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Katarakt-Augenerkrankung – Femtosekundenlasereinsatz

AG Reutlingen – Az.: 11 C 329/19 – Urteil vom 14.07.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 305,49 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,49 € seit dem 24.01.2019 sowie aus weiteren 238,00 € seit dem 13.09.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin weitere 83,54 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2019 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5 zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der gegnerischen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.530,21 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines Krankenversicherungsvertrags um die Erstattung von Kosten einer Augenheilbehandlung unter Einsatz eines Femtosekundenlasers.

Die Klägerin unterzog sich aufgrund einer Katarakt-Augenerkrankung (Grauer Star) am 27.11.2018 im Augenzentrum E. einer Operation am linken Auge. Dabei wurde der Klägerin mittels Femtosekundenlasers die Augenlinse vorfragmentiert, bevor sie entfernt und eine neue Hinterkammerlinse implantiert wurde. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der Behandlung sowie bei Operation war die Klägerin bei der Beklagten privat krankenversichert.

Für die Operation stellte das Augenzentrum der Klägerin insgesamt 2.970,78 € in Rechnung. Davon entfielen 1.440,57 € auf die Kataraktoperation, die nach GOÄ-Nr. 1375 mit einer Gebühr von 204,01 € mit Faktor 3,5 abgerechnet wurde, sowie auf weitere kleinere Leistungen und Zuschläge. Weitere 1.530,21 € entfielen auf den Einsatz des Femtosekundenlasers, nämlich 1.292,21 € auf den Lasereinsatz selbst, der analog GOÄ-Nr. 5855 mit einer Gebühr von 402,18 € mit Faktor 3,213 abgerechnet wurde, und 238,00 € auf den Einsatz eines im Rahmen des Lasereinsatzes verbrauchten Material Procedure Packs. Die Position des Lasers wurde in der Rechnung mit der Angabe „analog GOÄ 5855 Vorfragmentierung der Linse mittels Femtosekundenlaser vor der Cat-OP – erhöhter Aufwand bei Behandlung multipler Strukturen (Hornhaut, Linsenkapsel, Linsenkern)“ beschrieben und unter der Kategorie „GO-Nr.“ mit „8204C“ bezeichnet. Die Position des Material Procedure Packs wurde mit „Kosten Einmal-Material Procedure Pack“ beschrieben und unter der Kategorie „GO-Nr.“ mit „7091C“ bezeichnet.

Die Klägerin hat die Rechnung des Augenzentrums spätestens am 21.01.2019 beglichen.

Die Beklagte erstattete der Klägerin für die Kataraktoperation ein Betrag i.H.v. 1.440,57 €. Eine Erstattung der Kosten für den Einsatz des Femtosekundenlasers i.H.v. 1.530,21 € lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2019 ab. Nach Monierung der Nichterstattung durch die Klägerin lehnte die Beklagte die Zahlung für die Kosten des Femtosekundenlasers am 23.01.2019 erneut ab.

Mit Anwaltsschreiben vom 04.02.2019 und 13.02.2019 forderte die Klägerin die Beklagte erneut zur Zahlung der Kosten für den Femtosekundenlasers auf. Mit Schreiben vom 02.03.2019 lehnte die Beklagte erneut weitere Zahlungen ab.

Für das anstehende gerichtliche Verfahren wurde die Klägerin von Ihrer Rechtsschutzversicherung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt und ermächtigt, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft miteinzuklagen

Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, dass für den Einsatz des Femtosekundenlasers eine eigenständige medizinische Indikation bestanden habe. Die in der Rechnung angesetzten „GO-Nr. 8204C“ und „GO-Nr. 7091C“ seien lediglich Pseudoziffern, die dem Abrechnungssystem des Arztes geschuldet seien. Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers in entsprechender Anwendung der GOÄ-Nr. 5855 vom Arzt abgerechnet werden könne und daher von der Beklagten zu erstatten sei. Die Pseudoziffern stünden einer Fälligkeit der Forderung nicht entgegen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1530,21 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.01.2019 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 345,10 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet im Wesentlichen, dass für den Einsatz des Femtosekundenlasers keine eigenständige medizinische Indikation bestanden habe. Auch sei der Einsatz des Femtosekundenlasers einer nach GOÄ-Nr. 5855 abzurechnenden intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen nach Art, Kosten und Zeitaufwand nicht gleichwertig. Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, dass eine Abrechnung analog GOÄ-Nr. 5855 für den Femtosekundenlaser nicht zulässig sei. Außerdem sei der Gebührenfaktor in Ansehung des tatsächlichen Aufwands weit überhöht angesetzt und überschreite die Gebührenobergrenze. Die Rechnung des Arztes entspreche überdies nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die erteilten Hinweise verwiesen.

Die Klage ist der Beklagten am 25.04.2019 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 12.09.2019 hat die Klägerin den Beleg des Arztes über die Kosten des Material Procedure Packs vorgelegt.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Herrn Prof. Dr. med. W. M.. Für das Beweisthema wird auf den Beweisbeschluss vom 11.09.2019, geändert durch Beschluss vom 30.10.2019, verwiesen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 11.03.2020 verwiesen. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren haben sich die Parteien einverstanden erklärt. Schriftsätze konnten bis zum 30.06.2020 eingereicht werden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Das Amtsgericht Reutlingen ist gem. § 23 Nr. 1 GVG und § 215 Abs. 1 VVG sachlich und örtlich zuständig, da der Zuständigkeitsstreitwert 5.000,00 € nicht übersteigt und die Klägerin als Versicherungsnehmerin ihren Wohnsitz in Reutlingen hat.

Der Kläger ist im Hinblick auf die eingeklagten Rechtsanwaltskosten i.S.v. § 51 Abs. 1 prozessführungsbefugt, da die Rechtsschutzversicherung der Klägerin die Klägerin im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft zur Prozessführung ermächtigt und diese als Vertragspartnerin des abrechnenden Arztes auch ein eigenes rechtliches Interesse an der Prozessführung hat.

II.

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

Katarakt-Augenerkrankung - Femtosekundenlasereinsatz
(Symbolfoto: Von Terelyuk/Shutterstock.com)

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 192 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 630a Abs. 1, 612 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 3, 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 N. 1 GOÄ i.V.m. GOÄ-Nr. 441 Anspruch auf Zahlung von 305,49 €, da der Klägerin in dieser Höhe Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen entstanden sind, da der sie behandelnde Arzt für den Einsatz eines Femtosekundenlasers einen Laserzuschlag und für den Einsatz eines Material Procedure Packs Ersatz seiner Auslagen von der Klägerin verlangen kann und die Vornahme der insoweit kostenauslösenden Maßnahmen aus ärztlicher Sicht vertretbar war. Ein weitergehender Anspruch auf Erstattung der Kosten des Einsatzes des Femtosekundenlasers analog Nr. 5855 GOÄ besteht dagegen nicht.

a. Der behandelnde Arzt kann gem. §§ 630a Abs. 1, 612 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 3, 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 N. 1 GOÄ i.V.m. GOÄ-Nr. 441 für den Einsatz eines Femtosekundenlasers einen Laserzuschlag in Höhe von 67,49 € und für den Einsatz eines Material Procedure Packs 238,00 € als Ersatz seiner Auslagen verlangen.

aa. Der behandelnde Arzt kann für den Einsatz des Femtosekundenlasers einen Laserzuschlag für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen verlangen, der gem. GOÄ-Nr. 441 mit 100 v.H. des einfachen Gebührensatzes der betreffenden Leistung anzusetzen ist, jedoch 67,49 € nicht übersteigen darf. Die einfache Gebühr für die Kataraktoperation des Grauen Star besteht gem. GOÄ-Nr. 1375 in Höhe von 204,01 €, sodass sich ein Laserzuschlag in Höhe des Höchstbetrages von 67,49 € ergibt. Dieser Betrag ist gem. § 12 Abs. 1 GOÄ auch fällig. Zwar hat der Arzt in seiner Rechnung bezüglich des Einsatzes des Femtosekundenlasers nicht die GOÄ-Nr. 441, sondern unzutreffend „analog GOÄ 5855“ und einen wesentlich höheren Betrag als 67,49 € ausgewiesen, dies stellt indes nur eine materielle Unrichtigkeit dar, welche die Prüffähigkeit der Rechnung an sich und damit den Eintritt der Fälligkeit unberührt lässt (vgl. BGH NJW-RR 2007, 494). Welche Leistung hier abgerechnet wurde, wird aus der Rechnung hinreichend deutlich. Die zusätzliche Angabe einer internen Pseudo-Nr. 8204C ändert hieran nichts.

bb. Der behandelnde Arzt kann für den Einsatz des Material Procedure Packs als sonstiges Material, das mit einer einmaligen Anwendung verbraucht ist, gem. §§ 3, 10 Abs. 1 Nr. 1 GOÄ dessen Kosten als Auslagen ersetzt verlangen. Nach dem im Prozess vorgelegten Einkaufsbeleg des Arztes betragen die auf eines der Packs entfallenden Bruttokosten 238,00 € (200,00 € zzgl. 38,00 MwSt). Da die Klägerin den Beleg noch vor dem gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO den Schluss der mündlichen Verhandlung ersetzenden Zeitpunkt vorgelegt hat, ist der Anspruch gem. § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 GOÄ noch im laufenden Prozess fällig geworden und der Klägerin zuzusprechen. Unerheblich ist, dass die Kostenposition des Packs in der Rechnung des Arztes nicht mit einer GOÄ-Nr., sondern mit der Pseudo-Nr. 7091C belegt worden ist, da die Angabe von GOÄ-Nrn. gem. § 12 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ nur für die Abrechnung von Gebühren und nicht für die Abrechnung von Auslagen erforderlich ist.

b. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des Einsatzes des Femtosekundenlasers gem. § 6 Abs. 2 GOÄ i.V.m. GOÄ-Nr. 5855 analog besteht nicht. Zwar gibt es für den Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Kataraktoperation in der GOÄ keinen eigenen Vergütungstatbestand, da aber für den Einsatz des Lasers keine selbständige medizinische Indikation vorliegt und auch keine Anzeichen dafür erkennbar sind, dass eine Abrechnung allein nach GOÄ-Nr. 1375 (Kataraktoperation) für den Arzt nicht auskömmlich wäre, kommt eine entsprechende Anwendung der unter „besonders aufwendige Bestrahlungstechniken“ geführten und auf intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen zugeschnittenen GOÄ-Nr. 5855 – einem der höchsten Gebührentatbestände der gesamten GOÄ – nicht in Betracht.

aa. Grundvoraussetzung einer gesonderten Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers ist nach §§ 4 Abs. 2 S. 1, 6 Abs. 2 GOÄ, dass es sich bei diesem um eine selbstständige ärztliche Leistung handelt. Die Selbstständigkeit einer ärztlichen Leistung ist danach zu beurteilen, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht (BGH NJW-RR 2004, 1202; NJW-RR 2006, 919; NJW-RR 2007, 494; NJW-RR 2008, 1278; NJW-RR 2010, 1355). Nicht abrechenbar sind damit insbesondere in das Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistungen, deren Zweck darin besteht, beim Erreichen des Operationsziels benachbarte Strukturen zu schonen und nicht zu verletzen (BGH NJW-RR 2010, 1355).

bb. Diese Voraussetzungen ist nicht erfüllt. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren schriftlichen Darlegungen des Sachverständigen Prof. M. besteht für den Einsatz des Femtosekundenlasers keine eigenständige medizinische Indikation. Es handelt sich hierbei lediglich um eine besondere Ausführungsart einer medizinisch indizierten Operation, die auch ohne Einsatz des Lasers vorgenommen werden kann. Dieses Ergebnis stimmt mit dem laienhaften Verständnis des Gerichts von der streitgegenständlichen Operation überein.

Aufgrund der fehlenden eigenständigen medizinischen Indikation, scheidet eine analoge Abrechnung über den Gebührentatbestand einer selbstständigen ärztlichen Leistung aus. Unabhängig davon, ob man eine Operation ganz oder teilweise mit einem Skalpell, mit einem Laser oder mit einer sonstigen Methode durchführt, bleibt es im Hinblick auf das zu erreichende Ziel dennoch ein und dieselbe Operation. Als Folge kann auch nur diese Operation abgerechnet werden und zwar unabhängig von der Art und Weise ihrer Durchführung. Die Beschreibung von Operationszielen wie in GOÄ-Nr. 1375 (Kataraktoperation) lässt gerade offen, mit welchen Techniken und Methoden der Arzt dieses Ziel erreicht. Nach dem Zweck der Gebührenordnung, für bestimmte Zielleistungen bestimmte Gebühren verbindlich festzusetzen, ist es ausgeschlossen, eine bestimmte in der GOÄ festgesetzte Zielleistung letztlich mehrfach abzurechnen, indem man zusätzlich zur Zielleistung selbst noch deren Teilschritte abrechnet. Besonderem Aufwand im Hinblick auf eine zu erreichende Zielleistung wird im Rahmen der GOÄ dabei hinreichend Rechnung getragen. So kann etwa ein erhöhter zeitlicher Aufwand durch Ausschöpfung des Gebührenrahmens nach § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ, ein zusätzlicher technischer Aufwand durch festgelegte Zuschläge – wie vorliegend dem Laserzuschlag nach GOÄ-Nr. 441 – und ein besonderer Aufwand von Verbrauchsmaterialien über den Auslagenersatz nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GOÄ berücksichtigt werden.

Nach diesen Ausführungen ist die Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Kataraktoperation analog GOÄ-Nr. 5855 abzulehnen (so exemplarisch auch AG Reutlingen, Urt. v. 17.10.2018 – 13 C 347/17; AG Wesel, Urt. v. 18.07.2019 – 5 C 259/19; LG Heidelberg, Urt. v. 10.12.2019 – 2 S 14/19). Der Gegenauffassung vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Allein die Neuartigkeit einer Behandlungsmethode zur Erreichung einer Zielleistung macht diese Behandlungsmethode ebenso wenig zu einer selbstständigen ärztlichen Leistung (aA LG Wuppertal, Urt. v. 30.08.2018 – 4 O 4/17) wie die medizinische Notwendigkeit der Behandlung (aA LG Köln, Urt. v. 28.02.2018 – 23 O 159/15). Eine Abrechnung analog GOÄ-Nr. 5855 des Einsatzes des Femtosekundenlasers als unselbständige ärztlichen Leistung kommt nach den klaren Vorgaben des § 6 Abs. 2 GOÄ nicht in Betracht (aA AG München, Urt. v. 12.12.2018 – 262 C 18626/17). Mit Blick auf die aus Sicht des Sachverständigen möglicherweise bestehende Überlegenheit des Femtosekundenlasers gegenüber herkömmlichen Methoden der Kataraktoperation bei gleichzeitigen hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten des Lasers ist anzumerken, dass die Frage, ob aus gesundheitspolitischer Sicht eine gesonderte Vergütung von neuartigen Behandlungsmethoden sinnvoll ist, um dem Patienten die bestmöglichen Behandlungs- und Heilungschancen zu sichern und medizintechnischen Fortschritt nicht unrentabel werden zu lassen, sicherlich gestellt werden kann, die rechtsverbindliche Antwort auf diese Frage aber dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt.

cc. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit kann eine analoge Abrechnung trotz fehlender Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 GOÄ möglicherweise dann in Betracht kommen, wenn eine Abrechnung nach der GOÄ ansonsten nicht „auskömmlich“ wäre (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1355). Anhaltspunkt dafür dass, die Anwendung der Gebührenordnung mit Honorierung der eigentlichen Operationsleistung nur nach GOÄ-Nrn. 1375 und 441 sowie Erstattung der Auslagen nach § 10 Abs. 1 GOÄ zu einer Verletzung des Grundrechts des Arztes aus Art. 12 GG führen würde, sind nicht ersichtlich. Es ist schon nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass ein Betrieb des Femtosekundenlasers ohne Analogabrechnung auch nur unwirtschaftlich wäre. Darüber hinaus hat der Arzt den Femtosekundenlaser angeschafft, als die Vorgaben der GOÄ bereits galten und obwohl dieser zur Durchführung der Kataraktoperation nicht zwingend erforderlich ist. Aus dem Grundgesetz ergibt sich kein Anspruch darauf, dass unwirtschaftliche Anschaffungen von den Gerichten oder dem Gesetzgeber nachträglich wirtschaftlich gemacht werden.

c. Die aufgeführten ordnungsgemäß abgerechneten Arztkosten hat die Beklagte der Klägerin gem. § 192 Abs. 1 VVG zu erstatten, da es sich bei der Behandlung mit dem Femtosekundenlaser um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handelt, deren Aufwendungen nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der erbrachten Leistung stehen.

Eine Heilbehandlung ist dann medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen und zu lindern (BGH NJW 2003, 1596). Also Folge der stets voranschreitenden medizinischen Entwicklungen einerseits und der Unsicherheit bei der Diagnostik andererseits ist ein Behandlungskorridor eröffnet, der mehrere Behandlungsmethoden als medizinisch vertretbar erscheinen lässt. Der dem Versicherer erkennbare Zweck des Versicherungsvertrages wäre für den Versicherten nicht erreicht, wenn nicht alle innerhalb des aus ärztlicher Sicht vertretbaren Spektrums liegenden Behandlungsmethoden abgedeckt wären, da den Versicherten ansonsten das finanzielle Risiko träfe, wenn sich nachträglich eine andere Methode als vorzugswürdig herausstellen sollte (OLG Nürnberg NJOZ 2016, 626).

Nach dem Sachverständigen Gutachten des Sachverständigen Prof. M. besteht für den Einsatz des Femtosekundenlasers zwar keine eigenständige medizinische Indikation, der Laser kann aber gewisse Teilschritte der Operationen übernehmen und unterstützend bzw. assistierend in der Intraokularlinsenchirurgie mitwirken. Wissenschaftlich anerkannte Studien belegen nach den Darlegungen des Sachverständigen – zumindest teilweise – den Vorteil dieser Technologie gegenüber der klassischen Behandlungweise. Aus Sicht des Gerichts liegt aufgrund dieser wissenschaftlich erwiesenen Vorteile der Behandlung mittels des Lasers eine vertretbare medizinische Entscheidung des behandelnden Arztes im Hinblick auf den Einsatz dieses Lasers vor. Der Umstand, dass die Heilbehandlung auch ohne den Einsatz des Lasers möglich gewesen wäre, lässt die Notwendigkeit im Sinne des § 192 Abs. 1 VVG nach dem dargestellten Vertretbarkeitsmaßstab nicht entfallen, da der Patient nach dem Gesetzeszweck weder mit überraschenden Kosten belastet noch vom Fortschritt der medizinischen Entwicklung ausgeschlossen werden soll.

Ein auffälliges Missverhältnis von Kosten und erbrachter medizinischer Leistung im Sinne einer Übermaßvergütung liegt jedenfalls nach Ablehnung der Abrechnung nach GOÄ-Nr. 5855 analog nicht vor, sodass ein Kürzungsrecht der Beklagten gem. § 192 Abs. 2 VVG nicht besteht.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weiter gem. §§ 280, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 185 Abs. 1 BGB Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 83,54 € (1,3 Gebühr aus 67,49 € zzgl. Auslagenpauschale und MwSt). Mit Schreiben vom 23.01.2019 hat die Beklagte die Zahlung ernsthaft verweigert, sodass die Beklagte die ab diesem Zeitpunkt entstehenden berechtigten Rechtsverfolgungskosten der Klägerin als Verzugsschaden zu ersetzen hat. Aufgrund Ermächtigung durch ihre Rechtsschutzversicherung ist die Klägerin im Hinblick auf diese Kosten einziehungsermächtigt und empfangszuständig.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich im Hinblick auf 67,49 € aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 187 Abs. 1 BGB und im Hinblick auf die 238,00 € sowie die Rechtsanwaltskosten aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB, § 261 Abs. 1 ZPO. Mit Schreiben vom 23.01.2019 hat die Beklagte die Zahlung ernsthaft verweigert, sodass die Beklagte an diesem Tag in Verzug geraten und die damals fällige Forderung von 67,49 € ab dem Folgetag zu verzinsen ist. Mit Schriftsatz vom 12.09.2020 hat die Klägerin den Beleg für das Medical Procedure Pack eingereicht. Demnach befand sich die Klägerin spätestens seit dem 12.09.2020 in Besitz dieses Beleges. Entsprechend ist die Forderung von 238,00 € gem. § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 GOÄ am selben Tag fällig geworden und ab dem Folgetag zu verzinsen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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