VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ
Az.: 1 K 496/08.KO
Urteil vom 15.07.2008
In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Rundfunkgebühren hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 15. Juli 2008 für Recht erkannt:
Die Gebührenbescheide des Beklagten vom 3. August und vom 2. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2008 werden aufgehoben.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger mit einer Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Klägers zu Rundfunkgebühren für einen „Personal Computer“ (PC).
Der Kläger ist selbständiger Rechtsanwalt. Für seinen Kanzleibetrieb setzt er einen internetfähigen PC ein, den er zu Schreib- und Recherchearbeiten verwendet.
Dabei nutzt er den Internetzugang insbesondere zum Zugriff auf Rechtsprechungsdatenbanken, für sonstige beruflich bedingte Recherchen sowie zur elektronischen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung. Um einen schnelleren Zugang zum Internet zu erhalten, verfügt der Rechner über einen DSL-Anschluss.
Der Beklagte sowie zahlreiche andere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten bieten im Internet das sog. Webradio über einen Livestream an. Mittels eines Livestream-Programms kann damit über das Internet mit dem PC das aktuelle Radioprogramm empfangen werden. Livestream-Programme werden im Internet zum kostenlosen Herunterladen (Download) bereitgehalten. Das Herunterladen und die Installation derartiger Programme sind dabei für Rechner mit geringer Speicherkapazität mit einem Zeitaufwand von – je nach Prozessor – wenigen Sekunden bis zu einigen Minuten möglich. Alternativ hierzu besteht die Möglichkeit, über externe, also im Internet bereitgehaltene Livestream-Programme, die Radiosendungen zu empfangen. Der Empfang des Webradios ist weltweit möglich. Livestream-Programme können darüber hinaus jede Art von Livestream-Sendungen ausstrahlen. Eine Beschränkung auf Radioprogramme besteht nicht.
Derzeit senden die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland nur einen Teil ihrer Fernsehsendungen parallel zur TV-Ausstrahlung über das Internet. Eine Nutzung der Radio- und Fernsehprogramme über den PC durch den Kläger erfolgt eigenen Angaben zufolge nicht.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2007 meldete der Kläger seinen PC bei der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (GEZ) an.
In einem ergänzenden Schreiben vom 26. März 2007 teilte er außerdem mit, dass sich die Art und Anzahl der Empfangsgeräte in seiner Kanzlei auf einen internetfähigen PC beschränke und er eine Veranlagung zu Rundfunkgebühren für verfassungswidrig halte.
Nachdem der Kläger auf mehrfaches Anfordern der GEZ keine Rundfunkgebühren geleistet hatte, setzte der Beklagte ihm gegenüber mit Bescheid vom 3. August 2007 für den Zeitraum von Januar bis März 2007 sowie mit Bescheid vom 2. September 2007 für den Zeitraum von April bis Juni 2007 jeweils Rundfunkgebühren in Höhe von 16,56 € zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von jeweils 5,11 € fest.
Der Kläger legte gegen beide Bescheide mit Schreiben vom 30. August und 1. Oktober 2007 Widerspruch ein und hielt ohne nähere Begründung daran fest, dass die Erhebung einer Gebühr für einen internetfähigen PC in seinem Fall verfassungswidrig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2008, dem Kläger zugestellt am 31. März 2008, wies der Beklagte die Widersprüche zurück und führte im Einzelnen aus, dass der Kläger ein neuartiges Rundfunkgerät zum Empfang bereithalte, für das er nach § 5 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages – RGebStV – gebührenpflichtig sei.
Der Kläger hat am 25. April 2008 Klage erhoben und trägt vor, dass seine Heranziehung zu Rundfunkgebühren mit dem Grundgesetz – GG – nicht zu vereinbaren sei. In diesem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass der historische Normgeber bei dem Erlass des RGebStV monofunktionale Geräte, also klassische Radio- und Fernsehgeräte, die neben der Radio- oder Fernsehfunktion über keine weiteren Funktionen verfügten, vor Augen gehabt habe. Die Unterwerfung multifunktionaler Geräte unter das auf monofunktionale Apparate zugeschnittene Regime sei demgegenüber nicht in verfassungskonformer Weise möglich.
Zunächst sei der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil zwischen Besitzern eines internetfähigen PCs und Personen, die weder einen Rechner noch ein monofunktionales Empfangsgerät bereithielten, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Denn bei der Rundfunkgebühr handele es sich der Sache nach um einen Beitrag, mit dem lediglich eine Gruppe belastet werden dürfe, deren Sachnähe durch die Vermutung der Inanspruchnahme des gewährten Vorteils begründet werde. Eine derartige Vermutung sei bei dem Besitzer eines multifunktionalen Geräts aber nicht gerechtfertigt. So bleibe etwa ein Mobiltelefon, das neben der Telefon-, Kamera-, Taschenrechner- oder Kalenderfunktion und zahlreichen weiteren Funktionen Radiosendungen empfangen könne, ausweislich seines Vertriebswegs und der damit regelmäßig anfallenden Telekommunikationsentgelten in erster Linie ein Telekommunikationsgerät. Dass dieses als Rundfunkgerät genutzt werde, sei bereits aus dem Grunde nicht zu vermuten, weil der Besitzer sich in den seltensten Fällen bewusst für den Erwerb eines Radios entscheide. Vielmehr sei ein multifunktionales Mobiltelefon ohne Radiofunktion kaum noch zu erwerben. Noch deutlicher gelte dies bei internetfähigen PCs. Mit der beim Kauf eines Computers mitgelieferten Software könne nämlich eine Vielzahl anderer Nutzungen aufgerufen werden. Für den gegenwärtig die Kommunikationsmittel dominierenden E-Mail-Verkehr sei der Internetanschluss genauso erforderlich wie für die den gesetzlichen Maßgaben entsprechende Umsatzsteuervoranmeldung. Hafte somit den sog. neuartigen Rundfunkempfangsgeräten keine Vermutung der Nutzung zu Empfangszwecken an, sei aber nicht erkennbar, aus welchem Grund der Besitzer eines solchen Geräts der Gesamtveranstaltung Rundfunk näher stehe als eine beliebige andere Person. Die Herauslösung der Gebührenpflicht von der vermuteten Nutzung verstoße zudem gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, da die darin geregelte Meinungs- und Informationsfreiheit auch das Recht beinhalte, sich Informationen, insbesondere im Wege der Rundfunkteilnahme, nicht zu beschaffen (negative Informationsfreiheit). Durch die derzeitige Ausgestaltung des RGebStV werde aus dem gewährten Grundrecht eine „Grundpflicht“. Dies gelte gerade für seine Person. Denn letztlich könne er sich der Gebührenpflicht nur dadurch entziehen, dass er den PC oder den Internetanschluss abschaffe. Diese Abschaffung sei ihm jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zumutbar, weil er ohne den Rechner die vorgeschriebene Umsatzsteuervoranmeldung nicht abgeben könne und ein effizientes Arbeiten ohne Zugriff auf die Datenbanken des Internets nicht möglich sei. Die Abschaffung des PCs hätte letztlich die Einstellung seines Betriebs zur Folge, so dass zugleich seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und darüber hinaus seine allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in nicht mehr hinnehmbarer Weise eingeschränkt wäre. Ferner seien die in §§ 1 Abs. 1 und 5 Abs. 3 RGebStV enthaltenen Begriffe „Rundfunkempfangsgerät“ und „Bereithalten zum Empfang“ infolge der technischen Entwicklung sowie der ausdrücklichen Einbeziehung von Rechnern zu unbestimmt. Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik sei es dem gewöhnlichen technischen Laien nicht mehr klar, mit welchen Geräten Rundfunksendungen empfangen werden könnten oder nicht. Faktisch beinhalte die Rundfunkgebühr eine unzulässige Abgabe für den reinen Besitz. Eine solche Regelung falle zudem gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG in den Kompetenzbereich des Bundes, nicht jedoch in denjenigen der Länder.
Der Kläger beantragt,
die Gebührenbescheide des Beklagten vom 3. August und vom 2. September 2007 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15. März 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und trägt vor, dass der Nutzer eines internetfähigen PCs die Möglichkeit habe, über sein Gerät Rundfunkangebote wahrzunehmen. Allein diese Nutzungsmöglichkeit sei Gegenstand der gesetzlichen Gebührenpflicht. Die Abwägung, ob er einen derart ausgestalteten PC für seine berufliche Tätigkeit nutzen wolle und dafür die Gebührenpflicht in Kauf nehme, bleibe allein dem Kläger überlassen und werde von der Rundfunkanstalt nicht im Sinne eines Zwangs vorgegeben. Als Teilnehmer, der Rundfunk über das Internet empfange, unterscheide er sich nicht von anderen Personen, die als Besitzer eines herkömmlichen Radio- oder Fernsehgeräts gebührenpflichtig seien, und zwar unabhängig von der Entscheidung, das Empfangsgerät als solches tatsächlich zu nutzen. Eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG sei deshalb hierin nicht zu sehen.
Zugleich verhindere die gesetzliche Ausgestaltung der Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkgeräte in § 5 Abs. 3 RGebStV eine übermäßige Belastung des einzelnen Nutzers. Zum einen werde lediglich die Grundgebühr in Höhe von 5,52 € erhoben, auch wenn das Gerät den Empfang von Fernsehprogrammen ermögliche. Zum anderen sei gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 RGebStV auch für den Fall, dass der Kläger sich dafür entscheide, mehrere Geräte in seinen Büroräumen aufzustellen, nur eine Gebühr zu zahlen.
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen sowie aus den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen; diese Unterlagen waren sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat Erfolg.
Die Bescheide des Beklagten vom 3. August sowie vom 2. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2008 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV (vgl. Landesgesetz Rheinland-Pfalz vom 10. Dezember 1991 zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991, GVBl. 1991, S. 369) ist grundsätzlich jeder Rundfunkteilnehmer für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Gerät rundfunkgebührenpflichtig. Dabei bestimmt § 5 Abs. 3 RGebStV, der durch den am 1. April 2005 in Kraft getretenen 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag – RÄStV – seine jetzige Fassung erhalten hat (vgl. Landesgesetz Rheinland-Pfalz vom 14. März 2005, GVBl. 2005, S. 63), dass für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich keine Rundfunkgebühr zu entrichten ist, wenn (1.) die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und (2.) andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden (Satz 1). Werden ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind, zum Empfang bereitgehalten, ist für die Gesamtheit dieser Geräte eine Rundfunkgebühr zu entrichten (Satz 2). Nach dem Auslaufen des bis zum 31. Dezember 2006 bestehenden Gebührenmoratoriums für Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können (vgl. § 11 Abs. 2 RGebStV), ist somit zwar seit dem 1. Januar 2007 der in seiner Rechtsanwaltskanzlei vorhandene und zu beruflichen Zwecken genutzte PC des Klägers, auf den auch nicht die Ausnahmeregelungen nach Nrn. 1 und 2 des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV anwendbar sind, tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Gebührenpflicht. Gleichwohl sind die Voraussetzungen für eine Heranziehung des Klägers zu einer Rundfunkgebühr hier nicht gegeben. Der Kläger ist nämlich kein Rundfunkteilnehmer.
Rundfunkteilnehmer ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. Ein Rundfunkempfangsgerät wird gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können.
Der Begriff des Bereithaltens in diesem Sinne stellt auf die (mögliche) Nutzung des Rundfunkempfangs ab. Die Rundfunkgebührenpflicht ist damit der Sache nach wegen der Anknüpfung des die Abgabenpflicht auslösenden Tatbestands an die tatsächliche Möglichkeit der Nutzung von Rundfunkprogrammen einem Beitrag bzw. einer Gebühr mit Beitragselementen vergleichbar (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 1995, 291). Voraussetzung für die Entstehung der Rundfunkgebühr ist eine Sonderverbindung zu der Landesrundfunkanstalt, die den Einzelnen zum Rundfunkteilnehmer macht (vgl. BVerfGE 90, 60, 106). Sie beginnt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, sobald ein Rundfunkteilnehmer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithält. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidend, ob ein Rundfunkteilnehmer tatsächlich Rundfunkleistungen in Anspruch nimmt bzw. welche Programme er empfangen will oder tatsächlich nutzt (vgl. BVerfGE 90, 60, 106). Dennoch stellt die tatsächliche Nutzung die stärkste Form der Teilnahme am Rundfunk dar und ist daher der ursprüngliche und typische Anknüpfungspunkt für die Gebührenpflicht (OVG Rheinland-Pfalz, AS 32, 35, 36).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der von dem Kläger vorgehaltene PC in der Lage ist, über seinen Internetbrowser die Livestream-Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu empfangen. Allein die abstrakte technische Möglichkeit des Rundfunkempfangs begründet jedoch nicht zwangsläufig die Rundfunkteilnehmereigenschaft und damit das Sonderverhältnis einer Person zur örtlichen Rundfunkanstalt im Sinne einer Teilnahme an der Gesamtveranstaltung Rundfunk (vgl. BVerwGE 79, 90, 94; OVG Rheinland-Pfalz, AS 32, 35, 37). Darüber hinaus muss der PC „zum Empfang“ bereitgehalten werden. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Der Begriff „zum Empfang“ bereithalten in § 1 Abs. 2 Satz 1 RGebStV beinhaltet ein finales und auf den Rundfunkteilnehmer bezogenes Tatbestandsmerkmal, das allerdings nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Entscheidend ist daher nicht allein die bloße abstrakte technische Möglichkeit des Rundfunkempfangs. Bei der Rundfunkgebühr handelt es sich nämlich nicht um eine schlichte „Besitzabgabe“, sondern es ist darüber hinaus eine gewisse Zweckbestimmung des Bereithaltens notwendig, für die der Besitz lediglich eine notwendige Voraussetzung ist. Diese Auslegung folgt aus dem Gesetzeswortlaut, der ein zielgerichtetes Verhältnis zwischen „Bereithalten“ und „Empfang“ zum Ausdruck bringt und für die Rundfunkteilnehmereigenschaft gerade nicht den bloßen Besitz genügen lässt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, AS 32, 35, 37; 271, 273; siehe auch Fiebig, Rundfunkgebühren für Internet-PC – Rundfunkpolitik auf Abwegen?, K & R 2005, 71, 76; ders., Gerätebezogene Rundfunkgebührenpflicht und Medienkonvergenz, Diss., 2008, S. 324).
Dieser Zweck wiederum besteht, wie sich aus § 1 Abs. 2 S. 1 und 2 RGebStV ergibt, im „Empfang“ von „Rundfunkdarbietungen“. Sofern die Verwendung des Wortes „Empfang“ nicht ohnehin als Synonym für das „Hören und Sehen einer Sendung“ steht, ist es zumindest als ein „Entgegennehmen“ zu verstehen. Folglich muss der als Bereithalten beschriebene Besitz des Geräts final auf die Entgegennahme des an die Allgemeinheit gerichteten Rundfunks bezogen sein.
Mit dem Merkmal des Bereithaltens „zum Empfang“ beschreibt der Gebührentatbestand somit, dass sich das Empfangsgerät deshalb im Verfügungsbereich des Benutzers befindet, um es bestimmungsgemäß zum Empfang von Rundfunkdarbietungen zu nutzen oder nutzen zu können (Fiebig, Diss., a.a.O., S. 326).
Abweichendes folgt daher auch nicht aus der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 S. 2 RGebStV, der diese Definition der objektiven Zweckbestimmung stillschweigend als selbstverständlich voraussetzt, weil ein Auseinanderfallen von Empfangseignung und Zweckbestimmung des Gerätebesitzes zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorgenannten Bestimmung kaum auftreten konnte. Denn Satz 2 der Vorschrift wurde erst durch den angesprochenen Rundfunkstaatsvertrag vom 31. August 1991 eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung war hierdurch keine Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt. Vielmehr sollte Satz 2 lediglich zur Klarstellung die zum Begriff „zum Empfang bereithalten“ ergangene Definition durch die Rechtsprechung berücksichtigen (LT-Drucks.Rh.-Pf. 12/273,
S. 75; vgl. auch Fiebig, Diss., a.a.O., S 327).
Ausgehend von diesen Kriterien ist bei herkömmlichen Rundfunkempfangsgeräten im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise zwar ohne Weiteres davon auszugehen, dass diese nach ihrem Zweck allein darauf angelegt sind, Rundfunk in Form von Hörfunksendungen oder Fernsehprogrammen zu empfangen. Denn bei Geräten, die speziell für einen Hörfunk- oder Fernsehempfang ausgerichtet sind, entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Besitzer sie gerade dafür angeschafft hat. So will etwa derjenige, der ein Fernseh- oder Radiogerät vorhält, dieses regelmäßig auch zum Rundfunkempfang nutzen, da sich diese Nutzung als die allein mögliche bzw. kennzeichnende Verwendungsform darstellt. Die objektive Zweckbestimmung des Gerätebesitzes wird mithin unter den Bedingungen der analogen Rundfunkordnung bereits durch die Art des (monofunktionalen) Geräts indiziert, weshalb eine Verwendung „zum Empfang“ vermutet werden kann und besondere Feststellungen insoweit grundsätzlich entbehrlich sind. Desgleichen kann bei mehrfunktionalen Geräten mit Rundfunkempfangsteilen, wie z.B. einer Stereoanlage oder einem Radiowecker, pauschalierend an den Gerätebesitz angeknüpft werden. Denn mit der Anschaffung solcher Geräte will sich der Erwerber zumindest die Option offenhalten, die Stereoanlage nicht nur zum Abspielen von Tonträgern, sondern auch zum Rundfunkempfang zu nutzen bzw. beim Radiowecker zur Unterhaltung, Information oder als Weckfunktion einen Rundfunksender einzustellen.
Anders verhält es sich jedoch bei einem internetfähigen PC. Denn diese Geräte werden jedenfalls außerhalb des privaten Bereichs nicht typischerweise zum Empfang von Rundfunkbereitgehalten, sondern in vielfacher Weise anderweitig genutzt. Insbesondere das Internet als komplexer Verbund von Rechnernetzen eröffnet dem Nutzer eines angeschlossenen Rechners nicht nur den Zugriff auf eine praktisch unübersehbare Fülle von Informationen, die von anderen Netzrechnern zum Abruf bereitgehalten werden. Es stellt ihm daneben zahlreiche neuartige Kommunikationsdienste zur Verfügung, mit deren Hilfe er aktiv soziale Verbindungen aufbauen und pflegen kann. Zudem führen technische Konvergenzeffekte dazu, dass auch traditionelle Formen der Fernkommunikation im weiten Umfang auf das Internet verlagert werden können (vgl. BVerfG, DÖV 2008, 459). Dabei ist zusätzlich in Rechnung zu stellen, dass ein PC mit Internetanschluss aufgrund der angesprochenen multifunktionalen Einsetzbarkeit in der Regel keinesfalls primär für den Rundfunkempfang angeschafft wird. Vielmehr stehen bei seiner Nutzung regelmäßig die telekommunikativen
Anwendungen (z.B. WWW, E-Mail) im Vordergrund. Die Typisierung, die in der Vorhaltegebühr liegt, verkehrt sich bei multifunktional nutzbaren Geräten sogar geradezu ins Gegenteil: Typischerweise wird ein Gerätenutzer nicht gleichzeitig Rundfunk mit seinem internetfähigen Computer empfangen. Namentlich im Fall einer beruflichen Nutzung in Geschäfts- oder, wie vorliegend, Kanzleiräumen eines Rechtsanwalts ist der Einsatz von Internet-PCs zum Rundfunkempfang vielmehr typischerweise fernliegend.
Im schlichten Gerätebesitz eines ausschließlich beruflich genutzen PCs verkörpert sich daher weder generell, aufgrund von Wahrscheinlichkeitsurteilen, noch im Einzelfall, aufgrund individueller Ausstattungsmerkmale des Rechners, eine Teilnahme am Rundfunk. Der völlig indifferente Gerätebesitz kann nach allem allein dann zu einem Bereithalten „zum Empfang“ werden, wenn ein solches Gerät tatsächlich zum Rundfunkempfang genutzt wird, woran es hier mangels positiver Feststellungen fehlt. Schon der Wortlaut des Gebührentatbestandes spricht damit gegen eine (generelle) Gebührenpflicht von Internet-PCs (vgl. Fiebig, Diss., a.a.O., S. 328), sodass eine Veranlagung des Klägers für den in seinem Büro stehenden PC ausscheidet.
Systematisch-teleologische Erwägungen unterstützen diese Beurteilung. So wäre etwa der in § 5 Abs. 2 S. 2 RGebStV enthaltene klarstellende Hinweis, dass es auf den Umfang der Nutzung der Rundfunkempfangsgeräte nicht ankomme, überflüssig, wenn die Rundfunkgebühr generell keine nutzungsabhängige Komponente enthielte. Ferner lässt sich einer vergleichenden Betrachtung des Händlerprivilegs des § 5 Abs. 4 (bis zum 31. März 2005: Abs. 3) RGebStV ebenfalls entnehmen, dass alleiniger Bezugspunkt für eine Gebührenpflicht nicht die über den bloßen Besitz vermittelte Benutzungsmöglichkeit sein kann und daher lediglich gelagerte und anschließend verkaufte Geräte nicht gebührenpflichtig sind (so OVG Rheinland-Pfalz, AS 32, 35, 38; 271, 273 f. für den Verkauf von Rundfunkgeräten in einem Lebensmitteldiscounter bei Sonderaktionen). Für eine Gebührenerstreckung auf Internet-PCs kann nichts anderes gelten, besteht doch hier wie dort „keine Vermutung für die Nutzung der Gesamteinrichtung Rundfunk“ (OVG Rheinland-Pfalz, AS 32, 35, 37; vgl. Fiebig, Diss., a.a.O., S. 332). Damit wird deutlich, dass eine allgemeine Erstreckung zugleich den Zweck der gerätebezogenen Gebühr verfehlt. Denn abgabenpflichtig wären hiernach nicht die „Rundfunkteilnehmer“, sondern die Besitzer von nahezu beliebigen Kommunikationsendgeräten (Fiebig, Diss., a.a.O., 328).
Schließlich kann von einem Bereithalten „zum Empfang“ auch in verfassungskonformer Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals nur die Rede sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein PC tatsächlich rundfunkrechtlich relevant genutzt wird (vgl. Degenhart, Rundfunkrecht in der Entwicklung, K & R 2007, S. 1, 6).
Denn eine generelle Gebührenpflicht eines internetfähigen PC würde jedenfalls gegen das Grundrecht der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Halbs. 2 GG, wonach jeder das Recht hat, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, verstoßen. Zwar gewährt diese Bestimmung nicht den kostenlosen Zugang zu Informationsquellen (vgl. BVerfG, NJW 2000, 649).
Durch die Einführung einer Rundfunkgebühr für Internet-PCs wurde indes eine staatliche Zugangshürde errichtet, die mit den Informationsquellen nichts zu tun hat. Der Zugang zu an sich frei verfügbaren Informationen ist damit nicht mehr „ungehindert“ möglich (vgl. Jutzi, Informationsfreiheit und Rundfunkgebührenpflicht, NVwZ 2008, 603, 604). Ein solcher Eingriff kann auch nicht durch die Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden, da diese im Rahmen der erforderlichen Abwägung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen würden.
Der Kläger könnte einer Rundfunkgebühr nämlich nur dadurch entgehen, dass er seinen vorhandenen Internetanschluss deaktiviert, was praktisch einer Besitzaufgabe des Internet-PCs oder einer Unbrauchbarmachung des Geräts gleichkäme. Damit würde er jedoch zwangsläufig in seinen individuellen Kommunikationsmöglichkeiten im Hinblick auf sein Recht, die öffentlichen Informationsquellen des Internets zu nutzen, in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Dies gilt umso mehr, als die im Internet angebotenen Rundfunkdarbietungen für den Kläger nur eine „aufgedrängte“ Verwendungsmöglichkeit darstellen (vgl. Tschentscher, Gebührtenpflichtigkeit des Internet- und Handyrundfunks?, AfP 2001, 1, 6), die er weder beeinflussen noch unterbinden kann und aus seiner Sicht, wie nachvollziehbar dargelegt, entbehrlich sind. Insbesondere erscheint es nicht gerechtfertigt, den Zugang zu den weltweit abrufbaren Informationen des Internets von der Entrichtung einer besonderen Gebühr abhängig zu machen, die ausschließlich der Finanzierung Dritter, vor allem der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, dient, die aufgrund eigener, wenn auch durch den Gesetzgeber legitimierter Entscheidung Teil dieser Informationsquelle wurden, für deren Existenz jedoch völlig unerheblich sind und als Teil dieses Systems eine marginale Rolle spielen (Jutzi, a. a. O., S. 8; Tschentscher, a.a.O., S. 1, 5; Degenhart, a. a. O., S. 6). Das Interesse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an einer möglichst weitgehenden gebührenrechtlichen Erfassung von internetfähigen PCs nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 RGebStV muss daher zurücktreten, zumal es ihnen unbenommen bleibt, für den Zugang zu einem Rundfunkempfang im Internet eine vorherige Registrierung oder Anmeldung einzuführen, wodurch zugleich im Gegensatz zu einem herkömmlichen Rundfunkempfang der konkrete Nachweis einer Nutzung unschwer geführt werden kann.
Ist das Merkmal des Bereithaltens „zum Empfang“ schon aus diesem Grund verfassungskonform auszulegen, bedarf es keiner näheren Erörterung mehr, ob Gleiches auch im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG oder das aus Artikels 20 Abs. 3 GG abgeleitete gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip gilt.
Der Klage war nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Frage der Gebührenpflicht für internetfähige PCs grundsätzliche Bedeutung hat.
Beschluss:
Die Zuziehung des Klägers als Bevollmächtigten in eigener Sache für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 43,34 € festgesetzt.
Gründe:
Die Gebühren und Auslagen eines im Vorverfahren sich selbst vertretenden Rechtsanwalts sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO erstattungsfähig, wenn die Beiziehung an sich notwendig war (BVerwGE 61, 100, 101 ff.). Das ist der Fall, wenn, wie hier, eine Zuziehung aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte (vgl. näher Kopp/Schenke, VwGO, § 162 Rz. 18 m. w. N.).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG –.