Landgericht Mühlhausen
Az.: 610 Js 55138/04-9Kls
In der Strafsache wegen Steuerhinterziehung hat die 9. (große) Strafkammer – 3. Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Mühlhausen aufgrund der Hauptverhandlung vom 06.06., 07.06., 19.06. und 21.06. für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts N… vom 28.10.2004, Az.: Cs 716 Js 210773/04, verhängten Einzelstrafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte.
Die Nebenentscheidungen und Maßregeln der Besserung und Sicherung aus dem genannten Strafbefehl bleiben aufrecht erhalten.
Angewendete Vorschriften: § 370 Abs. 1, Nr. 1 Abgabenordnung, §§ 25, 53, 55 Abs. 2 Strafgesetzbuch.
Gründe:
I.
Der Angeklagte wurde am … in … geboren. Nach dem Besuch der polytechnischen Oberschule erwarb er … das Abitur und studierte nach dem Grundwehrdienst …
…, 1990 wurde er geschäftsführender Gesellschafter der T… mbH …, … In diesem Bereich war er bis 1997 tätig. Die Firma beschäftigte sich mit Kredit- und Immobiliengeschäften. Der Konkursantrag der T… gesellschaft wurde mangels Masse im Dezember 1997 abgelehnt. In den Jahren ab 1994 wurde er Geschäftsführer verschiedener Firmen, der T… Bauträger- und Vertriebs-GmbH (Insolvenz), der A… Bauträge- und Vertriebs-GmbH (Geschäftstätigkeit der Firma ruhte/Abmeldung) und seit Februar 1998 der … T… Unternehmensberatung.
Der Angeklagte ist geschieden und hat zwei erwachsene, wirtschaftlich unabhängige Töchter. Heute lebt der Angeklagte in … und bezieht Arbeitslosengeld („Hartz IV“).
Ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs vom 25.08.2005 ist der Angeklagte wie folgt vorbestraft:
Am 12.02.2001 verurteilte ihn das Amtsgericht N…, Az. Cs 1201 Js 51387/97, rechtskräftig seit dem 24.08.2001, wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht und Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,- DM. Die Taten standen im Zusammenhang mit seiner damaligen Firma. Die Strafe ist vollständig bezahlt.
Am 28.10.2004 wurde er im Wege des Strafbefehls durch dasselbe Gericht unter dem Az. Cs 716 Js 210773/04, rechtskräftig seit dem 04.11.2004, wegen dreier Verkehrsdelikte zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,- Euro verurteilt. Zur konkreten Tatbegehung wird im Rahmen der Gesamtstrafenbildung näher ausgeführt. Die Strafe ist teilweise bezahlt.
II.
1. Vorgeschichte
Der Angeklagte war in der Zeit von Mitte 1998 bis Ende 1999 unter der Einzelfirma „…, T… Unternehmensberatung“ mit Sitz in angemieteten Räumen des H… Hotels … tätig. In dieser Zeit schloss er mit etwa 170 Kunden Darlehensverträge in Größenordnungen bis zu jeweils zweistelligen Millionenbeträgen (in DM) ab. Das Gesamtvolumen dieser Geschäfte betrug ca. 1,4 Mrd. DM. Mit den Kunden wurde vertraglich vereinbart, dass die Darlehen nicht getilgt werden müssten. Es sei lediglich die Zahlung von Zinsen erforderlich. Sicherheiten verlangte der Angeklagte nicht. Die vom Angeklagten vermittelten Darlehen sollten, so versprach er seinen Kunden, von einer angeblichen mexikanischen Bank namens „Z… S.A.“ (Z…) über deren angebliche schweizerische Repräsentanz, die „A… AG …“ (A… AG) mit Sitz in Zürich, ausgekehrt werden. Zur Auszahlung auch nur eines einzigen Darlehens kam es gemäß vorgefasster Absicht des Angeklagten jedoch nicht.
Für seine Bemühungen im Rahmen der Darlehensbeantragung vereinnahmte er jeweils vorab Bearbeitungsgebühren von den Darlehensinteressenten in Höhe von insgesamt 7.791.000,- DM. Hiervon habe er angeblich 75 % an die A… AG weitergeleitet. Den Teil der Bearbeitungsgebühren, den der Angeklagte an die A… AG weitergeleitet haben will, gab er jeweils gewinnmindernd in verschiedenen Steuererklärungen an, obgleich er ihn, wie er wusste, niemals weitergeleitet hatte. In Wirklichkeit existierte die A… AG überhaupt nicht. Der Angeklagte hat ihre Existenz nur vorgespiegelt.
Konkret kam es in den Steuererklärungen des Angeklagten zu folgenden Angaben:
2. Fall 1: Einkommensteuer 1998
Am 13. Januar 2000 reichte der Angeklagte bei seinem Wohnsitzfinanzamt … seine Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1998 nebst Anlage GSE und Jahresabschluss einschließlich Gewinn- und Verlust- (GuV)-Rechnung ein. Hierin erklärte er, einen Gewinn aus dem Gewerbebetrieb der … T… Unternehmensberatung, …, in Höhe von 42.623,- DM erzielt zu haben.
Das Finanzamt folgte den in den Erklärungen gemachten Angaben des Angeklagten und setzte für den Angeklagten mit Bescheid vom 1. Februar 2000 eine Einkommensteuer (ESt) für 1998 in Höhe von 8.649,- DM und einen Solidaritätszuschlag (SolZ) i.H.v. 475,69 DM fest.
Der Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1998 war von dem Angeklagten jedoch bewusst zu niedrig angegeben worden. Der Angeklagte hatte, für das Kalenderjahr 1998 Betriebsausgaben in Höhe von 609.750,- DM erklärt, obwohl diese, wie er wusste, nicht angefallen waren. Der tatsächliche Gewinn des Angeklagten aus Gewerbebetrieb für 1998 betrug (unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerrückstellung) 566.610,87 DM. Die danach festzusetzende Einkommensteuer (ESt) für 1998 hätte 249.999,- DM und der Solidaritätszuschlag (SolZ) 13.749,94 DM betragen.
Aufgrund seiner unrichtigen Angaben wurde für den Angeklagten die Einkommensteuer (ESt) 1998 um (249.999,- DM ./. 8.649,- DM =) 241.350,- DM und den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag (SolZ) um (13.749,94 DM ./. 475,69 DM =) 13.274,25 DM, insgesamt also um 254.624,25 DM zu gering festgesetzt, was seiner vorgefassten Absicht entsprach.
Eine höhere ESt nebst SolZ wurde erst aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndungsstelle im Anschluss an deren Ermittlungen im Jahre 2003 festgesetzt. Die Steuerschuld hat der Angeklagte bis heute nicht bezahlt. Die Verwendung und der Verbleib der Gelder blieb ungeklärt.
Im Einzelnen resultiert der zu niedrige Gewinnausweis aus folgenden, bewusst zu Unrecht geltend gemachten Scheinbetriebsausgaben:
In den gegenüber dem Finanzamt erklärten Gewinn i.H.v. 42.623,- DM flossen die für seine Vermittlungsbemühungen erhaltenen Bearbeitungsgebühren als „Provisionserlöse“ der … T… Unternehmensberatung i.H.v. 809.750,- DM ein. Diesen Erlösen stellte der Angeklagte Betriebsausgaben i.H.v. 609.750,- DM für „Aufwendungen für bezogene Leistungen“ der „A… AG Zürich“ gegenüber. Hierbei soll es sich nach den Angaben des Angeklagten um die „A… AG … Zürich“ gehandelt haben, an welche der Angeklagte 75 % der von den Darlehensinteressenten erhaltenen Bearbeitungsgebühren weitergereicht haben will.
Tatsächlich hatte der Angeklagte keine Bearbeitungsgebühren an die A… AG …, Zürich, weitergereicht. Die A… AG …, Zürich, gab es überhaupt nicht. Die Existenz der A… AG wurde dem Finanzamt vom Angeklagten nur vorgespiegelt, indem er im Jahresabschluss vortäuschte, die entsprechenden Gebühren an die A… AG bezahlt zu haben.
3. Fall 2: Gewerbesteuer 1998
Am 14. Januar 2000 reichte der Angeklagte beim Finanzamt W… die Gewerbesteuer(GewSt)-Erklärung 1998 der … T… Unternehmensberatung GbR ein und erklärte hierin einen Gewinn i.H.v. 42.623,- DM. Das Finanzamt folgte den Angaben des Angeklagten und setzte aufgrund der Unterschreitung des Freibetrags (§ 11 GewStG) keinen Gewerbesteuermessbetrag fest, weshalb auch keine Gewerbesteuer festgesetzt wurde.
Der Gewinn war jedoch, wie vom Angeklagten beabsichtigt, zu niedrig angegeben, da der Angeklagte die o.g. „Bearbeitungsgebühren A… AG“ i.H.v. 609.750,- DM bewusst wahrheitswidrig gewinnmindernd in die Gewinnermittlung einfließen ließ. Tatsächlich betrug der Gewinn 566.610,- DM, auf dessen Grundlage sich eine festzusetzende GewSt für 1998 i.H.v. 87.061,- DM ergibt. Durch seine unrichtigen Angaben gegenüber dem Finanzamt W… verkürzte der Angeklagte mithin GewSt 1998 i.H.v. (87.061,- DM ./. 0 DM =) 87.061,-DM. Dies entsprach seinem vorgefassten Willen.
Die Gewerbesteuer wurde ebenfalls erst aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung nachträglich festgesetzt. Der Angeklagte hat die GewSt auch in der Folgezeit nicht bezahlt.
4. Fall 3: Einkommensteuer 1999
Am 9.5.2000 reichte der Angeklagte beim mittlerweile zuständigen Finanzamt L… seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 nebst Anlage GSE ein. Hierin erklärte er, in 1999 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25.626,- DM erzielt zu haben.
Das Finanzamt folgte den in der Erklärung nebst eingereichtem Jahresabschluss gemachten Angaben des Angeklagten und setzte für ihn mit Bescheid vom 23. Juni 2000 eine Einkommensteuer für 1999 in Höhe von 3.347,- DM und einen Solidaritätszuschlag i.H.v. 184,08 DM fest.
Der Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1999 war von dem Angeklagten jedoch bewusst zu niedrig angegeben worden, indem er wider besseres Wissen Scheinbetriebsausgaben i.H.v. 6.057.395,37 DM gewinnmindernd geltend machte. Tatsächlich hatte der Angeklagte im Kalenderjahr 1999 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 5.160.025,17 DM erzielt. Die danach festzusetzende ESt für 1999 hätte 2.307.621,- DM betragen und der hierauf entfallende SolZ 126.919,15 DM.
Durch seine unrichtigen Angaben verkürzte der Angeklagte entsprechend seiner vorgefassten Absicht die Einkommensteuer (ESt) 1999 um (2.307.621,- DM ./. 3.347,- DM =) 2.304.274,- DM und den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag (SolZ) um (126.919,15 DM ./. 184,08 DM =) 126.735,07 DM, insgesamt also um 2.431.009,07 DM.
Ein geänderter, auf den Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung basierender Bescheid über ESt und SolZ 1999 erging im Jahre 2003. Den Steuerschaden hat der Angeklagte nicht ausgeglichen.
Der zu niedrige Gewinnausweis resultiert aus zu Unrecht geltend gemachten Scheinbetriebsausgaben. In dem zur ESt-Erklärung 1999 gehörenden Jahresabschluss der … T… Unternehmensberatung W… gab der Angeklagte an, Provisionserlöse in Höhe von 6.947.000,- DM erhalten zu haben, womit die von den Darlehensinteressenten vereinnahmten Bearbeitungsgebühren gemeint waren. Diesen Erlösen stellte der Angeklagte unter anderem Betriebsausgaben i.H.v. 6.057.395,37 DM gegenüber, die er an die „A… AG Zürich“ bezahlt haben will. Dabei handelt es sich um drei Positionen, nämlich um
weitergereichte Bearbeitungsgebühren i.H.v. 5.256.395,37 DM,
LOI („letter of intent“)-Gebühren i.H.v. 721.000,- DM und
weitergereichte Bearbeitungsgebühren für 1998 i.H.v. 80.000,- DM.
In Wirklichkeit hatte der Angeklagte auch im Jahr 1999, wie schon im Jahr 1998, keinerlei Bearbeitungs- oder LOI-Gebühren an die (nicht existente) A… AG …, Zürich, weitergereicht. Durch seine bewusst wahrheitswidrigen Angaben einschließlich der Vorspiegelung der Existenz der A… AG wurde der Gewinn der … T… für das Geschäftsjahr 1999 gegenüber dem Finanzamt zu niedrig ausgewiesen.
5. Fall 4: Gewerbesteuer 1999
Ebenfalls am 9.5.2000 reichte der Angeklagte beim Finanzamt W… die Gewerbesteuererklärung für 1999 nebst Jahresabschluss ein. Hierin erklärte er, in 1999 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.985,- DM erzielt zu haben.
Das Finanzamt folgte den Angaben des Angeklagten. Ein Gewerbesteuermessbetrag wurde aufgrund Unterschreitung des Freibetrages zunächst nicht festgesetzt, weshalb es auch zu keiner Festsetzung von GewSt kam, was der Absicht des Angeklagten entsprach. Erst aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung erließ das Finanzamt Weimar am 14.3.2003 einen Gewerbesteuermessbescheid, in dem es einen Gewinn von 5.167.955,- DM zugrunde legte.
Der Gewinn aus Gewerbebetrieb war von dem Angeklagten jedoch bewusst wahrheitswidrig zu niedrig angegeben. Tatsächlich hat der Angeklagte in 1999 einen Gewinn i.H.v. 5.160.025,- DM erzielt. Die danach festzusetzende Gewerbesteuer hätte 936.840,- DM betragen.
Durch seine unrichtigen Angaben hat der Angeklagte die GewSt 1999 um (936.840,- DM ./. 0 DM =) 936.840,- DM verkürzt.
Ein geänderter GewSt-Bescheid erging erst aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung im Jahre 2003, wobei die geändert festgesetzten Beträge bis heute vom Angeklagten nicht bezahlt worden sind.
III.
1. Zum Geschäftsablauf und zu den Angaben des Angeklagten gegenüber dem Finanzamt
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die äußeren Geschehnisse, insbesondere zum Geschäftsablauf und zu den Angaben gegenüber dem Finanzamt, vollumfänglich eingeräumt. Im übrigen hat er auch die weiter unten im Rahmen der Bewertung der Indizien genannten Umstände der Sache nach bestätigt. Auch die konkreten Zahlen des Anklagevorwurfs seien zutreffend.
Die Angaben des Angeklagten in den jeweiligen Erklärungen ergeben sich zusätzlich aus den gem. § 249 Abs. 2 StPO im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Einkommensteuer- und Gewebesteuererklärungen 1998 und 1999, den Anlagen GSE und den der Einkommensteuererklärungen zugrunde liegenden Jahresabschlüssen für die … T… Unternehmensberatung. Die in den Urteilsfeststellungen genannten Festsetzungen sind in den entsprechenden Bescheiden der Finanzämter über ESt und SolZ sowie zur Gewerbesteuer dokumentiert. Dass es keine Gewerbesteuerfestsetzung gab, ergibt sich bereits aus der Unterschreitung des Freibetrages in Höhe von 48.000,- DM und wurde, wie die übrigen Umstände, vom Angeklagten ebenfalls bestätigt.
Die Zusammensetzung des gegenüber dem Finanzamt erklärten Gewinns i.H.v. 42.623,- DM für 1998 ist auch aus dem Jahresabschluss der … T… Unternehmensberatung für die Zeit vom 15.06.1998 bis 31.12.1998 ersichtlich. Die gewinnmindernde Einbuchung der 609.750,- DM als Zahlungen an die A… AG Zürich ist in dem Kontennachweis zur GuV (Blatt 7 des Jahresabschlusses, Kto # 3100) dokumentiert.
Die Zusammensetzung des gegenüber dem Finanzamt erklärten Gewinns i.H.v. 25.626,- DM (ESt-Erklärung) bzw. 19.985,- DM (GewSt-Erklärung) für 1999 ergibt sich aus dem entsprechenden Jahresabschluss der Gesellschaft für das Jahr 1999. Die gewinnmindernde Einbuchung von Bearbeitungsgebühren in Höhe von (Bearbeitungsgebühren 1999 i.H.v. 5.256.395,37 DM zzgl. LOI-Gebühren i.H.v. 721.000,- DM zzgl. Bearbeitungsgebühren 1998 i.H.v. 80.000,- DM) an die A… AG Zürich ist im Kontennachweis zur GuV (Blatt 5 des Jahresabschlusses) niedergelegt und ergibt sich im Einzelnen aus den Jahreskontenübersichten der Konten # 3100, 3102 und 3103.
2. Zu den Bearbeitungsgebühren AFAG Zürich
a) Einlassung des Angeklagten
Allerdings seien, so die Einlassung des Angeklagten weiter, seine in den Steuererklärungen getätigten Angaben zutreffend gewesen. Er habe stets sämtliche die Firma betreffenden Geschäftsunterlagen in gutem Glauben der Steuerberaterin, Frau P… übergeben.
Mit der Firma A… AG … sei er durch einen „langjährigen schweizer Geschäftspartner“ bekannt gemacht worden, und zwar mit einem Herrn G… auf Seiten der A… AG. Ansprechpartner sei auch im folgenden immer nur „Herr G…“ gewesen, stets nur über Mobiltelefon. Herr G… sei für ihn immer erreichbar gewesen. Weitere verantwortliche Personen habe er nicht kennen gelernt. Dies sei auch nicht erforderlich gewesen, da er sich ja stets an Herrn G… habe wenden können. Angaben zu Herrn G… sowie zu Telefonnummern oder Örtlichkeiten könne er, soweit sie ihm bekannt seien, nicht preisgeben, da er eine Verschwiegenheitserklärung gegenüber seinen schweizer Geschäftspartnern abgegeben habe. Der Grund dafür sei „Loyalität“. Als ehemaliger Leistungssportler kenne er derartige Loyalitätserfordernisse und fühle sich daran gebunden.
Die Bearbeitungsgebühren an die A… AG habe er tatsächlich bezahlt. Die Beträge seien jeweils von Herrn G… auf Seiten der A… AG in bar in W… abgeholt worden.
Er kenne zwar die damalige Anschrift der A… AG, gebe diese aber nicht an. Heute gebe es die Firma nicht mehr. Auch zur Z… gebe er keine näheren Angaben preis.
Er gehe auch heute noch von der Seriosität der Firmen aus. Denn er verlasse sich insoweit auf den schweizer Geschäftspartner, den er bereits von früher aus dem Leistungssport her kenne. Dieser sei bereits damals im Kreditwesen tätig gewesen. Außerdem sei „Herr G…“ auf jeden Fall ein integerer Geschäftspartner. Recherchen dazu habe er nicht getätigt. Diese seien auch nicht erforderlich gewesen. Die Seriosität der Firma A… AG habe er selbst beurteilen können, da er Herrn G… ja persönlich kennen gelernt habe. Er habe auch „Signale von außen“ erhalten, wonach die Firmen A… AG und Z… tatsächlich schon Darlehen ausgereicht hätten, und zwar von einem Steuerberater aus Belgien namens K… Für die „Platzierungsproblematik“ trügen die Firmen ja keine Schuld.
Dass die Firmen für niemanden außer ihm erreichbar gewesen seien, sei ihm verständlich. Dies sei in erhöhten Diskretionserfordernissen begründet. Aus diesem Grunde seien auch sämtliche Geschäfte in bar abgewickelt worden. Dies könne er gut nachvollziehen.
Dass letztlich keinerlei Darlehen ausgereicht worden seien, sei richtig, aber aufgrund der „Platzierungsproblematik“ ebenfalls verständlich. Den Firmen und ihm selbst könne kein Vorwurf gemacht werden. Vielmehr werde hier versucht, Steuern aus angeblichen Betrugsstraftaten einzutreiben, welche dem Staat nicht zustünden. Im Übrigen schließe es sich aus, dass er habe jemanden betrügen und gleichzeitig „Steuern sparen“ wollen.
b) Widerlegung dieser Einlassung
Dass es die behaupteten Zahlungen von dem Angeklagten an die A… AG … Zürich, tatsächlich nicht gab, ergibt sich daraus, dass diese Firma nicht existiert. Dies wiederum folgt aus einer Gesamtschau folgender Umstände:
aa) Nichtnennung durch den Angeklagten
Dass der Angeklagte trotz umfangreicher Einlassung im übrigen keine näheren Angaben zu den Firmen, Personen und Örtlichkeiten seitens der A… AG und der Z… macht, spricht jedenfalls angesichts der Gesamtumstände dafür, dass es diese Firmen und Verantwortliche dieser Firmen tatsächlich nicht gibt. Denn er lässt sich zu allen Tatumständen ein, nur nicht zu den Umständen, welche für die Existenz der A… AG sprechen würden. Dabei hätte gerade das nahe gelegen. Das Verschweigen gerade dieser Umstände ist mit der vom Angeklagten als Begründung angegebenen „Loyalität“ nicht zu erklären.
Das behauptete Interesse an einer Verschwiegenheit des Angeklagten seitens seiner Geschäftspartner, insbesondere der A… AG, ist bereits für sich gesehen nicht plausibel. Es ist nicht ersichtlich, warum ein seriöser Darlehensgeber oder dessen Vermittler anonym bleiben und eine direkte Ansprechmöglichkeit von Kunden verhindern wollen sollte. Auch der Angeklagte konnte, hierzu weiter befragt, nur floskelhafte Begründungen liefern. So gab er an, den Finanzgebern sei es „nicht Recht“ gewesen, wenn ein Rückschluss auf sie möglich geworden wäre. Dies sei auch „mit der erforderlichen Diskretion im Bankgewerbe nicht vereinbar“ gewesen. Herr G… habe ihm gesagt, „dass Bankgestaltungen im Rahmen von diskreten Finanzgeschäften nicht möglich seien.“ Eine einleuchtende und nachvollziehbare Begründung ist dies nicht.
Sollte es – einmal unterstellt – tatsächlich eine wie auch immer geartete Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen dem Angeklagten und den angeblichen Geschäftspartnern gegeben haben, so wäre im weiteren in keiner Weise nachvollziehbar, warum sich der Angeklagte heute noch an eine solche gebunden fühlen sollte. Trotz Zahlung der Bearbeitungsgebühren ist kein einziges der von ihm vermittelten und den Kunden versprochenen Darlehen zur Auszahlung gelangt. Das heißt, die A… AG und die Z… haben sogar nach der Einlassung des Angeklagten ihrerseits ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt. Aus diesem Grunde ist es zu erheblichen Problemen für den Angeklagten gekommen, der seinerseits seine vertraglichen Pflichten gegenüber den Kunden nicht erfüllen konnte. Aufgrund dessen sah er sich seitens der Kunden erheblichem Druck ausgesetzt. Der Angeklagte hat glaubhaft angeben, dass er Drohungen bis hin zu Morddrohungen seitens der Kunden ausgesetzt war. Es hätte sich aufgedrängt, dass er zum eigenen Schutz seinen geprellten und aufgebrachten Kunden einen Ansprechpartner der A… AG genannt oder sonst eine Kontaktaufnahme ermöglicht hätte, was er aber, wie er selbst einräumt, gerade nicht getan hat. Auch wäre angesichts dieser Situation mit der Angabe für einen Nachweis geeigneter Einzelheiten durch den Angeklagten auch dem Gericht gegenüber zu rechnen. Der Angeklagte müsste sich, sollte seine Einlassung zutreffen, aller Lebenserfahrung nach selbst getäuscht fühlen und an der weiteren Sachaufklärung gerade interessiert sein und zu dieser beitragen. Stattdessen hat er ausgeführt: „Dass sich die A… AG dann anders entschloss und die Bearbeitungsgebühren nicht zurückerstattete, war für mich nachvollziehbar.“ Auch dass die Bearbeitungsgebühren in fast allen Fällen nicht zurückerstattet worden sei, halte er für legitim. Schließlich seien im Vorfeld auch ohne konkrete Auszahlungen „Kosten“ entstanden.
Neben der Angst um das eigene Leben war der Angeklagte durch die Verweigerung näherer Angaben auch erheblichen finanziellen Nachteilen ausgesetzt. Er ist Steuernachforderungsansprüchen in Höhe von etwa drei Millionen DM ausgesetzt. Dennoch hat er auch im Finanzverwaltungs- und -gerichtsverfahren keine Anschrift der A… AG oder Hinweise zu Ansprechpartnern genannt. Obgleich der Angeklagte, wie er selbst eingeräumt hat, durch das Finanzamt W… in diesem Rahmen ausdrücklich aufgefordert wurde, den Empfänger der angeblichen Barzahlungen namentlich zu benennen, da anderenfalls die Zahlungen nicht anerkannt würde, tat der Angeklagte dies – auch in der Folgezeit – nicht. Er berief sich vielmehr auf seine angebliche Kriminalisierung und ein ihm zustehendes angebliches Aussageverweigerungsrecht. Auch vor dem Finanzgericht … gab er den angeblichen Empfänger bzw. nähere Angaben zur A… AG nicht preis, wie sich aus seiner Einlassung und aus dem verlesenen Urteil des Finanzgerichts ergibt, obwohl er sich auch im Finanzgerichtsverfahren jedenfalls teilweise eingelassen hat. Aus welchem Grunde er dann ausgerechnet die bezeichneten Angaben zurückhalten sollte, die seine Version konkret stützen, ist nicht verständlich. Nunmehr ist er insolvent und hat die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Dass er eher bereit wäre, den eigenen wirtschaftlichen Ruin zu akzeptieren, als nähere Angaben zu einer Firma zu tätigen, die wider ihre vertragliche Verpflichtung Darlehen nicht ausgereicht hat, nur, weil er „Verschwiegenheit“ versprochen haben will, ist lebensfremd.
Das Gericht hat den Angeklagten in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass es angesichts der Umstände nicht nachvollziehbar sei, warum er keine weiteren Angaben zur A… AG und zur Z… tätige. Der Angeklagte hat dennoch keine weiteren Begründungen außer der angeblichen Verschwiegenheitsverpflichtung gegeben. Er wiederholte lediglich seine „Loyalität“ gegenüber seinen Geschäftspartnern. Zu der Frage, was ihm konkret drohe, wenn er sein Verschwiegenheitsversprechen breche, wollte er keine Angaben machen.
Auch die theoretische Möglichkeit, dass die Tätigkeit des Angeklagten hier ursprünglich der Einbringung von Schwarzgeldern nicht genannter Hintermänner in den regulären Wirtschaftskreislauf dienen sollte und er von diesen unter Druck gesetzt und zur Verschwiegenheit „verpflichtet“ wurde, ist nach Überzeugung der Kammer auszuschließen. Der Angeklagte hat entsprechendes zunächst auf Nachfrage überzeugend verneint. Des weiteren ist kein einziges Darlehen ausbezahlt worden. Gerade das Auszahlen rein zu waschender Gelder wäre aber notwendiger Bestandteil einer derartigen Geldwäsche. Insbesondere hat der Angeklagte auch in keiner Weise den Eindruck gemacht, auf Druck von Hintermännern Kontakte zu verschweigen, insbesondere hat er diesbezüglich weder Emotionen gezeigt noch irgendwelche Andeutungen gemacht, dass er in ein ihn gefährdendes Netzwerk verstrickt sein könnte.
bb) Kein Eintrag im Handelsregister
Es gibt unter der Firma A… AG … keinen Eintrag im Handelsregister des Kantons Zürich im fraglichen Zeitraum. Dies hat der Zeuge … L…, Finanzbeamter bei der Steuerfahndung des Finanzamts … der mit den steuerstrafrechtlichen Ermittlungen betraut war, glaubhaft ausgesagt. Eine Firma dieses Namens ist auch nicht in den schweizerischen Ragionenbüchern 1997, 1998 und 1999, einer Zusammenfassung der Handelsregistereintragungen, eingetragen. Dasselbe ergibt sich aus den Handelsregisterauszügen des Kantons Zürich mit dem Stand 29.5.2002. Letztere weisen auch keine Löschung einer derartigen ehemals existenten Firma auf. Bei tatsächlicher Existenz wäre mit einem derartigen Eintrag im Handelsregister aber zu rechnen gewesen.
cc) Kein Eintrag im Telefonbuch
Im Telefonbuch von Zürich existiert kein Eintrag einer A… AG …. Seit 1997 bis 2000 war eine derartige Firma in den Telefonbüchern von Zürich weder eingetragen noch auf der CD-ROM-Version 1998/5 der schweizer Telefonbücher noch in der elektronischen Telefonbuchausgabe für die gesamte Schweiz vom 16.6.2000 auffindbar. Dies hat auch der Zeuge L… bestätigt.
Eine Unauffindbarkeit in den genannten Registern und Büchern spricht gegen deren Existenz. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass es sich bei der angeblichen Firma A… AG … sogar um eine Aktiengesellschaft handeln soll. Gerade eine Aktiengesellschaft müsste in den Büchern und in den genannten Medien auffindbar sein.
dd) Briefpapier der A… AG und Z…
Auf sämtlichen sichergestellten Schreiben der A… AG (und auch der angeblichen Finanzierungsgesellschaft Z…) ist keine Adresse, keine lesbare Unterschrift, kein Bearbeitervermerk, keine Telefon- oder Telefaxnummer, keine email-Adresse, kein Sachbearbeiter, keine Steuernummer und kein anderes Identifizierungsmerkmal, welches einen Rückschluss auf Firma, Verantwortlichen oder Firmensitz zuließe, vorhanden. Dies hat der Angeklagte bestätigt und mit dem Diskretionsinteresse begründet. Ein Interesse der Firmen, „unerkannt“ zu bleiben, ist hingegen nicht ersichtlich. Wenn der Angeklagte hierzu angibt, diese Art der Adressierung seiner Schreiben an die Firma sei ihm so von Herrn G… vorgegeben worden und er halte die Bedingungen für nachvollziehbar, überzeugt dies nicht.
ee) Schriftwechsel mit A… AG
Vorstehendes gilt auch für den (angeblichen) Vermittlungsvertrag zwischen der A… AG und dem Angeklagten vom 16.12.1997, welcher unter anderem im Zusammenhang mit einer Tabelle die Höhe der Bearbeitungsgebühren an die A… AG festlegt. Auch dieser lässt – ohne nachvollziehbaren Grund – jede Angabe zur Identifizierung der A… AG vermissen. Der Vertrag nennt als Vertragspartner I, die „A… AG …, CH-… Zürich“, wiederum ohne Angabe einer Straße, eines Namens eines Ansprechpartners oder des Unterzeichners, einer Telefonnummer, Bankverbindung usw. Dem gegenüber ist der Vertragspartner II, der Angeklagte, mit Namen und auch Adresse vollständig angegeben. Diese Diskrepanz ist durchgängig.
Während als Adresse A…AG beim angeblichen Schriftverkehr mit der T… Unternehmensberatung nur: „C-8004 Zürich“ genannt wird, wird in den Schreiben die Adresse der Unternehmensberatung stets jeweils mit vollständiger Adresse genannt. Diese unterschiedliche Handhabung zwischen Absender und Empfänger macht, gäbe es die Firma A…AG tatsächlich, keinen Sinn. Ein „Diskretionsinteresse“ der A…AG als ein angeblich seriöses Finanzinstitut ist auch hier nicht erkennbar. Die Angabe der Straße gerade auch des Absenders im Geschäftsverkehr sowohl bei Schriftverkehr als auch auf Verträgen entspricht vielmehr allen üblichen Geschäftsgepflogenheiten.
So verhält es sich auch bei den, wie der Angeklagte eingeräumt hat, durchweg gleichlautenden Darlehensverträgen zwischen der A…AG und den Kunden, von denen einer exemplarisch verlesen worden ist.
ff) Kein gedrucktes Briefpapier der A…AG
Briefköpfe auf dem Briefpapier der angeblichen A…AG mit Logo und Ortsangabe „CH-8004 Zürich“ sind nach dem kriminaltechnischen Auswertungsbericht des LKAs Thüringen vom 19.02.2003 mit Tintenstrahldrucker erstellt worden. Das verlesene Behördengutachten des Hessischen LKAs vom 14.01.2003 bestätigt dies für die von ihm untersuchten Schreiben der A…AG. Die Gesellschaft hätte danach kein professionell gefertigtes Briefpapier (Druckerzeugnisse im eigentlichen herkömmlichen Sinne) für ihre Schreiben verwendet. Dies ist bei einer Firma, die in Milliardenhöhe Kredite vergeben haben soll, mehr als unwahrscheinlich.
gg) Keine Hinweise auf postalischen Versand
Die meisten Schreiben der A…AG weisen auch keine Merkmale eines postalischen Versandes wie Faltknicke oder Eindruckspuren von Poststempeln auf. Es handelt sich auch nicht etwa um Telefaxe. Wären sie tatsächlich von einem Absender an die Unternehmensberatung versandt worden, wäre mit Faltknicken und entsprechenden Eindruckspuren zu rechnen gewesen. Ein Fehlen dieser Merkmale lässt darauf schließen, dass ein postalischer Versandt nicht stattgefunden hat. Dies spricht dafür, dass die Schreiben am Ort erstellt und ein Schriftverkehr nur vorgetäuscht worden ist.
Der hierzu gelieferte Erklärungsversuch des Angeklagten, der das überwiegende Fehlen solcher Merkmale bestätigt hat, die Korrespondenz mit der A…AG sei von „Herrn G…“ immer persönlich abgeholt worden, wirkt ebenso dem Ermittlungsergebnis angepasst wie lebensfremd.
hh) Niemand hat die Abholung der Gelder beobachtet
Der Mitarbeiter des Angeklagten, der Zeuge O… S… hat ausgesagt, keine der Geldübergaben beobachtet und hat den angeblichen Herrn G… der regelmäßig in der Firma zur Abholung der Gelder erschienen sein soll, niemals gesehen zu haben. Der Angeklagte erklärt dies damit, dass Herr G… immer abends nach 16.00 Uhr in den Geschäftsräumen erschienen sei, als seine Mitarbeiter schon Feierabend gehabt hätten. Demgegenüber hat der Zeuge S… erklärt, er habe häufig bis 20 oder 22 Uhr gearbeitet.
ii) Barbezahlung, keine Überweisung
Weiteres Indiz dafür, dass keine Weiterleitung der Bearbeitungsgebühren an die A…AG stattgefunden hat, ist die Tatsache, dass es keinerlei Überweisungsbelege gibt. Die Einlassung des Angeklagten, die Beträge seien stets in bar durch Herrn G… in seinen Geschäftsräumen in W… abgeholt worden, ist nicht glaubhaft. Derart hohe Beträge in sechsstelliger Höhe (in DM) werden üblicherweise im Geschäftsverkehr nicht in bar bezahlt. Es wäre auch unsinnig, für jede Zahlung von Bearbeitungsgebühren eine derart lange Reise zu tätigen. Hinweise auf „Diskretion“ oder „Seriosität“ in diesem Zusammenhang ergeben keinen Sinn.
jj) Quittungen
Die Art und Weise, wie die angeblichen Quittungen der A…AG ausgestellt worden sind, spricht ebenfalls gegen tatsächlich quittierte Geldübergaben. Die Kammer hat eine der Quittungen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Der Angeklagte hat bestätigt, dass sämtliche Quittungen dasselbe Erscheinungsbild haben. Der angebliche Aussteller kann weder erkannt, noch ermittelt, noch überprüft werden, da sämtliche diesbezüglichen Angaben fehlen. Auf den angeblichen Quittungen, die dem Angeklagten in W… seitens der A…AG persönlich von Herrn G… übergeben worden sein sollen, steht nur die Firma A…AG als Empfängername, jedoch keinerlei weitere Angaben, die eine Identifikation des Empfängers ermöglichen würden. Während angegebener Ausstellungsort der Quittungen „Zürich“ ist, sollen die Geldbeträge immer in W… abgeholt worden sein. Auch über diesen offensichtlichen Widerspruch will sich der Angeklagte keine Gedanken gemacht haben.
kk) Keine Kenntnis von Geschäften mit A…AG bei Mitarbeitern und keine Kontakte im Übrigen
Auch den ehemaligen Mitarbeiten der Unternehmensberatung T… sind keine verantwortlichen Personen oder Mitarbeiter einer Firma A…AG … bekannt. Dies hat der Angeklagte selbst angegeben. Auch einer der engsten Vertrauten des Angeklagten und Bürokoordinator der Unternehmensberatung von September 1998 bis Juni 1999, O… S…, hat ausgesagt, dass er sich an keine Briefe aus der Schweiz und keinen Briefverkehr aus/mit Mexiko erinnere. Er kenne keinen Mitarbeiter der A…AG. Kein Anrufer habe sich als Mitarbeiter der A…AG gemeldet. Er sei zu dieser Zeit verantwortlicher Bürokoordinator gewesen. Den angeblichen Herrn G… der nach der Einlassung des Angeklagten regelmäßig donnerstags oder freitags in der Firma zur Abholung der Gelder erschienen sein soll, habe er niemals gesehen (s.o.).
Im übrigen verwickelte sich der Angeklagte zu diesem Punkt in weitere Widersprüche. Während er zunächst angab, der Zeuge S… habe „selbstverständlich Kontakt zur A…AG“ gehabt, nahm er dies sodann zurück und ließ sich dahingehend ein, der Kontakt sei ausschließlich über seine Person erfolgt. Sodann wollte er hierzu gar nichts mehr sagen und verwies darauf, dass man den Zeugen hierzu selbst befragen möge.
Dass der Mitarbeiter S… sodann ausgesagt hat, er habe vier mal Darlehensunterlagen in Umschlägen nach Zürich gebracht, die dort von einem Mitarbeiter der A…AG auf offener Straße übernommen worden seien, kann die Überzeugungsbildung der Kammer im Hinblick auf die Existenz der A…AG nicht beeinflussen. Die Aussage widersprach zunächst, wie der Zeuge zugab, seiner Aussage im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, was er nicht hinreichend erklären konnte. Er konnte zudem inhaltlich bereits nicht aus eigener Wahrnehmung heraus bestätigen, was sich in den Umschlägen befunden habe, die er überreicht haben will. Diese seien ihm vom Angeklagten verschlossen übergeben worden. Der Angeklagte sei es auch gewesen, der ihm gesagt habe, dass es sich bei der Person um einen Mitarbeiter der A…AG gehandelt habe. Die Umschläge sollen auf offener Straße und nicht etwa in Geschäftsräumen einer Firma A…AG in Empfang genommen worden sein Die Person habe sich ihm nicht vorgestellt. Was hier genau vorgefallen ist, kann auch bei Zugrundelegung der Richtigkeit der Aussage nicht nachvollzogen werden.
ll) Keine Geschäftsreisen nach Zürich
Es finden sich keinerlei Hinweise auf irgendwelche Geschäftsreisen nach Zürich oder Mexiko, wo sich die angeblichen Geschäftspartner befunden haben sollen, und zwar für die gesamte Zeit der Geschäftstätigkeit. Wie der Angeklagte bestätigt hat, enthalten die beschlagnahmten Ordner des Angeklagten, in denen die geschäftlichen Eingangsrechnungen für das Jahr 1998 und 1999 als Grundlage der Steuererklärungen abgeheftet sind, keinerlei derartige Belege über Reise-, Bewirtungs- oder Unterbringungskosten, Tank- oder Parkgebühren, die auf eine Reise nach Zürich oder Mexiko schließen lassen.
Dies gilt auch für die vier angeblichen Geschäftsreisen des Mitarbeiters S… nach Zürich zur Übergabe von Darlehensunterlagen.
Unterlagen über entsprechende Geschäftsreisen nach Zürich oder Mexiko hätten auch steuerlich geltend gemacht werden können. Warum der Angeklagte, der seine Betriebsausgaben auch im Übrigen geltend gemacht hat, auf die Geltendmachung dieser steuermindernden Ausgaben hätte verzichten sollen, ist nicht ersichtlich. In diesem Fall würden sich die Unterlagen aber nichtsdestotrotz bei den Geschäftsunterlagen befinden (Tankquittungen, Reisekostenaufstellungen, Hotelrechnungen etc.). Nichts dergleichen ist vorhanden.
mm) Kein Eintrag im Terminkalender
Überdies enthält der Terminkalender des Angeklagten für 1998 und 1999 ebenfalls keinerlei Einträge mit einem Hinweis auf Termine in Zürich oder mit einer A…AG. Der Angeklagte hat dies auf Vorhalt bestätigt und gibt hierzu an, er habe ein gutes Gedächtnis und habe sich keine Termine aufschreiben müssen. Dies ist zum einen ungewöhnlich. Zum zweiten widerspricht es dem Umstand, dass andere Termine dort, wenn auch offenbar nicht vollständig, verzeichnet sind und er überhaupt einen Terminkalender besaß und benutzte.
nn) Kein Kundenkontakt zur A…AG
Es ist, wie der Angeklagte auf Vorhalt bestätigt hat, kein Kunde bekannt geworden, der jemals direkten Kontakt zur A…AG hatte. Der Angeklagte hat hierzu ausgeführt, es sei „nicht erforderlich“ gewesen, dass die Kunden hätten Kontakt zur A…AG aufnehmen können, dafür sei ja er da gewesen.
oo) Keine Telefonate vom Büro zu einer A…AG
Eine Auswertung der vom Tatort (… W…) aus in die Schweiz geführten Telefongespräche anhand der vorgefundenen Telefonlisten ergab, dass im Zeitraum 6/98 bis 3/99 kein Telefonat mit einer A…AG festgestellt werden konnte. Der Angeklagte hat dies bestätigt. Dieser Umstand ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Andere geschäftliche Gespräche hat er schließlich auch, wie er einräumt, „zu Hunderten“ von diesem Anschluss aus geführt.
Der Angeklagte kann auch nicht zufriedenstellend erklären, aus welchem Grund kein Gespräch mit der A…AG vom Festnetzanschluss aus geführt haben will. Er hat sich auf Nachfrage dahingehend eingelassen, Herr G… habe ihm vorgegeben, dass Telefonate mit ihm stets „von Handy zu Handy“ stattzufinden hätten. Er habe dies nicht hinterfragt, er sehe keinen Grund, diesen Umstand ungewöhnlich zu finden.
Rechnungen für Mobilfunkgespräche befinden sich zudem nicht bei den Steuerunterlagen, während die Rechnungen über Festnetzgespräche dort zum Zwecke der steuerlichen Absetzung sehr wohl abgeheftet sind. Der Angeklagte gibt dazu an, „auf diese Idee sei er nicht gekommen“. Auch dies ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt noch umso mehr, als Quittungen über Kleinstbeträge wie den Kauf einer einzelnen Briefmarke gesammelt worden sind.
pp) „Signale von außen“
Die weiteren Behauptungen des Angeklagten, er habe „schließlich auch Signale von außen“, nämlich von einem belgischen Steuerberater namens … K…, erhalten, wonach die Firmen A…AG und Z… existierten und tatsächlich schon Darlehen ausgereicht hätten, haben sich nicht bestätigt. Der Zeuge K… wurde vernommen und hat glaubhaft ausgesagt, weder von der A…AG noch von der Z… irgendjemanden zu kennen oder jemals Kontakt zu diesen gehabt zu haben. Von den Firmen habe er vielmehr erst im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen mit dem Angeklagten durch diesen selbst erfahren, da dieser über die genannten Unternehmen die Darlehen habe beschaffen wollen. Er habe dem Angeklagten bei einem Gespräch offen gesagt, dass er die Abwicklung derartiger Darlehensgeschäfte, wie sie der Angeklagte versprochen habe, für nicht möglich halte, da bereits die für eine professionelle Darlehensvergabe erforderlichen Lizenzen fehlten. Dies wisse er aus seinen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kreditvergabe und aufgrund von Kontakten auf dem amerikanischen Markt. Daraufhin habe der Angeklagte die Geschäftsbeziehung sofort abgebrochen. Einen Tag nach diesem Gespräch habe er, der Zeuge, von dem Angeklagten (!) die Kündigung seines Darlehensvertrages erhalten. Er habe sich auch ohnehin darüber gewundert, dass keinerlei Sicherheiten für das Darlehen seitens des Angeklagten eingefordert worden waren und sonst übliche Unterlagen, insbesondere zur Bonität und beabsichtigten Geldverwendung, nicht eingereicht werden mussten.
qq) Keine Hinweise auf Existenz der Z…
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz einer Firma Z… S.A. in Mexiko. Der Zeuge L… hat angegeben, Interpol Mexiko sowie das LKA Thüringen hätten ihm keine Hinweise auf die Existenz einer Firma namens Z… S.A. liefern können. Die Z… war nicht ermittelbar.
Die Angaben des Angeklagten hierzu sind widersprüchlich. Er gab zunächst an, keine Personen auf Seiten der Z… namentlich zu kennen. Nachdem ihm ein Schreiben der Unternehmensberatung an einen „Herrn Go…“ aus den beschlagnahmten Unterlagen vorgehalten worden war, ließ er sich dazu dahingehend ein, dann müsse es einen solchen dort wohl gegeben haben. Später im gleichen Hauptverhandlungstermin wollte er dem Gericht diese Person äußerlich beschreiben können.
Des weiteren war die Einlassung des Angeklagten, er habe bei einer Geschäftsreise verschiedene Ansprechpartner auf Seiten der Z… persönlich kennen gelernt, deren Namen aber vergessen und die Visitenkarten weg geworfen, völlig unglaubhaft.
rr) Zu den Beweisanträgen des Angeklagten
Auch der Umstand, dass nach einem Gutachten des LKAs Thüringen vom 06.11.2003 die Unterschriften auf verschiedenen Schreiben der A…AG und der Z… mit der Unterschrift des Angeklagten nicht identisch sind, beweist die Existenz der beiden Firmen nicht. Der Angeklagte kann sich hier beispielsweise der Hilfe anderer bedient haben.
Dies gilt auch für die Tatsache, dass die Darlehensunterlagen der angeblichen A…AG an den Kunden R… in D… diesem am Flughafen in Zürich abgesendet worden sind. Die Unterlagen kann jeder Dritte oder auch der Angeklagte selbst dort eingeworfen haben.
ss) Angeklagter war nicht seinerseits Betrugsopfer
Die Kammer schließt auch aus, dass der Angeklagte seinerseits betrügerischen Dritten aufgesessen wäre, die vorgegeben hätten, Vertreter der A…AG zu sein.
Zum ersten ist es schlechterdings kaum vorstellbar, dass der Angeklagte Geschäfte derartigen Umfangs und in derartiger Höhe mit Firmen betrieben haben würde, ohne eine Adresse oder Namen von Ansprechpartnern, Telefon- und Faxnummern zu erfragen, die er nunmehr präzise angeben könnte und auf die er auch seinerseits stets hätte zurückgreifen können. Daran ändert auch ein Hinweis auf eine angebliche Verschwiegenheit nichts. Bei derartigen Geschäften hätte er sich niemals nur mit einem Namen und einer Mobilfunknummer auf Seiten der A…AG zufrieden gegeben. Unklar bleibt beispielsweise, an wen er sich hätte wenden sollen, wenn sein angeblich einziger Ansprechpartner und sei es auch nur wegen eines Unfalls oder Krankheit nicht mehr erreichbar gewesen wäre. Solche Angaben in entsprechenden Unterlagen müssten sich nach allgemeiner Lebenserfahrung bei derartigen Geschäften auch bei den Geschäftsunterlagen befinden. Dies ist aber gerade nicht der Fall.
Die Kammer hat nicht den Eindruck vom Angeklagten gewonnen, dass dieser im Geschäftsleben derartig naiv vorgegangen sein könnte. Er machte im Gegenteil einen intelligenten Eindruck. Der Angeklagte blickte zudem seinerzeit bereits auf sieben Jahre Berufserfahrung im Kreditwesen zurück.
Auch hätte er sich die Namen der Mitarbeiter der Z… gemerkt oder notiert.
Dass er heute noch nachvollziehen können will, dass die Firmen für niemanden erreichbar und wider jede Übung nicht in öffentlichen Registern eingetragen sind und weiterhin in Ordnung finden will, dass sie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt haben sowie ihn, den Angeklagten, letztlich als letztes Glied in der Kette gegenüber Kunden, Finanzamt und Gericht „im Regen stehen lassen“, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er dies, wäre er selbst getäuscht worden, wenn schon nicht zu Beginn seiner Tätigkeit, so doch im weiteren Verlauf der Geschehnisse, spätestens nunmehr, angesichts sämtlicher Umstände erkannt hätte. Dann aber wäre es selbstverständlich, dass er den Ermittlungsbehörden und dem Gericht nun auch alle Einzelheiten zu seiner Entlastung im Rahmen aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genannt hätte, um die Betrüger, denen er „aufgesessen“ wäre, dingfest zu machen und sich selbst zu entlasten. Er hätte insbesondere die Mobilfunknummer des Herrn G… genannt. Durch diesen Teil einer – im übrigen erfolgten – Einlassung hätte er sich auch nicht, wie er meint, selbst be-, sondern gerade entlastet.
Auf die Frage des Gerichts, was denn für ihn außer dem Wort des langjährigen Geschäftspartners und des „Herrn G…“ aus seiner Sicht für die Existenz der Firmen spreche, gab der Angeklagte keine Antwort.
Sämtliche Umstände führen – im Rahmen einer Gesamtbewertung aller Indizien – zu der Schlussfolgerung, dass der Angeklagte selbst die Existenz dieser Firmen vorgespiegelt hat und die Zahlungen an die A…AG nicht erfolgt sind, was er bei Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen auch wusste.
3. Berechnung der Steuerverkürzung
Die im folgenden ausgewiesenen Beträge sind DM-Beträge.
a) ESt-Verkürzung 1998
Berechnung des Gewinns
Erklärter Gewinn 42.623,87
zzgl. Scheinbetriebsausgaben 609.750,00
Vorläufiger Gewinn…… 652.373,87
abzüglich Gewerbesteuer-Rückstellung 85.763,00
Gewinn: 566.610,87
Berechnung der berücksichtigten Gewerbesteuerrückstellung
Die berücksichtigte Gewerbesteuer-Rückstellung ergibt sich aus 5/6 der auf den vorläufigen Gewinn entfallenden Gewerbesteuer:
fiktiver GewSt-Messbetrag 27.818,00
x Hebesatz 370 % (Stadt W…)
fiktive Gewerbesteuer 102.915,50
davon 5/6 85.763,00
Berechnung des zu versteuernden Einkommens
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 566.610,00
Summe der Einkünfte/Gesamtbetrag der Einkünfte 566.610,00
ab Sonderausgaben-Pauschbetrag 108,00
Einkommen/zu versteuerndes Einkommen 566.502,00
Berechnung der Steuer
zu versteuern nach dem Grundtarif (566.502) 277.380,00
ab Entlastungsbetrag für 566.502 gewerbliche Einkünfte 27.381,00
festzusetzende Einkommensteuer 249.999,00
abzüglich festgesetzte Einkommensteuer 8.649,00
Einkommensteuerverkürzung 241.350,00
Festzusetzender Solidaritätszuschlag (5,5 % der ESt) 13.749,94
abzüglich festgesetzter SolZ 475,69
Verkürzter SolZ 13.274,25
b) GewSt-Verkürzung 1998
Gewinn aus Gewerbebetrieb 566.610,00
Gewerbeertrag, abgerundet auf volle 100 DM 566.600,00
abzüglich Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 GewStG 48.000,00
Verbleibender Betrag… 518.600,00
Steuermessbetrag (Staffeltarif) nach dem Gewerbeertrag 23.530,00
GewSt-Messbetrag 23.530,00
x Hebesatz 370% (Stadt W…)
Gewerbesteuer 87.061,00
ab festgesetzte Gewerbesteuer 0,00
Gewerbesteuerverkürzung 87.061,00
c) ESt-Verkürzung 1999
Berechnung des Gewinns
Erklärter Gewinn 25.626,00
zzgl. Scheinbetriebsausgaben 6.057.395,37
Vorläufiger Gewinn 6.083.021,37
abzüglich Gewerbesteuer-Rückstellung 922.995,83
Gewinn 5.160.025,17
Berechnung der berücksichtigten Gewerbesteuerrückstellung
Die berücksichtigte Gewerbesteuer-Rückstellung ergibt sich aus 5/6 der auf den vorläufigen Gewinn entfallenden Gewerbesteuer:
fiktiver GewSt-Messbetrag 299.350,00
x Hebesatz 370 % (Stadt W…)
fiktive Gewerbesteuer 1.107.595,00
davon 5/6
GewSt-Rückstellung 922.995,83
Berechnung des zu versteuernden Einkommens
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 5.160.025,00
Summe der Einkünfte/Gesamtbetrag der Einkünfte 5.160.025,00
ab Sonderausgaben-Päüschbetrag 108,00
Einkommen/zu versteuerndesEinkommen 5.159.917,00
Berechnung der Steuer
zu versteuern nach dem Grundtarif (5.159.917) 2.711.869,00
ab Entlastungsbetrag für 5.160.025 gewerbliche Einkünfte 404.248,00
festzusetzende Einkommensteuer 2.307.621,00
abzüglich festgesetzte Einkommensteuer 3.347,00
Einkommensteuerverkürzung 2.304.274,00
Festzusetzender Solidaritätszuschlag (5,5 % der ESt) 126.919,15
abzüglich festgesetzter SolZ 184,08
Verkürzter SolZ 126.735.07,00
d) GewSt-Verkürzung 1999
Gewinn aus Gewerbebetrieb 5.160.025,00
Gewerbeertrag, abgerundet auf volle 100 DM 5.160.000,00
abzüglich Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 GewStG 48.000,00
Verbleibender Betrag 5.112.000,00
Steuermessbetrag (Staffeltarif) nach dem Gewerbeertrag 253.200,00
GewSt-Messbetrag 253.200,00
x Hebesatz 370% (Stadt W…)
Gewerbesteuer 936.840,00
ab festgesetzte Gewerbesteuer 0,00
Gewerbesteuerverkürzung 936.840,00
4. Vorsatz
Dass der Angeklagte die Umstände kannte und sich oder Dritte bereichern wollte, ergibt sich aus den Gesamtumständen. Ein anderer Sinn seines Handelns ist nicht erkennbar. Nach aller Lebenserfahrung kann es dem Angeklagten bei Abgabe der jeweiligen Erklärungen nur darum gegangen sein, Steuern zu „sparen“. Dabei hat er dem Finanzamt insbesondere die steuermindernden Umstände zur steuerlichen Veranlagung unterbreitet, woraus sich ergibt, dass ihm bewusst war, dass die von ihm erlangten „Bearbeitungsgebühren“ zu versteuern waren und die angebliche Weiterleitung eines Teils derselben sich steuermindernd auswirken würde.
IV.
Indem der Angeklagte in den vier Steuererklärungen gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen (Gewinn) gemacht und dadurch erreicht hat, dass Steuern nicht rechtzeitig in voller Höhe festgesetzt wurden (Steuern verkürzt hat), hat er sich der Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig gemacht, Vergehen strafbar gem. §§ 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung, 53 StGB.
Ein Verfahrenshindernis aufgrund einer Selbstanzeige i.S.v. § 378 Abs. 1 Abgabenordnung besteht ganz offensichtlich nicht. Zwar hat der Angeklagte sich mit einem Schreiben vom 3.11.1999 über seinen damaligen Rechtsanwalt an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht B… gewendet und einige Ausführungen zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt gemacht. Er schilderte, dass er seinerzeit durch Kunden konkret beschimpft und bedroht werde, angebliche Betrugsvorwürfen jedoch nicht zutreffend seien. Das Schreiben erfüllt jedoch nicht im Entferntesten die Voraussetzungen der genannten Vorschrift. Der Angeklagte hat keine Straftat eingeräumt. Das Schreiben gleicht eher einer „Verteidigungsschrift“ bezüglich eines möglichen Betrugsvorwurfs. Steuerstrafrechtliche Aspekte kamen nicht zur Sprache. Ein Beitrag zur Richtigstellung unrichtiger Angaben gegenüber den Finanzbehörden liegt nicht vor. Das Schreiben wurde zudem vor Tätigung der unrichtigen Angaben übersandt. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen wurden später – unabhängig von diesem Schreiben – aufgenommen, nachdem der Angeklagte die einzelnen unrichtigen Angaben zum Gewinn gemacht hatte. Es sind auch keine Steuern nachentrichtet worden.
V.
1. Die Einzelstrafen
Zur Bildung der Einzelstrafen hat sich die Kammer von den Grundsätzen der §§ 46 ff. StGB leiten lassen. Sie hat neben der konkreten Art der Tatbegehung sämtliche für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen.
Besondere Berücksichtigung fand dabei die Höhe der jeweils hinterzogenen Beträge.
Zu Gunsten des Angeklagten sprach insbesondere, dass er sich teilgeständig eingelassen und zu vielen Punkten Ausführungen getätigt hat. Dadurch hat er dazu beigetragen, dass die Hauptverhandlung sich nicht unnötig in die Länge gezogen hat. Zudem war er bei Tatbegehung nicht strafrechtlich vorbelastet. Die Taten liegen auch schon mehrere Jahre zurück.
Die Kammer hat auch gesehen, dass bei der Einreichung von Einkommen- und Gewerbesteuererklärung für jeweils das selbe Jähr jeweils die selbe steuererhebliche Angabe unrichtig war, nämlich der Gewinn. Auch bedingt durch diesen – eher zufälligen – Umstand,
dass zwei Formulare ausgefüllt und abgegeben werden müssen, kam es zur Verwirklichung von jeweils zwei tatmehrheitlichen Taten pro Steuerjahr. Die Kammer hat auch diesem Umstand jeweils Rechnung getragen.
Auch hat sie nicht verkannt, dass sich bei der Geltendmachung von Scheinbetriebsausgaben für mehrere Steuerjahre eine gewisse „Eigendynamik“ entwickelt haben mag, die dem Angeklagten die Rückkehr zu gesetzeskonformem Verhalten erschwert haben mag.
Folgende Einzelstrafen waren schuld- und tatangemessen:
8 Monate Freiheitsstrafe für die Steuerhinterziehung betreffend die Einkommensteuer 1998
Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen à 10,– EUR für die Gewerbesteuerhinterziehung 1998
Die Höhe eines Tagessatzes ergibt sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten („Hartz IV“).
2 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe für die Einkommensteuerhinterziehung 1999
1 Jahr Freiheitsstrafe für die Gewerbesteuerhinterziehung 1999.
Bei Abwägung aller Umstände reichten bei der ersten und den beiden letztgenannten Taten Geldstrafen nicht mehr aus, um das Unrecht der Tat jeweils angemessen zu sühnen.
2. Die Gesamtstrafe
a) Einzubeziehende Vorstrafe
Der Angeklagte wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts N… vom 28.10.2004, Az. 716 Js 210773/04, rechtskräftig seit dem 4.11.2004, zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt, die noch nicht vollständig vollstreckt ist.
In dem genannten Strafbefehl wird ausgeführt:
„Die Staatsanwaltschaft H… – Zweigstelle N… – beschuldigt Sie, in B… und N… am 27.8.2004 und am 28.8.2004 durch 3 selbständige Handlungen
1. fahrlässig im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, ob wohl Sie infolge Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage waren, das Fahrzeug sicher zu führen.
2. durch dieselbe Handlung
a) fahrlässig im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl Sie infolge Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lagewaren, das Fahrzeug sicher zu führen,
b) fahrlässig ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung beschlagnahmt worden ist.
3. sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt zu haben, bevor Sie zugunsten der anderen Unfall beteiligten und Geschädigten die Feststellung Ihrer Person, Ihres Fahrzeuges und der Art Ihrer Beteiligung durch Ihre Anwesenheit und durch die Angabe, dass Sie an dem Unfall beteiligt waren, er möglicht hatten
wobei sich aus den Taten zu 1. und 2. ergibt, dass Sie zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sind.
zu 1.)
Am 27.8.2004 gegen 16.10 Uhr befuhren Sie mit einem Blutalkoholgehalt von 2,35 0/00 im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit, die Sie aufgrund der zuvor genossenen Menge alkoholischer Getränke bei gebotener und ihnen zumutbaren Sorgfalt hätten erkennen können und müssen, mit dem Pkw Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen: … in B… die Bundesautobahn 111 in Richtung S…
zu 2.)
Am 28.8.2004 gegen 12.04 Uhr befuhren Sie mit einem Blutalkoholgehalt von 2,51 0/00 im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit und ohne Fahrerlaubnis mit dem Pkw Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen: … in N… die S…straße, obwohl Sie bei der gebotenen und Ihnen zumutbaren Sorgfalt hätten erkennen können und müssen, dass Sie aufgrund der zuvor genossenen Menge alkoholischer Getränke fahruntüchtig waren und Sie die zum Führen des Fahrzeuges erforderlichen Fahrerlaubnis aufgrund der Beschlagnahme des Führerscheines am Tag zuvor nicht hatten. Infolge ihrer Fahruntüchtigkeit stießen Sie gegen den am Fahrbahnrand geparkten Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen: … des Geschädigten … K… und verursachten einen Fremdschaden in Höhe von 409,48 EUR (brutto).
zu 3.)
Nachdem Sie durch die Zeugin … M…-K… auf den Unfall angesprochen wurden, verließen Sie den Unfallort, so dass die notwendigen Feststellungen vereitelt wurden.
Vergehen, strafbar gemäß §§ 316 Abs. 1, Abs. 2, 142 Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 5 StGB, 2 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG, 52, 53, 69, 69 a StGB.“
Zur Strafzumessung heißt es nur:
„Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird gegen Sie eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen festgesetzt.
(Die Einzelstrafen betragen:
zu 1.) = 60 Tagessätze,
zu 2.) = 80 Tagessätze und
zu 3.) = 50 Tagessätze).
Ein Härteausgleich für die grundsätzlich einbeziehungsfähige Vorverurteilung des Amtsgerichts N… vom 12.2.2001 wurde vorgenommen. Die Einzelstrafen aus dieser konnten wegen vollständiger Vollstreckung nicht nachträglich in die Gesamtstrafenbildung einfließen. Die Höhe des Tagessatzes beträgt 10,00 EURO, die Geldstrafe insgesamt mithin 1.500,00 EURO. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an die Stelle eines Tagessatzes ein Tag Freiheitsstrafe.
Die Fahrerlaubnis wird Ihnen entzogen. Ihr Führerschein wird eingezogen die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, Ihnen vor Ablauf von noch 11 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Bei der Bemessung der Frist ist die Zeit, während der Ihr Führerschein sichergestellt war, bereits berücksichtigt worden.
Sie haben auch die Kosten des Verfahrens und Ihre notwendigen Auslagen zu tragen.“
Die genannten Einzelstrafen sind einbeziehungsfähig gemäß §§ 54, 55 StGB.
b) Gesamtstrafenbildung
Unter erneuter Abwägung aller Umstände, insbesondere der zeitlichen und sachlichen Nähe der Steuerstraftaten, des Umstands, dass steuererhebliche Tatsache trotz Verwendung zweier Formulare für je ein Jahr jeweils der Gewinn war, sowie der weiteren oben benannten Kriterien wurde gem. §§ 54, 55 StGB aus sämtlichen Einzelstrafen unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten eine
Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten
gebildet.
Eine niedrigere Gesamtstrafe als diese würde dem begangenen Unrecht nicht mehr gerecht werden.
Ein Härteausgleich für die grundsätzlich einbeziehungsfähige Vorverurteilung des Amtsgerichts N… vom 12.2.2001 wurde dabei vorgenommen. Denn die Einzelstrafen aus dieser konnten wegen vollständiger Vollstreckung nicht nachträglich in die Gesamtstrafenbildung einfließen.
Nebenentscheidungen und Maßregeln der Besserung und Sicherung waren gem. § 55 Abs. 2 StGB aufrechtzuerhalten.
VI.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er in allen Fällen verurteilt worden ist (§ 465 Abs. 1 Strafprozessordnung).