OLG Zweibrücken
Az: 3 W 42/06
Beschluss vom 16.03.2006
In dem Verfahren betreffend die Ernennung eines Testamentsvollstreckers für den Nachlass der am 18. September 2005 verstorbenen hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 1. März 2006 gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 15. Februar 2006 zugestellten Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 10. Februar 2006 ohne mündliche Verhandlung am 16. März 2006 beschlossen:
I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3 000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) gegen die vom Landgericht bestätigte Ernennung des Beteiligten zu 3) zum Testamentsvollstrecker durch das Nachlassgericht gemäß § 2200 BGB ist nach §§ 81 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG als sofortige weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich bedenkenfrei. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
1 a) Nach § 2200 Abs. 1 BGB kann das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen, wenn der Erblasser in seinem Testament darum ersucht hat. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ersuchen im Sinne von § 2200 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich gestellt sein braucht. Vielmehr genügt, dass sich durch – gegebenenfalls ergänzende – Auslegung der letztwilligen Verfügung (§§ 133, 2084 BGB) ein darauf gerichteter Wille des Erblassers feststellen lässt.
Hat der Erblasser die Testamentsvollstreckung selbst angeordnet und ist der durch Verfügung von Todes wegen eingesetzte Testamentsvollstrecker wegen Nichtannahme des Amtes weggefallen – so liegen die Dinge hier -, ist zu prüfen, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen lässt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen. Zwar kann bei Auswahl einer bestimmten Person als Testamentsvollstrecker durch den Erblasser nicht ohne weiteres von einem Ersuchen an das Nachlassgericht ausgegangen werden, wenn diese Person für das Amt nicht zur Verfügung steht. Dennoch sind an die Feststellung eines Ersuchens im Sinne von § 2200 Abs. 1 BGB keine strengen Anforderungen zu stellen. Deshalb genügt es, wenn der Erblasser die Testamentsvollstreckung selbst angeordnet hat, dass sein Wille erkennbar wird, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der von ihm benannten Person fortdauern zu lassen. Dabei muss der Wille nicht einmal wirklich vorhanden und dem Erblasser bewusst gewesen sein. Er ist nach allgemeinen Grundsätzen über die ergänzende Testamentsauslegung schon dann anzunehmen, wenn der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gewünscht hätte. Hierbei ist von maßgebender Bedeutung, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewogen haben und ob diese Gründe, von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen, insbesondere ob noch Aufgaben des Testamentsvollstreckers zu erfüllen sind. Zur Feststellung des (mutmaßlichen) Erblasserwillens sowie der Gründe, die ihn zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewogen haben, muss der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (vgl. zum Ganzen: OLG Hamm, NJWE-FER 2001, 105, 106 f; BayObLG NJW-RR 2003, 224, 225 = FamRZ 2003, 789 = Rpfleger 2003, 127, jew. m. zahlr. w. Nachw.; Palandt/Edenhofer, BGB 65. Aufl., § 2200 Rdnrn. 2, 3; Staudinger/Reimann, BGB Neubearbeitung 2003, § 2200 Rdnr. 7).
b) Die Auslegung selbst ist grundsätzlich dem Nachlassgericht und dem Gericht der Erstbeschwerde als den Tatsacheninstanzen vorbehalten. Die Rechtskontrolle im dritten Rechtszug ist darauf beschränkt, ob die Auslegung der Tatrichter gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand – z. B. ein Teil des Testamentswortlauts – übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BayObLG NJW-RR 2003, 224, 226 m.w.N.).
2. Der nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen eröffneten Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz hält die Auslegung des Willens der Erblasserin durch das Landgericht stand. Aufgrund der in den Gründen des landgerichtlichen Beschlusses mitgeteilten Erwägungen durfte die Einzelrichterin der Zivilkammer rechtlich beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gelangen, dass der Wille der Erblasserin nicht auf die Testamentsvollstreckung ausschließlich durch den von ihr in der letztwilligen Verfügung vom 5. August 2003 benannten Herrn H…., sondern gegebenenfalls auf die ersatzweise Ernennung eines anderen Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gerichtet war.
Der Umstand, dass die Erblasserin in allen vier von ihr zwischen 1997 und 2003 errichteten letztwilligen Verfügungen Testamentsvollstreckung angeordnet und zur Aufgabe des jeweils benannten Testamentsvollstreckers stets die Erfüllung der von ihr angeordneten Vermächtnisse bestimmt hat, legt diese Auslegung sehr nahe. Für sie spricht weiter auch, dass die Erblasserin – wie die konkrete Zuweisung der Aufgaben an den Testamentsvollstrecker in § 5 des notariell beurkundeten letzten Testaments vom 5. August 2003 belegt – das Verhältnis zwischen ihrer zur Erbin eingesetzten Tochter und ihrer mit Vermächtnissen bedachten Pflegetochter offenbar als konfliktträchtig angesehen hat; deshalb machte es für die Erblasserin Sinn, die Ausführung der von ihr letztwillig getroffenen Verfügungen durch einen Testamentsvollstrecker als neutrale Instanz sichergestellt zu wissen. Dafür, dass es der Erblasserin dabei gerade um die Person des von ihr zum Testamentsvollstrecker ernannten Herrn H…. gegangen wäre, ist nichts ersichtlich. Auch die Beteiligte zu 1) hält in diese Richtung keinen substantiierten Sachvortrag.
Nach alledem begegnet die Auslegung der Vorinstanzen, dass die Erblasserin die Testamentsvollstreckung auch nach dem – von ihr nicht vorausbedachten – Wegfall des namentlich benannten Testamentsvollstreckers fortdauern lassen wollte, keinen rechtlichen Bedenken.
Ein Ersuchen der Erblasserin gegenüber dem Nachlassgericht im Sinne des § 2200 Abs. 1 BGB liegt somit vor.
Zutreffend ist auch die Annahme des Landgerichts, dass die Aufgaben des Testamentsvollstreckers noch nicht erledigt sind (was ebenfalls Voraussetzung einer Ernennung ist, vgl. BGH NJW 1964, 1316; BayObLG Rpfleger 2004, 164). Denn die schuldrechtlichen Vermächtnisansprüche der Beteiligten zu 2) (§ 2174 BGB) sind noch nicht durch entsprechende sachenrechtliche Verfügungsgeschäfte erfüllt. Hierfür hat nach § 2203 BGB der Testamentsvollstrecker zu sorgen (vgl. Palandt/ Edenhofer a.a.O. § 2203 Rdnr. 1; Staudinger/Reimann a.a.O. § 2203 Rdnrn. 4, 29).
Da auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, welche die Wirksamkeit der im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts (bzw. des an seine Stelle tretenden Erstbeschwerdegerichts) stehenden Ernennung des Beteiligten zu 3) zum Testamentsvollstrecker in Fragen stellen könnten, war die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
3. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz (§ 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO). Eine Anordnung betreffend die Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlasst, weil der Senat niemanden außer der Beteiligten zu 1) am Verfahren der weiteren Beschwerde beteiligt hat.
Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren hat der Senat in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte zum Wert des Nachlasses gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO auf den Regelwert von 3 000,00 EUR festgesetzt.