Erbschaftsstreit: Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit im Fokus
In einem komplexen Erbschaftsstreit zwischen den Kindern des verstorbenen Herrn A (Erblasser) und seiner ersten Ehefrau sowie der Beteiligten zu 2, einer späteren Ehefrau, sind die Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit der Beteiligten entscheidend. Der Fall betrifft ein gemeinschaftliches Testament, welches widerrufen wurde, sowie ein später erstelltes, handschriftliches Testament.
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Übersicht:
Das gemeinschaftliche Testament und die Ehe
Der Erblasser und seine erste Ehefrau erstellten 1992 ein gemeinschaftliches notarielles Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und ihre Kinder als Erben des Letztversterbenden bestimmten. Die Ehe wurde 1997 geschieden. 1998 heiratete der Erblasser die Beteiligte zu 2.
Widerruf und handschriftliches Testament
Im Mai 2019 widerrief der Erblasser das gemeinschaftliche Testament und beauftragte die Notarin, die Zustellung an die Beteiligte zu 2 zu veranlassen. Kurz darauf soll er ein handschriftliches Testament verfasst haben, welches seine leiblichen Kinder als Erben einsetzte. Der Erblasser verstarb im Juni 2019.
Beweisaufnahme und Entscheidung des Nachlassgerichts
Das Nachlassgericht prüfte die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2 und die Testierfähigkeit des Erblassers. Schließlich wies das Gericht den Erbscheinsantrag der leiblichen Kinder zurück und erklärte das handschriftliche Testament für unwirksam, da der Erblasser durch das gemeinschaftliche Testament von 2004 an eine anderweitige Verfügung gehindert gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat entschieden, dass die Beteiligte zu 2 zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments am 24.05.2019 geschäftsunfähig war. Der Sachverständige bestätigte, dass sie aufgrund ihrer Aphasie weder in deutscher noch in polnischer Sprache adäquat Sprache verstehen oder Wörter und Sätze produzieren konnte und keine komplexen Zusammenhänge und Willenserklärungen erfassen konnte. Der Umstand, dass Mitarbeiter einer Bank trotz der offenkundigen Kommunikationsstörungen ihre Geschäftsfähigkeit nicht in Zweifel gezogen hatten, ändert laut Gericht nichts an der Entscheidung. Das Nachlassgericht hat auch die Beschwerde des Beteiligten zu 1, der die Entscheidung aufgrund der Befangenheit des Sachverständigen anfocht, abgelehnt.
Das Nachlassgericht hat auch entschieden, dass die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 keine Miterben zu je ¼ nach dem Erblasser wurden. Die Testamente vom 20.11.1992 sind ungültig, da der Erblasser und seine erste Ehefrau geschieden waren, als er das Testament erstellte. Das Testament vom 02.06.2019 ist auch nicht wirksam, da der Erblasser das gemeinschaftliche Testament vom 25.01.2004 wegen § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht durch sein neues Testament einseitig aufheben konnte. Der Erblasser hätte das gemeinschaftliche Testament nach Maßgabe des § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB widerrufen müssen. Da der Widerruf nicht korrekt erfolgte, bleiben die Verfügungen des Testaments vom 25.01.2004 gültig.
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Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 20 W 268/21 – Beschluss vom 31.03.2022
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1 hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu 2 tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 185.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 sind die Kinder des am XX.06.2019 verstorbenen Herrn A (im Folgenden: Erblasser) und seiner ersten Ehefrau. Der Erblasser und seine erste Ehefrau errichteten am 20.11.1992 ein gemeinschaftliches notarielles Testament (UR-Nr. … des Notars B in Stadt1; Bl. 47 ff. d.A.), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 zu Erben des Letztversterbenden bestimmten. Die Ehe wurde 1997 geschieden.
Die Beteiligte zu 2 stammt aus einer deutschsprachigen Familie in Oberschlesien. Nach dem Krieg wurde sie nicht vertrieben, sondern blieb in Polen und siedelte erst später in die Bundesrepublik Deutschland über.
Im Jahr 1997 erwarb der Erblasser gemeinsam mit der Beteiligten zu 2 eine Wohnung in der Straße1 in Stadt2, deren hälftige Miteigentümer beide wurden. Ein Jahr später heiratete der Erblasser, damals 6X Jahre alt, die Beteiligte zu 2, damals 5Y Jahre alt.
Am 25.01.2004 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 2 ein durch den Erblasser eigenhändig geschriebenes und von beiden Ehegatten unterzeichnetes „Gemeinschaftliches Testament“ (Bl. 62 d.A.). Darin setzen sie sich gegenseitig zu „Alleinerben (Vollerben)“ ein. Erben des Längstlebenden sollen die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 zu insgesamt 2/3 und die Tochter der Beteiligten zu 2 aus deren erster Ehe zu 1/3 sein.
Die Beteiligte zu 2 erlitt am 20.11.2009 einen Schlaganfall, als dessen Folge sie an Aphasie leidet, einer Sprachstörung durch Beeinträchtigung der Sprachproduktion und des Sprachverständnisses im Zentralen Nervensystem. Bei der Beteiligten zu 2 liegt die schwerste Form der Aphasie vor, eine globale Aphasie, bei der nur spärliche oder gar keine Sprachproduktion vorhanden ist und Sprachverständnis und Lesen stark gestört sind. Solche Patienten können unter Umständen noch Worte von sich geben, aber es handelt sich dann um sinnlose Wiederholungen, Floskeln und Redewendungen.
Das Amtsgericht Stadt3 bestellte aufgrund der Aphasie den Erblasser zum Betreuer der Beteiligten zu 2. Auf Betreiben der Tochter der Beteiligten zu 2 wurde der Erblasser mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt3 vom 22.06.2016 (…; Bl. 19 f. d.A.) als Betreuer entlassen, da ihm die Betreuung nicht mehr zuzumuten sei, und die Tochter der Beteiligten zu 2 als Betreuerin eingesetzt. Aufgabenkreise waren „Sorge für die Gesundheit“, „Aufenthaltsbestimmung“, „Entgegennahme, Öffnen der Post“ und „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen“.
Das Barvermögen des Erblassers und der Beteiligten zu 2 auf ihren als „Oder-Konten“ geführten Konten belief sich Anfang 2019 auf etwa 180.000 €. Am 25.01.2019 überwies die Beteiligte zu 2 einen Betrag von 90.000 € von einem gemeinsamen Konto auf ein eigenes Konto.
Am 16.05.2019 erklärte der Erblasser, der sich zu dieser Zeit wegen seiner schon seit längerem bestehenden schweren Herzerkrankung im Krankenhaus befand, in notarieller Urkunde (UR-Nr. … der Notarin C in Stadt3; Bl. 87 ff. d.A.) den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments und beauftragte die Notarin, eine Ausfertigung des Widerrufs der Beteiligten zu 2 förmlich per Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Die Urkunde wurde zweisprachig errichtet, in deutscher und polnischer Sprache. Dazu heißt es in der Urkunde:
Nach Angaben des Erschienenen [gemeint: der Erblasser] ist dessen Ehefrau der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, sondern spricht polnisch. Der Text dieser Urkunde soll daher auf Ansuchen des Erschienenen schriftlich in die polnische Sprache übersetzt werden.
In der Urkunde gab der Erblasser den Wert seines Vermögens mit „ca.“ 185.000 € an und den Wert des Vermögens der Beteiligten zu 2 mit „ca.“ 20.000 €.
Gemäß Zustellungsurkunde der Gerichtsvollzieherin wurde eine beglaubigte Abschrift der Urkunde am 24.05.2019 durch Einlegung in den Briefkasten „oder in eine sichere, vom Adressaten für den Postempfang eingerichtete Vorrichtung“ an die Beteiligte zu 2 in der Straße1 zugestellt (Bl. 93 d.A.). Der Erblasser, der dort mit der Beteiligten zu 2 lebte, befand sich an diesem Tag noch immer im Krankenhaus.
Der Erblasser wurde am 28.05.2019 aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen, aber bereits zwei Tage später mit schweren Herzproblemen wieder stationär aufgenommen.
Es existiert ein handschriftliches Dokument, das wie folgt lautet:
Hiermit enterbe ich Vorname1 A meine Ehefrau Vorname2 A meine leiblichen Kinder sollen zu jeweils gleichen Teilen mein gesamtes Vermögen erben. 2.6.19
[Unterschrift Erblasser]
Der Erblasser soll dies im Krankenbett am angegebenen Tag eigenhändig geschrieben und unterschrieben haben.
Am 06.06.2019 wurde der Erblasser auf die Palliativstation verlegt, wo er am XX.06.2019 verstarb.
Mit Schreiben vom 23.08.2019 an das Betreuungsgericht beantragte die Tochter der Beteiligten zu 2 die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“. Am 05.09.2019 ließ sich die Beteiligte zu 2 in Begleitung ihrer Tochter durch den später von dem Nachlassgericht bestellten Sachverständigen untersuchen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt3 vom 28.01.2020 wurde der Aufgabenkreis der Tochter der Beteiligten zu 2 um die Aufgabenkreise „Vermögenssorge“ und „Nachlassangelegenheiten“ erweitert (Bl. 182 f. d.A.).
Der Beteiligte zu 1 hat am 2./10.07.2019 einen notariellen Erbscheinsantrag gestellt, wonach er und die Beteiligten zu 3, 4 und 5 Miterben des Erblassers zu je ¼ sein sollen (Bl. 35 ff. d.A.).
Das Nachlassgericht hat am 21.02.2020 darauf hingewiesen, dass es darauf ankomme, ob der Erblasser bei dem Widerruf des Testaments am 16.05.2019 geschäftsfähig gewesen sei, ob die Beteiligte zu 2 bei der Zustellung des Widerrufs am 24.05.2019 in der Geschäftsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, ob der Erblasser bei der Errichtung des Testaments am 02.06.2019 testierunfähig gewesen sei und ob er das Testament am 02.06.2019 eigenhändig geschrieben habe (Bl. 184 d.A.).
Die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 haben behauptet, der Erblasser sei stets zeitlich, örtlich und situativ vollumfänglich orientiert gewesen. Sie haben gemeint, die Beteiligte zu 2 sei geschäftsfähig gewesen, und haben dazu behauptet, es habe bei ihr jenseits der Aphasie keine kognitiven Beeinträchtigungen gegeben. Die Beteiligte zu 2 habe sich auf Polnisch verständigen können, die polnische Sprache sei bei ihr „teilweise, wenn nicht größtenteils“ erhalten gewesen. Die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 haben weiter darauf verwiesen, dass die Beteiligte zu 2 einkaufen gegangen sei, Auto gefahren sei und ihre Bankgeschäfte selbstständig erledigt habe.
Die Beteiligte zu 2 hat durch ihre Betreuerin behauptet, am 02.06.2019 habe der Erblasser im Sterben gelegen, er sei geistig verwirrt und ohnehin seit längerem dement gewesen. Er sei an diesem Tag auch nicht mehr in der Lage gewesen, einen Stift zu halten. Das Testament könne deshalb nicht echt sein. Jedenfalls sei der Erblasser nicht testierfähig gewesen. Überdies, so hat die Beteiligte zu 2 gemeint, sei sie zweifelsfrei geschäftsunfähig, so dass der notarielle Widerruf ihr nicht wirksam habe zugestellt werden können. Ihre Betreuerin habe erst Monate nach dem Tod des Erblassers Kenntnis von dem Widerruf erhalten. Bankgeschäfte habe sie in der Weise erledigt, dass sie mit ihrer Betreuerin in die Bankfiliale gekommen sei und die Betreuerin die Verhandlungen geführt habe und bei den von ihr geleisteten Unterschriften stets anwesend gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 2, auf dessen Inhalt einschließlich zweier ergänzender Gutachten wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 371 ff., 447 ff., 500 ff. d.A.).
Mit Beschluss vom 27.08.2021 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen (Bl. 528 ff. d.A.). Aus dem Ehegattentestament vom 20.11.1992 komme eine Erbenstellung der Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 nicht in Betracht, da das Testament im Hinblick auf die Scheidung der Ehe nach §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB unwirksam geworden sei. Es bestehe keinerlei Veranlassung anzunehmen, dass dieses Testament auch im Falle der Scheidung haben gelten sollen (§ 2268 Abs. 2 BGB). Das Testament vom 02.06.2019 sei unwirksam, so dass sich die Erbfolge nicht aus diesem Testament herleite. Es komme nicht darauf an, ob der Erblasser bei Errichtung dieses Testaments testierfähig gewesen sei und ob das Testament von ihm eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden sei. Der Erblasser sei aufgrund der mit der Beteiligten zu 2 gemeinschaftlich getroffenen letztwilligen Verfügung vom 25.01.2004 daran gehindert gewesen, anderweitig letztwillig zu verfügen. Bei den wechselseitigen Einsetzungen der Ehegatten und der Einsetzung der jeweiligen Kinder der Ehegatten als Schlusserben handele es sich unzweifelhaft um wechselseitige Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB. Es sei davon auszugehen, dass sich der Erblasser und die Beteiligte zu 2 nicht jeweils als Vollerben eingesetzt hätten, wenn nicht der jeweils andere die eigenen Nachkommen als Schlusserben eingesetzt hätte. Nach § 2271 Abs. 1 BGB sei dann die Form des Rücktritts von einem Erbvertrag (§ 2296 BGB) erforderlich gewesen. Der Erblasser habe am 16.05.2019 eine entsprechende notarielle Erklärung abgegeben. Es könne offenbleiben, ob er zu diesem Zeitpunkt geschäftsfähig gewesen sei, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe jedenfalls fest, dass seine Willenserklärung in der Form des notariellen Widerrufs der Beteiligten zu 2 nicht wirksam zugegangen sei. Die Wirksamkeit des Zugangs richte sich nach §§ 130, 131 BGB. Der wirksame Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden setze voraus, dass der Empfänger zum Zeitpunkt des Empfangs geschäftsfähig sei. Nach § 131 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB könne bei Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen die Willenserklärung nur wirksam zugehen, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter gegenüber abgegeben werde bzw. diesem zugehe. Dem beschränkt Geschäftsfähigen stehe der Betreute gleich, soweit für ihn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden sei (§ 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im vorliegenden Fall sei aber kein gesetzlicher Vertreter oder Betreuer, für den ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden sei, vorhanden. Gegenüber der Betreuerin habe ein Zugang des Widerrufs nicht wirksam erfolgen können. Die Beteiligte zu 2 sei geschäftsunfähig im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB gewesen.
Hierzu hat das Nachlassgericht weiter ausgeführt, die Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten zu 2 zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments am 24.05.2019 stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens zweifelsfrei fest. Der Sachverständige habe die klare und unzweifelhafte Feststellung getroffen, dass die Beteiligte zu 2 zu diesem Zeitpunkt aufgrund der bei ihr seit dem Jahre 2009 bestehenden Aphasie nicht geschäftsfähig gewesen sei. Er sei im Hinblick auf die bei der Beteiligten zu 2 ausgeprägt vorhandenen Störungen des Sprachzentrums und des Sprachverständnisses zu dem zweifelsfreien Ergebnis gekommen, dass angesichts der stark eingeschränkten Möglichkeit der Erfassung von Worten und deren Zusammenhangs und auch der Verarbeitung von entsprechenden Informationen die Möglichkeit des Verständnisses komplexer Zusammenhänge und entsprechend der Tragweite von Willenserklärungen und geschäftlichen Handlungen nicht mehr vorhanden gewesen sei. Der Sachverständige habe zusätzlich die Feststellung treffen können, dass auch beim Versuch der Kommunikation in polnischer Sprache die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit habe bestätigt werden können. Die Beteiligte zu 2 sei weder in deutscher noch in polnischer Sprache in der Lage, adäquat Sprache zu verstehen oder Wörter und Sätze zu produzieren. Es liege eine globale aphasische Störung vor, die das Sprachzentrum in Gänze betreffe. Der Umstand, dass Mitarbeiter einer Bank trotz der bei der Beteiligten zu 2 offenkundigen Kommunikationsstörungen deren Geschäftsfähigkeit nicht in Zweifel gezogen hätten, könne an den Feststellungen des Gutachtens nichts ändern. Dies gelte auch für den Umstand, dass die Beteiligte zu 2 durchaus in der Lage gewesen sei und noch sei, bestimmte einfache Verrichtungen selbst vorzunehmen und auch insoweit in der Öffentlichkeit eigenständig aufzutreten. Der Umstand, dass die Beteiligte zu 2 in der Lage sei, selbstständig einzukaufen und Auto zu fahren, lasse keine Rückschlüsse darauf zu, ob und inwieweit sie in der Lage sei, komplexe Gedankengänge zu verstehen, nachzuvollziehen und selbstständig vorzunehmen. Die Tatsache, dass die Beteiligte zu 2 möglicherweise aufgrund der Unfähigkeit, Verkehrszeichen richtig zu lesen und zu verstehen, nicht Auto fahren solle, habe keinerlei Bedeutung für die Beurteilung ihrer Geschäftsfähigkeit.
Der Beschluss ist dem Beteiligten zu 1 am 13.09.2021 zugestellt worden (Bl. 550 d.A.). Mit undatiertem Schreiben, bei Gericht eingegangen am 08.10.2021, hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt (Bl. 564 d.A.) und diese „auch im Nehmen [gemeint wohl: Namen] meiner Geschwister“, der Beteiligten zu 3, 4 und 5, mit Schreiben vom 28.10.2021 begründet (Bl. 580 ff. d.A.). Er rügt, dass der Sachverständige „befangen“ gewesen sein könnte, da er die Beteiligte zu 2 schon vor seiner Ernennung untersucht habe.
Mit Beschluss vom 09.12.2021 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 603 ff. d.A.). Soweit der Beteiligte zu 1 einzelne Begebenheiten aus der Vergangenheit als Beleg dafür aufführe, dass die Beteiligte zu 2 nicht geschäftsunfähig sei, seien die von ihm gezogenen Rückschlüsse nicht geeignet, Zweifel an den Feststellungen des Sachverständigen zu begründen. Den Feststellungen hinsichtlich der fehlenden Fähigkeiten der Beteiligten zu 2, komplexe Zusammenhänge und entsprechend die Tragweite von Willenserklärungen und geschäftlichen Handlungen zu erfassen, stehe nicht entgegen, dass sie im Alltagsleben einzelne Verrichtungen ebenso wie auch Willensäußerungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten tätigen könne und bestimmte einfache Sachverhalte auch verstehen könne. Entsprechende Alltagshandlungen seien mit der komplexen geistigen Leistung, die bei der Abgabe von Willenserklärungen erforderlich sei, nicht vergleichbar. Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen bestünden nicht.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. a) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).
b) Als Beschwerdeführer ist nur der Beteiligte zu 1 anzusehen. Seine Formulierung, er begründe die Beschwerde auch im Namen seiner Geschwister, der Beteiligten zu 3, 4 und 5, ist nicht so zu verstehen, als lege er die Beschwerde auch als deren Bevollmächtigter in deren Namen ein. Eingelegt hat er die Beschwerde nach dem klaren Wortlaut des Beschwerdeschreibens nur für sich. Er hat auch die sonst nach § 11 FamFG erforderlichen schriftlichen Verfahrensvollmachten nicht vorgelegt. Überdies wäre die Einlegung für die Geschwister mit Schreiben vom 28.10.2021 verfristet gewesen. Die Formulierung ist daher so zu verstehen, dass der Beteiligte zu 1 mit ihr deutlich machen will, dass er auch im Interesse und mit Zustimmung seiner Geschwister handelt, ohne sie aber förmlich im Verfahren zu vertreten.
c) Beteiligt am Verfahren sind nur die oben genannten Personen, die vier Geschwister (Beteiligte zu 1, 3, 4 und 5) und die Ehefrau des Erblassers (Beteiligte zu 2). Das Nachlassgericht hat zwar auch die Betreuerin der Beteiligten zu 2 als eigene Beteiligte geführt. Dies ist aber offenbar versehentlich erfolgt, es ist aus der Verfahrensführung nicht ersichtlich, dass das Nachlassgericht die Betreuerin tatsächlich als mit von den Verfahrensrechten der Beteiligten zu 2 unabhängigen eigenen Verfahrensrechten ausgestattete Beteiligte im Sinne des § 7 FamFG angesehen hätte. Dafür gäbe es nach § 345 Abs. 1 FamFG auch keine rechtliche Grundlage.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Nachlassgericht hat die Erteilung des beantragten Erbscheins zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung abgelehnt. Die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 sind nicht Miterben zu je ¼ nach dem Erblasser geworden.
a) Eine Erbenstellung der Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 als Miterben zu je ¼ kann nicht auf das Testament vom 20.11.1992 gestützt werden. Unabhängig von der Frage, ob der zweite Erbfall nach diesem Testament eingetreten ist, die erste Ehefrau des Erblassers also verstorben ist, ist das Testament infolge der Scheidung des Erblassers von seiner ersten Ehefrau gemäß §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Gemeinschaftliche Testamente bleiben zwar gemäß § 2268 Abs. 2 BGB gültig, soweit dies einem Aufrechterhaltungswillen der Ehegatten bei Testamentserrichtung entspricht (BGHZ 160, 33, 36 f.). Für einen solchen Willen auch nur des Erblassers bestehen hier aber keine Anhaltspunkte.
b) Die Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 sind auch nicht nach dem Testament vom 02.06.2019 Miterben zu je ¼ geworden. Dabei kann dahinstehen, ob das Testament echt ist und ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments noch testierfähig war. Auch wenn dies beides der Fall war, konnte der Erblasser das gemeinschaftliche Testament vom 25.01.2004 wegen § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht durch sein neues Testament einseitig aufheben. Er hätte das gemeinschaftliche Testament nach Maßgabe des § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB widerrufen müssen. Dies konnte er, unabhängig von seiner eigenen Geschäftsfähigkeit zur Zeit des Widerrufs, jedoch nicht wirksam tun.
aa) Ein Widerruf ist nach § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB nur erforderlich für Verfügungen, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 BGB bezeichneten Verhältnis stehen, also für wechselbezügliche Verfügungen. Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen sein würde (§ 2270 Abs. 1 BGB). Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken.
Vorliegend haben sich die Ehegatten gegenseitig bedacht. Zweifel an der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen könnten nur aufkommen, wenn die Angabe des Erblassers in der Widerrufsurkunde zuträfe, wonach sich sein Vermögen auf 185.000 € belaufen soll, das Vermögen der Beteiligten zu 2 hingegen nur auf 20.000 €. Die Vermögensverhältnisse von Eheleuten können gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechen, wenn der eine Ehegatte vermögend ist, während der andere kein oder im Verhältnis zu ihm nur ein geringes Vermögen hat, weil der vermögende Ehegatte an der eigenen Erbeinsetzung durch den vermögenslosen Ehegatten häufig kein Interesse hat (RGZ 116, 148, 150; Senat FamRZ 2016, 2037, 2039). Dies bedarf hier jedoch keiner Vertiefung, denn die Angabe des Erblassers über das Wertverhältnis war eindeutig unzutreffend. Selbst wenn sich der Erblasser (nahezu) das gesamte Barvermögen – aus welchen Gründen auch immer – selbst zuschrieb und nicht der Beteiligten zu 2, so war die Beteiligte zu 2 in jedem Fall hälftige Miteigentümerin der Wohnung. Deren Wert belief sich offenbar auf weit mehr als 40.000 €, ohne dass es insoweit vertiefter Ermittlungen des Senats bedürfte.
bb) Nach herrschender Meinung steht die Testierunfähigkeit des anderen Ehegatten einem Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen nicht grundsätzlich entgegen, obwohl der testierunfähige Widerrufsgegner keine Möglichkeit hat, auf den Widerruf mit einer neuen Verfügung von Todes wegen zu reagieren (vgl. BGHZ 228, 327 Rn. 14 ff., dort offengelassen). Ob dem zu folgen ist, kann hier aber dahinstehen.
cc) Jedenfalls ist der Widerruf des Erblassers nicht wirksam erfolgt. Nach § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt der Widerruf zu Lebzeiten der Ehegatten nach § 2296 BGB, also durch höchstpersönliche, notariell zu beurkundende Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten. Eine höchstpersönliche, notariell beurkundete Erklärung des Erblassers liegt zwar vor, es fehlt aber jedenfalls an der Erklärung gegenüber der Beteiligten zu 2.
Als empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf der Widerruf bei Abgabe in Abwesenheit des Erklärungsgegners gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB des Zugangs bei diesem, um wirksam zu werden (vgl. BGHZ 228, 327 Rn. 12). Gemäß § 132 Abs. 1 BGB gilt eine Willenserklärung auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist, wobei die Zustellung nach den Vorschriften der ZPO erfolgt. Vorliegend könnte die Zustellung bereits deshalb unwirksam sein, weil sie an der eigenen Wohnanschrift des Erblassers erfolgte und deshalb womöglich §§ 178 Abs. 2, 191 ZPO, 132 Abs. 1 Satz 2 BGB zuwiderlief. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung. Ebenso bedarf keiner Klärung, ob die erforderliche Ausfertigung der notariellen Urkunde (vgl. BGHZ 31, 5, 7; BGHZ 36, 201, 203 ff.) und nicht nur, wie in der Zustellungsurkunde – möglicherweise fälschlich – angegeben, eine beglaubigte Abschrift zugestellt wurde. Denn jedenfalls wird eine Willenserklärung, die einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben wird, gemäß § 131 Abs. 1 BGB nicht wirksam, bevor sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht. Die Beteiligte zu 2 war geschäftsunfähig.
Geschäftsunfähig ist nach § 104 Nr. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB ist kein medizinischer Befund, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht festzustellen hat (BGH NJW 2021, 63 Rn. 18). Entscheidend ist deshalb nicht, ob der Sachverständige die Beteiligte zu 2 für geschäftsunfähig gehalten hat, sondern ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit vorliegen, was unter Heranziehung des Gutachtens des Sachverständigen durch das Gericht festzustellen ist.
Bedenken gegen die Auswahl der Person des Sachverständigen durch das Nachlassgericht bestehen dabei nicht. Sie folgen nicht daraus, dass sich die Beteiligte zu 2 bereits zuvor im Kontext des Betreuungsverfahrens durch den späteren Sachverständigen untersuchen ließ. Zwar kann ein Näheverhältnis der zu begutachtenden Person zum Sachverständigen wie im Fall einer langjährigen Betreuung durch einen Hausarzt die Besorgnis einer Befangenheit begründen. Die einfache ärztliche Behandlung durch den späteren Sachverständigen ohne besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient rechtfertigt dagegen kein Misstrauen in die Unabhängigkeit des Sachverständigen (OLG Köln VersR 1992, 517; OLG Stuttgart v. 24.11.2014 – 4 W 90/14, Juris-Rn. 27; OLG Jena v. 22.11.2019 – 4 U 183/19, Juris-Rn. 37).
Nach den Feststellungen des Sachverständigen insbesondere in seinem Ergänzungsgutachten vom 21.06.2021 kann kein Zweifel bestehen, dass die Beteiligte zu 2 auch nicht in polnischer Sprache kommunizieren kann. Dies wäre angesichts der Diagnose globaler Aphasie auch sehr ungewöhnlich. Vielmehr ist der Beteiligten zu 2 der Zugang zu Sprache schlechthin fast vollständig versperrt, sowohl gesprochen wie geschrieben, aktiv und passiv. Danach liegen die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB vor. Sie sind selbst dann zu bejahen, wenn die Beteiligte zu 2 jenseits der Aphasie unter keinerlei weiteren kognitiven Beeinträchtigungen leidet.
Die Aphasie der Beteiligten zu 2 ist kein vorübergehender Zustand. Es handelt sich auch um eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Schließlich ist auch die freie Willensbestimmung der Beteiligten zu 2 durch die Aphasie ausgeschlossen.
Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist (BGH NJW 1970, 1680, 1681; BGH NJW 1996, 918, 919; BGH FamRZ 2017, 1149 Rn. 13; BGH MDR 2019, 692 Rn. 28). Die Möglichkeit der Abwägung des Für und Wider setzt voraus, dass die Person eine Situation im Wesentlichen zutreffend einschätzen und die für und wider eine Entscheidung sprechenden Gesichtspunkte erkennen kann (vgl. BGH NJW-RR 2014, 770 Rn. 14 f.; BGH NJW-RR 2016, 579 Rn. 10).
Ist einer Person, wie hier der Beteiligten zu 2, die Welt der Sprache nicht mehr verfügbar, kann sie Informationen über die Außenwelt nur noch sehr eingeschränkt aufnehmen. Weder kann sie sich Informationen aus Texten verschaffen, noch kann sie von anderen Menschen Informationen erhalten, die über einfache Umstände des Alltags hinausgehen. Die adäquate Erkenntnis und Einschätzung einer Situation ist ihr damit nicht möglich. Damit entfällt die Grundlage einer freien Willensbildung.
Darüber hinaus fehlt es der Beteiligten zu 2 auch an der Fähigkeit, nach der gewonnenen Einsicht zu handeln. Die Beteiligte zu 2 kann einen gefassten Willen außer in einfachen Konstellationen des Alltags nicht umsetzen, da es ihr nicht möglich ist, ihn der Außenwelt zu vermitteln.
Die vorstehenden Überlegungen stimmen im Wesentlichen mit denen des Sachverständigen überein, der sich wiederum auf A.Dreßing/Weiller/Foerster/ H.Dreßing, Beurteilung der Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit bei Schlaganfallpatienten mit Aphasie, Fortschritte der Neurologie • Psychiatrie 2018, 770 (https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/html/10.1055/a-0695-9104) stützt.
Der Widerruf wurde auch nicht dadurch wirksam, dass er einem gesetzlichen Vertreter der Beteiligten zu 2 zuging.
Die Betreuerin der Beteiligten zu 2 war insoweit keine geeignete gesetzliche Vertreterin, weil die Entgegennahme des Widerrufs nicht von dem Aufgabenkreis der Betreuerin gedeckt war. Gesetzlicher Vertreter ist der Betreuer nur in seinem Aufgabenkreis (§ 1902 BGB). Für die Entgegennahme des Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments ist der Betreuer zuständig, wenn ihm der Aufgabenkreis „Vermögensangelegenheiten“ übertragen ist. Dagegen deckt der Aufgabenkreis „Entgegennahme der Post“ die Entgegennahme der Widerrufserklärung nicht ab (OLG Nürnberg NJW 2013, 2909, 2910; OLG Hamm FamRZ 2014, 1484, 1485 f.; OLG Karlsruhe NJW-RR 2015, 1031, 1033).
Die spätere Bestellung der Betreuerin der Beteiligten zu 2 auch für die Aufgabenkreise „Vermögenssorge“ und „Nachlassangelegenheiten“ ändert daran nichts. Der Widerruf ist dadurch nicht nachträglich wirksam geworden. Anderenfalls bliebe das Wirksamwerden einer Erklärung auf unabsehbare Zeit – im vorliegenden Fall acht Monate – in der Schwebe und könnte gegebenenfalls noch nach Jahren erfolgen, was mit der Sicherheit des Rechtsverkehrs nicht vereinbar wäre (vgl. BAGE 136, 131 Rn. 35). Jedenfalls für den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments muss ungeachtet des § 130 Abs. 2 BGB gelten, dass der Widerruf nach dem Tod des Widerrufenden nur noch wirksam werden kann, wenn er sich beim Tod des Erklärenden auf dem Weg zum Erklärungsempfänger befunden hat und dort zeitnah eintrifft (BGHZ 48, 374, 380 f.). Hier wurden die Aufgabenkreise der Betreuerin der Beteiligten zu 2 erst mehr als sechs Monate nach dem Tod des Erblassers erweitert.
Darüber hinaus geht die einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegebene Erklärung dem gesetzlichen Vertreter nach § 131 Abs. 1 BGB nur zu, wenn sie entweder an diesen gerichtet oder für ihn bestimmt ist (BGH v. 13.04.1989 – V ZR 145/88). Daran fehlt es hier, da der Widerruf eindeutig an die Beteiligte zu 2 selbst gerichtet und für diese bestimmt war, wie sich schon aus der Übersetzung in die polnische Sprache ergibt, die nur für die Beteiligte zu 2 selbst hätte sinnvoll sein können.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, wobei der Beteiligte zu 1 nicht etwaige außergerichtliche Kosten der Beteiligten zu 3, 4 und 5 zu tragen hat, da diese auf seiner Seite stehen.
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit sind höchstrichterlich geklärt, der vorliegende Fall betrifft deren Prüfung und Anwendung in einem Einzelfall.
5. Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG. Die Höhe entspricht der Angabe in dem Erbscheinsantrag.