Vertragskündigung und Formfehler: Ein tiefgreifender Blick auf ein Mietrechts-Urteil
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in einem Fall (Aktenzeichen: 2 U 27/23), der das Mietrecht und den Aspekt der Kündigung von Mietverträgen aufgrund formeller Mängel berührt, entschieden. Der Fall dreht sich um eine Mietvertragskündigung, bei der der Mieter gegenüber dem ursprünglichen Vermieter kündigte, ohne Kenntnis vom Übergang des Mietverhältnisses. Die grundlegende Frage hier war, ob es Unterschiede in der Situation gibt, wenn der Mieter das Mietverhältnis kündigt, ohne vom Wechsel des Vermieters zu wissen.
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Übersicht:
Argumente der Beklagten und Beweiswürdigung
Die Beklagten brachten mehrere Einwände gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vor. Diese Einwände wurden jedoch vom OLG abgelehnt, da sie nicht ausreichend konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts boten. Darüber hinaus waren die Aussagen der Zeugen durch eine besonders ausgeprägte Vagheit gekennzeichnet, was die Position der Beklagten weiter schwächte.
Ungewöhnliche Umstände und fehlende Nachweise
Im Kontext der Beweiswürdigung wurde auch hervorgehoben, dass es ungewöhnlich war, dass die auf der Urkunde vorhandenen Unterschriften der Zeugen nicht datiert waren. Dies wurde als auffällig bei der Unterzeichnung eines bedeutenden Vertrags wie einem Mietvertrag für Praxisräume angesehen. Zudem war die behauptete Übersendung des Unterseitenvertrags nicht schriftlich nachgewiesen, was ebenfalls als ungewöhnlich gewertet wurde.
Grundsätze von Treu und Glauben
Die Beklagten argumentierten, dass es der Klägerin aufgrund der Grundsätze von Treu und Glauben verwehrt sein sollte, sich auf einen Schriftformmangel zu berufen, der zur Kündigung berechtigt. Dies wurde jedoch vom Gericht zurückgewiesen. Die Rechtsfolgen, die aus der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften resultieren, dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus Gründen der Billigkeit ignoriert werden.
Die Rolle der juristischen Person
Es wurde klargestellt, dass das gegenseitige Pflichtenprogramm bei Mietverträgen unabhängig davon ist, ob es sich bei dem Mieter um eine natürliche oder juristische Person handelt. Die juristische Person ist in rechtlicher Hinsicht in jeder Hinsicht der natürlichen Person gleichgestellt. Darüber hinaus wurde trotz der zunächst nicht erfolgten Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung durch die Zahlung der erhöhten Miete in der Folgezeit eine stillschweigende Vertragsänderung festgestellt.
Diese detaillierte Betrachtung des Mietrechtsurteils zeigt die Komplexität und Tiefe der Fragestellungen, die sich aus der Praxis des Mietrechts ergeben können. Es unterstreicht die Bedeutung von Formvorschriften und die Rolle der Beweisführung in juristischen Auseinandersetzungen.
Das vorliegende Urteil
OLG Celle – Az.: 2 U 27/23 – Beschluss vom 30.06.2023
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Februar 2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, bis zum 24. Juli 2023 Stellung zu nehmen und gegebenenfalls ihre Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten im K. Klinikum in Anspruch, welche eine GbR als Rechtsvorgängerin der Beklagten von der Klägerin angemietet hatte.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Februar 2023 (Bl. 164ff. d.A.), insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrags und die gestellten Anträge mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen.
Die Klägerin sprach mit Anwaltsschreiben vom 2. März 2023 (Anlage K 11) eine weitere fristlose Kündigung unter Hinweis darauf aus, dass sich die Beklagte mit einem Betrag in Höhe von 31.978,26 € und damit mehr als zwei Monatsmieten in Zahlungsverzug befunden habe.
Das Landgericht hat die Beklagte mit dem am 10. Februar 2023 verkündeten Urteil zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB zustehe, nachdem die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 26. April 2021 zum 31. Dezember 2021 beendet hatte. Diese Kündigung sei wirksam, weil das Mietverhältnis aufgrund eines Verstoßes gegen das Formerfordernis nach § 550 BGB kündbar gewesen sei. Der erste Änderungsvertrag zum Mietvertrag vom 16. Dezember 2015 sei formbedürftig gewesen. Das Formerfordernis sei vorliegend nicht erfüllt worden. Vorliegend hätten sich die Parteien über den Inhalt des Änderungsvertrages nur mündlich geeinigt. Zwar könnten Unterschriften später mit der Folge nachgeholt werden, dass die nachteiligen Wirkungen des Formmangels ex tunc entfallen. Denn mangels Nichtigkeit des Geschäfts finde § 141 Abs. 1 BGB keine Anwendung. Die Formerfüllung sei aus einer Analogie zu den §§ 141 Abs. 2, 184 Abs. 1 BGB herzuleiten.
Die Beklagte habe aber nicht bewiesen, dass die Schriftform rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung durch Unterzeichnung nachgeholt worden sei. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei für das Gericht nicht aufklärbar, zu welchem Zeitpunkt die Gesellschafter der GbR die auf der Anlage B1 ersichtlichen Unterschriften geleistet hätten.
Insbesondere habe das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass diese Unterschriften vor Ausspruch der Kündigung vom 26. April 2021 erfolgt seien. Die vernommenen Zeugen hätten keine zuverlässigen Angaben dazu machen können, wann der Änderungsvertrag unterzeichnet worden sei. Hinzu komme, dass die Unterschriften der Dres. nicht mit einem Datum versehen seien, was im Geschäftsverkehr bei Abschluss wichtiger Verträge wie einem Mietvertrag über Praxisräume mehr als ungewöhnlich sei. Ungewöhnlich sei ferner, dass für die behauptete Übersendung des Vertrages an die Klägerin kein Nachweis existiere.
Die Kündigung sei auch nicht durch § 20 Abs. 2 des Mietvertrages ausgeschlossen gewesen. Diese Schriftformheilungsklausel sei mit § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam.
Der Klägerin sei es auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Schriftformverstoß zu berufen. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führe, könne es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn die eine Partei sich darauf berufe, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Eine solche Ausnahmekonstellation liege im Streitfall nicht vor. Die Klägerin habe die Mieterin nicht schuldhaft von der Wahrung der Schriftform abgehalten. Die Klägerin habe auch nicht eine ihr lediglich vorteilhafte Änderung zum Anlass genommen, sich von dem Vertrag zu lösen. Es stelle auch keine schwere Treuepflichtverletzung dar, dass die Klägerin die ehemalige Mieterin nach der Ausübung des Optionsrechts nicht auf den Verstoß gegen die Schriftform hingewiesen habe. Die Klägerin habe mit ihrem Bestätigungsschreiben vom 26. November 2020 gerade nicht die Verlängerung des Mietverhältnisses bis zum 31. Juli 2026 bestätigt. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Parteien ihren Pflichten aus der Änderungsvereinbarung trotz des Formverstoßes über einen längeren Zeitraum bis zur Kündigung am 26. April 2021 nachgekommen seien. Aus der Erfüllung der Pflichten aus dem mündlich abgeschlossenen Mietvertrag lasse sich nicht herleiten, die Vertragsparteien hätten darauf vertrauen können, der jeweilige Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Kündigung für sie existenzbedrohend bzw.-vernichtend sei. Die BGH-Rechtsprechung zur Existenzgefährdung resultiere ursprünglich aus dem Höferecht und sei außerhalb des Höferechts auf natürliche Personen angewandt worden, die im Vertrauen auf das formnichtige Geschäft im eigentlichen Sinne des Wortes ihre „Existenz“ auf die Nutzung des Objekts eingerichtet hätten. Damit sei nicht der bloße Umstand der Betriebsunterbrechung einer GmbH vergleichbar, die regelmäßige Folge jeder Kündigung und Räumung von Gewerberaum sei. Selbst die drohende Insolvenz einer Kapitalgesellschaft im Fall der Räumung genüge nicht, um nach § 242 BGB über den Formmangel hinweg zu gehen.
Wegen der weiteren geringfügigen Einzelheiten wird auf die Entscheidung des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 13. Februar 2023 auf elektronischem Wege zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. März 2023, auf elektronischem Wege am selben Tage beim Oberlandesgericht eingegangen, Berufung eingelegt, welche sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Mai 2023 mit Schriftsatz vom 12. Mai 2023, am selben Tage beim Oberlandesgericht auf elektronischem Wege eingegangen, begründet hat.
Die Beklagte macht geltend, dass die Kündigung vom 26. April 2021 nicht an die Beklagte, sondern an die GbR von W./K. gerichtet gewesen sei und diese Kündigung daher keine Wirkung gegenüber der Beklagten entfalten könne.
Das Landgericht habe überdies eine gravierende Fehlbewertung der Aussagen der beiden Zeugen vorgenommen, weshalb ausdrücklich die erneute Vernehmung beider Zeugen beantragt werde. Aus den beiden Zeugenaussagen ergebe sich eindeutig, dass eine Unterzeichnung des 1. Nachtrages zum Mietvertrag seitens der beiden Zeugen jedenfalls vor dem Ausspruch der Kündigung am 26. April 2021 erfolgt sei.
Überdies sei es der Klägerin verwehrt, sich auf den Formmangel gemäß § 550 BGB zu berufen. Die Kündigung sei treuwidrig. Es habe eine Nähebeziehung bestanden, die dazu geführt habe, dass gegenseitige Treue- und Fürsorgepflichten entstanden seien, deren Verletzung grob pflichtwidrig sei. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass ein entsprechender Rechtsanspruch auf Verlängerung bis 2026 nicht bestehe. Die Klägerin habe gewusst, dass die Beklagte in dem Krankenhaus der Klägerin eine onkologische Arztpraxis unterhalte, wobei pro Woche ca. 340 Schwerstkranke bzw. lebensbedrohlich erkrankte Patienten behandelt würden. Das oberste Gebot für den Betrieb einer solchen Praxis sei, dass Planungssicherheit vorherrschte.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts trete durch dieses treuwidrige Verhalten auch eine eigene Existenzgefährdung der Beklagten ein. Die Beklagte habe bis zum heutigen Tag noch keine Ersatzräumlichkeiten gefunden, obwohl die Beklagte sich zwischenzeitlich sogar über Vermittlung der Klägerin an Immobilienfirmen gewandt habe. Darüber hinaus habe die Beklagte sowohl über ihre eigene Immobilienfirma als auch über die in Hannover ansässigen Immobilienfirmen versucht, Ersatzräumlichkeiten zu finden. Die Beklagte verweist auf eine Anlage B3 mit einer Liste von 30 kontaktierten Immobilienfirmen, mit welchen eine Mitarbeiterin der R. Immobilienverwaltung GmbH & Co. KG Kontakt aufgenommen habe. Bis zum heutigen Tag fehle es an einem konkreten Vertragsabschluss.
Das Landgericht habe auch verkannt, dass es bei der Abwägung einer eventuellen Treuepflichtverletzung darum gehe, abzuwägen, wie schwer die Verfehlung auf der einen Seite sei und welche gravierenden Auswirkungen die entsprechende Verfehlung auf der anderen Seite habe.
Das Landgericht habe überdies in rechtswidriger Weise den Schutzantrag gemäß § 712 ZPO abgewiesen. Ein solcher Schutzantrag sei mit Schriftsatz vom 18. Mai 2022 gestellt worden. Zwar sei im Termin zur Verhandlung am 15. Mai 2022 der Antrag gestellt worden, die Klage abzuweisen. Wenn das Gericht diesen Antrag dahingehend auslege, dass der Schutzantrag gemäß § 712 ZPO nicht mehr gestellt werden sollte, so wäre es zu einem rechtlichen Hinweis verpflichtet gewesen. Überdies sei der Schutzantrag auch zu Unrecht abgewiesen worden. Es sei schon im Schriftsatz vom 18. Mai 2022 vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, dass die Beklagte trotz entsprechender intensiver Bemühungen bisher keine Ersatzräumlichkeiten gefunden habe und dass diese zurzeit auch nicht zur Verfügung stehen würden. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen wäre aber der Beklagten in jedem Fall ein Räumungsschutz bis Ende des Kalenderjahres 2023 einzuräumen. Die Beklagte habe 2 Objekte gefunden, die sie eventuell als Praxisräume nutzen könne. Eine Einigung mit dem Eigentümer beziehungsweise mit dem Vermieter sei jedoch noch nicht getroffen worden.
Die hilfsweise ausgesprochene fristlose Kündigung sei unwirksam. Diese werde offensichtlich auf § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB gestützt. Da die Klägerin selber über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren erhebliche Zahlungsrückstände akzeptiert habe – bei gleichzeitiger Verrechnung, wenn Sonderzahlungen eingegangen seien – sei das Kündigungsrecht verwirkt.
Die Klägerin habe die Beklagte weder abgemahnt noch innerhalb einer angemessenen Frist nach Eintritt des Zahlungsverzuges vom Recht der fristlosen Kündigung Gebrauch gemacht. Zu keinem Zeitpunkt sei der Beklagten eine entsprechende Saldomitteilung übermittelt worden.
Die Beklagte habe innerhalb einer Woche nach Vorlage der Forderungsaufstellung der Klägerin die geltend gemachte Forderung von über 31.000 € bezahlt. Erkennbar sei dieser Zahlungsrückstand aufgelaufen, weil versehentlich ein alter zunächst einmal gültig vereinbarter Mietzins gezahlt worden sei und nach Abänderung dieses Mietzinses offensichtlich keine Anpassung erfolgt sei.
Die ausgesprochene fristlose Kündigung sei auch gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam.
Vorsorglich werde bestritten, dass der geltend gemachte Zahlungsverzug bestehe. Die Klägerin begründe den Zahlungsverzug damit, dass über Jahre hinweg nicht der neue, mit der strittigen Nachtragsregelung vereinbarte Mietzins gezahlt worden sei.
Diesbezüglich stelle die Klägerin in Abrede, dass eine entsprechend wirksame Vereinbarung getroffen worden sei. Wenn die Rechtsvorgänger der Beklagten die schriftliche Vereinbarung über den Nachtrag nicht unterzeichnet und damit dieser auch nicht zugestimmt haben, so ergebe sich seitens der Klägerin auch kein Zahlungsanspruch auf die höhere Miete. Es liege dann auch keine konkludente Vereinbarung der höheren Mietzahlung vor.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des am 10. Februar 2023 verkündeten und am 13. Februar 2023 zugestellten Urteils des Landgerichts Hannovers zum Az.: 5 O 193/21 die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden sowie hilfsweise der Beklagten Räumungsschutz hinsichtlich der streitgegenständlichen Mieträume bis zum 31. Dezember 2023 zu gewähren.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beklagte sei nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 2. März 2023 zur Räumung verpflichtet. Die Kündigung sei auch nicht deshalb unbegründet geworden, weil die Beklagte den Zahlungsrückstand kurzfristig nach Zugang der Kündigung ausgeglichen habe. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gelte im Gewerberaummietrecht nicht. Die Beklagte irre, wenn sie vortragen lasse, dass die Kündigung deshalb unbegründet sei, weil sie Zahlungsrückstände über Jahre „akzeptiert“ habe. Die Klägerin habe die Minderzahlung der Beklagten zu keinem Zeitpunkt akzeptiert. Im Gegenteil sei die Okkupation der weiteren Mietflächen bei geringerer Mietzahlung gerade Anlass dafür gewesen, mit der Beklagten wegen des streitgegenständlichen Nachtrags in Kontakt zu treten. Auf das Schreiben der Klägerin vom 27. Mai 2019 werde hingewiesen. Das Kündigungsrecht sei deshalb auch nicht verwirkt, zumal sich die Kündigung ferner auf aktuelle Mietrückstände ab März 2022 beziehe. Eine vorherige Abmahnung sei auch nicht erforderlich gewesen. Auf § 543 Abs. 3 Nr. 3 BGB werde hingewiesen.
Die von der Klägerin erklärte Kündigung verstoße auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Die Mietrückstände, die im Schreiben vom 27. Mai 2019 aufgeführt gewesen seien, habe die Beklagte trotz schriftlicher Aufforderung nur sehr unregelmäßig und über mehrere Jahre hinweg getilgt. Der Beklagten sei spätestens mit Zustellung des Schreibens vom 27. Mai 2019 die Zusammensetzung der neuen Miete bekannt geworden. Damit sei sie verpflichtet gewesen, spätestens ab Juni 2019 die vertraglich vereinbarten Mieten pünktlich in voller Höhe zu zahlen. Es werde bestritten, dass die Mietrückstände schlicht auf ein Organisations- und Verwaltungsversehen zurückzuführen seien. Hierauf komme es aber auch nicht an, weil Verschuldensgesichtspunkte bei einer Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht zu berücksichtigen seien. § 543 BGB gehe der allgemeinen Vorschrift des § 314 BGB vor. Die Vereinbarung über die Erweiterung der Mietflächen und die damit einhergehende Erhöhung der Miete sei unstreitig. Streitig sei erstinstanzlich nur gewesen, ob diese Vereinbarung in der notwendigen Form zustande gekommen sei oder nicht. Darüber hinaus müsse sich die Beklagte erklären, warum sie nach Erhalt der fristlosen Kündigung den geltend gemachten Mietrückstand unverzüglich und ohne Vorbehalt ausgleiche.
Die Kündigung vom 26. April 2021 sei per Einwurf-Einschreiben an die richtige Mieterin, die GbR, zugestellt worden. Denn zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin noch überhaupt keine Kenntnis davon gehabt, dass die bisherige Mieterin den Mietvertrag auf die Beklagte übertragen habe. Unstreitig habe die GbR bzw. die Beklagte der Klägerin erst mit Schreiben vom 5. Mai 2021 (also nach Zugang der fristlosen Kündigung) mitgeteilt, dass aus der Praxis Dr. W. und Dr. K. die M. Medical GmbH H. geworden sei. Hinzu komme, dass die GbR die Kündigung nicht etwa zurückgewiesen oder auf eine Neuvermietung hingewiesen habe. Auch nach der vertraglichen Regelung des § 5 des Ursprungsmietvertrages könne ein Wechsel der Mietvertragsparteien nur nach vorheriger Information der Vermieterin zustande kommen. Soweit die Beklagte vortrage, die GbR hätte den Mietvertrag mit Übergabevertrag vom 3. Februar 2021 an die Beklagte übertragen, werde dies vorsorglich mit Nichtwissen bestritten. Das Berufen auf eine falsche Adresse sei auch im Übrigen treuwidrig.
Die Schriftformkündigung der Klägerin vom 26. April 2021 sei begründet, weil ein schriftlicher Nachtrag nicht zustande gekommen sei. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung sei zutreffend und nicht zu beanstanden. Die Schriftformkündigung verstoße auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Der Vortrag, wonach sich die Beklagte intensiv um Ersatzräumlichkeiten bemüht und keine gefunden habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Der Vortrag dürfte auch falsch sein, denn unter Vermittlung des Unterzeichners seien der Beklagten sofort beziehbare Praxisräumlichkeiten in H.-M. angeboten worden. Es sei noch nicht mal zu einem Besichtigungstermin durch die Beklagte kommen. Die Klägerin benötige die streitgegenständlichen Räumlichkeiten dringend für notwendige bauliche Veränderungen. Gerade nach der Corona-Pandemie und den Zeiten des Homeoffice seien in H. überdurchschnittlich viele Gewerberäumlichkeiten frei. Es sei allein dem Verschulden der Beklagten anzulasten, dass sie seit Kenntnis der Kündigung im April 2021 noch nicht in der Lage sei, neue Mieträumlichkeiten anzumieten. Auch der Antrag der Beklagten gemäß § 712 ZPO sei zu Recht abgewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrags wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Es handelt sich um einen Einzelfall, dessen Entscheidung von den tatsächlichen Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung abhängig ist und dem deshalb grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt. Gegenteiliges zeigt die Berufung der Beklagten auch nicht auf. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Einhaltung der Schriftform sowie der Wirksamkeit von Kündigungen orientiert. Die Auffassung des Senats fügt sich in den durch diese Entscheidungen vorgezeichneten Kontext. Eine mündliche Verhandlung gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO hält der Senat nicht für geboten.
III.
Die Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg.
Zwar hat die Einzelrichterin mit einer unvertretbaren Begründung die grundsätzliche Anwendbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Treuwidrigkeit bei einer Existenzgefährdung verneint und in diesem Zusammenhang auch ihr obliegende Hinweispflichten verletzt. Gleichwohl bleibt der Berufung der Beklagten der Erfolg versagt, weil die Beklagte jedenfalls im Ergebnis zu Recht zur Räumung und Herausgabe verurteilt worden ist.
1. Die Beklagte ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB der Klägerin gegenüber zur Rückgabe der angemieteten Räumlichkeiten im K. Klinikum verpflichtet, nachdem die Klägerin das bestehende Mietvertragsverhältnis wirksam mit Kündigungsschreiben vom 26. April 2021 zum Ablauf des 31. Dezember 2021 gekündigt hat.
a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, weil die Kündigung nicht an die beklagte GmbH, sondern an die GbR von W./K. gerichtet gewesen ist.
Die Wirksamkeit der Kündigung folgt aus einer analogen Anwendung von § 407 Abs. 1 BGB. Gemäß § 407 Abs. 1 BGB muss der neue Gläubiger jedes Rechtsgeschäft, dass nach der Abtretung zwischen dem Schuldner und dem bisherigen Gläubiger in Ansehung der Forderung vorgenommen wird, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt. Gemäß § 412 BGB findet diese Vorschrift auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes entsprechende Anwendung. Auch wenn § 412 BGB dem Wortlaut nach nicht Fälle einer Gesamtrechtsnachfolge erfasst, schließt dies aber nicht aus, dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob eine konkrete Bestimmung der §§ 398ff. BGB nach ihrem Sinn und Zweck entsprechend anwendbar ist (siehe Erman/Martens, BGB, 16. Aufl., § 412 Rn. 4).
Vorliegend ist eine solche analoge Anwendung von § 407 Abs. 1 BGB geboten. Im Anwendungsbereich von § 566 BGB ist in Bezug auf rechtsgeschäftliche Handlungen des Mieters, wie zum Beispiel eine Kündigung, anerkannt, dass § 407 BGB entsprechend anwendbar ist (Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2736). So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 23. Februar 2012 (Az.: IX ZR 29/11) klargestellt, dass § 412 BGB auch für die Kündigungserklärung gilt und lediglich eine unmittelbare Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB im Anwendungsbereich von § 566 BGB mangels einer Rechtsnachfolge ausscheidet (aaO, Rn. 16 f.). Der Bundesgerichtshof hat dabei hervorgehoben, dass sich die Situation in der sich der Mieter befindet, wenn er in Unkenntnis des Übergangs das Mietverhältnis gegenüber dem ursprünglichen Vermieter kündigt, sich nicht wesentlich von derjenigen eines Schuldners unterscheidet, dem der Forderungsübergang unbekannt geblieben ist. Habe dieser gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger eine Rechtshandlung in Unkenntnis des Übergangs vorgenommen, müsste sie der neue Gläubiger gegen sich wirken lassen. Das gelte auch für die gegenüber dem ursprünglichen Vermieter erklärte Kündigung, die dem neuen gegenüber wirksam sei. Insoweit bestehe eine planwidrige Regelungslücke, welche durch die entsprechende Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB zu schließen sei. Habe der Mieter nicht von dem Eigentumsübergang gewusst, müsse seine Kündigung als wirksam angesehen werden. Der neue Eigentümer könne sich nicht darauf berufen, ihm gegenüber sei keine Kündigung erklärt worden (BGH, aaO, Rn. 18).
Für den vorliegenden Fall kann nichts Anderes gelten. Die Sach- und Interessenlage ist in jeder Hinsicht vergleichbar.
Da die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen erst nach Zugang der Kündigung mit Schreiben vom 5. Mai 2021, welches der Klägerin am 4. Juni 2021 zugegangen ist, mitgeteilt hat, dass ein Übergang des Mietvertragsverhältnisses auf die Beklagte stattgefunden hat, ist es der Beklagten verwehrt, sich auf eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines falschen Adressaten zu berufen.
b) Die Klägerin war auf der Grundlage von § 550 BGB wegen Nichteinhaltung der Schriftform auch zur ordentlichen Kündigung berechtigt.
aa) Das Wesentliche der Schriftform ist die Errichtung einer Urkunde. Es spielt auch keine Rolle, in wessen Besitz die Urkunde anschließend verbleibt. Wenn eine den Erfordernissen des § 550 i.V.m. § 126 Abs. 2 BGB genügende Urkunde errichtet worden ist, schadet es nicht, wenn die Urkunde später verloren gegangen oder vernichtet worden ist. Für die Einhaltung des § 550 BGB i.V.m. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dabei aus, dass die Vertragsbestimmungen in einem unterzeichneten Schreiben der einen Partei niedergelegt sind, welches die andere ihrerseits unterzeichnet hat; der nochmaligen Unterzeichnung durch die andere Partei unterhalb der Gegenzeichnung bedarf es nicht (BGH NJW 2004, 2962).
§ 126 Abs. 2 BGB gilt im Anwendungsbereich von § 550 BGB zwar mit einer bedeutsamen Einschränkung. § 126 Abs. 2 BGB fordert die Einhaltung der Schriftform bei Vertragsschluss. Für einen wirksamen Vertragsschluss ist aber erforderlich, dass die empfangsbedürftige Willenserklärung der anderen Partei auch zugeht. Infolgedessen wäre bei uneingeschränkter Anwendung von § 126 Abs. 2 BGB die Schriftform des § 550 BGB nicht gewahrt, wenn die von beiden Vertragsparteien unterschriebenen Vertragsurkunde der jeweils anderen Vertragspartei nicht zugegangen ist. Der Bundesgerichtshof legt jedoch § 550 BGB im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend aus, dass zur Wahrung der Schriftform die bloße Einhaltung der äußeren Form ausreicht (BGH, Urteil vom 7. März 2018, Az.: XII ZR 129/16, Rn. 21ff.). Es reicht also aus, wenn eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrages vollständig und richtig wiedergibt. Dass der Mietvertrag vor oder erst nach Errichtung der Urkunde (durch z.B. konkludentes Handeln) wirksam zustande gekommen, schadet nicht (BGH NJW 2010, 1518 Rn. 24; NJW 2015, 2648). Zur Begründung verweist der Bundesgerichtshof auf die ratio legis des § 550 BGB, wonach diese Norm in erster Linie dem Informationsbedürfnis des Erwerbers dient.
Es ist ferner anerkannt, dass der Mangel der Schriftform gemäß § 550 BGB durch eine spätere formgerechte (Nachtrags-) Vereinbarung geheilt werden kann (siehe Landwehr, in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2502). So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass durch einen der gesetzlichen Form genügenden Nachtrag sogar ein insgesamt formwirksamer Mietvertrag entstehen kann, wenn der Ursprungsvertrag formunwirksam gewesen ist (BGH NJW-RR 1988, 201; NJW 2009, 2195). Diese Rechtsprechung hat der BGH bekräftigt. Er betont, dass es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich sei, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfülle. Es genüge vielmehr, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden (BGH, Urteil vom 4. November 2020, Az.: XII ZR 104/19, Rn. 20 m.w.N).
Zu berücksichtigen ist in diesen Fällen allerdings, dass bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die zweite Urkunde errichtet wird, eine ordentliche Kündigung wegen Nichteinhaltung der Schriftform ausgesprochen werden kann. Erst ab dem Moment, in dem eine dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB genügende Vertragsurkunde existiert, die den Inhalt des Mietvertrages vollständig und richtig wiedergibt, ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Denn die Errichtung der Urkunde entfaltet nur Wirkung ex nunc und nicht ex tunc Wirkung.
Dies folgt nach Auffassung des Senats aber nicht aus einer Analogie zu den §§ 141 Abs. 2, 184 BGB (so Lammel, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage, § 550 Rn. 30). Vorzugswürdig ist vielmehr ein argumentum a fortiori mit Rücksicht auf die Regelungen zur Heilung von formnichtigen Rechtsgeschäften bei Nichteinhaltung der notariellen Beurkundung. Denn gemäß § 311 Abs. 1 Satz 2 BGB „wird“ ein ohne Beachtung der Form geschlossener Vertrag seinem ganzen Inhalte nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. Wenn bei Formverstößen, die sogar die Wirksamkeit des Vertrages im Ganzen berühren, eine Heilung ex nunc eintritt, kann für die Nichteinhaltung der Schriftform, die nur eine Teilnichtigkeit zur Folge hat, nichts Anderes gelten.
bb) Die vorstehenden Ausführungen zugrunde gelegt fehlt es an einer vor Zugang der Kündigungserklärung zustande gekommenen formgerechten Nachtragsvereinbarung, die ex nunc zu einer Heilung des Formmangels geführt hat.
Die Beklagten haben nämlich nicht den Beweis erbracht, dass die Nachtragsvereinbarung vor Zugang der Kündigung vom 26. April 2021 unterzeichnet worden ist und dadurch nachträglich eine Heilung der bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingehaltenen Schriftform erfolgt ist.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts greift die Beklagte ohne Erfolg an. Es kann keine Rede davon sein, dass dem Landgericht bei seiner Beweiswürdigung eine gravierende Falschbewertung unterlaufen sei. Es besteht keine Veranlassung, die bereits ausführlich vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen.
Der Senat hat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die verfahrensfehlerfrei durch das Landgericht festgestellten Tatsachen seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Die von den Beklagten vorgebrachten Einwände gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts und die eigenständige Prüfung der gerichtskundigen Tatsachen durch den Senat begründen aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts nicht mit der notwendigen gewissen Wahrscheinlichkeit konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine neue Feststellung durch den Senat gebieten.
Gem. § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht unter Berücksichtigung aller Umstände die für die Erbringung eines Vollbeweises notwendige Gewissheit, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie vollständig auszuschließen (siehe Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage, § 286 Rn. 19), nicht zu erlangen vermochte.
Auch nach Auffassung des Senats bestehen gewichtige Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Beklagten.
Der als Zeuge vernommene P. von W. hat nicht konkret angeben können, wann genau er den Nachtrag unterschrieben hat und wann ihm dieser Nachtrag zur Unterschrift vorgelegt worden ist. Seine Angaben sind insoweit äußerst vage und lassen jede konkrete Festlegung vermissen. So hat der Zeuge angegeben, dass er nicht mehr genau wisse, wie das in diesem Fall gewesen sei. Es sei nicht so gewesen, dass er jetzt extrem darauf gewartet hätte. Zu welchem Zeitpunkt das gewesen sei, wisse er nicht mehr. Ob das mit dem Schreiben danach passiert sei, könne er nicht sagen. Es gebe im Sekretariat verschiedene Körbchen mit verschiedenen Adressaten. Teilweise lege er die von ihm bearbeitete Post in das Körbchen für das Sekretariat, teilweise lege er es direkt in das Körbchen für den nächsten Ansprechpartner. Wie das in diesem konkreten Fall gewesen sei, könne er nicht sagen. Er könne auch nicht sagen, wie der Vertrag zu ihm gekommen sei. Er hat lediglich konkret angegeben, dass er die Unterschrift auf dem Vertrag als Erster geleistet habe und es danach erst zu dem Zeugen Dr. K. gegangen sei. Sodann hat der Zeuge wie folgt ausgeführt:
<I>“Ich habe eben gesagt, dass der Vertrag dann zu Herrn Dr. K. gegangen ist, weil ich davon ausgehe, dass ich der Sekretärin gesagt habe, dass der Vertrag dann an Dr. K. weitergeleitet werden soll. Konkrete Erinnerungen habe ich an dieses Gespräch nicht. Ich habe der Sekretärin auch gesagt, dass der Vertrag dann an das Klinikum gehen muss. Ich denke, ich erinnere das. Ich habe den Vertrag nicht gesehen, nachdem Herr Dr. K. unterschrieben hatte. Wir haben kein konkretes System für das Absenden von Dokumenten. Das schickt die Sekretärin einfach weg. Ich kann nicht mehr sagen, wann das stattgefunden hat. Ich kann nicht sagen, ob die von mir geleistete Unterschrift im Jahre 2019, 2020 oder 2021 geleistet wurde.“
Hervorhebung durch den Senat.
Der Zeuge hat auch auf anschließenden Vorhalt den zeitlichen Rahmen nicht näher eingrenzen können und (lediglich) angegeben, er „denke“, dass zwischen den Gesprächen und der Unterzeichnung keine 2 Jahre vergangen seien (Blatt 112 der Akte). Allein die Aussage, dass er eher nicht glaube, dass es ihm durchgerutscht wäre, wenn er dieses Schriftstück erst im Jahre 2021 vorgelegt bekommen hätte, ist angesichts der vorherigen äußerst vagen Ausführungen nicht geeignet, den erforderlichen Vollbeweis zu erbringen.
Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen K.. Auch die Aussage des Zeugen H. K. rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Schriftform durch Unterzeichnung des Nachtrages nachträglich nachgeholt worden ist.
Der Zeuge K. konnte zu Beginn seiner Aussage nicht sagen, ob er diesen Vertrag unterzeichnet hat, weil er diesen Vertrag nicht in seinen Unterlagen habe. Er könne keine Aussage darüber treffen. Er gehe davon aus, dass er diesen Vertrag nicht unterzeichnet habe. Hätte er diesen Mietvertrag unterschrieben, hätte er wohl eine Kopie. Er habe an diesen Änderungsvertrag zum Mietvertrag überhaupt gar keine Erinnerung. Zur Erläuterung hat der Zeuge darauf hingewiesen, dass er sozusagen Minderheitspartner in der GbR gewesen sei. Solche Sachen wie Gespräche mit dem K. Klinikum seien von Herrn von W. geführt worden und die Angelegenheiten seien auch von ihm bearbeitet worden. Er erinnere sich an ein Gespräch über eine Vertragsänderung. Dabei sei es um eine andere Etage innerhalb des Gebäudes gegangen. An diesen konkreten Vertrag könne er sich aber nicht erinnern. Er habe den Vertrag weder gesehen noch habe er ihn unterschrieben. Er hat nochmals bekräftigt, dass er sich eine Kopie gemacht hätte, wenn ihn unterschrieben hätte.
Sodann hat der Zeuge auf Vorhalt von Blatt 57 d.A. bestätigt, dass es seine Unterschrift sei und er offensichtlich diesen Vertrag unterschrieben habe. Eine Erinnerung habe er daran aber nicht. Er habe auch keine Kopie davon erhalten. Jetzt wo er wisse, dass er den Vertrag offenbar unterzeichnet haben müsse, könne er das aber trotzdem zeitlich überhaupt nicht einordnen. Er könne sich schon erinnern, dass sie ein Interesse an der Erweiterung der Flächen gehabt hätten. An die Unterzeichnung des Vertrages habe er aber keine Erinnerung (Blatt 113 der Akte).
Der Zeuge hat zwar angegeben, dass er ausschließe, den Vertrag erst nach Erhalt der Kündigung unterzeichnet zu haben. Denn ab dem Zeitpunkt der Kündigung seien sie alle in erhöhter Alarmbereitschaft gewesen und die Aufmerksamkeit sei auf dieses Thema gelenkt worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Sache mit der Erweiterung der Mietfläche längst abgeschlossen. Also nach Mai 2021 könne er das auf keinen Fall unterschrieben habe.
Auch dieser Aussage haftet jedoch ein erhebliches Unsicherheitsmoment an. Die Kündigung ist ausgesprochen worden am 26. April 2021. Soweit der Zeuge daher bekundet, dass er den Vertrag nach Mai 2021 auf keinen Fall unterschrieben habe, folgt daraus aber im Umkehrschluss keineswegs, dass der Vertrag noch vor Zugang des Kündigungsschreibens unterschrieben worden ist. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge keine konkrete Erinnerung an die Situation der Vertragsunterzeichnung gehabt hat und auch nicht wusste, wie dieser Vertrag zu seinem Anwalt gelangt sei.
Die Aussagen beider Zeugen zeichnen sich mithin durch eine besonders ausgeprägte Vagheit aus.
Die Einzelrichterin hat auch völlig zu Recht bei ihrer Beweiswürdigung hervorgehoben, dass die auf der Urkunde vorhandenen Unterschriften der Zeugen nicht mit einem Datum versehen worden seien, was bei dem Abschluss eines so wichtigen Vertrages wie einem Mietvertrag über Praxisräume mehr als ungewöhnlich sei. Die Einzelrichterin hat auch weiter zu Recht hervorgehoben, dass es ungewöhnlich sei, dass für die behauptete Übersendung des Unterseitenvertrages kein schriftlicher Nachweis existiert. Im Übrigen hat die Einzelrichterin auch zu Recht betont, dass das Schreiben der GbR vom 6. Mai 2020 zur Ausübung der Verlängerungsoption bemerkenswerterweise lediglich auf den ursprünglichen Mietvertrag aus dem Jahre 2015 Bezug nimmt und es zu erwarten gewesen wäre, dass die ehemalige Mieterin bei Ausübung der Option schon auf die mündlich vereinbarte Vertragsänderung Bezug nimmt. All diese Umstände blendet die Beklagte zu Unrecht bei ihrer Argumentation aus.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten verhält es sich auch nicht so, dass bei einem kollusiven Zusammenwirken eine gänzlich andere Aussage zu erwarten gewesen sei. Insoweit verbleibt es bei Spekulationen zu einem mutmaßlichen Verhalten bei abgestimmten Aussagen. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach abgestimmte Aussagen immer deckungsgleich sind. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen Erinnerungslücken betont werden, um somit den potentiellen Vorwurf einer Falschaussage zu entkräften.
c) Auch der Einwand der Beklagten, dass es der Klägerin mit Rücksicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf einen zur Kündigung berechtigenden Schriftformmangel zu berufen, geht fehl.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfen die aus der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften resultierenden Rechtsfolgen im Interesse der Rechtssicherheit nicht schon aufgrund von Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Eine Ausnahme kann nur in solchen ganz besonders gelagerten Fällen gemacht werden, in denen nach den gesamten Umständen die Nichtigkeit zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, wobei an die Bejahung eines solchen Ausnahmefalles strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2556 m.w.N.).
bb) Ein solcher Ausnahmefall liegt unter anderem vor, wenn eine Partei die andere schuldhaft von der Wahrung der Form abgehalten hat, etwa wenn sie beim Vertragsschluss in Kenntnis der Formbedürftigkeit mit der Absicht handelt, sich später nach Belieben zum eigenen Vorteil auf den Formmangel zu berufen (Landwehr, aaO, Rn. 2559 mit weiteren Nachweisen; siehe ferner BGH, Urteil vom 29. Januar 1965, Az.: V ZR 53/64). Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall liegen nach dem beiderseitigen Parteivorbringen jedoch nicht vor. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es für den Vorwurf der Treuwidrigkeit auch nicht ausreicht, dass der sich auf den Formmangel berufenden Partei nur vorgeworfen werden könnte, dass sie den Formmangel zwar nicht erkannt hat, ihn aber hätte kennen müssen (siehe Landwehr, aaO).
cc) Bei lediglich fahrlässiger Verursachung des Formmangels greift § 242 BGB allenfalls dann ein, wenn der anderen Partei die Verletzung einer durch ein enges Vertrauensverhältnis begründeten Betreuungspflicht beim Vertragsschluss zur Last fällt. Da aber beim Vertragsschluss in der Regel beide Parteien jeweils ihre eigenen Interessen zu wahren haben, wird ein solcher Fall nur selten anzunehmen sein (siehe Landwehr, aaO Rn. 2560). Allein der Umstand, dass die Beklagte zur Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit im Interesse ihrer Patienten auf die Nutzung der Räume angewiesen ist, begründet keine umfassende Betreuungspflicht. Die bloße Verbindung zwischen zwei Parteien begründet nicht ohne weiteres eine gegenseitige Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Formvorschriften (siehe Landwehr, aaO Rn. 2560). Es liegt auch kein Fall vor, in dem die den Formmangel begründende Vertragsänderung auf den Wunsch der Klägerin als stärkere Partei zurückgegangen ist (vergleiche zu diesem Aspekt ebenfalls Landwehr, aaO).
dd) Ohne Erfolg macht die Beklagte ferner geltend, dass das Berufen der Klägerin auf die Nichteinhaltung der Form gegen Treu und Glauben verstößt, weil die wirtschaftliche Existenz der Beklagten durch die Formnichtigkeit bedroht wäre (vgl. BGH, NJW 2007, 3702 sowie BGH NJW 2014, 1087 Rn. 32).
Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin, welche eine neuere Entscheidung des Kammergerichts vom 7. November 2022 (Az.: 8 U 157/21; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig beim BGH unter dem Az.: XII ZR 110/22) zitiert und sich deren Inhalt zu eigen gemacht hat, kann nicht davon gesprochen werden, dass es juristischen Personen des Privatrechts generell verwehrt ist, sich auf eine Treuwidrigkeit infolge einer Existenzbedrohung zu berufen.
Dies lässt sich nicht ansatzweise der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder dem Schrifttum entnehmen. Eine solche Betrachtungsweise verkennt grundlegend, dass das wechselseitige Pflichtenprogramm bei Mietverträgen nicht davon abhängig ist, ob es sich bei dem Mieter um eine natürliche Person oder um eine juristische Person oder um eine rechtsfähige Personengesellschaft handelt. Die juristische Person ist insoweit in rechtlicher Hinsicht in jeder Hinsicht der natürlichen Person gleichgestellt. Die Auffassung, dass sich Kapitalgesellschaften als künstliche Schöpfungen im Hinblick auf Art. 1 GG nicht auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben berufen könnten, kann bei objektiver Betrachtung nicht nachvollzogen werden.
In jedem Fall hätte die Einzelrichterin die Beklagte daher zwingend darauf hinweisen müssen, dass sie diese (bei objektiver Betrachtung überraschende) Auffassung zu vertreten gedenke. Die Einzelrichterin hat insoweit den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs offenkundig verletzt.
Dieser Verfahrensmangel hat sich jedoch nicht kausal ausgewirkt. Denn im Ergebnis kann sich die Beklagte nicht auf eine Existenzbedrohung berufen. Auch in diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz, dass der Einwand der Treuwidrigkeit nur dann zum Tragen kommt, wenn die Kündbarkeit des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde (siehe Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel II. Rn. 2567).
Von einer rechtlich relevanten Existenzbedrohung kann bei gewerblichen Mietverhältnissen daher nur dann gesprochen werden, wenn die betroffene Vertragspartei gerade durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des konkreten Mietobjekts die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz in dem Sinne verlieren würde, dass sie dauerhaft und endgültig nicht mehr in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (Senat, Urteil vom 22. Juni 2018, Az.: 2 U 93/16; NZB zurückgewiesen mit Beschluss des BGH vom 08.05.2019, XII ZR 62/18; siehe auch Landwehr, aaO, Kap. II Rn. 2567).
Für die Frage der Existenzbedrohung sind dabei nicht nur isoliert die Einnahmen bzw. Gewinne aus dem Mietobjekt, sondern auch die übrigen Vermögensverhältnisse der betroffenen Vertragspartei in den Blick zu nehmen. Eine (wirtschaftliche) Existenzbedrohung ist beispielsweise zu verneinen, wenn die betroffene Partei über weiteres Vermögen (zum Beispiel Rücklagen oder anderes Einkommen) verfügt, welches ihr ermöglicht, ein anderes Objekt anzumieten und an anderer Stelle dauerhaft ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass die Verlegung des Tätigkeitssitzes mit wirtschaftlichen Verlusten verbunden ist, schadet insoweit grundsätzlich nicht. Denn allein wirtschaftliche Verluste sind nicht mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenzgrundlage gleichzusetzen. Auch der Umstand, dass ein Gewerberaummieter kostenträchtige Investitionen getätigt hat, belegt keine Existenzbedrohung, zumal nicht aus dem Blick geraten darf, dass sich Investitionen in vielen Fällen wenigstens teilweise durch die Nutzung in der Vergangenheit amortisiert haben werden (siehe zu alledem Landwehr, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, Kapitel II. Rn. 2567).
Gemessen an diesen Grundsätzen kann von einer Existenzbedrohung auf Seiten der Beklagten nicht gesprochen werden.
Die Beklagte hat zu ihren Vermögensverhältnissen keinen Sachvortrag gehalten. Dies war aber erforderlich. Denn die Frage, ob eine Existenzbedrohung vorliegt, kann naturgemäß nur mit Rücksicht auf das Gesamtvermögen einer Partei beurteilt werden, so dass die Partei auch gehalten ist, konkreten Vortrag dazu zu halten, über welche weiteren Vermögenswerte sie im Einzelnen verfügt. Entsprechenden Vortrag hat die Beklagte aber zu keinem Zeitpunkt gehalten. Von einer Insolvenzgefährdung kann mithin keine Rede sein.
Allein der Umstand, dass die Beklagte bis zum heutigen Tag noch keine Ersatzräumlichkeiten gefunden hat, rechtfertigt für sich genommen ebenfalls nicht die Feststellung einer existenzbedrohlichen Lage.
Die Beklagte ist überdies jede nachvollziehbare Schilderung schuldig geblieben, wann genau sie mit den Immobilienmaklern oder den Immobilienfirmen Kontakt aufgenommen hat. Im Schriftsatz vom 18. Mai 2022 hatte die Beklagte vorgetragen, dass sie lediglich mit einer einzigen Immobilienfirma Kontakt aufgenommen hatte (Blatt 81 R der Akte). Die Kontaktaufnahme mit einer einzigen Immobilienfirma war jedoch offenkundig unzureichend.
Ungeachtet dessen ist ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage B3 ein Großteil weiterer kontaktierter Immobilienfirmen nicht erreichbar gewesen, sodass nicht die Feststellung getroffen werden könnte, dass auf dem Immobilienmarkt in Hannover keine anwendbaren geeigneten Flächen zur Verfügung stehen. Im Gegenteil ist senatsbekannt, dass im großen Ballungsraum H. eine Vielzahl von Gewerberäumlichkeiten zur Anmietung zur Verfügung stehen.
Die Beklagte hatte in ihrem Schriftsatz vom 22. Februar 2022 darauf hingewiesen, dass sie nicht innerhalb von wenigen Monaten in einem Ballungsgebiet wie H. die benötigten ca. 500 m² Praxisräume anderweitig anmieten könne. Dieser Einwand geht zum jetzigen Zeitpunkt, in dem mehr als ein Jahr und 3 Monate vergangen sind, offenkundig fehl. Die Beklagte hatte ausreichend Zeit sich um anmietbare Ersatzräume zu bemühen. Dass solche Räumlichkeiten im gesamten Ballungsraum Hannover nicht zur Verfügung stehen, behauptet nicht einmal die Beklagte selbst. Eine solche Behauptung wäre auch (senatsbekannt) unzutreffend.
Die Beklagte hat es sich insoweit selbst zuzuschreiben, dass sie trotz Anhängigkeit des Räumungsprozesses im Jahre 2021 erst jetzt verstärkte und auch nur teilweise ausreichende Bemühungen entfaltet hat, Ersatzräume zu finden.
Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Anordnung auf der Grundlage von § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus.
2. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin das bestehende Mietvertragsverhältnis auch wirksam mit Schreiben vom 2. März 2023 fristlos wegen Zahlungsverzuges gekündigt, so dass die Beklagte auch aus diesem Grunde zur Räumung verpflichtet ist.
a) Die Beklagte befand sich in einem Zeitraum, der sich über mehr als 2 Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug, der die Miete für 2 Monate erreicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b BGB). Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Übersicht in der Anlage K 12 hat die Beklagte seit 2021 die geschuldete Miete in Höhe von 4.808,93 € bis einschließlich Februar 2023 nicht geleistet, obwohl sie dies zuvor noch bis Juni 2021 getan hat.
aa) Zu Unrecht beruft sich die anwaltlich beratene Beklagte darauf, dass sie nicht zur Zahlung eines erhöhten Mietzinses verpflichtet gewesen sei.
Das Landgericht hat mit Tatbestandswirkung im angefochtenen Urteil ausgeführt, dass sich die Parteien in einem Gespräch am 20. März 2019 auf eine Flächenerweiterung und eine Mieterhöhung und auf eine neue Gesamtmiete in Höhe von 4.808,93 € geeinigt hätten. Die Änderung hätte dann in einem schriftlichen Mietvertragsnachtrag festgehalten werden sollen. Mit Anschreiben vom 27. Mai 2019 habe die Klägerin der GbR 2 von ihr bereits unterschriebene Exemplare des Mietvertragsnachtrages mit der Aufforderung übersandt, eine Ausfertigung unterschrieben zurückzusenden. Gleichzeitig habe die Klägerin die GbR aufgefordert, zwischenzeitlich aufgelaufene Rückstände in Höhe von 25.331,08 € zu begleichen. In der Folgezeit habe die GbR die erhöhte Miete und den Rückstand gezahlt.
Auf der Grundlage dieser tatbestandlichen Ausführungen steht fest, dass trotz der zunächst nicht erfolgten Unterzeichnung der schriftlichen Vereinbarung jedenfalls durch die Zahlung der erhöhten Miete im Folgezeitraum von einer konkludenten Vertragsänderung auszugehen ist.
bb) Die Beklagte hat das Unterbleiben der Leistung auch zu vertreten. Dass erforderliche Verschulden des Mieters wird vermutet (§ 286 Abs. 4 BGB; siehe Fleindl, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kapitel IV. Rn. 372). Ein Schuldner ist für die Verzögerung der Leistung auch dann verantwortlich, wenn sie auf mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit, Fehlern bei geschäftlichen Dispositionen oder auf Gründen beruht, die in seinen Risikobereich fallen (Grüneberg/ Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 286 Rn. 32). Die Beklagte hat es sich insoweit selbst zuzuschreiben, dass sie ihre eigene Buchhaltung nicht so organisiert hat, dass Zahlungsrückstände vermieden werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerseite auch nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, die Beklagte auf das Ausbleiben von Zahlungen hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht besteht nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel in den Fällen eines Zuständigkeitswechsels bei Sozialämtern (siehe Fleindl, a.a.O.).
cc) Zu Recht weist die Klägerin auch darauf hin, dass § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Regelung in § 578 BGB, wonach § 569 Abs. 3 bis 5 BGB nur auf Verträge über die Anmietung von Räumen durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder einen anerkannten privaten Träger das Wohl der Wohlfahrtspflege anwendbar sind.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung auch nicht gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam.
§ 314 Abs. 3 BGB ist vorliegend nicht anwendbar (ebenso OLG Hamm, Urteil vom 8. November 2019, Az.: I-30 U 117/19). Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mit Versäumnisurteil vom 13. Juli 2016 (Az.: VIII ZR 296/15) ausgeführt, dass § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses keine Anwendung finde. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass sich aus den Gesetzesmaterialien zu den §§ 543, 569 BGB und § 314 BGB eindeutig ergebe, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert sei und von der Einfügung einer Bestimmung, wonach die Kündigung in „angemessener Frist“ zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde (BGH, aaO, Rn. 18 sowie Rn. 20 unter Hinweis auf BT-Drucksache 14/4553, Seite 44). In der Tat lassen die Gesetzesmaterialien den eindeutigen Willen des Gesetzgebers erkennen, keine gesetzliche Regelung zu schaffen, wonach innerhalb einer angemessenen Zeit eine Kündigung zu erfolgen habe. In den Materialien wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine einheitliche feste Ausschlussfrist wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäftsraum, Grundstück, bewegliche Sachen) nicht möglich sei und eine offenere Bestimmung durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig sei. Eine mögliche Regelung könne damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen (BT-Drucksache 14/4553, Seite 44; wörtlich wiedergegeben auch vom BGH, aaO Rn. 21). Gerade weil in den Gesetzesmaterialien auch Geschäftsräume ausdrücklich Erwähnung finden, verbietet sich ein Verständnis dahingehend, dass die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse Anwendung finden kann.
Ein Kündigungsrecht der Beklagten kann mithin allenfalls mit der Erwägung verneint werden, dass dieses verwirkt worden sei (vergleiche BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juni 2016, Az.: VIII ZR 206/15, Rn. 21).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung sind aber ersichtlich nicht gegeben. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Bloßes Nichtstun reicht hier nicht aus. Ebenso wenig war die Klägerin verpflichtet, der Beklagten eine Saldomitteilung zu übersenden. Es war allein Sache der Beklagten, sich um ihre finanziellen Angelegenheiten zu kümmern.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant
- Mietrecht: Dies ist das zentrale Rechtsgebiet des vorliegenden Falls. Der Hauptkonflikt dreht sich um die Kündigung eines Mietvertrages und die damit verbundenen Rechtsfolgen. Besonders die Auslegung der Schriftformanforderungen gemäß § 550 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) spielt eine entscheidende Rolle. Nach dieser Norm wird ein Mietvertrag, der länger als ein Jahr laufen soll, nur dann wirksam abgeschlossen, wenn er in Schriftform festgehalten wird. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Unterzeichnung durch beide Parteien bedarf und wie eine Vertragsänderung interpretiert werden kann.
- Zivilprozessrecht: Dieses Rechtsgebiet befasst sich mit den Verfahrensregeln, nach denen zivilrechtliche Streitigkeitenvor Gericht verhandelt werden. Es spielt eine bedeutende Rolle in der Analyse, da der Text auch Verweise auf die Zivilprozessordnung (ZPO) enthält. Insbesondere § 286 ZPO, der die freie Beweiswürdigung des Gerichts festlegt, und § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, der sich auf die Überprüfung des Sachverhalts in der Berufungsinstanz bezieht, sind hier relevant.
- Grundsätze von Treu und Glauben: Die Grundsätze von Treu und Glauben sind im BGB in § 242 verankert. Sie spielen in vielen Rechtsgebieten eine Rolle und sind in diesem Fall wichtig, da die Beklagten versuchten, sich darauf zu berufen, dass es der Klägerin verwehrt sein sollte, sich auf einen zur Kündigung berechtigenden Schriftformmangel zu berufen. Diese Argumentation wurde vom Gericht jedoch abgelehnt.
- Handels- und Gesellschaftsrecht: Obwohl es in diesem Text nicht explizit erwähnt wird, spielt das Handels- und Gesellschaftsrecht eine indirekte Rolle, da die Klägerin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist. Dies könnte relevante Fragen bezüglich der Vertretung und Haftung aufwerfen.