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Schuldrechtliches Wegerecht für Nachbarn

LG Aachen – Az.: 3 S 2/21 – Beschluss vom 05.08.2021

Beabsichtigt die Kammer, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und erfordert auch keine mündliche Verhandlung.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung durch Urteil ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Tatbestand:

Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das den Beklagten zustehende, schuldrechtlich im Wege eines echten Vertrags zugunsten Dritter begründete Wegerecht steht allen drei klägerischen Anträgen entgegen. Es verschafft den Beklagten ein Recht zum Besitz iSd § 986 Abs. 1 BGB an dem Gartentorschlüssel, verpflichtet die Kläger zum Erhalt einer Zugangsmöglichkeit auf ihr Grundstück und verhindert eine gegenteilige Feststellung.

Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt haben die Kläger im Kaufvertrag vom 05.05.2015 mit den Eheleuten Q. – den Voreigentümern des von ihnen bewohnten Hauses – ein Wegerecht zugunsten der Beklagten – ihrer Nachbarn – vereinbart. Die von der Berufung aufgeworfene Frage, inwiefern die Voreigentümer zur Weitergabe eines solches Wegerechts verpflichtet waren kann hierfür dahinstehen, da es den Klägern unabhängig von einer entsprechenden Verpflichtung der Voreigentümer unbenommen war, einen entsprechende Vereinbarung mit diesen zu treffen. Dies ist hier in Ziffer V.6 des vorgenannten Vertrags (Bl. 15R der Akte) erfolgt, in dem sie sich verpflichteten, den neben dem Haus und über den Hof verlaufenden Weg weiterhin zu dulden, offen zu halten, zu unterhalten und die Benutzung durch die jeweiligen Bewohner der benachbarten Mittelwohnung auch mit Zweirädern, Hand-, Kinderwagen und dergleichen zu gestatten und diese Verpflichtung zudem an etwaige Rechtsnachfolger im Eigentum zu übergeben.

Bei dieser Vereinbarung mit den Voreigentümern handelt es sich um einen echten Vertrag zugunsten der Beklagten, durch den diese unmittelbar das Recht erworben haben, die Leistung von den Klägern zu fordern (§ 328 Abs. 1 BGB).

Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt vor, wenn die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Schuldner (Versprechender) eine bestimmte Leistung an einen vom Gläubiger (Versprechensempfänger) bestimmten Dritten erbringen soll und dem Dritten – im Unterschied zu einem unechten Vertrag zugunsten Dritter – ein eigenes Forderungsrecht zustehen soll. Jede schuldrechtliche Vereinbarung kann durch entsprechende Abrede zu einem Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet werden (Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, Einf v. § 328 Rn. 1). Ob ein eigenes Leistungsrecht und somit ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen (§ 328 Abs. 2 Hs. 1 BGB). War der Vertragsschluss ein Akt der Fürsorge für den Dritten oder wurde aus sonstigen Gründen allein im Interesse des Dritten kontrahiert, kann in der Regel ein Vertrag zugunsten Dritter angenommen werden (Palandt/Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 328 Rn. 2; MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019 Rn. 33, BGB § 328 Rn. 33).

Im vorliegenden Fall diente die Vereinbarung eines Wegerechts dazu, den bestehenden Zustand zu erhalten, nach dem die Beklagten ihren Garten auch über das Grundstück der Kläger verlassen konnten. Hintergrund war ausweislich des Vertragstexts, dass die Veräußerer zumindest annahmen, zugunsten der Bewohner des Beklagtenhauses zur Einräumung eines Wegerechtes verpflichtet zu sein und sie die fortdauernde Erfüllung dieser Verpflichtung – jedenfalls jetzt auch mit einer Weitergabeverpflichtung – durch ihre Rechtsnachfolger gewährleisten wollten. Da die Veräußerer über die Weitergabe hinaus kein eigenes Interesse an der Überwachung der Verpflichtung der Beklagten hatten, sich des Eigentums an dem klägerischen Haus gerade entäußern und die Beklagten durch das Wegerecht begünstigen wollten, entsprach es den Umständen und dem Zweck des Vertrages, dass die Beklagten selbst berechtigt werden sollten, das schuldrechtlich begründete Wegerecht durchzusetzen, mithin die Leistung im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB zu fordern.

Diese Verpflichtung war auch wirksam. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Wegerecht nicht nur im Wege einer Grunddienstbarkeit mit dinglicher Wirkung begründet, sondern auch schuldrechtlich vereinbart werden kann (seit BGH, Urt. v. 20.09.1974 – V ZR 44/73, NJW 1974, 2123; vgl. auch das bereits vom AG und der Berufung zitierte Urteil BGH, Urt. v. 24.01.2020 – V ZR 155/18, BeckRS 2020, 4032, Rn. 33). Soweit die Berufung zutreffend darauf hinweist, dass die schuldrechtliche Begründung eines Wegerechts mit Weitergabeverpflichtung und ohne Kündigungsrecht eine sachenrechtsähnliche Wirkung entfalten und somit unter anderem in ein Spannungsverhältnis zum Eintragungsgrundsatz des deutschen Immobiliarsachenrechts geraten kann (§ 873 Abs. 1 BGB), steht dies der Wirksamkeit nicht entgegen. Denn schuldrechtlich gilt im Ausgangspunkt die Vertragsfreiheit, zwischen und zugunsten von Grundstücksnachbarn Beliebiges zu vereinbaren (§ 311 Abs. 1 BGB). Soweit hierdurch Bindungen mit quasi-dinglicher Wirkung geschaffen werden können, begegnet das Bürgerliche Recht diesen nicht mit der Nichtigkeitsfolge, sondern mit Sonderkündigungsrechten (BGH, Urteil vom 07.05.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 288; Hogrebe, Bindungsgrenzen, S. 1 ff., 145 ff., 236 ff.).

Hierdurch wird der Eintragungsgrundsatz ebenso wenig umgangen wie der Grundsatz der Trennung zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten. Denn anders als bei dinglichen Rechten, hängt – worauf auch die Berufung selbst zutreffend hinweist – die Fortgeltung der Verpflichtung für Dritte davon ab, ob die verpflichteten Eigentümer ihren Rechtsnachfolgern tatsächlich eine entsprechende Vereinbarung anbieten und diese hiermit einverstanden sind. Geltungsgrund der Verpflichtung ist damit keine dingliche Beziehung zu einer Sache, sondern bleibt der rechtsgeschäftliche Wille der Beteiligten.

Die Kündigung des eingeräumten Wegerechts durch die Kläger ist hingegen unwirksam, weil ihnen kein Kündigungsrecht zusteht. Denn aus der mit den Voreigentümern getroffenen Weitergabeverpflichtung folgt, dass das Wegerecht auf Dauer fortbestehen und nicht einseitig durch die Kläger beendet werden können sollte. Dieser Kündigungsausschluss ist wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 288). Im vorliegenden Fall ist grundsätzlich auch § 544 BGB bereits deswegen nicht anwendbar, da die Vereinbarung des Wegerechts unentgeltlich erfolgte und der Leihvertrag (§§ 598 ff. BGB) anders als der Mietvertrag keine Bindungsgrenze kennt. Auch wenn eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Verträge der vorliegenden Art angezeigt sein sollte, wäre die Bindungszeit im vorliegenden Fall noch nicht abgelaufen. Denn trotz des in eine andere Richtung weisenden Wortlauts („Verpflichtung… übernommen“) ist die Vereinbarung der Kläger mit ihren Voreigentümern nicht als Übernahme einer bestehenden Verpflichtung nach § 415 BGB auszulegen, sondern als Neubegründung einer eigenen Verpflichtung zugunsten Dritter, §§ 133, 157 BGB. Dass die Kläger eine Rechtsbeziehung zu dem im Vertrag weder nach Name noch nach Anschrift ermittelten, ursprünglichen Veräußerer ihres Grundstücks an die Voreigentümer aufnehmen wollten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass die Parteien die Wirksamkeit ihrer Vereinbarung davon abhängig machen wollten, dass der ursprüngliche Veräußerer – nach dem klägerischen Vortrag die Siedlungsgesellschaft eines Bergbauvereins – rechtlich fortbesteht. Ein Sonderkündigungsrecht verschaffte eine analoge Anwendung des § 544 BGB den Klägern daher erst im Jahre 2045.

Wie das Amtsgericht zutreffend aufführt, konnten die Kläger auch das einmal zugunsten der Beklagten begründete Wegerecht durch die Änderungsvereinbarung mit ihren Voreigentümern vom 26.08.2019 nicht wieder aufheben. Denn da die Einräumung des Wegerechts weder den Interessen der Voreigentümer noch jenen der Kläger zu dienen bestimmt war, sondern ausschließlich die Beklagten begünstigen sollte, sollte dieses Recht ohne deren Zustimmung weder aufgehoben noch geändert werden können (§ 328 Abs. 2 Hs. 2 BGB). Diese vom Gesetz ausdrücklich vorgesehene Gestaltung kann entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht dadurch umgangen werden, den Aufhebungsvertrag als Einwendung im Sinne des § 334 BGB zu qualifizieren; zumal § 334 BGB nach seinem ausdrücklichen Wortlaut lediglich Einwendungen aus „dem“, mithin dem ursprünglichen Vertrag zugunsten Dritter zulässt, nicht jedoch solche aus Folgeverträgen (Staudinger/Klumpp (2020) BGB § 334, Rn. 46).

Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, zu der durch den Vorsitzenden eine Frist von 3 Wochen ab Zugang des Beschlusses gesetzt wird, § 522 Abs. 2 ZPO.

Gleichzeitig wird angefragt, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

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