Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Herausforderungen der Schuldfrage bei Fußgängerunfällen im Straßenverkehr
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Pflichten haben Fußgänger beim Überqueren einer Fahrbahn?
- Was bedeutet der Anscheinsbeweis bei Fußgängerunfällen?
- Wie wird die Schuldfrage bei unklarem Unfallhergang zwischen Fußgänger und Autofahrer geklärt?
- Ab wann greift die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs bei Fußgängerunfällen?
- Welche Beweismittel sind bei Fußgängerunfällen besonders wichtig?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Halle (Saale)
- Datum: 09.08.2013
- Aktenzeichen: 4 O 1110/11
- Verfahrensart: Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Eine Fußgängerin, die auf dem Weg, eine Fahrbahn zu überqueren, von einem Kraftfahrzeug erfasst wurde. Sie machte Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz geltend, da sie behauptete, dass der Unfall durch die Unachtsamkeit und unangemessene Fahrweise des Beklagten verursacht wurde.
- Beklagten: Der Fahrer des PKW BMW und dessen Versicherungsunternehmen. Die Beklagten argumentierten, dass die Klägerin die Fahrbahn unerwartet betreten und dort gestanden habe, wodurch der Unfall nicht vermeidbar gewesen sei. Sie behaupteten, die Klägerin trage ein überwiegendes Mitverschulden.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Am 22.12.2010 kam es unter winterlichen Bedingungen zu einem Unfall zwischen der klagenden Fußgängerin und dem von den Beklagten gehaltenen PKW. Die Klägerin erlitt schwere Verletzungen und forderte Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz. Die Beklagten hatten bereits 25 % der Ansprüche anerkannt, wonach die Klägerin jedoch die volle Haftung von 100 % erstrebte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Unfallursache im grob fahrlässigen Verhalten der Klägerin selbst lag, weil sie die Fahrbahn betreten hatte, ohne die gebotene Vorsicht walten zu lassen, oder ob der Beklagte für den Unfall haftbar gemacht werden konnte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin kann kein weiteres Schmerzensgeld oder zusätzlichen Schadensersatz von den Beklagten beanspruchen.
- Begründung: Das Gericht sah ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin durch ein schuldhaftes Verhalten beim Überqueren der Fahrbahn. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin die Fahrbahn betreten und sich dort mit unzureichender Vorsicht verhalten hatte, was einen Anscheinsbeweis für grobe Fahrlässigkeit lieferte. Der Fahrer des PKW handelte nicht fehlerhaft, da eine Verletzung des Sichtfahrgebots oder eine überhöhte Geschwindigkeit nicht bewiesen werden konnten.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Sie erhält keine weitere Entschädigung über das bereits gezahlte Teil-Schmerzensgeld hinaus. Die Entscheidung verdeutlicht die hohe Sorgfaltspflicht von Fußgängern beim Überqueren von Fahrbahnen und deren Auswirkung auf die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen.
Herausforderungen der Schuldfrage bei Fußgängerunfällen im Straßenverkehr
Im Straßenverkehr zählen Fußgänger zu den besonders verletzlichen Verkehrsteilnehmern. Bei einem Unfall stellt sich häufig die schwierige Frage nach der Schuld. Das Verkehrsrecht sieht in solchen Fällen eine Vielzahl von Regelungen vor, die die Haftung von Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern betreffen. Der Anscheinsbeweis kann hier eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, das Alleinverschulden eines Fußgängers zu bestimmen, insbesondere beim Überqueren der Fahrbahn an einem Fußgängerüberweg.
Die Verkehrsregelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) geben vor, wie sich Fußgänger im Straßenverkehr verhalten sollen, um Unfälle zu verhindern. Dennoch können Missverständnisse oder unaufmerksames Verhalten zu schweren Unfallfolgen führen. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall beleuchtet, der die Herausforderungen der Schuldfrage bei Fußgängerunfällen thematisiert und die rechtlichen Grundlagen der Unfallverursachung näher betrachtet.
Der Fall vor Gericht
Gericht weist Schadensersatzklage einer Fußgängerin nach Verkehrsunfall ab
Das Landgericht Halle (Saale) hat die Klage einer Fußgängerin auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall abgewiesen. Die Frau war am 22. Dezember 2010 gegen 19 Uhr bei Dunkelheit, Nebel und vereister Straße mit einem BMW kollidiert.
Schwere Verletzungen und bleibende Beschwerden
Bei dem Zusammenstoß erlitt die Klägerin eine komplizierte Tibiakopffraktur am rechten Bein, die operativ mit einer Platte versorgt werden musste. Nach zwei Wochen stationärer Behandlung folgte eine sechswöchige Phase mit eingeschränkter Belastbarkeit und Gehhilfen. Trotz intensiver Physiotherapie, Rehabilitation und weiterer Behandlungen leidet die Frau bis heute unter Schmerzen im gesamten rechten Bein mit Ausstrahlung in Hüfte und Rücken. Eine spätere Kniegelenksoperation mit Endoprothese wird als wahrscheinlich eingeschätzt.
Unklarer Unfallhergang erschwert Beweisführung
Die genauen Umstände des Unfalls konnten nicht zweifelsfrei geklärt werden. Die Klägerin gab an, sie habe am Straßenrand gestanden und sei dort vom BMW erfasst worden. Der Fahrer hingegen behauptete, die Frau habe die Fahrbahn bereits zu großen Teilen überquert und sei dann stehengeblieben. Das Gericht konnte weder die eine noch die andere Version bestätigen. Der technische Sachverständige konnte lediglich feststellen, dass die Kollision bei einer Geschwindigkeit von 7-10 km/h erfolgte und die Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht zügig gegangen sein konnte.
Gericht sieht überwiegendes Mitverschulden bei der Fußgängerin
Nach Auffassung des Gerichts spricht der Anscheinsbeweis für ein grob fahrlässiges Verhalten der Fußgängerin. Nach § 25 Abs. 3 StVO müssen Fußgänger die Fahrbahn unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg überqueren und dabei besondere Vorsicht walten lassen. Da sich die Klägerin nachweislich auf der Fahrbahn befand, ohne dass ein zulässiger Querungsvorgang festgestellt werden konnte, tritt die Haftung des Autofahrers vollständig zurück. Ein Verstoß des Fahrers gegen das Sichtfahrgebot oder eine überhöhte Geschwindigkeit konnte nicht nachgewiesen werden.
Bisherige Zahlungen bleiben bestehen
Die Versicherung hatte bereits einen Betrag von 1.416,74 Euro gezahlt, davon 1.300 Euro Schmerzensgeld. Die Klägerin hatte darüber hinaus weitere 3.201,82 Euro Schmerzensgeld sowie materielle Schäden in Höhe von 1.049,12 Euro gefordert. Diese Ansprüche wurden vom Gericht ebenso abgewiesen wie die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Fußgänger beim Überqueren einer Fahrbahn besondere Sorgfaltspflichten haben und zügig auf dem kürzesten Weg queren müssen. Verharrt ein Fußgänger ohne erkennbaren Grund auf der Fahrbahn, spricht dies für ein grob fahrlässiges Verhalten, das seine Schadensersatzansprüche nach einem Unfall ausschließen kann. Die Beweislast für ein verkehrsgerechtes Verhalten liegt dabei beim Fußgänger. Kann der genaue Unfallhergang nicht mehr rekonstruiert werden, geht dies zu Lasten des Fußgängers.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Fußgänger müssen Sie beim Überqueren einer Straße besonders vorsichtig sein und dürfen nicht ohne triftigen Grund auf der Fahrbahn stehenbleiben. Überqueren Sie die Straße zügig und auf dem kürzesten Weg, sonst riskieren Sie den Verlust Ihrer Schadensersatzansprüche bei einem Unfall. Dokumentieren Sie nach einem Unfall möglichst genau, wo und wie sich der Unfall ereignet hat – etwa durch Fotos oder Zeugenaussagen. Ohne solche Beweise wird im Zweifel zu Ihren Ungunsten entschieden, selbst wenn Sie schwer verletzt wurden.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Pflichten haben Fußgänger beim Überqueren einer Fahrbahn?
Beim Überqueren einer Fahrbahn müssen Fußgänger mehrere gesetzliche Vorgaben nach § 25 StVO beachten. Die Straße ist zügig und auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überqueren. Der Fahrzeugverkehr hat dabei grundsätzlich Vorrang, weshalb Sie diesen stets aufmerksam beobachten müssen.
Wo darf überquert werden?
Bei hoher Verkehrsdichte, schnell fahrenden Fahrzeugen oder schlechten Sichtverhältnissen dürfen Sie die Fahrbahn ausschließlich an folgenden Stellen überqueren:
- An Kreuzungen oder Einmündungen
- An Fußgängerampeln innerhalb der Markierungen
- An Fußgängerquerungshilfen
- An Zebrastreifen
Besondere Sorgfaltspflichten
Sie müssen sich vor dem Betreten der Fahrbahn vergewissern, dass sich kein Fahrzeug nähert. Ein plötzliches Betreten der Fahrbahn oder das Überqueren unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug ist nicht gestattet.
Rechtliche Konsequenzen bei Verstößen
Bei Missachtung dieser Vorschriften drohen nicht nur Bußgelder, sondern auch erhebliche haftungsrechtliche Folgen. Wenn Sie als Fußgänger die Fahrbahn überqueren, ohne auf den Verkehr zu achten, können Sie bei einem Unfall zur alleinigen Haftung herangezogen werden. Das Bußgeld beträgt:
- 5 Euro bei Gefährdung des Verkehrs
- 10 Euro bei Unfallverursachung
Vorrangregeln
An Zebrastreifen und bei abbiegenden Fahrzeugen haben Sie als Fußgänger Vorrang. Dennoch sollten Sie sich auch in diesen Situationen vergewissern, dass die Autofahrer Sie wahrgenommen haben. Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht ist besondere Vorsicht geboten, insbesondere wenn Sie dunkle Kleidung tragen.
Was bedeutet der Anscheinsbeweis bei Fußgängerunfällen?
Der Anscheinsbeweis ist ein wichtiges rechtliches Instrument bei der Beurteilung von Fußgängerunfällen. Er ermöglicht es, bei typischen Unfallabläufen bestimmte Schlussfolgerungen zu ziehen, ohne dass alle Details des Unfalls vollständig aufgeklärt werden müssen.
Grundlegende Anwendung
Bei Fußgängerunfällen greift der Anscheinsbeweis in charakteristischen Situationen. Wird ein Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn auf der rechten Fahrbahnseite von einem Auto erfasst, spricht der erste Anschein für die Unaufmerksamkeit des Fußgängers. Dies gilt besonders dann, wenn der Fußgänger die Straße überquert, ohne sich zu vergewissern, ob sich ein Fahrzeug nähert.
Besondere Konstellationen
Bei Dunkelheit kehrt sich der Anscheinsbeweis um: Fährt ein Kraftfahrer bei Dunkelheit auf einen unbeleuchteten Fußgänger auf, spricht der erste Anschein für eine verkehrswidrige Fahrweise des Autofahrers. Diese Vermutung gilt jedoch nicht, wenn der Fußgänger plötzlich auf die Straße tritt oder der Autofahrer geblendet wurde.
Widerlegungsmöglichkeiten
Der Anscheinsbeweis kann entkräftet werden. Dafür muss die betroffene Partei einen atypischen Geschehensablauf nachweisen. Ein solcher liegt beispielsweise vor, wenn:
- Ein technischer Defekt am Fahrzeug vorlag
- Ein plötzliches Ausweichmanöver nötig war
- Besondere Witterungsverhältnisse herrschten
- Eine Notsituation bestand
Besonders relevant ist die Entfernung zu offiziellen Querungsmöglichkeiten: Die Nichtbenutzung eines nur 20 bis 40 Meter entfernten Zebrastreifens oder einer Ampel kann bereits ein Mitverschulden des Fußgängers begründen.
Wie wird die Schuldfrage bei unklarem Unfallhergang zwischen Fußgänger und Autofahrer geklärt?
Bei der Klärung der Schuldfrage kommt zunächst der Anscheinsbeweis zur Anwendung. Dieser spricht grundsätzlich für eine Haftung des Autofahrers aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs.
Grundsätzliche Bewertung
Der Autofahrer trägt eine Grundhaftung von mindestens 20% aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs, selbst wenn ihn kein Verschulden trifft. Diese Haftung kann nur in absoluten Ausnahmefällen entfallen, wenn der Unfall für einen „Idealfahrer“ komplett unabwendbar gewesen wäre.
Beweismittel zur Klärung
Die konkrete Schuldfrage wird durch folgende Faktoren ermittelt:
- Ein Sachverständigengutachten analysiert technische Aspekte wie Geschwindigkeit, Bremsspuren und Aufprallwinkel.
- Zeugenaussagen geben Aufschluss über die Sichtverhältnisse und das Verhalten der Beteiligten.
- Die Unfallspuren werden dokumentiert und ausgewertet.
Besondere Verhaltensregeln
Die Haftungsverteilung richtet sich maßgeblich nach der Einhaltung der Sorgfaltspflichten:
Bei Fußgängern führt besonders schwerwiegendes Fehlverhalten zu einer erhöhten oder vollständigen Haftung, etwa wenn sie:
- Die Straße bei Rot überqueren
- Plötzlich zwischen parkenden Autos hervortreten
- Die Fahrbahn ohne Beachtung des Verkehrs überqueren
Bei Autofahrern wird geprüft, ob sie:
- Die zulässige Geschwindigkeit eingehalten haben
- Ausreichend aufmerksam waren
- Rechtzeitig gebremst haben
Die endgültige Haftungsverteilung wird im Streitfall durch ein Gericht festgelegt, wobei alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
Ab wann greift die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs bei Fußgängerunfällen?
Die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs greift bereits durch das bloße Inbetriebsetzen des Fahrzeugs, da hierdurch eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Diese verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung besteht auch dann, wenn das Fahrzeug nur vorübergehend geparkt ist.
Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsgefahr
Ein Schaden muss in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stehen. Die Anwesenheit eines Fahrzeugs allein reicht jedoch nicht aus – es müssen sich die vom Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren tatsächlich ausgewirkt haben.
Besonderheiten bei Fußgängerunfällen
Die Betriebsgefahr wirkt sich bei Fußgängerunfällen unterschiedlich aus:
- Bei einem ordnungsgemäß fahrenden Kraftfahrzeug besteht grundsätzlich eine Mithaftung des Halters aufgrund der Betriebsgefahr.
- Wenn ein Fußgänger die Straße grob verkehrswidrig überquert, kann die Betriebsgefahr vollständig zurücktreten.
Umfang der Haftung
Der Umfang der Haftung aus Betriebsgefahr richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Die Betriebsgefahr kann durch ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten des Fußgängers überlagert werden. Wenn der Fußgänger beispielsweise unvermittelt auf die Fahrbahn tritt, ohne auf den Verkehr zu achten, kann dies zu seiner Alleinhaftung führen.
Welche Beweismittel sind bei Fußgängerunfällen besonders wichtig?
Der polizeiliche Unfallbericht stellt das zentrale Beweismittel bei Fußgängerunfällen dar. Er dokumentiert den Unfallhergang, die Unfallstelle und die unmittelbaren Feststellungen der Beamten vor Ort.
Bei der Beweissicherung spielen medizinische Unterlagen eine tragende Rolle. Dazu gehören die Protokolle der Ersthelfer, Krankenhausberichte und ärztliche Atteste, die Art und Schwere der Verletzungen dokumentieren.
Sachverständigengutachten und Zeugenaussagen
Sachverständigengutachten liefern wichtige technische Erkenntnisse über den Unfallhergang. Sie analysieren Bremsspuren, Aufprallstellen und andere technische Aspekte, die für die Bewertung des Unfalls relevant sind.
Die Aussagen von Zeugen haben besondere Bedeutung, wenn der Anscheinsbeweis erschüttert werden soll. Wenn etwa ein Fußgänger bei Dunkelheit in dunkler Kleidung die Straße überquert, können Zeugenaussagen klären, ob sich die Person vorher ausreichend vergewissert hat, dass die Fahrbahn frei ist.
Dokumentation der Unfallstelle
Die fotografische Dokumentation der Unfallstelle ist besonders wichtig. Sie zeigt die Sichtverhältnisse, eventuelle Hindernisse und die genaue Position der Unfallbeteiligten. Bei Unfällen in der Dunkelheit sind auch Fotos der Beleuchtungssituation relevant.
Wenn der Unfall an einer Ampel geschah, sind technische Aufzeichnungen der Ampelschaltung bedeutsam. Diese können belegen, ob ein Rotlichtverstoß vorlag.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anscheinsbeweis
Ein rechtliches Beweismittel, bei dem aus typischen Geschehensabläufen auf den wahrscheinlichen Hergang geschlossen wird. Dies kommt zur Anwendung, wenn der genaue Unfallhergang nicht mehr rekonstruiert werden kann. Basierend auf Erfahrungssätzen und der Lebenserfahrung wird dann der wahrscheinlichste Ablauf angenommen. Im Verkehrsrecht spielt dies besonders bei Unfällen eine wichtige Rolle. Ein Beispiel wäre ein Auffahrunfall, bei dem typischerweise der Auffahrende die Schuld trägt.
Grob fahrlässig
Eine besonders schwere Form der Fahrlässigkeit, bei der die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird. Der Handelnde lässt dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht und missachtet das, was jedem hätte einleuchten müssen. Dies ist in § 277 BGB geregelt. Ein Beispiel wäre das plötzliche Betreten einer stark befahrenen Straße ohne jegliche Verkehrsbeobachtung.
Sichtfahrgebot
Eine zentrale Verhaltensvorschrift im Straßenverkehr nach § 3 Abs. 1 StVO. Fahrer müssen ihre Geschwindigkeit so anpassen, dass sie innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten können. Dies gilt besonders bei schlechten Sichtverhältnissen wie Nebel oder Dunkelheit. Die Geschwindigkeit muss so gewählt werden, dass auf plötzlich auftauchende Hindernisse rechtzeitig reagiert werden kann.
Mitverschulden
Rechtlicher Begriff aus § 254 BGB, der beschreibt, dass ein Geschädigter selbst zur Entstehung seines Schadens beigetragen hat. Dies führt dazu, dass die Ersatzpflicht des Schädigers gemindert wird oder ganz entfällt. Die Schadensverteilung erfolgt nach dem Grad des Verschuldens beider Parteien. Ein klassisches Beispiel ist das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes bei einem Verkehrsunfall.
Tibiakopffraktur
Ein komplexer Knochenbruch am oberen Ende des Schienbeins (Tibia), der das Kniegelenk betrifft. Diese Verletzung gehört zu den schweren Verletzungen im Verkehrsrecht und wird bei der Bemessung des Schmerzensgeldes besonders berücksichtigt. Die Heilung erfordert meist operative Eingriffe und hat oft langfristige Folgen für die Beweglichkeit des Kniegelenks.
Schmerzensgeld
Ein finanzieller Ausgleich für erlittene Schmerzen und Beeinträchtigungen nach § 253 Abs. 2 BGB. Es soll immaterielle Schäden wie körperliche Schmerzen, psychische Belastungen und Einschränkungen der Lebensqualität ausgleichen. Die Höhe richtet sich nach Art und Schwere der Verletzung, Dauer der Heilung und möglichen Dauerfolgen. Beispielsweise können bei schweren Knieverletzungen mit Dauerfolgen mehrere tausend Euro zugesprochen werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs. 3 StVO: Dieser Paragraph regelt die Pflichten von Fußgängern beim Überqueren von Fahrbahnen. Fußgänger müssen besondere Vorsicht walten lassen und dürfen sich nicht in die Fahrbahn eines herannahenden Fahrzeugs bewegen. Hier wird klargestellt, dass im Fall einer Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht durch den Fußgänger eine grobe Fahrlässigkeit vorliegen kann, was die Haftung des Fahrzeughalters mindern oder sogar ausschließen kann. Im vorliegenden Fall war der Fußgänger (Klägerin) zum Zeitpunkt des Unfalls offensichtlich grob fahrlässig, indem sie ohne ausreichende Vorsicht auf der Fahrbahn verharrte.
- §§ 9 StVG: Diese Vorschrift thematisiert das Mitverschulden im Straßenverkehr. Ist ein Beteiligter (hier die Klägerin) an der Entstehung des Unfalls selbst schuld, kann dies die Schadensersatzansprüche mindern. Der Richter hat entschieden, dass auch ohne vollständige Rekonstruktion des Unfallhergangs ein grob fahrlässiger Verstoß gegen die StVO vorliegt, was die Klägerin in ein überwiegendes Mitverschulden versetzt. Dies könnte dazu führen, dass sie keinen Anspruch auf voller Schadensersatz hat.
- § 254 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Mitverschuldensregelung in Schadensersatzansprüchen. Das Mitverschulden kann die Höhe des Anspruchs reduzieren, wenn der Geschädigte selbst zu dem Schaden beigetragen hat. Im Fall der Klägerin könnte ihr Verhalten zum Unfall die Möglichkeit eines vollen Schadensersatzes erheblich beeinträchtigen, da sie, wie das Gericht feststellt, bei der Annäherung an die Fahrbahn nicht die notwendige Vorsicht walten ließ.
- § 823 Abs. 1 BGB: Hier geht es um den Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte (Klägerin) vom Schädiger (Beklagtem) Schadensersatz verlangen, wenn er durch dessen schuldhaftes Verhalten verletzt wurde. In diesem Fall wird die Grundlage für den Anspruch auf Schmerzensgeld und materielle Schäden festgelegt, jedoch wird aufgrund der grob fahrlässigen Mitverantwortung der Klägerin die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche in Frage gestellt.
- § 286 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Beweislast im Zivilprozess. Er besagt, dass eine Partei, die sich auf einen Anspruch beruft, die Beweislast für die Tatsachen trägt, aus denen sich ihr Anspruch ergibt. Im aktuellen Fall muss die Klägerin nachweisen, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hat, was durch die Feststellungen des Gerichts, insbesondere zum Mitverschulden der Klägerin, kompliziert wird. Ohne den Nachweis des fullerfüllten Haftungsanspruchs ist die Klage auf Schadensersatz abgewiesen worden.
Das vorliegende Urteil
LG Halle (Saale) – Az.: 4 O 1110/11 – Urteil vom 09.08.2013
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