LG Köln – Az.: 90 O 11/21 – Urteil vom 23.07.2021
In dem Rechtsstreit hat die 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 02.07.2021 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, die auf anliegendem Plan rot markierte, auf dem ### Platz in ### vor den Ein-/Ausgängen zum Hauptbahnhof gelegene Fläche zu räumen und an die Klägerin herauszugeben, d.h. den auf der Fläche befindlichen Verkaufsstand vollständig zu entfernen, die im Boden des Breslauer Platzes vom bzw. zum Verkaufsstand führenden Versorgungsleitungen zurückzubauen und die Platzfläche im Anschluss wieder in den vorherigen Zustand zu versetzen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand
Die Klägerin vermietete an die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Vertrag vom 25.01.2000 eine Fläche zum Aufstellen und Betrieb eines Verkaufsstandes auf dem Breslauer Platz vor dem gleichnamigen Ein-/Ausgang des Kölner Hauptbahnhofs. Hierbei vereinbarten die Parteien eine umsatzbezogene Miete, diese allerdings mit einer festgelegten und über die Vertragslaufzeit angepassten Mindestmiete, zuletzt in Höhe von 5.000,00 Euro netto zuzüglich Nebenkostenpauschale und Werbeumlage, insgesamt 6.148,50 Euro brutto. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Fotokopie zur Akte gereichten Mietvertrag nebst Nachträgen Bezug genommen.
Unter Wahrnehmung der in § 6 Abs. 3 des Mietvertrags eingeräumten Optionen verlängerte sich das Mietverhältnis zunächst bis zum 31.12.2019 und sodann erneut um ein weiteres Jahr bis zum 31.12.2020. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 08.01.2020. Einer Aufforderung der Klägerin mit Schreiben vorn 23.11.2020, die Mietfläche zum Ende der Mietzeit ordnungsgemäß zurückzugeben, kam die Beklagte nicht nach. Sie äußerte allerdings Bereitschaft, den Verkaufsstand auf eine andere Fläche zu verlegen, was die Klägerin ablehnte.
Ab Februar 2021 stellte die Beklagte die Zahlung der Nutzungsentschädigung ein. Im Hinblick darauf kündigte die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.05.2021 hilfsweise das Mietverhältnis erneut fristlos.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den auf anliegenden Plan rot markierte Fläche vor den Ein-/Ausgängen zum Hauptbahnhof auf dem ### Platz in ### zu räumen und an die Klägerin herauszugeben, d.h. den auf der Fläche befindlichen Verkaufsstand vollständig zu entfernen und die im Boden des ### vom bzw. zum Verkaufsstand führenden Versorgungsleitungen zurückzubauen und die Platzfläche im Anschluss wieder in den vorherigen Zustand zu versetzen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, infolge der Covid 19-Pandemie liege eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, mit der Folge, dass eine Anpassung des Mietvertrags gemäß § 313 Abs. 1 BGB durch eine Verlängerung der Vertragslaufzeit geboten sei, um der Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die Mindestumsatzmiete zu erwirtschaften. Die Beklagte habe einen massiven Umsatzeinbruch zu verzeichnen gehabt. Während sie im Zeitraum von Januar bis Dezember 2019 noch Umsatzerlöse in Höhe von 377.860,98 Euro erwirtschaftet habe, hätten im Vergleichszeitraum 2020 die Umsätze nur noch 283.423,06 Euro betragen. Zwar sei ihr eigener Betrieb nicht durch Coronamaßnahmen betroffen gewesen, allerdings habe sich die Zahl der potentiellen Kunden durch die Reduktion des Reiseverkehrs infolge solcher Maßnahmen entsprechend verringert. Gegebenenfalls sei auch eine Mietreduktion veranlasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02.07.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gemäß § 546 Abs. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 1 des Mietvertrags einen Anspruch auf Räumung der gemieteten Fläche im tenorierten Umfang.
a) Die Klägerin hat das Mietverhältnis fristgerecht zum 31.12.2020 gekündigt
Die Beklagte hat demgegenüber schon nicht ausreichend dargetan, dass ihr entsprechend ihrer Argumentation infolge der Covid19-Pandemie gemäß § 313 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags durch eine Verlängerung der Vertragslaufzeit zusteht.
Hierzu genügt die bloße Darlegung von Umsatzeinbußen nicht, schon weil diese ins Verhältnis zu möglicherweise geminderten Unkosten infolge Kurzarbeit usw. oder etwaigen staatlichen Hilfen zu setzen sind. Jedenfalls aber müssen die Umsatzeinbußen unmittelbar auf einer staatlichen Maßnahme zum Infektionsschutz beruhen; es reicht nicht, dass sie lediglich einen Ausfluss solcher Maßnahmen darstellen. Dies folgt bereits aus der Begründung des Gesetzgebers zu der Vermutung des Vorliegens einer Störung der Geschäftsgrundlage in Art. 240 § 7 EGBGB, wonach maßgebend für eine: etwaige Anpassung des Mietzinses gemäß § 313 BGB nur ein Umsatzeinbruch sein kann, der unmittelbar auf der staatlichen Maßnahme zum Infektionsschutz beruht, nicht hingegen ein solcher, der mittelbare Folge eines aufgrund der Pandemie veränderten Kundenverhaltens ist (BT-Drs. 19/25322, Seite 20;, dazu OLG Köln, Beschluss vom 10.05.2021, Az.. 22 W 8/21). Die Beklagte beruft sich vorliegend allerdings allein auf Auswirkungen durch verändertes Verhalten von potentiellen Reisekunden.
b) Selbst wenn jedoch eine Vertragsverlängerung als Folge einer Veränderung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB veranlasst wäre, ist der Räumungsanspruch der Klägerin begründet. Denn dann greift die von der Klägerin hilfsweise gemäß § 6 Abs. 4 Spiegelstrich 2 des Mietvertrags erklärte fristlose Kündigung.
Die Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 14.05.2021 zum Ausbleiben jeglicher Mietzins-/Nutzungsentschädigungszahlung seit Februar 2021 nicht bestritten. Soweit ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung eine nachträgliche Zahlung erwähnt hat, ist dies nicht, auch nicht im Nachgang zur mündlichen Verhandlung ausreichend konkretisiert worden. Unabhängig, davon kann der Räumungsanspruch im Gewerbemietrecht nicht durch eine nachträgliche Zahlung zu Fall gebracht werden.
Die Voraussetzungen von § 6 Abs. 4 Spiegelstrich 2 des Mietvertrags liegen selbst dann vor, wenn gemäß § 313 Abs. 1 BGB ein Anspruch der Beklagten auf Minderung der Miete um – so regelmäßig in der Rechtsbrechung – die Hälfte bestanden hätte. Auch dann wäre die Beklagte im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung mit zwei Monatsmieten im Rückstand gewesen.
2.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, 108 ZPO.