Beschlossene Modernisierung des Vormundschaftsrecht und Betreuungsrecht
Die Phase vor dem Ende der Legislaturperiode ist für eine Regierung immer besonders arbeitsreich, da in dieser Phase die letzten noch offenen Gesetzesentwürfe verabschiedet werden. Die Reform des Vormundschafts- sowie auch Betreuungsrechts ist hierfür ein hervorragendes Beispiel, da diese Reform bereits seit längerer Zeit auf der Agenda der Regierung stand. Diese Reform beabsichtigt, dass künftig neben den Rechten von Betreuten sowie auch Kindern die Rechte von Pflegekindern sowie Pflegeeltern zusätzlich gestärkt werden sollen.
Übersicht:
Welche Änderungen sind vorgesehen?
Als Hauptfokus dieser Reform sind vier tragende Säulen vorgesehen.
- die Rechte von Kindern im Sorge- sowie auch Vormundschaftsrecht
- die Rechte von betreuten Menschen im Hinblick auf die Selbstbestimmung
- ein sogenanntes außerordentliches Notvertretungsrecht für die Ehegatten im Bereich Eherecht
- die Rechte von Pflegekindern sowie Pflegeeltern
Diese Neuregelungen sind bereits seit dem 12.05.2021 in Kraft getreten, nachdem sie mit dem 04.05.2021 im Bundestag verabschiedet worden.
Durch die Reform wurden viele Problempunkte, die von vielen Stellen kritisiert wurden, im Bereich der Betreuung sowie Vormundschaft behoben. Insbesondere der rechtliche Umgang mit Betreuungsbedürftigen sowie auch Pflegekindern stand in der Kritik, da es diesbezüglich bei der alten rechtlichen Regelung zahlreiche Defizite gab. Durch die Reform wurden diejenigen Punkte, die am meisten kritisiert wurden, ausgeräumt.
Ein weiterer Aspekt, dem die Reform des Vormundschafts- sowie Betreuungsrecht Rechnung trägt, ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen im Hinblick auf die Rechte derjenigen Menschen, die mit einer Behinderung zu kämpfen haben. Diese Menschen erhalten durch die Reform eine größere Selbstbestimmung über ihr eigenes Leben.
Gesetzliche Neustrukturierung grundlegender Natur im Betreuungs- sowie Vormundschaftsgesetz war notwendig
Es ist nicht ungewöhnlich, dass für eine Reform eines bereits bestehenden Gesetzes auch anderweitige Gesetze Änderungen erfahren müssen. Für die Reform des Vormundschafts- sowie auch Betreuungsrechts mussten jedoch etliche Gesetze geändert werden.
Diese Gesetze sind relevant
- das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
- das EGBGB
- das FamFG
- die Zivilprozeßordnung (ZPO)
- das SGB
- das BtOG
- das RpflG
Welche Änderungen hat das Betreuungsrecht erfahren?
Ein Hauptziel der Reform des Vormundschafts- sowie Betreuungsrechts war die Stärkung der Selbstbestimmung sowie die Autonomie von Menschen, die in ihrem Leben auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen sind. Durch die Reform wurde auch eine Umsetzung auf der Grundlage des Erforderlichkeitsgrundsatzes vorgenommen. Dieser Grundsatz besagt, dass die Betreuung eines Menschen nur in dem Fall angeordnet werden kann, wenn alle denkbaren vorgelagerten Hilfen sozialrechtlicher Natur für die ausreichende Versorgung des Menschen nicht mehr ausreichend erscheinen und eine Betreuung gem. § 1814 Absatz 3 BGB-E als Betreuungsanordnung unausweichlich wird. Hierdurch wird ein erhöhtes Maß an Selbstbestimmung für alle Betroffenen erreicht, da die Betroffenen nunmehr in allen Stadien des Betreuungsverfahrens aktiv mit eingebunden werden und überdies auch das Recht auf eine entsprechende Information nebst einem Mitspracherecht bei dem gerichtlichen Verfahren sowie auch der gerichtlichen Entscheidung haben. Insbesondere im Hinblick auf das Ob sowie auch das Wie der Betreuerbestellung ist hierbei ausdrücklich impliziert. Dies ergibt sich aus dem § 1816 BGB-E. Betroffene haben dementsprechend auch das Recht, bei einer Auswahl eines konkreten Betreuers die eigenen Wünsche sowie Vorstellungen hervorzubringen und in die Entscheidungsfindung mit einbezogen zu werden.
Gegen den ausdrücklichen freien Willen einer volljährigen betroffenen Person darf nunmehr gem. § 1814 Absatz 2 BGB-E kein Betreuer bestellt werden.
Mit dieser Reform wurde auch deutlich gemacht, dass den Wünschen der Betreuten rechtlicher Vorrang eingeräumt wurde. Dies soll nunmehr auch der zentrale Maßstab des Betreuerrechts werden, sodass das Betreuerhandeln gänzlich auf diesen Maßstab ausgerichtet ist. Dementsprechend sollen Betreuer ihr Mittel der Stellvertretung auch nur dann zum Einsatz bringen dürfen, wenn es hierfür eine unbedingte zwingende Erfordernis gibt. Der § 1821 BGB-E definiert einen derartigen Fall als gegeben, wenn die betreute Person zu einer eigenständigen vernunftbasierten Handlung nicht imstande ist.
Stärkere Kontrollen seitens der Gerichte
Jegliche Betreuung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. In Zukunft soll diese gerichtliche Kontrolle jedoch erheblich stärker ausgebaut werden. Als durchführende Organe sind dabei die Rechtspfleger geplant, die stärker gegen Pflichtwidrigen eines Betreuers vorgehen sollen. Diese Pflichtwidrigkeiten sollen besser erkannt und auch mit einer stärkeren Sanktion geahndet werden. Künftig sollen zudem an Betreuer auch spezielle Kriterien gestellt werden, sodass insgesamt ein höherer Qualitätsstandard bei der Betreuung erreicht werden kann.
Um dies durchzusetzen ist ein vollständig neues Betreuungsorganisationsgesetz erforderlich gewesen, welches durch das zentrale Betreuungsorganisationsgesetz (Kurzform BtOG) in einem einzigen Gesetz zusammengefasst wird. Durch diesen Schritt werden einzelne Vorschriften sowie das bisher geltende Betreuungsgesetz vollständig obsolet. Im Zuge des neuen BtOG werden auch die Zuständigkeiten der jeweiligen Betreuungsbehörden geregelt, die sich in den §§ 1 fortfolgende BtOG-E wiederfinden. Gem. § 8 BtOG-E werden die jeweiligen Betreuungsbehörden zu einer Ausschöpfung der Unterstützungs- sowie Beratungsangebote verpflichtet. Auf diese Weise soll die Anordnungserfordernis einer Betreuung möglichst vermieden werden.
Stärkung der Betreuungsvereine und Fokus auf das Mündel
Auch die Betreuungsvereine werden durch die Reform des Vormundschafts- sowie Betreuungsrechts in ihrer rechtlichen Stellung gestärkt. Im Zuge dieser rechtlichen Stärkung erhalten die anerkannten Betreuungsvereine auch einen rechtlichen Anspruch darauf, eine bedarfsgerechte finanzielle Unterstützung durch die öffentlichen Mittel in Anspruch zu nehmen. Die verlässliche finanzielle Förderung soll durch die Mittel der Kommunen und Länder gewährleistet werden.
Ein neu ins Leben gerufenes formales Betreuerregister soll dafür Sorge tragen, dass Berufsbetreuer sowohl persönliche als auch fachliche Mindestvoraussetzungen erfüllen. In diesem Betreuerregister werden gem. § 23 BtOG lediglich diejenigen Betreuer aufgeführt, welche die persönliche Mindesteignung sowie auch die erforderliche Zuverlässigkeit nebst der ausreichenden Sachkunde nachweisen können.
Im Vormundschaftsrecht steht künftig das Mündel ausdrücklich im Zentrum. Dies war bedauerlicherweise in der alten Fassung nicht der Fall, sodass dieses als nicht mehr zeitgemäß angesehen wurde. Die neuen Regelungen legen ihren alleinigen Fokus nicht mehr länger nur auf die Vermögenssorge. Die Rechte des Mündels sowie auch die Personensorge wurden durch die Reform des Vormundschafts- sowie Betreuungsrechts stärker in den Fokus gerückt. Hierfür wurden die §§ 1773 fortfolgende des Bürgerlichen Gesetzbuches grundlegend verändert. Unter anderem sieht die Reform vor, dass verschiedene Arten einer Vormundschaft in einem Gesamtsystem zusammengefügt und ehrenamtliche Vormünder mit Vorrang zu bestellen sind.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten haben ehrenamtliche Vormünder nunmehr rechtlich einen Gleichrang mit Berufsvormündern sowie auch dem Amtsvormund. In diesem Zusammenhang wird künftig auch das Mündel ein erheblich stärkeres Mitspracherecht erhalten.
Im Zusammenhang mit der Vergütung von Betreuern und Vormündern gibt es Änderungen. Es wird künftig zwischen Berufsvormündern und nicht beruflichen Vormündern sowie auch Betreuern unterschieden. In dem BGB wird künftig nur noch eine Anerkennung eines Anspruchs auf die Vergütung erfolgen, wenn dieser Anspruch von nicht berufstätigen Vormündern sowie ehrenamtlichen Betreuern erhoben wird.
Dieser Anspruch kann sich sowohl auf
- Vorschüsse
- Aufwendungsersatzleistungen
- Aufwandsentschädigungen
- Ermessensvergütungen
beziehen und findet seine rechtliche Grundlage in den §§ 1835 sowie 1835a nebst 1836 und 1908 i BGB.
Vergütungsansprüche von Berufsvormündern sowie Berufsbetreuern inklusive des Amtsvormundes sowie den jeweiligen Betreuungsbehörden werden künftig nur noch in dem Vormundschafts- sowie Betreuervergütungsgesetz abgehandelt. Dies besagt der § 1875 Absatz 2 BGB-E.
Neu ist auch ein eherechtliches Notvertretungsrecht, welches Erweiterungen der Vertretungsmöglichkeiten von Ehegatten beim Vorliegen von gesundheitlichen Notsituationen vorsieht.
Sollte ein Ehepartner aufgrund von
- Krankheit
- Bewusstlosigkeit
seine eigene Gesundheitssorge nicht regeln können, so erhält der Ehepartner gem. § 1358 BGB-E ein gesetzlich festgelegtes Vertretungsrecht. Dieses Vertretungsrecht ist allerdings auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzt.
Im Zuge dieses Vertretungsrechts darf der Ehepartner für den anderen Ehepartner Entscheidungen mit Bezug auf
- Heilbehandlungen sowie Untersuchungen
- ärztliche Eingriffe
- Abschluss von Krankenhaus- sowie Behandlungsverträge
- Rehabilitationsverträge
treffen.Ärzte haben gegenüber dem Notvertreter keine ausdrückliche Schweigepflicht. Sie sind dementsprechend von der Schweigepflicht gesetzlich entbunden. Dieses Recht gilt allerdings nicht, wenn der Ehepartner von dem anderen Ehepartner getrennt gelebt hat oder wenn der Ehepartner den anderen Ehepartner ausdrücklich nicht als Notvertreter wünscht.
Mit der Reform des Vormundschafts- sowie Betreuungsrechts hat die Bundesregierung vor den Bundestagswahlen im September 2021 noch einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung unternommen und dabei sehr viele Lücken geschlossen, die in der Vergangenheit für zahlreiche rechtliche Diskussionen mit den verschiedenen Stellen geführt haben. Wenn Sie weitergehende Informationen zu dieser Thematik wünschen können Sie uns als erfahrene Rechtsanwaltskanzlei jederzeit sehr gerne kontaktieren. Hierfür stehen Ihnen sowohl unsere Internetpräsenz als auch der E-Mail-Weg sowie unsere Internetpräsenz zur Verfügung.