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Unfallversicherung – Anfechtung wegen Vorerkrankungen

Saarländisches Oberlandesgericht

Az: 5 U 90/11

Urteil vom 05.10.2011


I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.2.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 12 O 16/09 – wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 85.000 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag.

Den Versicherungsantrag stellte der Kläger am 16.2.2004 (Bl. 1 des Anlagenbandes zu Bl. 24 ff.). Er selbst sollte Versicherungsnehmer sein, versicherte Personen seine Ehefrau M. S., seine Tochter A. S. (geboren am … 1979) und sein Sohn J. S. (geboren am … 1982). Als Antwort zu der Frage nach Krankheiten der versicherten Personen in den letzten vier Jahren wurde im Versicherungsantrag „nein“ angekreuzt (Bl. 218 d. A.). Der Antrag wurde vom Kläger, seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern unterschrieben (Bl. 218 Rs. d. A.).

Der Vertrag wurde mit Vertragsbeginn zum 1.4.2004 policiert (Versicherungsschein Nummer 1…, Bl. 4 d. A.). Ihm wurden unter anderem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen „Unfall-Plus-2001“ (Bl. 7 d. A.) der Beklagten zu Grunde gelegt.

Am 7.6.2006 erlitt die Versicherte A. S. einen Verkehrsunfall, dessen Folgen Gegenstand der im hiesigen Rechtsstreit vom Kläger als Versicherungsnehmer für seine Tochter geltend gemachten Ansprüche sind (Bl. 2 d. A.).

Mit Schreiben vom 22.4.2007 wurde ein weiterer Versicherungsfall angezeigt, diesmal den Sohn des Klägers betreffend (zum diesbezüglichen Schriftwechsel siehe Bl. 11 ff. des Anlagenbandes zu Bl. 24 ff.). Im Schadensanzeigeformular war unter Ziffer 7 „Vorerkrankung und Vorunfälle“ eine „Persönlichkeitsstörung“ und „Depression“ im Jahr 2004 und im Jahr 2006 angegeben. Auf Rückfrage der Beklagten wurde in einem Schreiben der „Familie S.“ mitgeteilt, der Versicherte J. S. befinde sich, mit Unterbrechungen, seit 2002 in ärztlicher Behandlung. Aufgrund der Erkrankung des J. S. war vom 20.9.2006 bis zum 10.1.2007 eine stationäre Behandlung erforderlich (Bl. 26 d. A.). Es steht auch eine – vom Kläger ebenso wie eine depressive Erkrankung bestrittene (Bl. 31, 32 d. A.) – Alkohol- und Drogenabhängigkeit im Raum (Bl. 27, 31, 32 d. A.).

In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 22.8.2007 (Bl. 6 des Anlagenbandes zu Bl. 24 ff.) – mit dem Betreff „Unfallversicherung Nr. …, Schaden Nr. 2007/…“, „Versicherte Person: J. S.“ – erklärte die Beklagte, es sei aus ärztlichen Unterlagen ersichtlich geworden, „dass Sie seit dem 16. Lebensjahr an einer depressiven Störung mit einer Persönlichkeitsstörung leiden“. Im Antrag auf Unfallversicherung vom 16.2.2004 habe er – der Kläger und Versicherungsnehmer – aber angegeben, nicht an einer erheblichen Krankheit zu leiden, obwohl er hierzu gemäß § 16 VVG als Versicherungsnehmer verpflichtet gewesen wäre. Bei Kenntnis dieser gefahrerheblichen Umstände hätte sie den Vertrag nicht angenommen, so dass sie aufgrund Anzeigepflichtverletzung gemäß § 16 Abs. 2 VVG vom Vertrag zurücktrete und weiterhin „den vorliegenden Unfallversicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung“ anfechte.

Der Kläger hat der Beklagten ein Recht, sich vom Vertrag zu lösen, abgesprochen. Er ist der Ansicht gewesen, Rücktritt und Anfechtung hätten sich allein auf das Versicherungsverhältnis zu dem mitversicherten J. S. bezogen. Der Vertrag im Übrigen bleibe unberührt (Bl. 30 d. A.). Dessen ungeachtet hat der Kläger eine Kenntnis vom Gesundheitszustand seines Sohnes zum Zeitpunkt der Antragstellung bestritten, ebenso, dass damals eine Depression, ein Alkoholismus und eine Drogensucht bestanden hätten (Bl. 31, 32 d. A.). Er hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Versicherte nicht mehr in seinem Haus gelebt, sondern in den Jahren 2001 und 2002 seinen Zivildienst abgeleistet und sodann in Weimar Architektur studiert habe (Bl. 31, 54 d. A.; Mietvertrag des J. S. vom 1.11.2001 nebst Kündigung vom 16.6.2004, Zivildienstbestätigung vom 16.7.2002 und Immatrikulationsbescheinigung vom 7.7.2003, Bl. 57-60 d. A.). Erst im Herbst 2005 hätten er und seine Ehefrau von den Problemen des Sohns, der damals sein Studium aufgegeben habe, erfahren (Bl. 32 d. A.). An anderer Stelle hat der Kläger eingeräumt, im September 2004 Probleme bemerkt (Bl. 228 d. A.) und vom Krankenhausaufenthalt zwischen dem 18.10.2004 und dem 2.11.2004 – beides indessen nach Antragstellung – gewusst zu haben (S. 3 des Schriftsatzes vom 20.1.2009, Bl. 54 d. A.). Das Schreiben der „Familie S.“ sei nicht von ihm selbst unterzeichnet worden, es stamme „gegebenenfalls von dem Sohn J. S.“ (Bl. 33 d. A.). Der Kläger hat bestritten, dass seinem Sohn Diagnosen über medizinisch objektivierbare Krankheitsbilder mitgeteilt worden seien (Bl. 55 d. A.).

Der Kläger hat die Gesundheitsfrage der Beklagten nach „körperlichen Fehlern, Gebrechen oder erheblichen Krankheiten“ in den „letzten 4 Jahren“ für unwirksam gehalten, weil die Erheblichkeit einer Krankheit nicht sicher einzuschätzen sei (Bl. 55 d. A.).

Mit Blick auf den Rücktritt hat der Kläger sich auf § 21 AUB berufen und darauf, dass der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt worden sei, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls – hier den Unfall seiner Tochter vom 22.6.2006 – gehabt habe (Bl. 33 d. A.).

Der Kläger hat den Rücktritt für gemäß § 20 VVG verfristet gehalten, weil die Beklagte von einer Behandlung wegen Persönlichkeitsstörung und Depression bereits in der Schadensmeldung, demnach länger als einen Monat vor dem Rücktrittsschreiben vom August 2007, Kenntnis erlangt habe (Bl. 34 d. A.).

Schließlich hat der Kläger die Auffassung vertreten, Kenntnis und Fehlverhalten eines Versicherten ließen den Versicherungsschutz eines anderen Versicherten unberührt (Bl. 35 d. A.). Er hat (unter Beweisantritt der Vernehmung des Vorstands der Beklagten) behauptet, die Beklagte hätte auch bei Kenntnis der behaupteten Krankheiten des J. S. den Vertrag mit den übrigen mitversicherten Personen aufrechterhalten (Bl. 35 d. A.).

Was die Ansprüche wegen des Unfalls der A. S. anbelangt, hat der Kläger die Ansicht vertreten, die 15-Monatsfrist für die Bestätigung unfallbedingter Invalidität sei nicht einzuhalten gewesen, weil die Beklagte davon ausgehe, den Vertrag wirksam angefochten zu haben (Bl. 52 d. A.). Er hat behauptet, der Unfall vom 7.6.2006 habe zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit der Versicherten geführt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt (Bl. 200, 230 d. A.), die Beklagte zu verurteilen, an seine Tochter A. S. 85.000 EUR sowie die Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Beauftragung in Höhe von 1.011,56 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, die unfallbedingte Invalidität sei nicht fristgerecht geltend gemacht worden (Bl. 24 d. A.) und nicht innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt (Bl. 36 d. A.). Dessen ungeachtet hat sie sich auf ein Recht zum Rücktritt bzw. ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung, wie im Schreiben vom 22.8.2007 erklärt, berufen (Bl. 24 d. A.). Sie hat – unter Berufung auf das Schreiben der „Familie S.“ (Bl. 14 des Anlagenbandes zu Bl. 24 ff.) – behauptet, der Kläger habe von der Erkrankung und Behandlung seines Sohns gewusst (Bl. 26 d. A.). Eine – vom Kläger bestrittene – seit dem 16. Lebensjahr des Sohns bestehende schizoide Persönlichkeitsstörung, eine Spielsucht, Alkoholabhängigkeit und Drogensucht könne der Familie nicht verborgen geblieben sein (Bl. 225 d. A.). Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Kläger müsse sich jedenfalls die Täuschungshandlung seines Sohns zurechnen lassen (Bl. 37 d. A.). Sie hat vorgetragen, sie hätte eine depressive oder unter einer Geisteskrankheit leidende Person nicht versichert (Bl. 25, 62 d. A.).

Das Landgericht Saarbrücken hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.5.2009 in Verbindung mit dem Beschluss vom 13.8.2009 (Bl. 122 d. A. (Bl. 93 d. A.) zu den unfallbedingten Beeinträchtigungen der Versicherten A. S. durch Einholung eines orthopädisch-chirurgischen und eines urologischen Sachverständigengutachtens. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das fachurologische Gutachten des Prof. Dr. F. vom 23.11.2009 (Bl. 131 d. A.) und das fachorthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des Prof. Dr. Sp. (Bl. 144 d. A.). Der im Beweisbeschluss vom 14.5.2009 weiter angeordnete Zeugenbeweis zur Behandlung des Versicherten J. S. wegen Persönlichkeitsstörungen und Depressionen seit Anfang 2002 (schriftliche Vernehmung des Zeugen Dr. M.) ist nicht erhoben worden.

Mit dem am 21.2.2011 verkündeten Urteil (Bl. 234 d. A.) hat das Landgericht Saarbrücken der Klage in der Hauptsache stattgegeben und nur den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen. Der Rücktritt sei für die Klageforderung schon deshalb unbeachtlich, weil er erst nach dem Versicherungsfall erklärt worden sei. Die auf das Verschweigen von Erkrankungen des J. S. gestützte Anfechtung sei zwar berechtigt, lasse den Versicherungsschutz der Versicherten A. S. aber unberührt (§ 139 BGB).

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie das erstinstanzliche Urteil ausschließlich insoweit angreift, als das Landgericht unter Anwendung des § 139 BGB zu dem Schluss gelangte, die Anfechtungserklärung vom 22.8.2007 wirke sich auf den nicht mit einem Anfechtungsgrund behafteten Vertragsteil nicht aus. Sie meint, damit werde vernachlässigt, dass der Kläger in dem Versicherungsantrag die Erklärung auch des Versicherten J. S. zu dessen Gesundheitszustand unterschrieben und sich dessen Angaben zu eigen gemacht habe (Bl. 277 d. A.). Nach Ansicht der Beklagten hätte das Landgericht bei der Anwendung des § 139 BGB fragen müssen, ob der Vertrag betreffend die übrigen Versicherten M. und A. S. auch dann geschlossen worden wäre, wenn sie – die Beklagte – bei Vertragsabschluss Kenntnis von der Teilnichtigkeit in Bezug auf den Versicherten J. S. gehabt hätte. Das sei zu verneinen. Nach der Verkehrssitte sei nicht davon auszugehen, dass ein Versicherer mit einem Versicherungsnehmer erneut ein Vertragsverhältnis eingehe, wenn dieser ihn in der Vergangenheit bereits einmal durch arglistige Täuschung zur Übernahme eines nicht versicherbaren Risikos verleitet habe (Bl. 278 d. A.).

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des unter dem Aktenzeichen 12 O 16/09 am 21. Februar 2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen für richtig. Darüber hinaus ist er der Ansicht, der Vertrag habe schon gar nicht insgesamt angefochten werden können. Auch bleibt er bei seiner Einschätzung, weder er noch sein Sohn hätten bei Antragstellung arglistig gehandelt, überdies sei die Anfechtungsfrist abgelaufen gewesen (Bl. 291-295 d. A.). Er macht darauf aufmerksam, dass nach seiner Einschätzung eine Pflicht des Versicherers bestehe, Einzelverträge anzudienen – was hier (unstreitig) nicht etwa zu höheren Prämien geführt hätte -, da nur dann die Interessen des Versicherungsnehmers gewahrt werden könnten, indem Falschangaben einer anderen versicherten Person ihn nicht um seinen Versicherungsschutz brächten (Bl. 296 d. A.).

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts Saarbrücken vom 30.3.2009 (Bl. 48 d. A.), vom 17.1.2011 (Bl. 230 d. A.) und des Senats vom 14.9.2011 (Bl. 302 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 21.2.2011 (Bl. 234 d. A.) Bezug genommen.

II. Die Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil verletzt das Recht nicht, und die für die Berufungsinstanz zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§§ 513 Abs. 1, 546, 529 ZPO).

1. Der Versicherungsnehmer kann für seine bei der Beklagten unfallversicherte Tochter Ansprüche auf Zahlung von 85.000 EUR wegen der Folgen des Unfalls vom 7.6.2006 geltend machen (zur Aktivlegitimation des Versicherungsnehmers bei der Versicherung für fremde Rechnung OLG Celle, Urt. v. 19.11.2009 – 8 U 15/09 -).

a. Dass die Folgen des unstreitigen Unfallereignisses am 7.6.2006 grundsätzlich einen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung in der geltend gemachten Höhe begründen, ist im landgerichtlichen Urteil auf der Grundlage der in erster Instanz eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten festgestellt. Die Berufung der Beklagten wendet sich hiergegen nicht.

b. Auch die von der Beklagten im Schreiben vom 22.8.2007 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB entzieht dem Anspruch nicht die vertragliche Grundlage (§ 142 Abs. 1 BGB).

Es kann dahinstehen, ob der Versicherungsnehmer oder sein Sohn die Frage nach erheblichen Krankheiten etc. der letzten vier Jahre mit Arglist falsch beantwortet haben. Selbst wenn man das unterstellt, kann der Versicherungsnehmer für seine bei der Beklagten unfallversicherte Tochter Ansprüche wegen der Folgen des Unfalls vom 7.6.2006 geltend machen. Denn die von der Beklagten unter dem 22.8.2007 erklärte Arglistanfechtung lässt den Anspruch im Ergebnis selbst dann unberührt, wenn die Erklärung als solche sich – wie das Landgericht annimmt – grundsätzlich auf den Gesamtvertrag und nicht nur auf die Mitversicherung des J. S. bezieht.

(1) Dies gilt zunächst unter der Prämisse, dass (nur) der Versicherte J. S. bei Antragstellung arglistig seinen wahren Gesundheitszustand verschleiert haben sollte.

(a) Allerdings regelt § 79 Abs. 1 VVG in der für den im Jahr 2006 eingetretenen Versicherungsfall maßgeblichen Fassung (Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG) eine Wissens- und Verhaltenszurechnung bei der Schadensversicherung für fremde Rechnung (die Regelung entspricht dem jetzigen § 47 Abs. 1 VVG): Soweit „nach den Vorschriften dieses Gesetzes“ die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung ist, soll auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten von Bedeutung sein. Vorschrift „dieses Gesetzes“ ist wegen § 22 VVG a. F. auch die dort in Bezug genommene Regelung des § 123 BGB zur Arglistanfechtung (für § 79 VVG a. F. streitig – der jetzige § 47 Abs. 1 VVG enthält die Einschränkung „dieses Gesetzes“ nicht mehr -; wie hier: Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Auflage 2003, § 79 Rdn. 1; Prölss in: Prölss/Martin, 27. Auflage 2004, § 79 Rdn. 1; siehe auch Koch in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 47 Rdn. 5).

Im Grundsatz führt daher § 79 VVG a. F. dazu, dass eine arglistige Täuschung durch den Versicherten den Versicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer zur Anfechtung gemäß § 123 BGB berechtigt und dass die auf dieser Grundlage erklärte Anfechtung, die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen unterstellt, den Vertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB in Wegfall bringt. Besonderes muss aber in den Fällen gelten, in denen der Versicherungsvertrag mehrere Personen versichert. Täuscht nur einer der Versicherten, so ist die Wirkung der Anfechtung auf dessen Rechtsstellung begrenzt, und das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherer und einem anderen (nicht mit dem Versicherungsnehmer identischen) Versicherten bleibt richtigerweise unberührt (ebenso Prölss/Klimke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 47 Rdn. 15 ff., Rdn. 18; Langheid/Grote VersR 2005, 1169; gegen eine Zurechnung des Verhaltens von Mitversicherten über § 79 VVG a. F., § 47 VVG n. F. auch Hübsch/Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG, 2008, § 47 Rdn. 6; Dageförde in: MünchKomm VVG, 2010, § 47 Rdn. 11 [anders aber offenbar Rdn. 12]; Lange, VersR 2006,605 [der in Prölss/Martin, aaO., wohl irrigerweise für die Gegenansicht zitiert wird]; a. A.- ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Problem – Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31). Die Zurechnung gemäß § 79 VVG a. F. (§ 47 VVG n. F.) soll verhindern, dass ein bösgläubig agierender Versicherter davon profitiert, nicht selbst Vertragspartner und unmittelbarer Schuldner vertraglicher (Neben-)Pflichten und Obliegenheiten zu sein (vgl. Prölss/Klimke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 47 Rdn. 17). Diese gesetzliche Ratio rechtfertigt es indessen nicht, einem Mitversicherten seinen Versicherungsschutz zu nehmen, der sich gegenüber dem Versicherer weder persönlich noch vermittelt über den ebenfalls redlichen Versicherungsnehmer etwas hat zu Schulden kommen lassen und der bloß gewissermaßen „übers Dreieck“ in einer Verbindung zum Täuschenden steht. Soweit die Gegenansicht unter anderem mit einem hinreichenden Schutz des Versicherten über den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 21 VVG a. F. (§ 21 Abs. 2 VVG n. F.) argumentiert, greifen dieser Schutz und dieses Argument in Rücktrittsfällen dann nicht, wenn der Versicherungsfall nach dem Rücktritt erfolgte, in den Anfechtungsfällen ohnehin nie.

(b) Nach der hier vertretenen Auffassung wäre die Anfechtung für den Fall, dass allein der Versicherte J. S. die Beklagte bei Antragstellung arglistig getäuscht hätte, nur ihm gegenüber gerechtfertigt (der Fall ist insoweit der Gestaltung, wie sie der – später noch zu erörternden – Entscheidung OLG Düsseldorf, VersR 2006, 785, [OLG Düsseldorf 23.08.2005 – I-4 U 140/04] eine D&O-Versicherung betreffend, zu Grunde lag, nicht zu vergleichen; dort war der Versicherer durch den Vorstandsvorsitzenden der Versicherungsnehmerin getäuscht worden).

(c) Handelte es sich demnach um eine sich zunächst nur auf einen Vertragsteil auswirkende Anfechtung, so stünde der versicherungsvertragliche Anspruch in Bezug auf die Versicherte A. S. auch nicht wegen einer aus § 139 BGB folgenden Gesamtwirkung in Frage (vgl. auch hierzu Prölss/Klimke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 47 Rdn. 18).

Gemäß § 139 BGB ist im Falle der teilweisen Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Auch wenn man mit dem Landgericht davon ausgeht, dass die Beklagte ihre Anfechtungserklärung auf den Gesamtvertrag bezogen hat, ist § 139 BGB jedenfalls analog auf die Fälle anwendbar, in denen zwar eine Gesamtanfechtung erklärt wird, der Anfechtungsgrund aber nur einen Teil des Rechtsgeschäfts erfasst (siehe BGH, Urt. v. 27.6.1969 – V ZR 74/66 – NJW 1969, 1759; RGRK-BGB, 12. Auflage 1982, § 139 Rdn. 15). Die Vorschrift des § 30 VVG a. F. (§ 29 VVG n. F.), die, wie das Landgericht zutreffend feststellt, die Beweislast für die Nichtigkeit des Gesamtvertrags anders als § 139 BGB dem Versicherer aufbürdet, kommt hier nicht zum Tragen. Sie gilt nur für den (Teil-)Rücktritt, nicht für die (Teil-)Anfechtung (Senat, Urt. v. 19.5.1993 – 5 U 56/92 – VersR 1996, 488; OLG Düsseldorf, VersR 2006, 785 [OLG Düsseldorf 23.08.2005 – I-4 U 140/04]; Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, § 29 Rdn. 9).

§ 139 BGB verlangt zunächst ein einheitliches Rechtsgeschäft (Larenz/Wolf, BGB AT, 8. Auflage 1997, § 45 Rdn. 3, 5). Ansonsten stünde keine Teilnichtigkeit im Raum, sondern die Nichtigkeit beträfe von vornherein allein den von ihr erfassten selbstständigen Vertrag. Ein einheitliches Rechtsgeschäft ist in Bezug auf den im Vertrag begründeten Versicherungsschutz für die drei versicherten Personen gegeben. Ob Parteien einen oder mehrere Verträge schließen, hängt von ihrem Willen ab. Im Bereich der Versicherungsverträge deuten mehrere Versicherungsscheine auf mehrere selbstständige Verträge hin. Ist umgekehrt, wie hier, ein auf einem einheitlichen Antrag beruhender einziger Versicherungsschein ausgestellt worden, spricht ein Anscheinsbeweis für einen einzigen Vertrag (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, § 1 Rdn. 98; für den Teilrücktritt gemäß § 29 VVG [vormals § 30 VVG] – Prölss, aaO., § 29 Rdn. 3; Johannsen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage 2009, § 8 Rdn. 60; Heiss in: Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2008, § 29 Rdn. 15; siehe auch Hefermehl in: Soergel, BGB, 13. Auflage 1999, § 139 Rdn. 16). Vorliegend sieht der Senat keine Anhaltspunkte, die Gegenteiliges nahe legen würden.

Die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts als weitere tatbestandliche Voraussetzung des § 139 BGB ist ebenfalls gegeben. Ein Geschäft kann in objektiver oder subjektiver Hinsicht teilbar sein. Letzteres ist der Fall, wenn mehrere Personen auf einer Seite stehen und das Geschäft im Verhältnis zu einer der Personen nichtig ist (Hefermehl in: Soergel, BGB, 13. Auflage 1999, § 139 Rdn. 27). Hier stehen zwar nicht eigentlich mehrere Personen als Vertragspartner auf einer Seite, der Fall mehrerer Versicherter bei der Fremdversicherung ist aber entsprechend zu bewerten. Der (auch objektiven) Teilbarkeit des Vertrags stehen Probleme der Prämiengestaltung nicht entgegen. Die für den Vertrag in reduziertem Umfang geschuldeten Prämien können anhand des Vertrags und der maßgeblichen Tarife der Beklagten ohne weiteres ermittelt werden (vgl. Senat, Urt. v. 19.5.1993 – 5 U 56/92 – VersR 1996, 488).

Das Landgericht konnte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass nach dem hypothetischen Parteiwillen der nicht vom Anfechtungsgrund der Täuschung erfasste Vertragsteil aufrechterhalten werden sollte. Es ist in keiner Weise ersichtlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen, warum ihre Vertragsentscheidung zur Versicherung der Ehefrau und der Tochter des Klägers nach ihren Geschäftsgrundsätzen (zu deren Maßgeblichkeit – im Rahmen des § 30 VVG a. F., 29 VVG n. F. – Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, § 29 Rdn. 6) anders ausgefallen wäre, wenn nicht zugleich der Sohn mitversichert worden wäre. Das in der Berufungsbegründung hervorgehobene Argument, man hätte sich auf einen Vertrag mit einem arglistigen Versicherungsnehmer insgesamt nicht eingelassen, kommt an dieser Stelle, bei der es allein um die Täuschung durch den Versicherten J. S. geht, nicht zum Tragen (zur Bedeutung des Arguments für den Fall einer Täuschung durch den Versicherungsnehmer siehe unten).

(2) Auch wenn – was das Landgericht offen gelassen hat – der Versicherungsnehmer selbst von gesundheitlichen Problemen seines Sohns zum Zeitpunkt der Antragstellung gewusst hätte, gälte im Ergebnis nichts Anderes.

(a) Die rechtliche Ausgangssituation wäre unter dieser Prämisse indessen eine andere.

Wenn beim Vertrag für fremde Rechnung der Versicherungsnehmer arglistig täuscht und damit eine Anfechtung der Vertragserklärung des Versicherers veranlasst, geht es nicht um die – nach der hier vertretenen Ansicht zu verneinende – Frage, ob das Verhalten eines Versicherten über § 79 VVG a. F. (§ 47 VVG n. F.) zum Nachteil eines anderen Mitversicherten wirken kann. Denn der Versicherungsnehmer handelt als Vertragspartner, und für Wirksamkeitshindernisse und Anfechtungsgründe kommt es auf seine Person an (Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage 2009, § 6 Rdn. 98). Ficht der Versicherer den Vertrag unter solchen Umständen an, so bleibt die Wirkung der Anfechtung nicht von vornherein auf ein „Versicherungssegment“ (in der oben dargestellten Konstellation das eines arglistig handelnden Versicherten) begrenzt, sondern die Anfechtung wirkt umfassend und entzieht – ungeachtet der auch hier relevanten Anwendung des § 139 BGB (dazu sogleich) – dem Vertrag zunächst einmal insgesamt die Grundlage (vgl. Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage 2009, § 6 Rdn. 98; siehe auch BGH, Urt. v. 18.9.1991 – IV ZR 189/90 – VersR 1991, 1404: der Versicherte kann Rechte aus der Versicherung nur erwerben, wie der Versicherungsnehmer sie gestaltet; dazu, dass bei originären Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers einer D&O-Versicherung der Vertrag grundsätzlich nicht dahin aufgespalten werden kann, dass die versicherten Personen weiterhin gegen die Inanspruchnahme durch Dritte Versicherungsschutz genießen sollen, Langheid/Grote, VersR 2005, 1165).

(b) Auch wenn hier die Anfechtung im Grundsatz selbst dann den ganzen Vertrag erfasst, wenn mehrere Gegenstände oder Personen versichert wurden, schließt das eine Anwendung des § 139 BGB nicht aus (siehe Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage 2009, § 14 Rdn. 143). Wie oben ausgeführt und vom Landgericht richtig erkannt, vernichtet die Anfechtung nur den durch den sie rechtfertigenden Anfechtungsgrund „infizierten“ Vertragsteil, wenn die Parteien den restlichen Teil der Vereinbarung auch unabhängig von diesem geschlossen hätten (BGH, Urt. v. 27.6.1969 – V ZR 74/66 – NJW 1969, 1759; RGRK-BGB, 12. Auflage 1982, § 139 Rdn. 15; siehe auch Senat, Urt. v. 16.5.2007 – 5 U 590/06 – VersR 2007, 1681: ein nur in Teilen von einer arglistigen Täuschung beeinflusstes Rechtsgeschäft soll auch nur insoweit nichtig sein).

Das Landgericht hat das zu Recht angenommen. Wie oben bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass die Parteien auch einen nur die Ehefrau und die Tochter des Klägers versichernden Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen hätten.

i. Ein Aufrechterhalten des Restvertrags würde allerdings dann scheitern, wenn der Anfechtungsgrund sich nicht bloß auf einen Vertragsteil bezöge, sondern auf den Gesamtvertrag (vgl. – für die umfassende Wirkung eines Rücktritts bei einer auf den gesamten Vertrag wirkenden Anzeigepflichtverletzung – Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage 2009, § 14 Rdn. 95).

Das ist nicht der Fall.

Der hiesige Versicherungsvertrag, mit dem drei Personen Unfallversicherungsschutz gewährt wurde, betrifft mehrere, unabhängig voneinander bestehende und zu kalkulierende Risiken (zu den in § 29 VVG n. F. relevanten Kriterien für die Beurteilung, ob sich ein Rücktritt auf nur einen Vertragsteil auswirkt, Klenk in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 2010, § 29 Rdn. 16). Die Vertragsteile haben keinen gegenständlichen Bezug zueinander. Der im Antragsformular erfragte Gesundheitszustand eines der Versicherten ist ohne jede Relevanz für die die anderen betreffende Gefahrenprognose. Macht ein Versicherungsnehmer insoweit falsche Angaben, wirken sie sich nur auf den von ihnen erfassten Teil der Annahmeentscheidung des Versicherers aus. Das ändert zwar nichts daran, dass, wovon das Landgericht ausgeht, diese Annahmeentscheidung insgesamt von der Täuschung beeinflusst war und deshalb auch insgesamt angefochten werden konnte. Wohl aber führt die Begrenzung der Täuschung auf einen ohne weiteres abtrennbaren Teil des Risikos dazu, dass auch nur dieser Teil im oben dargelegten Sinne von dem Anfechtungsgrund „infiziert“ ist und eine Anwendung des § 139 BGB ermöglicht (vgl. Senat, Urt. v. 18.12.1996 – 5 U 800/95 – VersR 1997, 863: ein Grund, der zur Anfechtung der Versicherung einer Person oder eines Tarifs berechtigt, ergreift nicht ohne weiteres den gesamten Versicherungsvertrag; siehe auch – für den Teilrücktritt gemäß § 29 VVG n. F. – Johannsen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Auflage 2009, § 8 Rdn. 60: unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand nur einer von mehreren Personen wirkten sich nur auf den jeweils betroffenen Vertragsteil aus; Heiss in: Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2008, § 29 Rdn. 21: bei mehreren versicherten Personen erstrecke sich eine Anzeigepflichtverletzung von vornherein nur auf die betreffende Person).

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf (VersR 2006, 785 [OLG Düsseldorf 23.08.2005 – I-4 U 140/04]), eine D&O-Versicherung betreffend, in welcher eine Anwendung des § 139 BGB nicht erwogen wurde, steht hierzu nach der Einschätzung des Senats nicht in Widerspruch. Dort hatte die Versicherungsnehmerin über ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für ihre leitenden Organe und Angestellten, darunter den Kläger, abgeschlossen. Bei Antragstellung war ein Fragebogen auszufüllen. Darin war gefragt, ob jemals gegen die Versicherungsnehmerin oder Tochterunternehmen oder eine zu versichernde Person ein Anspruch geltend gemacht worden sei, der unter die Deckung der Versicherung fallen könnte, oder ob Umstände bekannt seien, die zu einem solchen Anspruch führen könnten. Der Vorstandsvorsitzende der Versicherungsnehmerin hatte die Frage mit „nein“ beantwortet, obwohl die Versicherungsnehmerin durch ihn in den zwei zurückliegenden Jahren unter anderem falsche Bilanzen und Scheinrechnungen erstellt und Eingangsrechnungen fingiert hatte, um Anleger über ihre Umsätze zu täuschen. Diese falschen Unterlagen wurden auch der Beklagten bei den Verhandlungen über den Abschluss des Vertrags vorgelegt. Als der Kläger von den Unregelmäßigkeiten erfuhr, informierte er die beklagte Versicherung unverzüglich und gab weiterhin bekannt, dass er in einem der D&O-Versicherung unterfallenden Schadensfall von einem Aktionär der Versicherungsnehmerin zivilrechtlich in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an. Das OLG Düsseldorf hat dem Kläger Ansprüche auf Deckungsschutz abgesprochen, weil der Vertrag nach der Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig zu betrachten sei. Es hat eine relevante Täuschung darin gesehen, dass die Versicherungsnehmerin verdeckt habe, gegenüber Dritten mit gefälschten Bilanzen zu agieren, was das zu versichernde Risiko der Inanspruchnahme des versicherten Personenkreis erheblich erhöht habe und es liege auf der Hand, dass die Versicherung sich auf ein derartiges, für sie äußerst ungünstiges Geschäft nicht eingelassen hätte. Der Vorstandsvorsitzende der Versicherungsnehmerin habe die Beklagte in dem Glauben gelassen, es gehe bei dem Unternehmen „mit rechten Dingen“ zu, um so den ansonsten nicht zu erlangenden Vertragsabschluss zu erreichen.

Anders als im hier zu entscheidenden Fall betraf die Täuschung über die den Geschäftsbetrieb der Versicherungsnehmerin durchsetzenden Manipulationen, bezüglich deren weder der involvierte noch der geschädigte Personenkreis ohne weiteres zu überblicken gewesen wäre, das gesamte vom Versicherer zu übernehmende Vertragsrisiko der Vermögensschadenshaftpflicht.

Entsprechendes gilt für den der – eine Teilnichtigkeit ebenfalls nicht erwägende – Entscheidung des OLG Celle, r+s 2010, 424, [OLG Celle 26.11.2009 – 8 U 238/08] zu Grunde liegenden Sachverhalt. Die Versicherungsnehmerin hatte einen Versicherungsvertrag für fremde Rechnung abgeschlossen, mit dem Verluste von Geld und Wertgegenständen bei Geldtransporten – auch durch Veruntreuung oder Unterschlagung – versichert wurden. Verschwiegen hatte sie, dass sie ein Schneeballsystem praktizierte, im Rahmen dessen sie Liquiditätslücken damit schloss, dass sie von Kunden eingesammelte Gelder zunächst nicht deren Konten gutschrieb, sondern damit Fehlbestände bei anderen Kunden ausglich. Dass das Verschweigen dieser Umstände bei der in Rede stehenden „besonders sensiblen Versicherung von Werttransporten“ (OLG Celle, r+s 2004, 424) für die Vertragsgefahr insgesamt bedeutsam war und die Anfechtung des Vertrags gegenüber der Versicherungsnehmerin deshalb ohne weiteres auch den Klägerinnen als Versicherten entgegengehalten werden konnte, liegt auf der Hand.

ii. Die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen in Bezug auf die Aufrechterhaltung des Restvertrags ist auch für den Fall einer – unterstellten – Täuschung durch den Versicherungsnehmer zu bejahen.

Die Beklagte greift das mit der in den Mittelpunkt der Berufung gestellten Überlegung an, in Kenntnis der wahren Sachlage hätte sie nicht nur den Versicherungsschutz für den Versicherten J. S. abgelehnt, sondern sie wäre mit dem Kläger als arglistig Täuschendem überhaupt nicht zu kontrahieren bereit gewesen.

Das geht fehl.

Es ist zu fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie bei Abschluss des Geschäfts vor die Frage gestellt worden wären, ob sie es auch ohne den nichtigen Teil gelten lassen wollten (Larenz/Wolf, BGB AT, 8. Auflage 1997, § 45 Rdn. 26). Es kommt im konkreten Fall also darauf an, welche Vertragsentscheidung die Parteien getroffen hätten, wenn von Anfang an nur ein auf den restlichen Vertragsteil (Versicherung der Ehefrau und der Tochter des Klägers) bezogener Antrag vorgelegen hätte (siehe für die – allerdings anders als § 139 BGB nur auf den Vertragswillen des Versicherers abstellende – Vorschrift des § 29 VVG n. F. Heiss: Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2008, § 29 Rdn. 24). Das ist allein danach zu entscheiden, ob der Vertragsrest mit der Versicherung der Ehefrau und der Tochter des Klägers Bestand haben sollte, wenn der Antrag entweder erst gar nicht auf den zu versichernden J. S. erstreckt oder aber dessen wahrer Gesundheitszustand offen gelegt und er infolgedessen nicht mitversichert worden wäre. Unerheblich ist, was die Beklagte getan hätte, hätte sie gemerkt, dass der Versicherungsnehmer durch das Verschweigen gefahrrelevanter Informationen ihre Vertragsentscheidung beeinflussen wollte. Für die Ermittlung des hypothetischen Willens im Rahmen des § 139 BGB muss allein der wegen der Täuschungsanfechtung nichtige Teil (inhaltlich) hinweggedacht werden, nicht, wie die Beklagte meint, ein Aufdecken der Täuschung hinzugedacht. Zwar können im Rahmen des § 139 BGB auch Erwägungen der Zumutbarkeit eine Rolle spielen (dazu im Zusammenhang mit dem Teilrücktritt Heiss in: Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2008, § 29 Rdn. 24). Diese orientiert sich aber daran, ob dem Versicherer zugemutet werden kann, ein Risiko, wie es in dem Restvertrag enthalten wäre, ohne den nichtigen Teil zu versichern, nicht daran, ob er den Versicherungsnehmer wegen seines Verhaltens, das die Teilnichtigkeit auslöste, als Vertragspartner weiterhin akzeptiert. § 139 BGB stellt ab auf das hypothetische Festhalten am Restvertrag, nicht an der Person der Vertragspartei (siehe auch BGH, Urt. v. 27.6.1969 – V ZR 74/66 – NJW 1969, 1759 [teilweise Aufrechterhaltung eines Grundstückskaufvertrags, bei welchem die Veräußerer zum Mitverkauf eines zweiten Grundstücks durch widerrechtliche Drohung bestimmt worden waren]; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.4.2002 – 22 U 215/01 – OLGR Düsseldorf 2003, 153 [teilweise Wirksamkeit eines Kaufvertrags, bei dem bezüglich einer von zwei erworbenen Ikonen über wertbildende Eigenschaften getäuscht worden war]). Sähe man das anders, billigte man dem Getäuschten ein allgemeines Reuerecht zu. Dieses ist nicht Sinn des Anfechtungsrechts (vgl. Senat, Urt. v. 16.5.2007 – 5 U 590/06 – VersR 2007, 1681).

Vor diesem Hintergrund konnte das Landgericht bei der Anwendung des § 139 BGB zu Recht davon ausgehen, dass die Vertragsentscheidung in Bezug auf die Versicherten M. und A. S. nicht von der Mitversicherung auch des J. S. abhängig gemacht werden sollte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 85.000 EUR.

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