Übersicht:
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
- Datum: 13.11.2024
- Aktenzeichen: 2 A 2219/23
- Verfahrensart: Zulassungsverfahren (Berufung)
- Rechtsbereiche: Verwaltungsrecht, Baurecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümer eines Grundstücks, der die Aufhebung einer benachbarten Baugenehmigung und den Rückbau einer Aufschüttung fordert. Er argumentiert, dass die Baugenehmigung gegen Abstandsflächenvorschriften verstoßen und seine Interessen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
- Beklagter: Landkreis oder Gemeinde, die die Baugenehmigung erteilt hat. Sie sieht keinen Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften und wies darauf hin, dass der Kläger keinen Antrag auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gestellt hatte.
- Beigeladene: Eigentümerin des Nachbargrundstücks, die die Aufschüttung vorgenommen hat. Keine Stellungnahme oder spezifische Argumente im Urteil enthalten.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger wollte eine Baugenehmigung für eine Aufschüttung auf dem benachbarten Grundstück aufheben lassen und den Rückbau derselben verlangen. Die genehmigte Aufschüttung ist laut Kläger höher als zulässig und verletzt somit das Rücksichtnahmegebot.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Baugenehmigung für die Aufschüttung gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen hat und ob die berechnete Höhe der Aufschüttung zulässig ist. Außerdem ging es um die Einhaltung von Abstandsflächen und das Rücksichtnahmegebot.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, abgesehen von möglichen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen muss.
- Begründung: Die Zulassungsbegründung zeigte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auf, da wesentliche Zulassungsgründe fehlten. Die angefochtene Aufschüttung überschreitet laut gerichtlicher Feststellung nicht die zulässige Höhe von 1 Meter und löst daher keine Abstandsflächen aus.
- Folgen: Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig. Der Kläger hat keine Möglichkeit, weiterhin gegen das Urteil vorzugehen. Die Angelegenheit ist damit abschließend entschieden.
Nachbarschaftsrecht im Fokus: Rechtsstreit über bauliche Veränderungen
Das Zusammenleben von Grundstücksnachbarn kann schnell kompliziert werden, wenn bauliche Veränderungen oder Eingriffe in die Landschaft geplant sind. Das Nachbarschaftsrecht bildet dabei einen wichtigen rechtlichen Rahmen, der die Interessen beider Parteien schützen und Konflikte vermeiden soll.
Veränderungen an der Geländeoberfläche berühren oft sensible Grenzbereiche zwischen Grundstücken und werfen zahlreiche Fragen zum Immissionsschutz, zur Flächennutzung und zu möglichen nachbarrechtlichen Einwirkungen auf. Bauverordnungen, Abstandsregelungen und der Grundsatz der Zumutbarkeit spielen dabei eine entscheidende Rolle für die Beurteilung solcher Vorhaben.
Ein konkreter Rechtsstreit zeigt nun, wie komplex diese Thematik in der Praxis sein kann und welche Bedeutung der Schutz der Nachbarinteressen tatsächlich hat.
Der Fall vor Gericht
Gericht weist Klage gegen Geländeaufschüttung am Nachbargrundstück ab
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt, das eine Klage gegen eine Baugenehmigung für eine Geländeaufschüttung zurückgewiesen hatte. Der Fall drehte sich um eine genehmigte Aufschüttung auf einem Grundstück, gegen die der Nachbar rechtlich vorgegangen war.
Streit um Höhe der Aufschüttung und Abstandsflächen
Der Kläger hatte sich gegen die Baugenehmigung Nr. 194/23 vom 9. Mai 2023 gewandt und den Rückbau der Aufschüttung in einer Breite von drei Metern entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze gefordert. Er argumentierte, die Aufschüttung sei mit 1,20 Metern zu hoch und verletze die baurechtlichen Vorschriften zu Abstandsflächen.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Nach dem genehmigten Lageplan vom 27. März 2023 betrage die maximale Höhendifferenz zwischen natürlichem und geplantem Gelände an keiner Stelle mehr als 94 Zentimeter. Die vom Kläger angeführte Höhendifferenz von 1,20 Metern beziehe sich auf zwei verschiedene Messpunkte und sei daher nicht relevant. Für die Beurteilung der Höhe könnten die Geländehöhen nur am selben Punkt verglichen werden.
Keine Verletzung nachbarlicher Rechte festgestellt
Das Gericht bestätigte die Einschätzung der Vorinstanz, dass die Aufschüttung weder gegen Abstandsflächenvorschriften noch gegen das bauordnungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstößt. Da die Aufschüttung an keiner Stelle höher als einen Meter sei, löse sie gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauO NRW keine Abstandsflächen aus.
Die Richter stellten zudem fest, dass keine nennenswerten Einschränkungen der Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks zu erwarten seien. Von der Aufschüttung gehe insbesondere keine erdrückende Wirkung aus. Angesichts der geringen Höhe könne von einer Beherrschung des Nachbargrundstücks nicht ausgegangen werden.
Rechtliche Grundlagen der Entscheidung
Die Richter führten aus, dass die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 Abs. 3 BauO NRW nicht bei jeder Veränderung der Geländeoberfläche nachbarschützende Wirkung entfalte. Ein Nachbarschutz ergebe sich in erster Linie im Zusammenhang mit den Abstandsflächenregelungen. Da diese nicht verletzt seien, komme ein Nachbarschutz nur in Betracht, wenn bei der Genehmigung die Belange des Angrenzers nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Dies sei hier nicht der Fall.
Der Antrag des Klägers auf Erlass einer Rückbauverfügung wurde bereits als unzulässig eingestuft, da bislang kein Antrag auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gestellt worden war. Der Beklagte habe ein solches auch nicht verweigert, sondern lediglich klargestellt, dass die Frage einer eventuell abweichenden Bauausführung nicht im Verfahren gegen die Baugenehmigung relevant sei.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Gericht hat einen Antrag auf Berufungszulassung abgelehnt, weil keine ausreichende Begründung für ernstliche Zweifel am Ursprungsurteil vorgelegt wurde. Zentral war dabei die Frage einer Geländeaufschüttung, deren Höhe unter einem Meter lag und damit keine Abstandsflächen auslöste. Das Urteil verdeutlicht, dass bei Rechtsmitteln eine konkrete, substantiierte Auseinandersetzung mit den Argumenten des Vorurteils erforderlich ist.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie gegen ein Verwaltungsgerichtsurteil vorgehen möchten, müssen Sie Ihre Berufung sehr sorgfältig und detailliert begründen. Es reicht nicht aus, einfach nur mit dem Urteil nicht einverstanden zu sein – Sie müssen konkret aufzeigen, warum die Argumentation des Gerichts fehlerhaft ist. Bei Bauvorhaben wie Aufschüttungen sind die technischen Details wie Höhenangaben entscheidend, diese müssen präzise an denselben Messpunkten verglichen werden. Bevor Sie rechtliche Schritte einleiten, sollten Sie sich fachkundig beraten lassen, um die Erfolgsaussichten realistisch einschätzen zu können.
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Im Baurecht zählen die Details – wir helfen Ihnen, den Überblick zu behalten.
Gerade bei nachbarschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen im Baurecht kommt es auf eine präzise Argumentation und die korrekte Auslegung der rechtlichen Vorgaben an. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte zu wahren und Ihre Interessen effektiv zu vertreten. Ob es um Abstandsflächen, Grenzbebauung oder die zulässige Höhe von Aufschüttungen geht – wir analysieren Ihren individuellen Fall und entwickeln die passende Strategie. Sprechen Sie uns an, um Klarheit zu gewinnen und gemeinsam die optimale Lösung für Ihr Anliegen zu finden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Baugenehmigung
Eine behördliche Erlaubnis, die vor Beginn bestimmter baulicher Maßnahmen eingeholt werden muss. Die Genehmigung wird erteilt, wenn das Bauvorhaben allen rechtlichen Anforderungen entspricht, insbesondere der Bauordnung und dem Bebauungsplan. Sie ist Voraussetzung für die rechtmäßige Durchführung von genehmigungspflichtigen Bauvorhaben (§ 58 Musterbauordnung). Beispiel: Wer ein Haus bauen oder wesentlich umbauen möchte, benötigt in der Regel eine Baugenehmigung. Eine Terrasse bis zu gewisser Größe kann dagegen meist genehmigungsfrei errichtet werden.
Rückbauverfügung
Eine behördliche Anordnung, mit der die Beseitigung oder Änderung einer rechtswidrig errichteten baulichen Anlage verlangt wird. Sie ist ein Instrument der Bauaufsichtsbehörde zur Durchsetzung des öffentlichen Baurechts (§ 61 Musterbauordnung). Die Behörde kann den Rückbau anordnen, wenn ein Bauwerk ohne erforderliche Genehmigung errichtet wurde oder von der Genehmigung abweicht. Beispiel: Ein ohne Genehmigung errichteter Carport muss auf behördliche Anordnung wieder abgerissen werden.
Abstandsflächen
Gesetzlich vorgeschriebene Freiflächen zwischen Gebäuden oder baulichen Anlagen und den Grundstücksgrenzen. Sie dienen dem Brandschutz, der Belichtung und Belüftung sowie dem nachbarlichen Interessenausgleich (§ 6 BauO NRW). Die Tiefe der Abstandsfläche berechnet sich in der Regel aus der Wandhöhe. Beispiel: Bei einem 8 Meter hohen Gebäude muss typischerweise ein Mindestabstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze eingehalten werden.
Rücksichtnahmegebot
Ein grundlegendes Prinzip des öffentlichen Baurechts, das besagt, dass bei der Errichtung und Nutzung baulicher Anlagen auf die Interessen der Nachbarn angemessen Rücksicht genommen werden muss (§ 15 BauNVO). Es verlangt eine Abwägung zwischen den Interessen des Bauherrn und der Nachbarn. Beispiel: Eine Terrassenüberdachung darf nicht so hoch gebaut werden, dass sie dem Nachbarn unverhältnismäßig viel Licht nimmt.
Immissionsschutz
Rechtliche Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen wie Lärm, Erschütterungen, Licht oder anderen Störungen (Bundesimmissionsschutzgesetz). Im Nachbarrecht regelt er, welche Einwirkungen ein Nachbar dulden muss und welche unzulässig sind. Beispiel: Eine Gartenaufschüttung darf nicht dazu führen, dass bei Regen Erdreich auf das Nachbargrundstück gespült wird.
Bauordnungsrecht
Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die das Bauen regeln. Es umfasst insbesondere die Landesbauordnungen und deren Durchführungsverordnungen. Das Bauordnungsrecht legt grundlegende Anforderungen an die Sicherheit, Gestaltung und Nutzung von baulichen Anlagen fest. Beispiel: Regelungen zur maximalen Gebäudehöhe, zu Brandschutzanforderungen oder zur Standsicherheit von Gebäuden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) §124 Abs. 2:
Diese Vorschrift regelt die Zulassung der Berufung im Verwaltungsprozess. Eine Berufung wird nur zugelassen, wenn ein in §124 Abs. 2 VwGO genannter Zulassungsgrund vorliegt, etwa ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen der erforderlichen Zulassungsgründe dargelegt, weshalb die Berufung nicht zugelassen wurde. - Bauordnung Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) §6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2:
Dieser Paragraph bestimmt, dass bestimmte Gebäudeeigenschaften, wie eine Höhe von maximal 1 Meter über der Geländeoberfläche, keine Auswirkungen auf die Abstandsflächen haben. Im Fall des Klägers wurde argumentiert, dass die Aufschüttung nicht höher als 1 Meter sei und somit keine Abstandsflächenvorschriften verletze, was vom Verwaltungsgericht bestätigt wurde. - BauO NRW §8 Abs. 5 (Alt):
Diese Vorschrift verpflichtet Bauherren zur Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft bei Bauvorhaben. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die geplante Aufschüttung keine nennenswerten Einschränkungen der Nutzbarkeit des Nachbargrundstücks verursachen würde und somit das Rücksichtnahmegebot erfüllt sei. - Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) §123:
§123 VwGO beschreibt die formalen und materiellen Anforderungen an die Zulassungsbegründung einer Berufung. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist erforderlich, um ernstliche Zweifel zu begründen. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger diese Anforderungen nicht erfüllen, wodurch die Berufung nicht zugelassen wurde. - Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) §111:
Diese Vorschrift regelt die Kostentragung im Verwaltungsverfahren. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, während außergerichtliche Kosten der Beigeladenen selbst zu tragen sind. In dem angegangenen Fall wurde der Streitwert auf 15.000 Euro festgesetzt, was die Grundlage für die Kostenentscheidung bildete.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 2 A 2219/23 – Beschluss vom 13.11.2024
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