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Parkplatzunfall beim Rückwärtsfahren – Haftungsquoten

AG Wangen, Az: 4 C 165/16, Urteil vom 25.08.2016

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 21,80 € nebst Jahreszinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.12.2015 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Höherstufungsschaden des Klägers bei seiner eigenen Kaskoversicherung, der …, der ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom … in Isny/Allgäu auf dem … zwischen dem klägerischen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … und dem bei der Beklagten versicherten Lieferwagen mit dem amtlichen Kennzeichen … entstanden ist, ab 01.01.2016 zu 75 % zu ersetzen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i. H. v. 172,31 € nebst Jahreszinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.04.2016 freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Der Kläger trägt 3/5, die Beklagten 2/5 der Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gerichtsgebührenstreitwert: 2516,79 €.

Tatbestand

Unfal beim Rückwärtsfahren Parkplatz
Symbolfoto: Pixabay

Am 28.09.2015 parkte der Kläger mit seinem Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen … rückwärts aus seiner Parkbucht auf dem … Parkplatz in … aus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrstraße des Parkplatzes stieß der geschlossene Kleintransporter mit dem amtlichen Kennzeichen … gesteuert vom Beklagten Ziff. 2 und haftpflichtversichert bei der Beklagten Ziff. 1, rückwärts zurück. Dabei kam es zur Kollision der genannten Fahrzeuge.

Die Beklagte Ziff. 1 leistete, wie auch die Vollkaskoversicherung des Klägers, vorgerichtlich Zahlung.

Der Kläger trägt vor, dass er zum Zeitpunkt der Kollision gestanden sei. Zum Zeitpunkt seines Anfahrens habe sich das gegnerische Fahrzeug noch im Stillstand befunden. Der Unfall sei für ihn vermeidbar gewesen. Die Beklagten seien zum umfänglichen Schadensausgleich verpflichtet.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.049,19 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.11.2015 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Höherstufungsschaden des Klägers bei seiner eigenen Kaskoversicherung der … (Schadennummer: …) zu 100 % zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass der Kläger aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom … in … seine eigene Kaskoversicherung in Anspruch genommen hat.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger vor der Inanspruchnahme außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … in Höhe von 172,31 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Dazu tragen sie vor, dass der Kläger jedenfalls durch rechtzeitiges Bremsen den Unfall hätte vermeiden können. Die Beklagten seien deshalb dem Grunde nach lediglich zur Hälfte einstandspflichtig.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten Ziff. 2 angehört. Beweis erhoben wurde durch Vernehmung der Zeugin …, der Ehefrau des Klägers, und durch Einholung eines mündlichen verkehrsanalytischen Gutachtens, erstellt durch Dipl-Ing. … . Wegen der Angaben wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 05.07. und 11.08.2016 verwiesen. Hinsichtlich des sonstigen Parteienvortrags und weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst etwaiger Anlagen, die Verhandlungsprotokolle und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die ohne weiteres zulässige Klage hat zum Teil Erfolg.

2. Der Anspruch des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 115 VVG und 249 BGB, nachdem der klägerische … im Rahmen des Betriebs des vom Beklagten Ziff. 2 gefahrenen Transporter beschädigt wurde.

Auf höhere Gewalt i. S. v. § 7 Abs. 2 StVG konnten sich die Beklagten nicht berufen.

Allerdings haftet auch der Kläger aus Gefährdung gem. den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, ohne sich auf den genannten Ausschlusstatbestand stützen zu können.

Auf Plätzen und anderen größeren Verkehrsflächen ohne Fahrbahneinteilung, wie hier, ist Verständigung nötig (§ 1 Abs. 2 StVO). Auf Parkplätzen markierte Fahrspuren sind keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewähren deshalb keine Vorfahrt, auch nicht gegenüber Ausparkenden. Die Verkehrsteilnehmer haben sich deshalb stets bremsbereit zu halten und sich im Zweifel über das jeweilige weitere Fahrverhalten zu verständigen (vgl. zum Ganzen Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rnr. 31a zu § 8 StVO).

Nach der Anhörung der Fahrzeuglenker und der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere den Darlegungen des Sachverständigen … der dem Gericht seit Jahren als außerordentlich zuverlässig und sachverständig bekannt ist, befand sich das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision bereits im Stillstand, auch wenn eine letzte geringe Restbewegung nicht ausgeschlossen werden kann. Jedenfalls hätte der Beklagte Ziff. 2 bei Beachtung des rückwärtigen Verkehrs den rückwärtsfahrenden Kläger erkennen und – bis fast zuletzt – eine Kollision durch Abbremsen vermeiden können. Richtig ist, dass die Sicht des Beklagten Ziff. 2 durch die geschlossene Bauweise seines Fahrzeugs zur Seite und nach hinten eingeschränkt war. Dies entlastet ihn aber nicht von seiner Pflicht, den Verkehrsraum hinter ihm beim Rückwärtsfahren zu überwachen. Zwar ist dies durch die Überwachungskamera, wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich. Der Beklagte Ziff. 2 hätte aber bei vorsichtiger Tastfahrt und ständigen Blicken in die Rückspiegel den Kläger noch rechtzeitig erkennen und reagieren können. Im Zweifel wäre er verpflichtet gewesen, sich einweisen zu lassen. Hinsichtlich des Fahrverhaltens des Klägers konnte das Gericht, auch wenn seine Ehefrau als Zeugin seine Angaben zumindest im Wesentlichen bestätigte, nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgehen, dass er bereits vor dem Anfahren des Lieferwagens seine spätere Unfallposition erreicht hatte. Das Gericht hatte insbesondere zu würdigen, dass die Zeugin ein evidentes Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hatte. Zwar konnte dem Kläger kein unfallkausales Fehlverhalten nachgewiesen werden, andererseits konnte nicht ausgeschlossen werden, dass bei umfassender Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraums er den sich möglicherweise bereits in Bewegung befindlichen Lieferwagen oder dessen Anfahren hätte rechtzeitig erkennen können um durch Abbremsen eine Kollision zu vermeiden. Der Umstand, dass er nach rechts lenkte, befreite ihn i. Ü. nicht von der Verpflichtung, durch Rundblick auch die Verkehrsfläche links von ihm im Auge zu behalten. Dazu, dass er sich zuvor in anderer Weise vergewissert hatte, dass mit einem Anfahren des Transporter nicht gerechnet werden muss, etwa durch Blick in die Fahrerkabine, erfolgte kein hinreichender Vortrag.

Zwar wiegt das unfallursächliche Fehlverhalten des Beklagten Ziff. 2 schwer. Allerdings konnte die vom klägerischen Fahrzeug im Hinblick auf die genannten Unwägbarkeiten ausgehende Betriebsgefahr nicht vollständig zurücktreten. Die Entscheidung BGH, Urteil vom 15.12.2015, V ZR 6/15 steht dem nicht entgegen. Insgesamt erschien dem Gericht eine Haftungsquote von 75 % zu 25 % zu Gunsten des Klägers als angezeigt.

Dies ergibt folgende Abrechnung:

Unmittelbarer Sachschaden

Reparaturkosten brutto 2.346,55 €

Wertminderung 500,00 €

Sachverständigenkosten 452,44 €

3.298,99 €

vorgerichtliche Zahlung der Kaskoversicherung des Klägers 1.649,49 €

  1. verbleibt somit ein gem. § 86 VVG quotenbevorrechtigter Betrag übrig i.H.v. 1.649,50 €

Mittelbarer Sachschaden

Mietwagenkosten brutto 352,24 €

Unkostenpauschale (gesch. gem. § 287 ZPO) 25,00 €

377,24 € daraus 75 % 282,93 €

Soweit vom Kläger weiterer Nutzungsausfall für die Zeit vom 01. bis zum 05.10. für 4 Tage geltend gemacht wurde, mag es sein, dass, wie vorgetragen, es sich dabei um den Zeitraum zwischen der Besichtigung des … beim Gutachter und dem Beginn der Reparatur handelt. Warum der Wagen aber in diesem Zeitraum nicht genutzt werden konnte, ist nicht nachvollziehbar. Der entstandene Unfallschaden stand, soweit ersichtlich, einem sicheren Fahrbetrieb nicht entgegen. Zu sonstigen besonderen Umständen erfolgte keine hinreichende Darlegung.

Es ergibt sich somit ein von den Beklagten

zu erstattender Gesamtschaden i. H. v. 1.932,43 €

abzgl. vorgerichtliche Zahlungen (452,44 € + 985,95 € + 472,23 €) 1.910,62 €

21,81 €

3. Die Beklagten sind auch aus Delikt zum Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verpflichtet. Der Kläger beschränkt sich insofern auf einen Streitwert von 1.649,50 €. Bei einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Pauschale und Steuer ergibt sich ein Erstattungsbetrag von 255,85 €‚ worauf vorgerichtlich 83,54 € geleistet wurde. Es verbleiben 172,31 €.

Eine Erstattungspflicht von Rechtsanwaltskosten für die Schadensmeldung beim Kaskoversicherer besteht dagegen grundsätzlich nicht, wenn es sich, wie hier, um einen einfach gelagerten Fall handelt. Erschwerende Umstände, welche bei der Anmeldung des Schadens bei der Kaskoversicherung vorgelegen haben könnten, sind aber nicht ersichtlich. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass dies nicht für die streitgegenständliche Klärung des Unfallhergangs im Verhältnis zu den Beklagten gilt (BGH NJW 2012, 2194). Bezeichnenderweise wurde auch nichts dazu dargelegt, dass die Kaskoversicherung wegen ihrer Inanspruchnahme Einwände geltend gemacht hat.

Im Rahmen der oben genannten Haftungsquote sind die Beklagten verpflichtet, den Kläger von entstehenden Kaskoprämiennachteilen i.H. v. 75% freizustellen. Auf die obigen Darlegungen wird Bezug genommen.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 11 und 711 ZPO. Der Gerichtsgebührenstreitwert ergibt sich aus der Addition der geltend gemachten Hauptforderungen, wobei der Feststellungsantrag auf 80 % des geltend gemachten Prämiennachteils von 1.647 € festzusetzen war.

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