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Leasingvertrag – Leasinggut nicht bestmöglich verwertet

OLG Stuttgart – Az.: 6 U 225/19 – Urteil vom 15.12.2020

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 3.4.2019 abgeändert und gefasst wie folgt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.849,08 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.1.2017 sowie weitere 580,95 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Beklagte 96%, die Klägerin trägt 4%. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz trägt der Beklagte 91%, die Klägerin trägt 9%.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 10.151,80 Euro.

Gründe

I.

Die klagende Leasinggeberin verlangt nach verzugsbedingt vorzeitiger Beendigung eines gewerblichen Leasingvertrages über einen Kleinlastwagen Schadensersatz vom beklagten Leasingnehmer. Der Beklagte wendet im Wesentlichen ein, die Klägerin habe das Leasinggut nicht bestmöglich verwertet: Zum einen sei das von der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten zum Händlereinkaufswert fehlerhaft zu einem zu niedrigen Wert gelangt, zum anderen sei ihm, dem Beklagten, nicht ausreichend Weise Gelegenheit gegeben worden, für das Fahrzeug einen eigenen Interessenten zu benennen.

Bezüglich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. In geringerem Umfang mache die Klägerin Zinsen geltend, die ihr nicht zustünden, außerdem müsse sie sich ersparte Verwaltungskosten von 10 Euro pro Monat anrechnen lassen. Vor allem aber stehe dem Beklagten ein aufrechenbarer Gegenanspruch zu, weil das von der Klägerin vor Verwertung eingeholte Sachverständigengutachten fahrlässig unrichtig gewesen sei und sich die Klägerin den Fehler des Sachverständigen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse.

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die volle Verurteilung des Beklagten erreichen will. Der Beklagte verteidigt das Urteil im Umfang der Klageabweisung als zutreffend.

Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und weit überwiegend begründet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Beklagte der Klägerin keinen Verstoß gegen deren Pflicht zur bestmöglichen Verwertung des Leasinggutes entgegenhalten (1.).

Zutreffend hat das Landgericht dagegen angenommen, dass sich die Klägerin ersparte Verwaltungsaufwendungen anrechnen lassen muss (2.) und dass sie Anspruch auf Zinsen erst ab dem 4.1.2017 hat (3.).

1.

Der Beklagte kann der Klägerin nicht anspruchsmindernd entgegenhalten, dass sie gegen ihre Pflicht zur bestmöglichen Verwertung verstoßen habe.

a)

Der Leasinggeber, dem nach verzugsbedingt vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages ein Schadensersatzanspruch zusteht, hat gemäß § 254 BGB den Schaden nach Möglichkeit gering zu halten. Er hat daher das Leasinggut bestmöglich zu verwerten (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. September 2009 – VIII ZR 246/10 -, Rn. 4, juris).

Daher führt – anders als das Landgericht angenommen hat – eine Verletzung dieser Obliegenheit, für die den Schädiger Darlegungs- und Beweislast treffen (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 254 Rn. 72), nicht zu einem Schadensersatzanspruch, sondern mindert ggf. den Anspruch des Leasinggebers.

Dementsprechend lässt sich ein Verschulden des im Zuge der Verwertung mit der Ermittlung des Wertes des Leasinggutes beauftragten Sachverständigen dem Leasinggeber in solchen Fällen nicht gemäß § 278 BGB zurechnen; im Rahmen der Schadensabwicklung eingeschaltete Hilfspersonen sind grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfen des Geschädigten i. S. d. § 278 BGB (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 254 Rn. 55).

Soweit das Landgericht davon unter Verweis auf das Senatsurteil vom 29. Mai 2007 – 6 U 45/07 -, Rn. 71 f., juris, ausgeht, übersieht es, dass der dortige Sachverhalt die vertragsgemäße Verwertung nach ungestörtem Ablauf der im Rahmen eines Vertrages mit Restwertgarantie vereinbarten Leasingzeit zum Gegenstand hatte, so dass dort gerade nicht die Verwertung von Leasinggut im Rahmen der Schadensabwicklung in Rede stand (vgl. die ausdrückliche Abgrenzung in OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Mai 2007 – 6 U 45/07 –, Rn. 72, juris).

b)

Davon ausgehend ergibt sich kein Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht.

aa)

Das gilt zunächst, soweit der Beklagte vorträgt, das von der Klägerin vor Verwertung eingeholte Gutachten sei fehlerhaft zu einen zu geringen Wert für das Leasinggut gelangt.

Für ein eigenes Verschulden der Klägerin – das etwa in einem Auswahlverschulden im Hinblick auf den Gutachter bestehen könnte – fehlt jeder Vortrag des Beklagten.

Und ein – vom Landgericht ohne nähere Prüfung unterstellter – schuldhafter Fehler des Sachverständigen wäre der Klägerin nach dem soeben a) Gesagten nicht zurechenbar. Es kommt daher nicht darauf an, ob das von der Klägerin eingeholte Gutachten überhaupt und ggf. schuldhaft unzutreffend war.

bb)

Es gilt jedoch auch, soweit der Beklagte meint, die Klägerin habe das Fahrzeug nicht verkaufen dürfen, ohne ihm den vom späteren Käufer gebotenen Preis mitzuteilen und ihm, dem Beklagten, nochmals Gelegenheit zur Herbeiführung eines besseren Angebotes zu geben.

Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin ihren Obliegenheiten nicht bereits dadurch genügt hat, dass sie dem Beklagten eine ausreichende Frist zur Beibringung von Angeboten gesetzt und das Fahrzeug nach Fristablauf an den Meistbietenden verkauft hat. Denn dem Beklagten ist der ihm obliegende Beweis nicht gelungen, dass er einen entsprechenden, insbesondere auch leistungsfähigen alternativen Interessenten hätte beibringen können.

(1)

Der Beklagte hatte insoweit schriftsätzlich vorgetragen, die Autoverwertung M. – die bereits auf Veranlassung des Beklagten ein erstes Angebot bei einem Preis von 23.000 Euro netto abgegeben hatte – würde bereit gewesen sein, 1.000 Euro über das letztlich von der Klägerin akzeptierte Angebot hinaus zu bieten und zu zahlen.

Beweis für diese – entgegen der Darstellung des Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.11.2020 bestrittene (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 5.10.2017, dort S. 3, Bl. 36 d. A.) – Behauptung hatte der Beklagte zunächst nicht angetreten.

(2)

Soweit der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.9.2017 seinen Bruder – möglicherweise, ein entsprechender Beweisantritt ist nicht protokolliert, vgl. Prot. d. mdl. Vhdl. v. 14.9.2017, dort S. 2, Bl. 30 d. A. – zum Beweis für diese Behauptung benannt hat und dieser vernommen worden ist, ergibt sich aus dessen Aussage die Richtigkeit der fraglichen Behauptung nicht, auch wenn man sie als wahrheitsgemäß unterstellt.

(a)

Vielmehr hat der Zeuge ausschließlich davon berichtet, dass er – der Zeuge selbst – zu höheren Angeboten bereit gewesen sein würde, indem der Zeuge ausschließlich in Ich-Form von weiteren, ggf. zu unterbreitenden Angeboten berichtet hat. Soweit der Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.11.2020 meint, es ergebe sich aus dem Kontext, dass der Zeuge seine Angaben nicht auf sich selbst, sondern auf die Autoverwertung M. bezogen habe, trifft das nicht zu. Der Kontext spricht vielmehr dafür, dass die vom Beklagten als Interessentin benannte Autoverwertung M. lediglich eine Art Strohmannfunktion für den Beklagten und dessen Bruder hatte, weil die Klägerin nur einen unternehmerischen Interessenten akzeptieren wollte.

(b)

Davon ausgehend lässt sich jedoch nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Beklagte in der Lage gewesen wäre, einen Interessenten beizubringen, der bereit gewesen wäre, einen höheren Betrag als den von der Klägerin erzielten zu bieten und – vor allem – in der Folge auch zu erbringen.

Denn aus dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Klägerin zu den finanziellen Verhältnissen des Bruders des Beklagten – der danach in der fraglichen Zeit unmittelbar vor der Stellung eines Insolvenzantrags stand – folgt im Gegenteil, dass der Bruder des Beklagten ebensowenig wie der Beklagte selbst in der Lage gewesen wäre, einen Betrag in der Größenordnung von rund 28.000 Euro aufzubringen. Bezüglich der Autoverwertung M. fehlt es an jeglichem Vortrag und Beweisantritt zu deren Liquidität und auch sonst fehlt jeder Anhaltspunkt im Vortrag des Beklagten, woher Mittel in dieser Größenordnung hätten kommen sollen.

(3)

Bleibt damit aber gänzlich offen, ob ein vom Beklagten beigebrachtes höheres Angebot für das Fahrzeug in der Folge überhaupt erfüllt worden wäre, kann offen bleiben, ob die Klägerin dem Beklagten Gelegenheit hätte geben müssen, ein solches weiteres Angebot zu organisieren. Denn unabhängig hiervon gelingt dem Beklagten jedenfalls nicht der ihm obliegende Beweis, dass ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin den Verwertungserlös tatsächlich vermindert hat.

2.

Zutreffend hat das Landgericht dagegen angenommen, dass sich die Klägerin ersparte Verwaltungsaufwendungen anrechnen lassen muss.

a)

Zunächst ist die Klägerin ihrer – sie im Rahmen der insoweit in Rede stehenden Vorteilsausgleichung treffenden, sekundären – Darlegungslast zu ihren ersparten Aufwendungen nicht nachgekommen; das hätte vorausgesetzt, dass sie die vollständige Kalkulation des Leasingvertrages offengelegt hätte (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. L792, die von „Beweisanforderungen“ sprechen).

b)

Zu Recht hat daher das Landgericht die von der Klägerin ersparten Aufwendungen gemäß § 287 ZPO geschätzt. Dabei erscheint ein Betrag von 10 Euro pro Monat jedenfalls nicht zu Lasten der allein berufungsführenden Klägerin unrichtig.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, infolge der Nutzung von EDV verursache die Überwachung ungestörter Verträge keinerlei Kosten, sie erspare daher auch keine Aufwendungen, überzeugt das nicht. Vielmehr zeigt das dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbare Praxisbeispiel bei Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. L794, dass bei einem Leasingvertrag wie dem vorliegenden Verwaltungskosten entstehen und dass ein Betrag von 10 Euro im Monat jedenfalls nicht zu hoch geschätzt ist.

3.

Entgegen der Auffassung der Berufung zu Recht hat das Landgericht zuletzt Verzugszins erst ab Ablauf der in der befristeten Mahnung vom 20.12.2016 auf den 3.1.2017 gesetzten Frist zugesprochen.

§ 286 Abs. 3 BGB, auf den sich die Klägerin beruft, gilt, worauf das Landgericht richtig hingewiesen hat, nur für Entgeltforderungen, nicht für – wie hier – Schadensersatzansprüche (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 286 Rn. 27).

4.

Insgesamt ergibt sich ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 24.849,08 Euro (vgl. zur Berechnung die zutreffende und abgesehen von den oben abgehandelten Positionen von keiner Seite angegriffen Darstellung im angefochtenen Urteil, dort S. 8 unter 8.).

Auf diesen Betrag ist das landgerichtliche Urteil zu Gunsten der Klägerin abzuändern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO.

Ein Fall des § 92 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor, da die Zuvielforderung der Klägerin in beiden Instanzen jeweils einen Gebührensprung ausgelöst hat, indem die ausgerechneten Zinsen in Höhe von 603,23 Euro als Nebenforderung beim Streitwert unberücksichtigt bleiben und damit die von der Klägerin geleugnete Vorteilsausgleichung in Höhe von 410 Euro zur Überschreitung der Streitwertstufen bei 25.000 Euro in erster Instanz bzw. bei 10.000 Euro in zweiter Instanz führt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

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