Oberlandesgericht Dresden
Az: 5/23 U 2557/01
Verkündet am 12.03.2002
Vorinstanz: Landgericht Dresden – Az.: 3 O 1847/01
In dem Rechtsstreit wegen Mietzinsforderung hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2002 für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.09.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dresden – 3 O 1847/01 – wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.339,09 Euro (= 24.133,17 DM) nebst 6,26 % Zinsen aus 5.041,33 Euro seit dem 24.03.2001 sowie i.H.v. 5 %-Punkten über Basiszinssatz aus weiteren 6.279,15 Euro seit dem 19.02.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Beschwer der Klägerin beträgt 10.885,63 Euro, die der Beklagten 6.279,15 Euro.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 17.164,79 Euro (33.571,41 DM).
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten in der Berufung noch um eine Nachzahlung aus einer Betriebskostenabrechnung der Klägerin, um die Nachentrichtung der Differenz zwischen den für November 2000 bis März 2001 von der Beklagten geleisteten und den von der Klägerin geforderten – angehobenen -Betriebskostenvorauszahlungen sowie um einen daraus resultierenden Zinsschaden. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen und ausgeführt, die Betriebskostenabrechnung der Klägerin sei nicht prüfbar, weshalb die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen sei, die nach Übersendung der Betriebskostenabrechnung geforderte erhöhte Vorauszahlung zu leisten.
Entscheidungsgründe:
Die . zulässige Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil hat nur zum Teil Erfolg. Die Klägerin kann aus der streitigen Betriebskostenabrechnung weitere 6.279,15 Euro (12.280,96 DM) nebst Prozesszinsen beanspruchen.
1. Betriebskostenabrechnung September 1998 bis August 1999:
a) Die Parteien haben im Mietvertrag vom 15.01.1998 für die von der Beklagten gemieteten Geschäfts- und Büroräume eine Umlage der von der Klägerin abgerechneten Betriebskosten vereinbart. Die Klägerin hat daher nach Abrechnung Anspruch auf einen sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag.
Nicht zu beanstanden ist weiter, dass die Klägerin über die Betriebskosten jeweils für den Zeitraum 01.09. bis 30.08. des Folgejahres abgerechnet hat. Zwar war nach dem Vertrag Mietbeginn der 01.10.1998. Das Mietobjekt wurde der Beklagten aber schon zum 01.09.1998 übergeben, so dass Betriebskosten ab diesem Zeitraum angefallen sind und die gemäß § 11 Nr. 3 des Vertrages vereinbarte jährliche Abrechnung jeweils den Zeitraum 01.09. bis 30.08. des FolgeJahres umfassen durfte. Die Beklagte beanstandet diese nach Maßgabe von § 315 Abs. 1 BGB ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 6. Aufl., Rdn. 3190) auch nicht.
Die der Beklagten übersandte Abrechnung ist rechnerisch nachvollziehbar, und zwar sowohl hinsichtlich der ausgewiesenen Gesamtkosten als auch in Bezug auf den Anteil der Beklagten. Sie enthält die Mindestangaben, die nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1982, 573) in einer den Anforderungen des § 259 Abs. 1 BGB genügenden geordneten Abrechnung enthalten sein müssen, nämlich die Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung des zugrunde gelegten Verteilerschlüssels, die Berechnung des Mieteranteils und den Abzug der geleisteten Vorauszahlungen. Insoweit ist die Abrechnung klar, übersichtlich und aus sich heraus verständlich. Insbesondere ergeben sich hinsichtlich des Verteilerschlüssels keine Unklarheiten.
b) Allerdings war die Abrechnung ursprünglich in einer Position nicht prüffähig, und zwar hinsichtlich der mit 104.296,44 DM ausgewiesenen Heizungskosten. Denn die Klägerin hat unter diesem Begriff in der Abrechnung mehrere Kostenpositionen unzulässigerweise (BGH, a.a.O., 574, unter I.2.b, aa) zusammengefasst, nämlich die eigentlichen Heizkosten, weitere „Sonderkosten“ (u.a. Klimaanlage) und Wasserkosten, wie sich im Verlauf des Berufungsverfahrens herausgestellt hat. Damit war die ursprünglich vorgelegte Abrechnung schon im Ansatz nicht prüffähig, denn der Mieter muss aus ihr die ihm angelasteten Kosten spezifiziert – also nach Kostenarten getrennt – entnehmen und sie einer Überprüfung unterziehen können, so dass die Einsichtnahme in Belege nur noch der Kontrolle zu dienen hätte. Diesen Anforderungen genügte die Abrechnung aus den genannten Gründen ursprünglich jedoch nicht. Das Landgericht hat die Klage insoweit zu Recht als derzeit nicht begründet abgewiesen.
Die Klägerin hat die notwendige Aufschlüsselung jedoch im Verlaufe der Berufung vorgenommen, weshalb die Abrechnung bei Schluss der mündlichen Verhandlung jedenfalls prüffähig geworden war (vgl. BGH a.a.O.). Der Vermieter kann die notwendige Erläuterung und Ergänzung in derartigen Fällen im Rechtsstreit nachholen bzw. die Abrechnung entsprechend ergänzen. Das kann er auch noch in der Berufung tun, wie es auch hier geschehen. ist (Schmid, Rdn. 7032). Das Rechtsmittel ist in diesen. Fällen nicht deshalb unzulässig, weil der Vermieter die zweite Instanz – nur – dazu nützt, die vom Gericht des ersten Rechtszuges als nicht prüffähig angesehene Betriebskostenabrechnung „nachzubessern“. Insbesondere bekämpft er mit seinem Rechtsmittel die durch das angefochtene Urteil geschaffene Beschwer (a.A. LG Berlin GE 1999, 1497). Die Vorlage einer prüffähigen Abrechnung erst im Verlaufe des Berufungsrechtszuges kann für den Vermieter allerdings nachteilige Folgen hinsichtlich der Kostenentscheidung haben (vgl. hierzu unten).
c) Die danach prüffähige Betriebskostenabrechnung ist mithin auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen. Streitig sind nur die Posten Heizungskosten mit 21.361,26 DM und die Stromkosten Allgemein mit 1.127,60 DM. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Klägerin als Vermieterin (Langenberg, Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 2. Aufl., K Rdn. 19).
aa) Heizungskosten:
Die Klägerin hat durch Vorlage der Aufstellung der Firma B vom 27.09.2000 („Gesamtabrechnung Heizkosten und Kaltwasserkosten“) nachvollziehbar dargelegt, dass , in dem in der Gesamtabrechnung genannten Posten i.H.v. 104.296,44 DM anteilige Grund- und Verbrauchskosten Heizung von 55.723,92 DM enthalten sind. Das korrespondiert mit der Heizkostenabrechnung B (Bl.137 dA), die der Beklagten zugegangen ist; dort erscheint der vorstehende Betrag unter der Rubrik „Kostenaufstellung“ als „Summe der Kosten“. Die danach der Beklagten anteilig in Rechnung gestellten Posten (Wärmekosten, Gerätemiete und Verbrauchsabrechnung) werden von ihr nicht bestritten. Dasselbe gilt für die Umlegung auf die Beklagte nach Grund- und Verbrauchskosten mit ins-1 gesamt 9.980,22 DM. Insoweit bringt die Beklagte gegen die Abrechnung keine Einwendungen vor, so dass von deren Richtigkeit auszugehen ist.
bb) Kälteanlage:
Die Abrechnung B belastet die Beklagte von den in der Gesamtabrechnung ausgewiesenen 41.458,77DM (dort als „Sonderkosten“ bezeichnet) anteilig mit 10.349,03 DM. Die Klägerin hat hierzu nach entsprechendem Hinweis des Senats, der ihren Prozessbevollmächtigten am 31.12.2001 zugegangen ist, erst mit Schriftsatz vom 08.02.2002 die notwendigen Einzelheiten vorgetragen. Danach soll der Betrag aus abgelesenem Stromverbrauch der Kälteanlage resultieren. Die Beklagte hat von dem Schriftsatz erst einen Tag vor dem abschließenden Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat Kenntnis erhalten und das Vorbringen der Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 05.03.2002 substantiiert bestritten.
Damit wäre über die Behauptung der Klägerin Beweis einzuziehen, und zwar durch Vernehmung des als Zeugen („N.N.“) benannten Mitarbeiters der Streitverkündeten. Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 08.02.2002 kann allerdings wegen Verspätung (§§ 528 Abs. 2, 282 Abs. 1 a.F. ZPO), die auf grober Nachlässigkeit beruht, nicht berücksichtigt werden. Der erst unmittelbar vor dem Verhandlungstermin vom 19.02.2002 gehaltene Vortrag hätte, wenn er nicht schon in der Berufungsbegründung enthalten war, so doch schleunigst nach dem in der Terminsverfügung vom 21.12.2001 enthaltenen Hinweis des Senats nachgeholt werden müssen, und zwar so rechtzeitig vor dem Termin am 19.02.2002, dass der Senat hierzu vorbereitend ggf. den Zeugen hätte laden bzw. sich die Unterlagen vorlegen lassen hätte können. Die Beklagte hat die behaupteten „Sonderkosten“ bzw. die Kosten der Kälteanlage schon im ersten Rechtszug und sodann in der Berufungserwiderung ausdrücklich bestritten. Es hätte daher einer sorgfältigen Prozessführung entsprochen, wenn die Klägerin sich dazu schon viel früher geäußert hätte.
Die Verspätung ist somit auf grobe Nachlässigkeit der Klägerin zurückzuführen. Die Zulassung des Vorbringens würde, da eine Beweisaufnahme notwendig wäre, die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Der Vortrag muss daher unberücksichtigt bleiben. Die Klage ist in diesem Punkt nicht begründet.
cc) Vorstehendes gilt entsprechend für die Positionen Nutzerwechsel und Verbrauchsschätzung. Es ist zudem völlig unklar, welche Kosten die Klägerin hier der Beklagten in Rechnung stellt.
Nicht angegriffen von der Beklagten und daher unstreitig sind dagegen die in der Abrechnung B enthaltenen Posten Gerätemiete, Wasser/Grundgebühr, Abwasser und Abrechnungskosten mit insgesamt 1.006,43 DM. Nach § 11 des Mietvertrages kann die Klägerin auch „Wassergeld“ abrechnen, nämlich Kosten für Wasser und Abwasser (vgl. LG Berlin GE 1996, 125). Die übrigen genannten Posten sind belegt und ebenfalls auf die Beklagte umlegbar.
dd) Stromkosten Allgemein:
Auch dieser Posten ist belegt und von der Beklagten der Höhe nach ausdrücklich anerkannt. Ihre Einwendung, die Kosten würden von der Klägerin doppelt berechnet, ist nicht nachvollziehbar.
d) Damit ergibt sich für die Betriebskostenabrechnung nach Streichung der o.g. und nicht zu berücksichtigenden Positionen folgende Berechnung:
Gesamtkosten Beklagte: 49.028,73 DM
abzgl. Heizkosten („B“) 21.361,26 DM
27.667,47 DM
zuzgl. berechtigte Forderung Heizung (oben c, aa) 9.980,22 DM
dito (oben c, cc) 1.006,43 DM
38.654,12 DM
abzgl. geleisteter Vorauszahlungen 26.373,16 DM
12.280,96 DM
Diesen Betrag hat die Beklagte aus der Abrechnungsperiode 1998 bis August 1999 an die Klägerin demnach nachzuentrichten.
2. Nachforderung Differenz Betriebskostenvorauszahlung:
a) Nach § 11 Nr. 2 Satz 3 des Mietvertrages legt der Vermieter die Vorauszahlungen für die jeweils folgenden Abrechnungsjahre neu fest, und zwar „entsprechend dem Kostenanfall des Vorjahres“. Eine solche Klausel ist in gewerblichen Mietverträgen grundsätzlich wirksam (Langenberg E Rdn. 16), und zwar auch in einem Formularvertrag, wie er hier geschlossen worden ist.
Der Vermieter kann nach einer solchen Klausel auf der Grundlage einer Betriebskostenabrechnung über den letzten Abrechnungszeitraum eine Erhöhung der vereinbarten Betriebskostenvorauszahlung verlangen. In der Klausel ist hier zwar missverständlich vom „Kostenanfall des Vorjahres“ die Rede. Die Parteien gehen aber übereinstimmend davon aus, dass hiermit die vom Vermieter erstellte Betriebskostenabrechnung des letzten abgerechneten Jahres gemeint war.
b) Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 29.09.2000 anstelle der bis dahin vereinbarten 2.397,55 DM brutto eine Vorauszahlung von künftig monatlich 4.558,80 DM gefordert. Dieser Betrag lässt sich allerdings anhand der gleichzeitig vorgelegten Abrechnung nicht rechtfertigen. Legt man nämlich den danach auf die Beklagte zukommenden Abrechnungsbetrag auf 12 Monate um, so errechnet sich eine Vorauszahlung von monatlich 4.085,73 DM einschließlich Umsatzsteuer. Die Klägerin fordert mithin rund 473,00 DM monatlich mehr, als ihr nach dieser Abrechnung tatsächlich zustehen würde.
c) Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob der Mieter die geforderte Anhebung der Vorauszahlung auch schuldet, wenn die Abrechnung, auf die der Vermieter sein Anpassungsverlangen stützt, nicht nachvollziehbar ist und unter Umständen auch Kosten enthält, die nicht gerechtfertigt sind.
Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. Teil III Rdn. 327) genügt zwar für die Begründung des Erhöhungsverlangens die Vorlage einer Abrechnung; diese muss aber nachvollziehbar und prüffähig sein. Andererseits ließe sich auch vertreten, dass eine nur formell ordnungsgemäße Abrechnung für die Erhöhung der Vorauszahlung ausreicht, wenn sie nicht offensichtlich inhaltlich falsch ist. Denn der Mieter leistet die geforderten Beträge letztlich als Vorauszahlung auf eine künftige Jahresabrechnung. Er verliert den ggf. von ihm zu viel entrichteten Betrag daher nicht und erleidet keinen Schaden, wenn er zunächst überhöhte Betriebskosten vorauszahlt.
Der Meinung von Sternel ist beizupflichten. Es würde nicht dem Grundsatz der Billigkeit entsprechen, wie, er sich aus § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ergibt, wenn der Vermieter eine für den Mieter nicht durchschaubare Betriebskostenabrechnung vorlegen und darauf gestützt eine – unter Umständen erheblich überhöhte – Vorauszahlung auf die Betriebskosten verlangen könnte. Das zeigt gerade der vorliegende Fall, wo die Klägerin sich erst nach rund 10-monatiger Prozessdauer, etwa 1 1/2 Jahre nach Übersendung der Abrechnung, in der Lage gesehen hat, betragsmäßig erheblich ins Gewicht fallende Positionen der Abrechnung nachvollziehbar zu erläutern.
d) Damit ist der Anspruch auf Nachentrichtung der Differenz zwischen den geforderten und den geleisteten Vorauszahlungen für die Monate November 2000 bis März 2001 frühestens im Verlaufe des Berufungsverfahrens fällig geworden, also im Februar 2002. Nachdem zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in dieser Sache jedoch bereits das Abrechnungsjahr (01.09.2000 bis 31.08.2001) abgelaufen war, für welches die Klägerin die erhöhten Vorauszahlungen fordert, ist eine Nachentrichtung von der Beklagten nicht geschuldet. Der Vermieter kann die Anpassung immer nur für die Zukunft verlangen, nicht jedoch für bereits abgelaufene Abrechnungszeiträume (Sternel, a.a.O.).
Die Klage ist daher in Höhe des mit der Berufung geforderten Betrages von 10.806,20 DM unbegründet.
3. Zinsschaden
Nach den vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin auf – den eingeklagten Zinsschaden, der ihr durch die verspätete Leistung der erhöhten Vorauszahlung entstanden sein soll, keinen Anspruch. Die Beklagte schuldet allerdings Prozesszinsen auf den sich aus der Nachzahlung der Betriebskostenabrechnung ergebenden Betrag gemäß § 291 BGB, und zwar seit Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug hat ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des zweiten Rechtszuges fallen in vollem Umfang der Klägerin zur Last, §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 2 ZPO; die Klägerin hätte den Vortrag, auf dessen Grundlage sie in der Berufung teilweise obsiegt hat, bereits im ersten Rechtszug halten können und müssen; daher hat sie auch die Kosten zu tragen, soweit sie letztlich den Rechtsstreit gewonnen hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision liegen nicht vor.