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Gebrauchtwagenkaufvertrag – Nichterfüllung infolge Fahrzeugdiebstahls

LG Bonn – Az.: 1 O 441/15 – Urteil vom 17.06.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites und die durch die Streitverkündung verursachten Kosten werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für die Beklagte und die Streithelferin aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und / oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Beklagte bietet regelmäßig Gebrauchtfahrzeuge aus ihrem Dienstwagen-Pool auf einer eigenen, für gewerbliche Autohändler zugänglichen Internetplattform zum Verkauf im Rahmen einer „Internetauktion“ an. Der Kläger nahm als Autohändler an einer derartigen Auktion der Beklagten, deren Ablauf unter § 6 der Auktionsbedingungen der Beklagten (Bl. … – … d.A.) im Einzelnen beschrieben ist, teil und ersteigerte am 26.02.2013 ein Fahrzeug der Marke N, Modell T … $$$ …, mit der Fahrzeug-Identnummer $$$…$ … zu einem Kaufpreis von 10.115,00 EUR. Die entsprechende Rechnung (Anlage K1 = Bl. … d.A.) datiert vom 26.02.2013. Den Kaufpreis zahlte der Kläger am 04.03.2013 (Anlage K2 = Bl. … d.A.).

Mit Vertrag vom 07.03.2013 (Anlage K4 = Bl. … d.A.) verkaufte der Kläger das Fahrzeug für 13.200,00 EUR an den Zeugen N2.

Gemäß der Vereinbarung zwischen den Parteien sollte das Fahrzeug bis zum 22.03.2013 von dem Kläger bei der Streithelferin abgeholt werden. Eine verlängerte Standzeit war möglich, sollte aber mit 5,00 EUR pro Tag vergütet werden. § 10 der Auktionsbedingungen der Beklagten, mit denen sich der Kläger einverstanden erklärt hat, enthält zum „Gefahrübergang“ folgende Regelung:

Die Gefahr geht mit Übergabe des Fahrzeugs auf den Käufer über. Sofern der Käufer mit seinen Abnahmepflichten für das Fahrzeug in Verzug kommt, geht die Gefahr eines zufälligen Untergangs ( … ) der Kaufsache in dem Zeitpunkt auf den Käufer über, in dem dieser in Verzug geraten ist. Am 8. Tag nach Zugang der Abholvollmacht, spätestens jedoch am 22. Kalendertag nach Zugang der Rechnung gerät der Käufer automatisch und ohne Mahnung in Verzug.

Unter dem 07.03.2013 wurde dem Kläger eine Abholvollmacht erteilt (Anlage K3 = Bl. … d.A.), in der es heißt:

Die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Kaufsache geht mit der Übergabe des Fahrzeugs, spätestens am 23.03.2013 auf den Käufer über.

Gebrauchtwagenkaufvertrag - Nichterfüllung infolge Fahrzeugdiebstahls
(Symbolfoto: Dejan Dundjerski/Shutterstock.com)

Das Fahrzeug wurde von dem Kläger nicht abgeholt und in dem Zeitraum zwischen dem 25.05.2013 gegen 13:00 Uhr und dem 26.05.2013 gegen 07:30 Uhr gestohlen. Die Anzeigeerstattung durch die Streithelferin erfolgte ausweislich der Bescheinigung des Polizeipräsidiums C (Bl. … d.A. und Bl. … d.A.) wegen

Bes. schw. Fall des Diebstahls in / aus Werkstätten von Kraftwagen (Par. 243 StGB) (N T ohne Zulassung)

Der Kläger behauptet, er habe das Fahrzeug aus gesundheitlichen Gründen nicht abholen können. In der Klageschrift hat der Kläger behauptet, die Streithelferin stelle die abzuholenden Fahrzeuge in einem Bereich ab, der weder umfriedet noch – was zwischen den Parteien unstreitig ist – kameraüberwacht ist. Mit Schriftsatz vom 11.05.2016 hat der Kläger behauptet, die Streithelferin habe sich ihm gegenüber so eingelassen, dass es einen Bereich in dem umfriedeten und auch kameraüberwachten Fuhrpark gäbe, der durch Kameras nicht erfasst werde; dort sei das Fahrzeug gestohlen worden. Ferner hat der Kläger in der Klagschrift behauptet, die Streithelferin habe ihm gegenüber eingeräumt, dass Diebstähle von Fahrzeugen, die in dem ungeschützten Bereich abgestellt seien, häufig vorkämen.

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass ihm durch den Diebstahl des Fahrzeugs insgesamt ein Schaden in Höhe von 13.200,00 EUR entstanden sei. Hiervon macht er im Wege der Teilklage 3.115,00 EUR von dem Kaufpreis (10.115,00 EUR) und den Nichterlös aus der Weiterveräußerung, den er mit 3.085,00 EUR beziffert (13.200,00 EUR abzüglich 10.115,00 EUR), geltend.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.200,00 EUR nebst 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2015 zu bezahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Kosten in Höhe von 865,00 EUR nebst 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2015 zu bezahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Streithelferin behauptet, das Fahrzeug sei auf ihrem mit einer Zaunanlage umfriedeten Gewerbegrundstück gestohlen worden. Die Diebe seien über das ordnungsgemäß verschlossene Tor geklettert und hätten die Verriegelung mit Gewalt aufgehebelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2016 (Sitzungsprotokoll Bl. … – …R d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 6.200,00 EUR sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 865,00 EUR aus den §§ 280 Abs.1 und Abs.3, 283, 249 Abs.1, 251 Abs.1 BGB.

1. Zwar ist zwischen den Parteien durch die Annahme des verbindlichen Verkaufsangebotes der Beklagten durch den Kläger im Sinne der §§ 145ff. BGB ein Kaufvertrag zustande gekommen (BGH, Urteil vom 08.06.2011 – VIII ZR 305/10 = NJW 2011, 2643). Der Beklagten ist die von ihr gemäß § 433 Abs.1 Satz 1 BGB geschuldete Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges als Stückschuld (vgl. nur MüKo/Emmerich, BGB, 7. Aufl. 2016, § 243 Rd.9) und damit die Erfüllung ihrer Vertragspflichten durch den Diebstahl auch (subjektiv) unmöglich geworden (§ 275 Abs.1 BGB), da nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien davon ausgegangen werden muss, dass die Beklagte die Verfügungsmacht über das Fahrzeug nicht mehr zurückerlangen wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.09.2004 – 8 U 97/04 = NJW 2005, 989, 990).

2. Gleichwohl schuldet die Beklagte dem Kläger deswegen keinen Schadensersatz, weil sie die subjektive Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs.1 Satz 2 BGB). Denn der Kläger befand sich im Zeitpunkt des Diebstahls des Fahrzeuges in Annahmeverzug und die Entwendung des Fahrzeuges ist entgegen § 300 Abs.1 BGB weder auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Beklagten noch der Streithelferin (§ 278 BGB) zurückzuführen.

a) Für die Herbeiführung des Annahmeverzuges bedurfte es infolge der zwischen den Parteien vereinbarten Holschuld keines tatsächliches Angebotes der Leistung an den Kläger im Sinne von § 294 BGB, vielmehr genügte hier ein wörtliches Angebot, weil der Kläger die geschuldete Sache abzuholen hatte (§ 295 Satz 1, 2.Var. BGB). Dieses wörtliche Angebot der Beklagten lag in Form der übersandten Abholvollmacht mit der Aufforderung, das Fahrzeug bis zum 22.03.2013 auf dem Gelände der Streithelferin abzuholen, vor. Da der Kläger innerhalb dieses und auch innerhalb des in § 10 der Auktionsbedingungen ausdrücklich vorgesehenen Zeitraums das Fahrzeug nicht abgeholt, somit die ihm obliegende erforderliche Handlung zur Bewirkung der Leistung unterlassen hat (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75.Aufl. 2016, § 295 Rd.5), befand er sich spätestens seit dem 23.03.2013 im Annahmeverzug.

b) Da die Beklagte während des Annahmeverzuges des Klägers gemäß § 300 Abs.1 BGB nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat (vgl. darüber hinaus auch § 12 der Auktionsbedingungen der Beklagten), begründet die Entwendung des streitgegenständlichen Fahrzeuges keine Haftung der Beklagten. Es fehlt schon an der für eine grobe Fahrlässigkeit erforderlichen Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt durch die Beklagte und / oder die Streithelferin (§§ 276 Abs.2, 278 BGB) in einem besonders schweren Maße. Denn dies setzt voraus, dass die Streithelferin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und damit dasjenige nicht beachtet hat, was im konkreten Fall jedem einleuchten musste (vgl. MüKo/Grundmann, BGB, 7. Aufl. 2016, § 276 Rd.94f.; Palandt/Grüneberg, aaO., § 277 Rd.5 m.w.N.).

Anschließend an diese Definition der groben Fahrlässigkeit begründet das Abstellen auf einem nicht mit einer Kamera überwachten aber mit einem Zaun umfriedeten Grundstück keine grobe Fahrlässigkeit, da mit der Umzäunung eine hinreichende Absicherung durch eine Entwendung vorliegt. Die zweifelhafte Frage, ob überhaupt schon das Abstellen auf einem frei zugänglichen unbewachten Parkplatz den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit trägt (verneinend Staudinger/Caspers, BGB, 2014, § 276 Rd.100 Stichwort „Diebstahl“ m.w.N.), und zwar selbst an einer gefährdeten Stelle (verneinend etwa: BGH WM 1997, 587 sogar für einfache Fahrlässigkeit; BGH NJW 1980, 887f. für 3 Wochen an einem Bahnhof; OLG Frankfurt ZfS 1982, 53 für ein Wohngebiet; vgl. ferner MüKo/Grundmann, aaO., § 276 Rd.102 m.w.N.), bedarf deshalb vorliegend keiner Vertiefung.

Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zwar wirkt sich die Regelung der Beweislast in § 280 Abs.1 Satz 2 BGB auch im Fall von § 300 Abs.1 BGB dahingehend aus, dass die Beklagte dafür Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen muss, dass sie und / oder die Streithelferin als ihre Erfüllungsgehilfin den Diebstahl nicht durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz herbeigeführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.1987 – VII ZR 172/86 = NJW 1987, 1938, 1939; BGH, Urteil vom 23.12.1966 – V ZR 26/64 = NJW 1967, 622, 625; MüKo/Ernst, BGB, 6. Aufl. 2012, § 300 Rd.3; Palandt/Grüneberg, aaO., § 300 Rd.2 und § 280 Rd.34; Repgen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2008, § 300 Rd.1). Indes hat der Kläger seinen ursprünglichen Vortrag in der Klageschrift, wonach das Fahrzeug auf einem nicht umzäunten Gelände abgestellt gewesen sei, bereits mit Schriftsatz vom 11.05.2016 revidiert und dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Danach hat ihm der Inhaber der Streithelferin telefonisch mitgeteilt, dass das Fahrzeug von dem eingezäunten Gewerbegrundstück entwendet worden sei. Der Inhalt der polizeilichen Bescheinigung der Anzeigeerstattung stimmt hiermit überein und unterstreicht deshalb die inhaltliche Richtigkeit des Vortrages der Streithelferin.

Seinen schriftsätzlichen Vortrag, die Streithelferin habe ihm mitgeteilt, dass Diebstähle von „in dem ungeschützten Bereich“ abgestellten Fahrzeugen „häufig vorkommen“ (S.5 der Klageschrift), hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage nicht aufrechterhalten, sondern insgesamt zurückgenommen.

Nach alledem fehlen konkrete Tatsachen, aus denen ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten und / oder der Streithelferin abgeleitet werden könnte.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus den §§ 91 Abs.1, 101 Abs.1 ZPO abzuweisen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziffer 11., 711 ZPO.

Streitwert: 6.200,00 EUR.

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