Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Prozesskostenhilfe für Handwerker: OVG NRW bejaht Erfolgsaussichten bei Streit um leitende Stellung nach § 7b HwO
- Streit um Ausübungsberechtigung: Antrag auf Handwerkserlaubnis nach § 7b HwO abgelehnt
- Klage und abgelehnte Prozesskostenhilfe: Verwaltungsgericht sah keine ausreichenden Erfolgsaussichten
- OVG NRW gibt Beschwerde statt: Prozesskostenhilfe für Klageverfahren bewilligt
- Begründung der Entscheidung: Maßstab für hinreichende Erfolgsaussicht bei Prozesskostenhilfe
- Anforderungen an die „leitende Stellung“ nach § 7b Handwerksordnung im Detail
- Prüfung der Nachweise: Reichen Zeugnisse und Gehalt als Beleg für leitende Funktion aus?
- Ausreichende Anhaltspunkte für Erfolg: Warum das OVG die Klage (noch) für aussichtsreich hält
- Verhalten des Antragstellers: Fehlende Mitwirkung schließt PKH vorerst nicht aus
- Ausblick: Notwendige Klärung im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO“ und wer kann sie beantragen?
- Welche Kriterien muss ich erfüllen, um eine leitende Stellung im Sinne des § 7b HwO nachzuweisen?
- Welche Dokumente und Nachweise sind geeignet, um die langjährige Berufserfahrung und die leitende Stellung für den Antrag nach § 7b HwO zu belegen?
- 4. Was bedeutet Prozesskostenhilfe (PKH) und wann habe ich Anspruch darauf?
- Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO abgelehnt wurde?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 4 E 816/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
- Datum: 15.03.2022
- Aktenzeichen: 4 E 816/21
- Verfahrensart: Beschluss (Prozesskostenhilfe-Beschwerde)
- Rechtsbereiche: Handwerksrecht, Prozesskostenhilfe
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Person, die eine Ausübungsberechtigung für ein Handwerk beantragte, deren Antrag abgelehnt wurde und die gegen die Ablehnung Klage erhob sowie Prozesskostenhilfe beantragte.
- Beklagte: Die Behörde oder Kammer, die den Antrag des Klägers auf Erteilung der Ausübungsberechtigung ablehnte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger beantragte eine Handwerkslizenz, die eine Tätigkeit von vier Jahren in leitender Stellung voraussetzt. Die zuständige Behörde/Kammer lehnte den Antrag ab, da sie den Nachweis der leitenden Tätigkeit nicht als ausreichend ansah. Nachdem das erstinstanzliche Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen die Ablehnung verweigert hatte, legte er Beschwerde ein.
- Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage, ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als „Bauleiter“ die im Handwerksrecht geforderte „qualifizierte Leitende Stellung“ erfüllte. Im Beschwerdeverfahren ging es darum, ob die Klage des Klägers gegen die Ablehnungsentscheidung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, was über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidet.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberverwaltungsgericht änderte den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe für sein Klageverfahren erster Instanz bewilligt.
- Begründung: Das Gericht bewilligte Prozesskostenhilfe, weil die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Schwierige und ungeklärte Tatsachenfragen zur genauen Art und Qualität der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Bauleiter müssten im Hauptverfahren umfassend geklärt werden. Eine solche Klärung darf nicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren vorweggenommen werden.
- Folgen: Der Kläger erhält finanzielle Unterstützung für die Gerichtskosten und Anwaltskosten in der ersten Instanz. Das Gericht muss nun im Hauptverfahren die notwendige Sachverhaltsaufklärung durchführen, um zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die begehrte Handwerkslizenz tatsächlich vorliegen.
Der Fall vor Gericht
Prozesskostenhilfe für Handwerker: OVG NRW bejaht Erfolgsaussichten bei Streit um leitende Stellung nach § 7b HwO
Ein Handwerker beantragte bei der zuständigen Behörde die Erteilung einer sogenannten Ausübungsberechtigung nach § 7b der Handwerksordnung (HwO). Diese Regelung, oft als „Altgesellenregelung“ bezeichnet, ermöglicht es erfahrenen Gesellen unter bestimmten Voraussetzungen, auch ohne Meisterbrief einen zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb zu führen.

Eine zentrale Voraussetzung ist dabei der Nachweis einer langjährigen Berufserfahrung, insbesondere einer mehrjährigen Tätigkeit in einer leitenden Stellung. Genau an diesem Punkt entzündete sich ein Rechtsstreit, der nun das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) beschäftigte – allerdings zunächst nur im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Streit um Ausübungsberechtigung: Antrag auf Handwerkserlaubnis nach § 7b HwO abgelehnt
Der Antragsteller wollte die Berechtigung erhalten, ein zulassungspflichtiges Handwerk selbstständig auszuüben. Nach § 7b HwO muss er dafür nachweisen, insgesamt sechs Jahre im entsprechenden Handwerk tätig gewesen zu sein. Entscheidend ist zudem, dass er davon mindestens vier Jahre in einer leitenden Stellung gearbeitet hat. Diese leitende Funktion muss durch eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse in einem Betrieb oder einem wesentlichen Betriebsteil gekennzeichnet sein.
Die zuständige Behörde war jedoch nicht überzeugt, dass der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllte. Mit einem Bescheid vom 26. Februar 2021 lehnte sie den Antrag ab. Die Begründung lag offenbar darin, dass die Nachweise für die geforderte vierjährige Tätigkeit in einer qualifizierten leitenden Position nicht ausreichend aussagekräftig waren.
Klage und abgelehnte Prozesskostenhilfe: Verwaltungsgericht sah keine ausreichenden Erfolgsaussichten
Gegen die Ablehnung seines Antrags wehrte sich der Handwerker und erhob Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf. Da er die Kosten für das Gerichtsverfahren nicht selbst tragen konnte, beantragte er gleichzeitig Prozesskostenhilfe.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf prüfte den Antrag und kam zu dem Schluss, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Mit Beschluss vom 7. September 2021 lehnte es daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts waren die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend, um die anspruchsvollen Voraussetzungen einer leitenden Stellung im Sinne des § 7b HwO glaubhaft zu machen.
OVG NRW gibt Beschwerde statt: Prozesskostenhilfe für Klageverfahren bewilligt
Der Handwerker gab jedoch nicht auf und legte Beschwerde gegen den ablehnenden PKH-Beschluss beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ein. Er legte weitere Unterlagen vor, um seine Ansprüche zu untermauern. Dazu gehörten Bescheinigungen und Arbeitszeugnisse früherer Arbeitgeber (Firma z GmbH, 03.11.2008 – 09.07.2012; Firma C. B. GmbH, 19.11.2012 – 30.06.2015). Diese wiesen ihn als „Bauleiter“ bzw. „Elektroniker für Betriebstechnik/Bauleiter“ aus. Ein Zeugnis bescheinigte ihm, „eigenverantwortlich für die Durchführung von Projekten zuständig“ gewesen zu sein. Ergänzend reichte er teilweise geschwärzte Lohnabrechnungen aus dem Jahr 2014 und Stellenausschreibungen für Bauleiterpositionen bei den genannten Firmen ein. Er betonte, seine Tätigkeit sei sehr anspruchsvoll gewesen, oft von Ingenieuren oder Meistern ausgeübt worden, er habe Mitarbeiter entlassen dürfen und Großbaustellen, auch im Ausland (Indonesien), geleitet.
Die Behörde blieb bei ihrer Auffassung, dass die Nachweise nicht genügten. Der Antragsteller wiederum weigerte sich beharrlich, weitere Konkretisierungen seiner Tätigkeiten durch die Ex-Arbeitgeber einzuholen oder zusätzliche Belege (z.B. vollständige Lohnabrechnungen) vorzulegen, da er dies nicht für erforderlich hielt.
Das OVG NRW prüfte die Beschwerde und kam zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Mit Beschluss vom 15. März 2022 (Az.: 4 E 816/21) änderte es die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und bewilligte dem Antragsteller die Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren. Das Gericht stellte fest, dass der Antragsteller die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für PKH erfüllt und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist. Entscheidend war aber die Neubewertung der Erfolgsaussichten der Klage.
Begründung der Entscheidung: Maßstab für hinreichende Erfolgsaussicht bei Prozesskostenhilfe
Das OVG NRW legte zunächst dar, was unter „hinreichender Aussicht auf Erfolg“ im Sinne der Prozesskostenhilfe zu verstehen ist (§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO). Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betonte das Gericht, dass ein Erfolg nicht sicher oder überwiegend wahrscheinlich sein muss. Es genügt, wenn die Erfolgschance nicht nur eine entfernte ist oder von vornherein ausgeschlossen erscheint. Schwierige oder bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im PKH-Verfahren vorweggenommen werden. Die Prozesskostenhilfe soll den Zugang zum Recht ermöglichen, nicht das Ergebnis des Hauptverfahrens vorwegnehmen.
Auf dieser Grundlage prüfte das OVG, ob es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller tatsächlich einen Anspruch auf die begehrte Ausübungsberechtigung hat und der ablehnende Bescheid der Behörde rechtswidrig sein könnte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass dies der Fall ist.
Anforderungen an die „leitende Stellung“ nach § 7b Handwerksordnung im Detail
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Auslegung des § 7b Abs. 1 Nr. 2 HwO, insbesondere des Begriffs der „leitenden Stellung“. Das Gericht stellte klar, dass diese Tätigkeit qualitativ deutlich über der eines normalen, erfahrenen Gesellen liegen muss. Es bedarf einer „qualifizierten Funktion“, die durch eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse geprägt ist, zumindest auch im fachlich-technischen Bereich. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Anforderung das Ziel, Gefahren für Kunden und Dritte durch mangelnde Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermeiden.
Gleichzeitig betonte das OVG unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung dieser Ausnahmeregelung für die Berufswahlfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz). Die „Altgesellenregelung“ trägt zur Verhältnismäßigkeit der Meisterpflicht bei. Daher dürfe die Vorschrift nicht „engherzig“ ausgelegt werden, um die Gründung leistungsfähiger Handwerksbetriebe durch erfahrene Gesellen zu fördern.
Prüfung der Nachweise: Reichen Zeugnisse und Gehalt als Beleg für leitende Funktion aus?
Das OVG würdigte die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen. Die Arbeitszeugnisse und Bescheinigungen weisen ihn zwar als „Bauleiter“ aus und erwähnen „Eigenverantwortlichkeit“. Das Gericht stellte jedoch fest, dass allein die Bezeichnung „Bauleiter“ oder allgemeine Formulierungen nicht automatisch den Nachweis für die geforderte qualifizierte leitende Funktion über vier Jahre erbringen. Es sei streitig, ob die Tätigkeiten tatsächlich die erforderliche herausgehobene Stellung umfassten.
Ausreichende Anhaltspunkte für Erfolg: Warum das OVG die Klage (noch) für aussichtsreich hält
Trotz der Unklarheiten sah das OVG ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die Voraussetzungen des § 7b HwO erfüllen könnte. Deshalb sei eine Klärung im Hauptsacheverfahren notwendig und die Erfolgsaussichten für die Bewilligung von PKH ausreichend:
- Gehaltshöhe als Indiz: Die vorgelegten (wenn auch unvollständigen) Lohnabrechnungen wiesen Netto-Auszahlungsbeträge aus, die möglicherweise erheblich über dem Durchschnittsgehalt eines Handwerksgesellen lagen. Zwar weigerte sich der Antragsteller, die genaue Zusammensetzung der Beträge (z.B. Überstunden, Auslandszulagen) offenzulegen, was ihm im Hauptverfahren zum Nachteil gereichen könnte. Für die PKH-Prüfung reichte das Indiz eines potenziell hohen Gehalts jedoch aus, um die Möglichkeit einer herausgehobenen Position nicht von vornherein auszuschließen. Die genaue Klärung muss im Hauptverfahren erfolgen, wozu vollständige Lohnabrechnungen beitragen könnten.
- Anspruchsvolle Aufgaben laut Stellenbeschreibungen: Die vom Antragsteller eingereichten Stellenausschreibungen seiner früheren Arbeitgeber für die Position des Bauleiters beschrieben anspruchsvolle Aufgaben. Dazu gehörten das Führen von Mitarbeitern und Nachunternehmern, die Kommunikation mit Kunden und internen Abteilungen sowie die Überwachung von Kosten und Terminen. Eine der Firmen bestätigte zudem pauschal, dass der Kläger entsprechende Tätigkeiten ausgeübt habe.
- Behauptungen des Antragstellers: Die Aussagen des Antragstellers, seine Tätigkeit sei sehr anspruchsvoll gewesen, üblicherweise von Ingenieuren oder Meistern wahrgenommen worden, er habe Personal entlassen dürfen und Großbaustellen geleitet, stützen ebenfalls die Möglichkeit einer qualifizierten leitenden Funktion.
Das OVG betonte, dass die endgültige Klärung, ob die konkreten Tätigkeiten des Antragstellers über den erforderlichen Zeitraum von vier Jahren tatsächlich den hohen Anforderungen einer „leitenden Stellung in qualifizierter Funktion“ genügten, eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung im Hauptsacheverfahren erfordert. Dies könne auch die Befragung von Zeugen (z.B. frühere Vorgesetzte oder Kollegen) und eine genaue Würdigung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Antragstellers umfassen. Eine solche Beweisaufnahme dürfe aber gerade nicht im Prozesskostenhilfeverfahren stattfinden.
Verhalten des Antragstellers: Fehlende Mitwirkung schließt PKH vorerst nicht aus
Das Gericht verschwieg nicht, dass Zweifel an der Glaubhaftigkeit der bisherigen, teils lückenhaften und erst auf Nachfrage konkretisierten Angaben des Antragstellers bestehen könnten. Es wurde auch erwähnt, dass der Antragsteller die Aufklärung durch Behörde und Gericht – unter Berufung auf Datenschutz und die eigene Einschätzung der Beweislage – behindert und verzögert habe. Sein Auftreten wurde als „auffällig heftig“ und von „erkennbarem Misstrauen“ gegenüber der Behörde geprägt beschrieben.
Diese Umstände änderten nach Ansicht des OVG jedoch nichts daran, dass der Vortrag des Antragstellers derzeit ausreicht, um hinreichende Erfolgsaussichten für die Klage zu begründen. Die notwendige weitere Aufklärung des Sachverhalts müsse das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren von Amts wegen durchführen – auch wenn der Antragsteller dies bisher erschwert habe.
Ausblick: Notwendige Klärung im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht
Im Ergebnis bedeutet der Beschluss des OVG NRW, dass der Antragsteller nun mit finanzieller Unterstützung des Staates (Prozesskostenhilfe) seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf weiterführen kann. Ob er am Ende tatsächlich die begehrte Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO erhält, ist damit aber noch nicht entschieden. Dies wird erst das Hauptsacheverfahren zeigen, in dem das Verwaltungsgericht den Sachverhalt umfassend aufklären und alle Beweise würdigen muss. Insbesondere wird zu klären sein, ob die als „Bauleiter“ ausgeübten Tätigkeiten tatsächlich die hohen Anforderungen an eine „leitende Stellung“ in „qualifizierter Funktion“ über einen Zeitraum von vier Jahren erfüllten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OVG NRW hat entschieden, dass für den Nachweis einer „leitenden Stellung“ nach § 7b Handwerksordnung (Altgesellenregelung) die Bezeichnung als „Bauleiter“ in Arbeitszeugnissen und ein möglicherweise überdurchschnittliches Gehalt als Anhaltspunkte ausreichen können, um einen Prozesskostenhilfeantrag zu bewilligen. Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen für die Ausübungsberechtigung ohne Meisterbrief zwar streng, aber nicht „engherzig“ ausgelegt werden sollten, um die Verhältnismäßigkeit der Meisterpflicht zu wahren. Für Handwerker bedeutet dies, dass sie bei der Sammlung von Nachweisen für eine leitende Position besonders auf konkrete Belege über eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse und qualifizierte Tätigkeiten achten sollten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO“ und wer kann sie beantragen?
Die Ausübungsberechtigung nach § 7b der Handwerksordnung (HwO) ist eine besondere Regelung im deutschen Handwerksrecht. Sie bietet einen Weg, ein Handwerksunternehmen selbstständig zu führen, auch wenn Sie keinen Meisterbrief besitzen, der für viele Handwerke normalerweise vorgeschrieben ist.
Man kann diese Regelung auch als „Altgesellenregelung“ verstehen. Sie richtet sich speziell an erfahrene Handwerker, die über viele Jahre praktisches Wissen in ihrem Beruf gesammelt haben.
Im Wesentlichen ist die Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO also eine alternative Qualifikation, die unter bestimmten Voraussetzungen den Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks ermöglicht.
Wer kann diese Berechtigung beantragen?
Die Ausübungsberechtigung kann von Gesellen beantragt werden, die ihre Gesellenprüfung in dem betreffenden Handwerk bestanden haben.
Dabei sind in der Regel folgende Hauptvoraussetzungen zu erfüllen:
- Bestandene Gesellenprüfung: Sie müssen die Prüfung als Geselle in dem Handwerk erfolgreich abgeschlossen haben, für das Sie die Ausübungsberechtigung beantragen möchten.
- Langjährige Berufserfahrung: Sie müssen eine mehrjährige, einschlägige Berufstätigkeit in diesem Handwerk nachweisen. Die Handwerksordnung sieht hierfür in der Regel einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren vor. Wichtig ist dabei, dass ein Teil dieser Zeit, oft mindestens vier Jahre, in einer qualifizierten Position wie beispielsweise als Geselle oder in einer leitenden Funktion absolviert wurde.
- Nachweis notwendiger Kenntnisse: Sie müssen zeigen, dass Sie über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse sowie das notwendige betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Wissen zur Führung eines Betriebs verfügen. Dieser Nachweis kann oft durch die Teilnahme an Lehrgängen oder durch Prüfungen erbracht werden.
Für Sie bedeutet das: Wenn Sie bereits viele Jahre als Geselle in einem Handwerk arbeiten und relevante Erfahrung gesammelt haben, könnte die Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO eine Möglichkeit sein, sich ohne den klassischen Meisterbrief selbstständig zu machen. Die genauen Anforderungen und der Prozess werden von der zuständigen Handwerkskammer geprüft.
Welche Kriterien muss ich erfüllen, um eine leitende Stellung im Sinne des § 7b HwO nachzuweisen?
Um im Rahmen des § 7b HwO eine leitende Stellung nachzuweisen, müssen Sie im Wesentlichen belegen, dass Sie in Ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit erhebliche Verantwortung getragen und eigenständige Entscheidungsbefugnisse hatten, die über die reine Fachausführung hinausgingen. Es geht darum, dass Sie in Ihrer Position vergleichbare Aufgaben und Kompetenzen wahrgenommen haben, wie sie typischerweise von einer qualifizierten Führungskraft oder einem Meister in dem jeweiligen Handwerk erwartet werden.
Zwei zentrale Aspekte stehen dabei im Vordergrund:
- Eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse: Sie müssen nachweisen, dass Sie in Ihrem Tätigkeitsbereich weisungsunabhängig handeln konnten. Das bedeutet, Sie haben nicht nur Anweisungen von Vorgesetzten umgesetzt, sondern hatten die Kompetenz, selbstständig und in eigener Verantwortung wichtige Entscheidungen zu treffen. Solche Entscheidungen können sich auf die Planung von Arbeitsabläufen, die technische Ausführung, die Organisation von Projekten, die Materialwirtschaft oder auch die Personaleinteilung und -führung in Ihrem Verantwortungsbereich beziehen. Es muss deutlich werden, dass Sie Gestaltungsspielraum hatten und die Letztverantwortung für bestimmte Bereiche trugen.
- Leitung eines Betriebs oder Betriebsteils: Ihre Position muss die tatsächliche Führung eines Betriebs oder zumindest eines wesentlichen, abgegrenzten Teils eines Betriebs umfasst haben. Hierbei kommt es weniger auf die formelle Stellenbezeichnung an, sondern auf die konkreten Aufgaben und die hierarchische Stellung. Sie müssen belegen können, dass Sie einem bestimmten Bereich oder einer Gruppe von Mitarbeitern vorstanden und diese im Hinblick auf die handwerkliche Leistung fachlich und organisatorisch geführt haben. Es geht um die Verantwortung für den Ablauf und das Ergebnis der handwerklichen Tätigkeiten in diesem Bereich.
Für den Nachweis sind aussagekräftige Unterlagen entscheidend, die Ihre tatsächliche Rolle und Ihre Kompetenzen im Detail beschreiben. Dazu zählen beispielsweise detaillierte Arbeitsverträge, Stellen- oder Funktionsbeschreibungen, qualifizierte Arbeitszeugnisse, Organigramme des Unternehmens oder andere Dokumente, die Ihre Verantwortungstiefe und Entscheidungsbefugnisse klar belegen. Es ist wichtig, dass diese Nachweise spezifisch auf die handwerkliche Tätigkeit im beantragten Gewerk bezogen sind.
Für die Beurteilung Ihrer Erfahrung bedeutet das: Stellen Sie sich die Frage, inwieweit Ihre bisherige Position Ihnen erlaubt hat, selbstständig zu planen, zu entscheiden und Verantwortung für Ergebnisse und Personen im handwerklichen Kerngeschäft zu übernehmen.
Welche Dokumente und Nachweise sind geeignet, um die langjährige Berufserfahrung und die leitende Stellung für den Antrag nach § 7b HwO zu belegen?
Um die erforderliche langjährige Berufserfahrung und insbesondere die leitende Stellung im beantragten Handwerk für den Antrag nach § 7b Handwerksordnung (HwO) nachzuweisen, ist es wichtig, aussagekräftige Unterlagen einzureichen. Die zuständige Behörde prüft anhand dieser Dokumente, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Geeignete Dokumente, die Ihre Qualifikation belegen können, sind vielfältig. Dazu gehören typischerweise:
Arbeitszeugnisse
Ihre Arbeitszeugnisse sind ein zentraler Nachweis. Sie sollten nicht nur die Dauer Ihrer Beschäftigung bei einem Arbeitgeber angeben, sondern vor allem auch Ihre Position und eine detaillierte Beschreibung Ihrer Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten. Besonders wichtig ist, dass aus den Zeugnissen hervorgeht, inwieweit Sie eine leitende oder verantwortliche Position innehatten und welche Aufgabenbereiche Sie dabei betreut haben. Formulierungen, die Ihre Führungsverantwortung, Entscheidungsbefugnis oder Projektleitung erkennen lassen, sind hierbei hilfreich.
Stellenbeschreibungen und Organisationspläne
Wenn vorhanden, können auch offizielle Stellenbeschreibungen Ihres Arbeitgebers eingereicht werden. Diese Dokumente legen Ihre formalen Aufgaben und Zuständigkeiten fest und können klar aufzeigen, ob Ihre Position als leitend eingestuft war. Organisationspläne des Unternehmens können zusätzlich veranschaulichen, wo Ihre Position in der Unternehmenshierarchie angesiedelt war und welche Mitarbeiter oder Bereiche Ihnen unterstellt waren.
Projektberichte und Tätigkeitsnachweise
Dokumente, die konkrete Projekte beschreiben, an denen Sie maßgeblich beteiligt waren oder die Sie geleitet haben, sind ebenfalls sehr aussagekräftig. Dazu können Projektberichte, Dokumentationen über Ihre Tätigkeiten oder Referenzschreiben von Kunden oder Geschäftspartnern zählen. Diese Unterlagen können Ihre praktischen Fähigkeiten im Handwerk und Ihre Verantwortung in der Durchführung von Projekten belegen. Es sollte deutlich werden, welche Rolle Sie in den Projekten hatten und welche Aufgaben Sie übernommen haben, insbesondere wenn es um Planung, Organisation oder technische Leitung ging.
Referenzschreiben ehemaliger Arbeitgeber
Neben formalen Arbeitszeugnissen können auch zusätzliche Referenzschreiben von ehemaligen Arbeitgebern oder Vorgesetzten nützlich sein. Solche Schreiben können Ihre Leistung, Ihre Fähigkeiten und Ihre Erfahrung in der Mitarbeiterführung oder Projektsteuerung aus Sicht des Verfassers bestätigen.
Für die Behörde ist es entscheidend, dass die eingereichten Dokumente klar, detailliert und widerspruchsfrei Ihre langjährige praktische Tätigkeit im relevanten Handwerk und Ihre Erfahrung in einer leitenden Funktion belegen. Je genauer die Beschreibung Ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeiten ist und je deutlicher Ihre Führungstätigkeiten hervorgehen, desto überzeugender sind die Nachweise. Es empfiehlt sich, möglichst umfassende und aussagekräftige Dokumente zusammenzustellen, die den Zeitraum und die Art Ihrer Berufstätigkeit lückenlos und detailliert abbilden.
4. Was bedeutet Prozesskostenhilfe (PKH) und wann habe ich Anspruch darauf?
Prozesskostenhilfe, oft mit PKH abgekürzt, ist eine staatliche Unterstützung für Menschen, die die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht oder nur teilweise selbst tragen können. Stellen Sie sich vor, Sie müssten vor Gericht Ihre Rechte verteidigen, haben aber nicht genug Geld für die Gebühren und Anwaltskosten. PKH soll sicherstellen, dass jeder – unabhängig von seinem Einkommen oder Vermögen – Zugang zur Justiz hat und seine rechtlichen Interessen verfolgen kann. Sie verhindert, dass jemand aus finanziellen Gründen auf einen notwendigen Prozess verzichten muss.
Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe
Ob Sie Prozesskostenhilfe erhalten können, hängt im Wesentlichen von zwei Hauptbedingungen ab:
- Ihre finanzielle Situation: Sie dürfen die Kosten des Verfahrens nicht selbst bezahlen können.
- Die Erfolgsaussichten Ihres Falls: Ihr beabsichtigter Rechtsstreit darf nicht offensichtlich aussichtslos sein.
Beide Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein.
Die finanzielle Situation
Hier wird geprüft, ob Ihnen nach Abzug bestimmter Ausgaben noch genug Geld bleibt, um die Prozesskosten zu decken. Dabei wird Ihr Einkommen betrachtet. Davon abgezogen werden zum Beispiel:
- Mietkosten und Heizkosten
- Kosten für Ihren eigenen Lebensunterhalt (dafür gibt es gesetzlich festgelegte Freibeträge)
- Unterhaltszahlungen, zu denen Sie gesetzlich verpflichtet sind
- Eventuelle besondere Belastungen, zum Beispiel aufgrund einer Krankheit
- Kosten, die Ihnen durch Ihre Arbeit entstehen (zum Beispiel Fahrtkosten)
Was nach Abzug dieser Beträge übrig bleibt, ist Ihr verfügbares Einkommen. Ist dieses Einkommen gering oder gar nicht vorhanden, liegt oft eine finanzielle Bedürftigkeit vor.
Auch Ihr Vermögen wird geprüft. Grundsätzlich müssen Sie Ihr Vermögen einsetzen, bevor Sie PKH erhalten. Es gibt jedoch Ausnahmen: Einige Vermögenswerte müssen nicht eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel ein geringes Schonvermögen (ein kleiner Betrag auf dem Sparbuch) oder selbst genutzter angemessener Wohnraum.
Die Erfolgsaussichten
Neben der finanziellen Situation prüft das Gericht, ob Ihr Fall eine gewisse Aussicht auf Erfolg hat. Das bedeutet nicht, dass Sie den Prozess sicher gewinnen müssen. Aber Ihr Anliegen darf nicht von vornherein offensichtlich unbegründet oder sinnlos sein. Das Gericht prüft, ob Ihr Fall rechtlich und tatsächlich so liegt, dass ein Erfolg möglich erscheint.
Wenn Sie Prozesskostenhilfe erhalten, kann sie entweder „mit Ratenzahlungen“ oder „ohne Ratenzahlungen“ bewilligt werden. Dies hängt von Ihrem verfügbaren Einkommen ab. Selbst wenn Sie zunächst PKH erhalten, kann das Gericht später noch einmal prüfen, ob sich Ihre finanzielle Situation verbessert hat und Sie doch Raten zahlen können.
Prozesskostenhilfe deckt in der Regel die eigenen Anwaltskosten (bis zu gesetzlich festgelegten Sätzen) sowie die Gerichtskosten. Wenn Sie den Prozess verlieren, können die Kosten der Gegenseite unter Umständen trotzdem auf Sie zukommen, auch wenn Sie PKH erhalten haben. Dies hängt von der jeweiligen Verfahrensart ab.
Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO abgelehnt wurde?
Wenn Ihr Antrag auf eine Ausübungsberechtigung nach § 7b der Handwerksordnung abgelehnt wurde, haben Sie grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, wie Sie mit dieser Entscheidung umgehen können. Die Ablehnung ist ein sogenannter Verwaltungsakt, also eine verbindliche Entscheidung einer Behörde.
Prüfung der Ablehnung und mögliche Schritte
Zuerst sollten Sie die Ablehnung genau prüfen. Darin muss die Behörde begründen, warum Ihr Antrag abgelehnt wurde. Außerdem finden Sie in der Ablehnung eine sogenannte Rechtsbehelfsbelehrung. Diese erklärt, welche Schritte Sie gegen die Entscheidung unternehmen können und welche Fristen dafür gelten. Diese Informationen sind sehr wichtig.
Grundsätzlich gibt es nach einer Ablehnung zwei Hauptrichtungen, wie Sie weiter vorgehen können:
- Gegen die Entscheidung vorgehen: Sie können versuchen, die Ablehnungsentscheidung überprüfen und gegebenenfalls ändern zu lassen. Die typischen Wege dafür sind:
- Widerspruch einlegen: Das ist ein förmlicher Einspruch gegen die Entscheidung bei der Behörde selbst, die den Antrag abgelehnt hat. Die Behörde überprüft dann ihre eigene Entscheidung erneut. Im Widerspruch legen Sie dar, warum die Ablehnung Ihrer Meinung nach falsch ist. Für den Widerspruch gibt es eine gesetzliche Frist. Diese beträgt in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe der Ablehnung. Die genaue Frist und bei welcher Stelle der Widerspruch einzulegen ist, steht in der Rechtsbehelfsbelehrung des Ablehnungsbescheids.
- Klage erheben: Wenn Ihr Widerspruch keinen Erfolg hat (dies wird durch einen Widerspruchsbescheid mitgeteilt), oder in bestimmten Fällen auch direkt nach der Ablehnung, können Sie Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Auch hierfür gibt es Fristen, die ebenfalls in der Rechtsbehelfsbelehrung bzw. im Widerspruchsbescheid genannt sind. Der Gang vor Gericht ist ein aufwendigeres Verfahren.
- Einen neuen Antrag stellen: Wenn die Gründe für die Ablehnung klar benannt wurden und Sie diese Gründe beheben können (z.B. fehlende Nachweise nachreichen, zusätzliche Qualifikationen erwerben), besteht oft die Möglichkeit, einen neuen Antrag mit verbesserten Unterlagen zu stellen. Dies ist keine Anfechtung der alten Entscheidung, sondern ein völlig neues Verfahren.
Fristen sind entscheidend
Unabhängig davon, welchen Weg Sie wählen, ist es sehr wichtig, die Fristen genau zu beachten. Insbesondere für den Widerspruch und die Klage sind die Fristen bindend. Wenn Sie eine Frist versäumen, wird die Ablehnung in der Regel bestandskräftig und kann dann nicht mehr durch Widerspruch oder Klage angefochten werden.
Informieren Sie sich genau über die in Ihrem Ablehnungsbescheid genannten Fristen und Verfahrenswege, um Ihre Möglichkeiten zu verstehen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO
Die Ausübungsberechtigung nach § 7b der Handwerksordnung (HwO) erlaubt es erfahrenen Gesellen, einen zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb auch ohne Meisterbrief selbstständig zu führen. Dafür müssen sie umfangreiche Berufserfahrung, insbesondere mehrere Jahre in einer leitenden Stellung, nachweisen. Diese Regelung soll qualifizierten Fachkräften den Zugang zur Betriebsausübung ermöglichen, um die Meisterpflicht in bestimmten Fällen auszugleichen.
Beispiel: Ein Elektroniker, der mehrere Jahre als Bauleiter mit eigenverantwortlichen Aufgaben gearbeitet hat, kann so eine eigene Werkstatt eröffnen, auch wenn er keinen Meistertitel besitzt.
Leitende Stellung
Eine leitende Stellung ist eine berufliche Funktion, bei der eine Person eigenverantwortlich und selbständig Entscheidungen trifft, die für einen Betrieb oder einen wesentlichen Betriebsteil von Bedeutung sind. Dazu gehört typischerweise die fachliche und organisatorische Führung von Mitarbeitern oder Projekten. Diese Position muss deutlich über den Aufgaben eines normalen Gesellen liegen und mit rechtlicher Verantwortung verbunden sein.
Beispiel: Ein Bauleiter, der Mitarbeiter anweist, Termine plant und Entscheidungen über den Projekteinsatz trifft, befindet sich in einer leitenden Stellung.
Prozesskostenhilfe (PKH)
Prozesskostenhilfe ist staatliche Unterstützung für Personen, die die Kosten eines Gerichtsverfahrens nicht selbst tragen können. Sie setzt voraus, dass der Antragsteller finanziell bedürftig ist und sein Rechtsstreit eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. PKH soll sicherstellen, dass jeder Zugang zur Justiz hat, selbst wenn er wenig Geld besitzt.
Beispiel: Ein Handwerker, der gegen die Ablehnung seiner Betriebserlaubnis klagt, aber kein Geld für Anwalt und Gericht hat, kann PKH beantragen, damit der Staat die Verfahrenskosten übernimmt.
Erfolgsaussichten im Verfahren um Prozesskostenhilfe
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss das Gericht prüfen, ob die Klage nach aktuellem Stand nicht von vornherein aussichtslos ist. Es wird keine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn erwartet, sondern nur, dass zumindest eine realistische Chance besteht. Schwierige oder ungeklärte Fragen sollen in der Hauptsache geklärt werden, nicht bereits im PKH-Verfahren.
Beispiel: Wenn ein Handwerker Unterlagen vorlegt, die zumindest die Möglichkeit einer leitenden Tätigkeit nahelegen, reicht das für Prozesskostenhilfe – eine endgültige Entscheidung wird erst im Hauptverfahren getroffen.
Hauptsacheverfahren
Das Hauptsacheverfahren ist das gerichtliche Verfahren, in dem über den eigentlichen Streitfall entschieden wird. Hier wird der Sachverhalt umfassend aufgeklärt, Beweise werden erhoben und gewürdigt. Anders als im früheren Prozesskostenhilfeverfahren wird im Hauptverfahren endgültig entschieden, ob der Antragsteller die Ausübungsberechtigung erhält oder nicht.
Beispiel: Im Hauptverfahren wird z.B. geprüft, ob die Tätigkeit des Handwerkers tatsächlich vier Jahre lang eine leitende Stellung darstellte; Zeugen können befragt und alle Beweismittel ausgewertet werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 7b Handwerksordnung (HwO): Regelt die Ausübungsberechtigung für Handwerker ohne Meisterbrief, insbesondere die Voraussetzungen hinsichtlich Berufserfahrung und leitender Stellung. Eine wesentliche Voraussetzung ist die mindestens vierjährige Tätigkeit in einer leitenden, eigenverantwortlichen Position im Handwerk. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antragsteller muss nachweisen, dass er diese Zeit in einer qualifizierten leitenden Funktion tätig war, was zentral für die Klage um die Ausübungsberechtigung ist.
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) § 166 i.V.m. Zivilprozessordnung (ZPO) § 114: Bestimmen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, insbesondere die hinreichende Aussicht auf Erfolg im Verfahren. Die Erfolgsaussicht muss nicht überwiegend wahrscheinlich sein, sondern darf nur nicht von vornherein ausgeschlossen sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OVG NRW prüfte unter diesem Maßstab, ob die Klage des Handwerkers zur Überprüfung der Ausübungsberechtigung ausreichend Erfolg verspricht und bewilligte daher Prozesskostenhilfe.
- Artikel 12 Grundgesetz (GG) – Berufsfreiheit: Schützt die Freiheit der Berufsausübung und verlangt eine verhältnismäßige Auslegung von Regelungen wie der Meisterpflicht. Die Ausnahmeregelung in § 7b HwO muss daher großzügig interpretiert werden, um Berufswahlfreiheit und Existenzgründung zu ermöglichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OVG betont die Bedeutung dieser Grundrechtsgarantie zur Unterstützung des Klägers und lehnt eine zu enge Auslegung der Anforderungen an die leitende Stellung ab.
- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Verwaltungsrecht: Verpflichtet zur angemessenen Ausgestaltung von Eingriffen und zur Vermeidung unnötiger Hürden bei Bewilligung von Berechtigungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Anforderungen an die Nachweise der leitenden Tätigkeit dürfen nicht überzogen streng ausgelegt werden, um den Zugang zur Ausübungsberechtigung nicht unverhältnismäßig zu erschweren.
- Beweisrecht im Verwaltungsprozess: Regelt die Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung, insbesondere dass die Beweiserhebung und Beweiswürdigung im Hauptsacheverfahren stattfinden muss, nicht im PKH-Verfahren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Unklarheiten bezüglich der Nachweise der leitenden Stellung müssen im Hauptverfahren durch Beweiserhebung geklärt werden, daher ist die Prozesskostenhilfe gerechtfertigt trotz noch nicht abschließend bewiesener Erfolgsaussichten.
- Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 47 EU-Grundrechtecharta): Gewährleistet Bürgern den Zugang zu Gerichten und die Möglichkeit, Verwaltungsakte gerichtlich überprüfen zu lassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird dem Handwerker ermöglicht, seine Rechte effektiv wahrzunehmen, auch wenn die Erfolgsaussichten noch ungeklärt sind.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: 4 E 816/21 – Beschluss vom 15.03.2022
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