geschädigten regelt. Hier wird festgelegt, dass der Schadensersatzanspruch entsprechend dem Grad der Verantwortlichkeit gekürzt wird, wenn der Geschädigte durch sein eigenes Verhalten zur Schadensentstehung beigetragen hat.

Auswirkungen auf den Schadensersatz

Wenn eine Teilschuld vorliegt, wird der Schadensersatzanspruch anteilig gekürzt. Dies bedeutet, dass der Geschädigte nur den Anteil des Schadens ersetzt bekommt, der dem Verursacher zuzurechnen ist. Die prozentuale Aufteilung der Schuld wird in der Regel durch Versicherungen oder im Streitfall durch ein Gericht festgelegt.

Beispiele

Stellen Sie sich vor, Sie sind in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem beide Beteiligten zur Hälfte schuld sind. Die Reparaturkosten für Ihr Fahrzeug betragen 1.000 €. In diesem Fall würde die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners 500 € übernehmen, da die Schuld zu 50 % verteilt ist. Sie müssten den Restbetrag von 500 € selbst tragen, es sei denn, Sie haben eine Vollkaskoversicherung, die die vollen Reparaturkosten übernimmt und dann versucht, den anteiligen Betrag von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zurückzufordern.

Vollkaskoversicherung und Teilschuld

Eine Vollkaskoversicherung kann bei einem Unfall mit Teilschuld hilfreich sein, da sie die vollen Reparaturkosten übernimmt. Allerdings muss die Selbstbeteiligung gezahlt werden. Der Restbetrag kann dann über die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geltend gemacht werden.


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Wie wird die Schuldfrage nach einem Verkehrsunfall geklärt und welche Rolle spielen Zeugen und Gutachten?

Die Klärung der Schuldfrage nach einem Verkehrsunfall ist entscheidend für die Schadensregulierung. Hierbei spielt die Beweislast eine zentrale Rolle: Derjenige, der Schadensersatz fordert, muss den Unfall und die Schuld des Unfallgegners beweisen. Dies bedeutet, dass Sie als Geschädigter nachweisen müssen, dass der Unfall durch das Verhalten des anderen Beteiligten verursacht wurde und dass dieser Schaden daraus resultiert.

Beweismittel

Um die Schuldfrage zu klären, sind verschiedene Beweismittel wichtig:

  • Fotos und Videos: Diese helfen, den Unfallhergang und die Schäden zu dokumentieren.
  • Zeugenaussagen: Zeugen können den Unfallhergang beschreiben und sind oft entscheidend für die Klärung der Schuldfrage.
  • Polizeibericht: Ein polizeilicher Unfallbericht kann wertvolle Informationen enthalten, die zur Klärung der Schuldfrage beitragen.
  • Sachverständigengutachten: Ein unabhängiges Gutachten kann den Schaden bewerten und den Unfallhergang rekonstruieren, um die Schuldfrage zu klären.

Rolle von Zeugen und Gutachten

Zeugen sind besonders wichtig, da sie den Unfallhergang aus neutraler Sicht beschreiben können. Gutachten von Sachverständigen sind entscheidend, um den Unfallhergang technisch zu rekonstruieren und die Schuldfrage zu klären. Ein Gutachten kann beispielsweise feststellen, ob ein Fahrzeug die Richtgeschwindigkeit überschritten hat und ob dies ursächlich für den Unfall war.

In einem solchen Fall ist es wichtig, dass Sie als Geschädigter direkt am Unfallort Beweise sammeln und Zeugen befragen. Ein voreiliges Schuldanerkenntnis sollte vermieden werden, da dies negative Auswirkungen auf die Schadensregulierung haben kann.


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Welche Rolle spielt die Straßenverkehrsordnung (StVO) bei der Haftungsfrage nach einem Verkehrsunfall?

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Haftungsfrage nach einem Verkehrsunfall. Verstöße gegen die StVO können erhebliche Auswirkungen auf die Haftungsverteilung haben, da sie als Indiz für eine schuldhafte Verursachung des Unfalls gelten. Wenn ein Verkehrsteilnehmer gegen eine Vorschrift der StVO verstößt, wird zunächst vermutet, dass er schuldhaft gehandelt hat. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, indem nachgewiesen wird, dass der Unfall auch bei Beachtung der Verkehrsregeln unvermeidbar gewesen wäre.

Stellen Sie sich vor, Sie missachten ein Stoppschild und es kommt zu einem Unfall. In diesem Fall müssten Sie beweisen, dass der Unfall auch bei Beachtung des Stoppschilds unvermeidbar gewesen wäre, um Ihre Schuld zu entkräften. Ein Verstoß gegen die StVO führt jedoch nicht automatisch zu einer alleinigen Haftung. Stattdessen wird der Verstoß im Zusammenhang mit den gesamten Umständen des Einzelfalls betrachtet.

Beispiel: Wenn Sie mit überhöhter Geschwindigkeit fahren und in einen Unfall verwickelt werden, kann dies dazu führen, dass Sie den Großteil oder sogar die gesamte Haftung tragen müssen – selbst wenn der andere Unfallbeteiligte ebenfalls einen Fehler gemacht hat. Die genaue Haftungsquote hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und wird oft durch Gerichtsurteile festgelegt.

Rechtliche Grundlagen

Die Haftung bei Verkehrsunfällen wird im Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelt. § 7 StVG besagt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden haftet, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen. § 18 StVG regelt die Haftung des Fahrers, wenn dieser personenverschieden vom Halter ist. Die StVO selbst enthält zahlreiche Regelungen, die das Verhalten im Straßenverkehr bestimmen, wie z.B. das Verbot des Rechtsüberholens in § 5 Abs. 1 StVO. Ein Verstoß gegen diese Regelungen kann die Haftungsquote erheblich beeinflussen.

Beweislast und Anscheinsbeweis

Bei bestimmten Verstößen gegen die StVO, wie dem Auffahren auf ein stehendes Fahrzeug, kann der Anscheinsbeweis zum Tragen kommen. Dies bedeutet, dass bestimmte Tatsachen als bewiesen gelten, solange nicht das Gegenteil nachgewiesen wird. In solchen Fällen wird vermutet, dass der Unfall durch das Fehlverhalten des Verstoßenden verursacht wurde.

Praktische Konsequenzen

In der Praxis bedeutet dies, dass Sie als Betroffener nach einem Unfall Beweise sichern sollten, um Ihre Position zu stärken. Dazu gehören Fotos vom Unfallort, Zeugenaussagen und gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten. Diese Beweise sind entscheidend für die spätere Haftungsverteilung und können dazu beitragen, Ihre Schuld zu entkräften oder die Schuld des anderen Beteiligten zu erhärten.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Berufungsverfahren

Ein Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittelverfahren, mit dem eine Partei gegen ein erstinstanzliches Urteil vorgeht. Es ermöglicht eine erneute inhaltliche Überprüfung des Falles durch ein höherrangiges Gericht. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Urteilszustellung eingelegt werden und ist an bestimmte formale Voraussetzungen geknüpft. Die rechtliche Grundlage findet sich in den §§ 511-541 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Beispiel: Im vorliegenden Fall legte die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf ein, woraufhin das Landgericht Hamburg als Berufungsinstanz die Sache neu verhandelte und zu einer teilweise abgeänderten Entscheidung kam.


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Schadensersatzanspruch

Ein Schadensersatzanspruch ist das Recht einer geschädigten Person, vom Schädiger den Ausgleich eines erlittenen Schadens zu verlangen. Grundlage kann eine Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung sein. Im Straßenverkehr ergibt sich der Anspruch meist aus § 823 BGB (unerlaubte Handlung) oder § 7 StVG (Gefährdungshaftung). Der Anspruch umfasst die Wiederherstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

Beispiel: Die Klägerin forderte nach dem Verkehrsunfall Schadensersatz von der Beklagten für die Reparaturkosten ihres beschädigten Fahrzeugs.


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Haftungsquote

Die Haftungsquote bezeichnet die prozentuale Aufteilung der Verantwortung zwischen den an einem Schadensereignis beteiligten Parteien. Sie wird bei Mitverschulden nach § 254 BGB festgelegt und berücksichtigt, inwieweit jede Partei durch ihr Verhalten zum Schaden beigetragen hat. Die Quote bestimmt, welchen Anteil des Gesamtschadens jede Partei zu tragen hat.

Beispiel: Im vorliegenden Fall legte das Gericht eine Haftungsverteilung von 70:30 fest, wobei die Beklagte 70% des Schadens tragen musste, da ihr Wendemanöver als risikoreicher eingestuft wurde als das Rückwärtsausparken der Klägerin.


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Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr

Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr sind gesetzlich verankerte Verhaltensanforderungen, die alle Verkehrsteilnehmer befolgen müssen, um Gefährdungen zu vermeiden. Die grundlegende Sorgfaltspflicht ergibt sich aus § 1 StVO, wonach jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Für bestimmte Verkehrssituationen gelten spezielle Sorgfaltspflichten.

Beispiel: Beim Rückwärtseinparken besteht eine erhöhte Sorgfaltspflicht mit ständiger Beobachtungspflicht des rückwärtigen Verkehrsraums; eine einmalige Rückschau genügt nicht, wie das Gericht im vorliegenden Fall betonte.


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Beobachtungspflicht

Die Beobachtungspflicht bezeichnet die rechtliche Verpflichtung eines Verkehrsteilnehmers, seinen Verkehrsraum kontinuierlich und aufmerksam zu überwachen. Diese Pflicht ist besonders streng bei Fahrmanövern mit erhöhtem Risiko wie Rückwärtsfahren, Wenden oder Einparken. Sie leitet sich aus § 1 StVO ab und wird durch Rechtsprechung konkretisiert. Eine Verletzung der Beobachtungspflicht kann zur Haftung bei Unfällen führen.

Beispiel: Das Gericht betonte im Urteil, dass beim Rückwärtseinparken eine ständige Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraums erforderlich ist und nicht nur eine einmalige Rückschau genügt.


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Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die vorläufige Vollstreckbarkeit bezeichnet die Möglichkeit, ein Gerichtsurteil bereits vor seiner Rechtskraft zu vollstrecken. Dies ist in § 708 ZPO geregelt. Der Gläubiger kann also unmittelbar nach Urteilsverkündung Vollstreckungsmaßnahmen einleiten, auch wenn noch Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden können oder bereits eingelegt wurden. Allerdings kann vom Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen Vollstreckungsschutz beantragt werden.

Beispiel: Im vorliegenden Fall wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt, sodass die Klägerin den zugesprochenen Schadensersatz bereits vor Rechtskraft des Urteils einfordern kann.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • §§ 7, 17, 18 StVG: Das Straßenverkehrsgesetz regelt die Haftung des Fahrzeughalters und -führers bei Verkehrsunfällen. Es legt fest, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich für Schäden haftet, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, und regelt die Haftungsverteilung, wenn mehrere Fahrzeuge beteiligt sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Paragraphen bilden die Grundlage für den Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte als Halterin des anderen Fahrzeugs, wobei die Haftungsquote von 70% bestimmt wurde.
  • § 9 Abs. 5 StVO: Diese Vorschrift der Straßenverkehrsordnung schreibt besondere Sorgfalt beim Rückwärtsfahren vor. Wer zurücksetzt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist und sich notfalls einweisen lassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sah hier einen Verstoß des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs, da er beim Rückwärtsfahren nicht die erforderliche ständige Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraums vornahm, was zu einer Mithaftung führte.
  • § 3 Abs. 1 StVO: Diese allgemeine Regelung der Straßenverkehrsordnung fordert von allen Verkehrsteilnehmern, sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Es statuiert die grundlegende Pflicht zur Rücksichtnahme im Straßenverkehr. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dem Fahrer des Beklagtenfahrzeugs wurde ein Verstoß gegen diese allgemeine Sorgfaltspflicht vorgeworfen, da er die gefährliche Situation sehenden Auges herbeiführte, was seine überwiegende Haftung begründete.
  • § 823 Abs. 1 BGB: Diese Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches begründet einen Schadensersatzanspruch, wenn jemand das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein anderes Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Sie ist die allgemeine Grundlage für Schadensersatzansprüche im deutschen Recht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Ergänzend zum StVG wird der Schadensersatzanspruch der Klägerin auch auf diese allgemeine Anspruchsgrundlage gestützt, da durch den Verkehrsunfall ihr Eigentum (das Fahrzeug) beschädigt wurde.
  • §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB: Diese Paragraphen regeln den Verzug und den Verzugszins im Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Schuldner in Verzug gerät und welche Zinsen der Gläubiger dann auf die ausstehende Summe verlangen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Auf Basis dieser Vorschriften wurde der Beklagten die Zahlung von Verzugszinsen auf den noch offenen Schadensersatzbetrag zugesprochen, da sie mit der Zahlung in Verzug geraten war.

Das vorliegende Urteil


LG Hamburg – Az.: 323 S 22/23 – Urteil vom 19.12.2024


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