Landesarbeitsgericht Köln
Az: 4 Sa 1024/08
Urteil vom 22.05.2009
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.07.2008 – 2 Ca 2994/07 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten – soweit das im vorliegenden Berufungsverfahren noch anfällt – um die Wirksamkeit einer dem Kläger am 29.10.2007 ausgesprochenen Kündigung zum 30.11.2007. Der Streit geht im Wesentlichen darum, ob auf den Betrieb der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz nach § 23 KSchG Anwendung findet und ob die Kündigung aus außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegenden Gründen unwirksam ist.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 25.08.2008 zugestellte Urteil vom 30.07.2008 hat der Kläger am 26.08.2008 Berufung eingelegt und diese am 04.09.2008 begründet. Er wendet sich im Wesentlichen mit Ausführungen zur Beweiswürdigung und zur nach seiner Auffassung erforderlichen Vernehmung weiterer Zeugen gegen das erstinstanzliche Urteil. Wegen des genauen Inhalts der Berufungsbegründung wird auf diese (Bl. 191 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn, AZ: 2 Ca 2994/07 vom 30.07.2008, zugestellt am 25.08.2008, abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 208 ff. d. A.) Bezug genommen.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg.
Die Kammer folgt dem Ergebnis und zum größten Teil auch der Begründung der angefochtenen Entscheidung und nimmt daher zunächst gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf diese Bezug. Dieses gilt mit den im Folgenden darzustellenden Abweichungen und Ergänzungen im Hinblick auf die Argumente der Berufung:
A. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG beschäftigte.
I. Zu den Personen, deren Beschäftigungsumfang in der Berufungsinstanz noch streitig ist, gilt Folgendes:
1. Zu Frau D
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Beschäftigungsumfang Frau D 20 Wochenstunden nicht überschritt und dass diese deshalb mit dem Faktor 0,5 anzurechnen ist. Dazu meint die Berufung, das Arbeitsgericht habe die Aussagen Frau D in der Beweisaufnahme nicht richtig gewürdigt. Der Kläger beruft sich darauf, dass Frau D erklärt hat: „Ich habe also 4,5 Stunden täglich an fünf Tagen gearbeitet“ und dass sie weiter gesagt hat: „Um 12:00 Uhr bin ich praktisch nie aus dem Betrieb herausgekommen, es war 12:30 Uhr, 13:00 Uhr und manchmal auch 13:30 Uhr.“ Und ferner: „Ich hatte auch darüber hinaus regelmäßig Überstunden.“
Nach ganz herrschender Auffassung ist grundsätzlich die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, nicht die tatsächlich geleistete relevant. Überstunden bleiben regelmäßig außer Betracht. Auch kurzfristige Arbeitsschwankungen bleiben unberücksichtigt. Die im Jahresdurchschnitt tatsächlich pro Woche geleistete Arbeit ist dann maßgeblich, wenn es entweder an einer Vereinbarung über die regelmäßige Wochenarbeitszeit im Arbeitsvertrag fehlt oder wenn dauerhaft und nachhaltig die Arbeitszeit abweichend von der Regelung im Arbeitsvertrag geleistet wird (vgl. ErfK/Kiel § 23 KSchG Rn. 16; APS/Moll § 23 KSchG Rn. 31; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 23 Rn. 42; KR/Weigand § 23 KSchG Rn. 35; Grunski/Moll Arbeitsrecht und Insolvenz Rn. 22; Löwisch/Spinner KSchG § 23 Rn. 21; Stahlhacke/Preis WiB 1996, 1029). Soweit der Kläger sich für das Gegenteil auf die Kommentierung von KR/Weigand beruft, zitiert er nicht vollständig. Auch dort heißt es: „Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bemessung der regelmäßigen Arbeitszeit ist grundsätzlich die im Arbeitsvertrag individuell vereinbarte Wochen- und Monatsarbeitszeit. Unterscheidet sich die regelmäßige Arbeitszeit in tatsächlicher Hinsicht von der arbeitsvertraglichen Regelung, so ist die tatsächlich geleistete regelmäßige Arbeitszeit maßgebend. Regelmäßig ist eine Arbeitszeit dann, wenn der Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer eine bestimmte Wochen- oder Monatsarbeitszeit einhält. Kurzfristige Arbeitsschwankungen … sind unbeachtlich.“
Die vereinbarte arbeitsvertragliche regelmäßige Arbeitszeit ist dabei die Arbeitszeit, in der der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages für den Regelfall verpflichtet ist, seine Arbeit zu leisten.
Berücksichtigt man die vollständige Aussage Frau D (Bl. 118/119 d. A.), so ergibt sich, dass Frau D nur verpflichtet war, von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr zu arbeiten. Sie erklärte dazu, dass sie gleichwohl regelmäßig früher gekommen ist, Folgendes:
„Als ich das Firmenauto wieder abgegeben habe, also ab Januar 2006, habe ich der Geschäftsführerin der Firma angeboten, trotzdem um 07:30 Uhr zu kommen. Das lag an einem früh mit der Arbeit beginnenden Zahnarzt und auch an den Fahrern, die manchmal schon um 07:15 Uhr bis 07:30 Uhr fahren mussten. Außerdem, weil ich ein ruhiges Gewissen haben wollte, wenn ich meine zwei Zigaretten während der Arbeitszeit geraucht habe.“…“Ich sehe das so, dass ich die Frau K entlastet habe, damit sie selbst nicht früher kommen musste.“ „Diese halbe Stunde, die ich auf der Basis meines alten Arbeitsvertrages ohne Betriebswagen gearbeitet habe, ist nicht bezahlt worden.“
Daraus kann nur entnommen werden, dass die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit die von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr war und dass Frau D ohne dazu arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen zu sein, freiwillig und ohne Bezahlung früher gekommen ist, um sich dann dafür während der regelmäßigen Arbeitszeit Pausen zum Zigarettenrauchen zu nehmen.
Weiter erklärte Frau D : „Um 12:00 Uhr bin ich praktisch nie aus dem Betrieb rausgekommen, es war 12:30 Uhr, 13:00 Uhr und manchmal auch 13:30 Uhr.“
Indes erklärte sie dazu auch: „Überstunden sind schon lange nicht mehr bezahlt worden; dafür wurde Freizeit genommen. Für die Überstunden aus 2006 habe ich freigenommen von Ende Dezember bis Ende Januar 2007 und sogar Anfang Februar 2007.“
Es kann daher auch nicht festgestellt werden, dass Frau D aufgrund von Überstunden über 12.00 Uhr hinaus eine tatsächliche längere Arbeitszeit hatte als die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr. Denn nach ihrer eigenen Aussage sind Überstunden in Freizeit ausgeglichen worden. Überstunden bleiben nach allgemeiner Meinung schon regelmäßig außer Betracht. Hier sind sie aber durch Freizeit ausgeglichen worden, sodass kann auch nicht festgestellt werden, dass die tatsächliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit überschritt.
Das Arbeitsgericht hat damit Frau D zu Recht nur mit dem Faktor 0,5 angerechnet.
2. Zu Frau D und Frau S
Die Feststellung des Arbeitsgerichts, Frau D und Frau S hätten zum Kündigungszeitpunkt nur noch 29 bzw. 28 Stunden regelmäßig gearbeitet, greift der Kläger als solche nicht an. Er setzt für beide – ebenso wie das Arbeitsgericht – auch nur den Faktor 0,75 an (vgl. Bl. 193/195 d. A.). Er meint lediglich, die Regelung, die dort getroffen worden sei, liege „jedoch offen auf der Hand“. Die Beklagte habe offensichtlich versucht, die Arbeitszeiten deshalb zu verringern, weil anderenfalls Kündigungsschutz bestanden hätte.
Abgesehen davon, dass es dem Arbeitgeber unbenommen ist, durch einvernehmliche Regelungen mit den Arbeitnehmern die Arbeitszeit zu dem Zwecke zu senken, dass sein Betrieb aus dem Kündigungsschutz herausfällt, lässt sich eine solche Absicht nach der Beweisaufnahme nicht feststellen. Frau D (Bl. 118/116 d. A.) hat erklärt, dass sie seit dem 01.08.2007 mit 29 Stunden in der Woche gearbeitet habe. Es sei richtig, dass sie vorher 33 Stunden gearbeitet habe, als sie noch den Firmenwagen gehabt habe. Weiter betont sie, ihr Gehalt sei gleich geblieben. Der Firmenwagen sei weggefallen und dementsprechend auch die Stunden. Sie erläutert das dahingehend, dass sie, als sie den Firmenwagen erhalten hätte, zum Ausgleich dafür seinerzeit vier Stunden pro Woche mehr habe arbeiten sollen. Sie habe auch kostenlos tanken können. Weiter erläutert sie: „Das mit der Reduzierung kam, weil der Arbeitgeber gerne wollte, dass ich das Auto wieder abgebe.“
Im gleichen Sinne sagte Frau S aus: Ihr Arbeitsvertrag habe in der Firma auf 28 Stunden gelautet. Dann habe sie zeitweise einen Firmenwagen gehabt. Da sei die Arbeitszeit um vier Stunden erhöht gewesen. Diesen habe sie Mitte August aber abgegeben; danach sei die Arbeitszeit wieder 28 Stunden gewesen. Bei ihr wie auch bei Frau D sei das eigentliche Gehalt bei der Abgabe des Firmenwagens und Reduzierung der Stunden gleich geblieben.
Die Arbeitszeit vor Überlassung des Firmenwagens betrug also weniger als 30 Stunden. Nur für die Zeit, in der der Firmenwagen gestellt wurde, wurden zum Ausgleich dafür vier Stunden mehr gearbeitet. Die von der Firma gewünschte Rückgabe des Firmenwagens war Grund für die Reduzierung der Arbeitszeit, bei der das zuvor gezahlte Gehalt gleich blieb. Eine Absicht, die Arbeitszeit nur deshalb zu reduzieren, damit der Betrieb unter die Grenze des § 23 KSchG falle, ist nicht festzustellen.
3. Zu Frau R:
Der Kläger kritisiert, dass das Arbeitsgericht Frau R selbst nicht als Zeugin vernommen habe, obwohl diese benannt war. Diese Kritik mag im Grundsatz berechtigt sein. Wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt, kann jedoch dahinstehen, ob Frau R als Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt war. Denn selbst wenn man sie mitrechnet, überschreitet die Beschäftigtenzahl im Betrieb der Beklagten nicht die Zahl 10.
4. Das Gleiche gilt für Herrn R .
Der Kläger hat grundsätzlich Recht damit, dass auch dann, wenn eine Tätigkeit im Außendienst geleistet wird und wenn der Außendienst – wovon das Arbeitsgericht ausgeht – eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter bzw. als Handelsvertreter erlaubt, damit noch nicht gesagt ist, dass die Mitarbeit tatsächlich im Rahmen eines solchen freien Verhältnisses erfolgte und nicht als Arbeitnehmer. Es kommt auf die vertraglichen Vereinbarungen an (vgl. BAG 25. 1. 2007 – 5 AZB 49/06). Auch dann, wenn eine hinreichende Freiheit vorliegt, die eine Beschäftigung als freier Mitarbeiter bzw. als Handelsvertreter erlaubt, kann durch vertragliche Vereinbarung die Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Der Kläger kritisiert zu Recht, dass insoweit das Vorbringen der Beklagten zu den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend substantiiert ist und die Beklagte insbesondere auch nicht entsprechende Verträge vorgelegt hat.
Gleichwohl bedarf es auch hier keiner weiteren Tatsachenfeststellungen. Es kann unterstellt werden, dass Herr R wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit dem Faktor 1 anzurechnen ist. Wie im Folgenden noch näher darzulegen ist, überschreitet auch dann die Beschäftigtenzahl der Beklagten nicht die Zahl 10.
5. Zu Herrn Altuntas:
Demgegenüber rügt der Kläger zu Unrecht, dass das Arbeitsgericht nicht dem Beweisangebot „Zeugnis des Herrn A “ nachgegangen ist. Das Arbeitsgericht brauchte diesem Zeugnis nicht nachzugehen, weil es mit der Klagepartei ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass Herr A in vollem Umfang als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt wird, dieses habe auch die Beweisaufnahme ergeben.
Das Arbeitsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass alles dafür spricht, dass Herr A der Nachfolger des Klägers war. Es hat festgestellt – dieses wird vom Kläger nicht substantiiert angegriffen – das Herr A genau denjenigen Arbeitsplatz besetzte, welchen der Kläger zuvor innehatte.
Im Übrigen hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf abgehoben, dass der Kläger selbst erstinstanzlich vorgetragen hatte: „Herr A ist offensichtlich der Nachfolger des Klägers“ (Bl. 85 d. A.). Schon zuvor, im Schriftsatz vom 4. 1. 2008 (Bl. 34 d. A.) hat der Kläger vortragen lassen, „dass die Beklagte für den Kläger bereits einen neuen Zahntechnikermeister angestellt hat“, der aus Aachen komme. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung nunmehr bemängelt, dass die Beklagte nicht dargelegt habe, dass Herr A der Nachfolger des Klägers sei, ist das Vorbringen des Klägers widersprüchlich und damit unbeachtlich.
Schließlich bestätigen auch die Zeugenaussagen, dass Herr A Nachfolger des Klägers war: So sagt der Zeuge D (Bl. 120 d. A.) aus: „Herr A ist jetzt der Meister im Labor.“ Die Zeugin U bestätigt, dass Herr A ihres Wissens seit November oder Dezember 2007 festangestellt sei. Das ist die Zeit, in der der Kläger ausgeschieden ist. Auch Frau C sagt aus (Bl. 124 d. A.): „Herr A ist seit Dezember 2007 bzw. seit Januar bei uns, ich glaube, er ist angestellt.“ Schließlich sagt der Zeuge R (Bl. 123 d. A.) aus: „Herr A ist seit Ende 2007 eingestellt, man könnte so sagen, dass er der Nachfolger des Klägers ist.“
Danach hat das Arbeitsgericht Herrn A – der nach allen Zeugenaussagen erst nach der Kündigung des Klägers angestellt wurde – zu Recht nicht zusätzlich zum Kläger angerechnet:
Das Landesarbeitsgericht Köln hat bereits im Urteil vom 13.01.2005 (5 Sa 1237/04 – LAGE § 23 KSchG Nr. 23) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der für einen gekündigten Arbeitnehmer angestellt wird, nicht mitzuzählen ist. Dieses ist aus den von der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts gegebenen Gründen überzeugend. Diese Auffassung deckt sich mit dem Grundsatz, dass eine Ersatzkraft für einen ausscheidenden Mitarbeiter bei der Zahl der „in der Regel Beschäftigten“ nicht zu berücksichtigen ist, dass ein Doppelzählen nicht stattfindet und insoweit in § 21 Abs. 7 BEEG ein allgemeiner Rechtsgedanke enthalten ist (vgl. dazu auch LAG Hamm 03.04.1997 – 4 Sa 693/96 – AP-NR. 15 zu § 23 KSchG 1969). Diese Grundsätze haben auch in der Literatur Zustimmung gefunden (vgl. z. B. KR/Weigand § 23 KSchG Rn. 39).
6. Zu Herrn M:
Das Arbeitsgericht hat offen gelassen, ob Herr M mitzuzählen ist. Es hat ausgeführt, es neige eher dazu, dass Herr M nicht mitzuzählen sei. Der Kläger hält das für falsch: Es handele sich eindeutig um ein ruhendes Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruhe, seien regelmäßig mitzurechnen. Der Kläger beruft sich dazu auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.1991 (NZA 1991, 562).
Herr M ist nicht mitzurechnen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in dem vom Kläger zitierten Urteil, auf das sich im Übrigen auch entsprechende Literaturstimmen berufen (vgl. z. B. KR/Weigand § 23 KSchG Rn. 40), entschieden, dass eine in Erziehungsurlaub befindliche Frau dann mitzurechnen sei, wenn für sie im Zeitpunkt der Kündigung noch keine Ersatzkraft eingestellt war. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei darauf abgehoben, dass es – als ständiger Grundsatz des Bundesarbeitsgerichts – zur Ermittlung der für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnenden regelmäßigen Beschäftigtenzahl bezogen auf den Kündigungszeitpunkt eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung bedürfe. Im konkreten Fall hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass das Konzept der dort beklagten Zahnarztpraxis darin bestehe, mit zwei Zahnärzten zu arbeiten und jedem Zahnarzt zwei Helferinnen zur Verfügung zu stellen. Eine davon war die in Erziehungsurlaub befindliche Frau M. Das Bundesarbeitsgericht hat ferner festgehalten, dass im konkreten Fall unstreitig wenige Monate später eine weitere Arzthelferin eingestellt wurde, wodurch die für den Betrieb kennzeichnende Personalstärke wieder erreicht wurde. Schließlich hat das Bundesarbeitsgericht auf § 21 Abs. 7 BErzGG (heute § 21 Abs. 7 BEEG) hingewiesen. Mit dieser Bestimmung werde sichergestellt, dass bei der Ermittlung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nur der Erziehungsurlaubsberechtigte oder die für ihn eingestellte Ersatzkraft mitgezählt werde. Damit solle u. a. gewährleistet werden, dass bei einer Anzahl regelmäßig Beschäftigter, von denen eine Person in Erziehungsurlaub sei und für die zusätzlich eine Ersatzkraft eingestellt werde, die Kleinbetriebsklausel trotz einer Zahl von nunmehr einem weiteren Arbeitnehmer weiter gelte. Der Erziehungsurlaubsberechtigte werde nur in diesem Fall nicht mitgezählt. Der Gesetzgeber gehe auch dabei maßgeblich von der Personalstärke aus, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend sei. Ausdrücklich nicht entschieden hat das Bundesarbeitsgericht hier, dass es für die Mitzählung eines Arbeitnehmers nur ausreiche, dass dieser noch „in einem Arbeitsverhältnis stehe“.
Wenn aus dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts der Schluss gezogen wurde, dass – wie auch der Kläger es vertritt – „regelmäßig“ ruhende Arbeitsverhältnisse mitgezählt werden, so ist das vor dem vom Bundesarbeitsgericht hervorgehobenen Hintergrund dieser Entscheidung zu sehen: Es kommt auf die Personalstärke an, die den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnet. Deshalb bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Situation und einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung.
Nach diesen Vorgaben wird man in der Tat in der Regel Arbeitnehmer mitzuzählen haben, die sich in Elternurlaub befinden oder die vorübergehend, wenn auch längerfristig erkrankt sind. Denn da in diesen Fällen mit ihrer Rückkehr in den Betrieb zu rechnen ist, kennzeichnen sie bei der vergangenheits- und zukunftsbezogenen Betrachtung nach wie vor die übliche Personalstärke, auch wenn ein Vertreter für den vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis ruht, – wie im Fall des Bundesarbeitsgerichts – (noch) nicht eingestellt wurde.
Der Fall des Herrn M liegt anders und ist dementsprechend als Ausnahme der o. g. Regel zu behandeln:
Herr M hat als Zeuge ausgesagt (Bl. 121 d. A.): „Am 01. 03. 2006 bin ich zum letzten Mal arbeiten gewesen. Danach hatte ich eine Augenoperation und war zwei Jahre krankgeschrieben. Im Anschluss daran bin ich berufsunfähig und kann meinen Beruf nicht mehr machen. Ich bin quasi arbeitslos. Ich erhalte Arbeitslosengeld von der Arbeitsagentur. Das gilt für die Zeit nach dem 30.08.2007.“
Weiter ergänzte er: „Eine schriftliche Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag hat es nicht gegeben. Ob das Arbeitsverhältnis nach wie vor besteht, darüber habe ich keine Kenntnis.“
Herr M hat demnach zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers bereits 1 3/4 Jahre nicht mehr im Betrieb gearbeitet. Ob eine der übrigen Arbeitskräfte als Ersatz für Herrn M eingestellt wurde, kann dahinstehen. Denn entweder wird diese mitgezählt, oder – das ergibt sowohl eine Vergangenheits- sowie Zukunftsbetrachtung – es muss davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsverhältnis Herrn M für die regelmäßige Personalstärke des Betriebes zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr kennzeichnend war. Denn Herr M war nicht nur bereits seit 1 3/4 Jahren arbeitsunfähig, es musste auch prognostisch für die Zukunft davon ausgegangen werden, dass Herr M nicht mehr zurückkehren werde. Er war nach eigener Aussage berufsunfähig und konnte seinen Beruf nicht mehr machen. Ob das Arbeitsverhältnis formal noch bestand, hatte auch für ihn offensichtlich keine Bedeutung mehr.
Es liegt bei Herrn M ein Fall vor, in dem nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. 27.11.2003 – 2 AZR 601/02) ein Arbeitgeber wegen krankheitsbedingter dauernder Unfähigkeit des Arbeitnehmers, seine vertragliche Arbeitsschuld zu erbringen, sogar außerordentlich kündigen kann, weil das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis umfassend gestört ist und auf Dauer sinnentleert ist. Geht das Bundesarbeitsgericht in Fällen einer solchen Kündigung von einer dauerhaften negativen Prognose aus, so kann auch für § 23 KSchG nach der vom Bundesarbeitsgericht geforderte vergangenheitsbezogenen und zukunftsbezogenen Betrachtung das Arbeitsverhältnis nicht mehr als kennzeichnend für den regelmäßigen Beschäftigtenbestand eines Betriebes angesehen werden. Herr M kann daher nicht mitgezählt werden.
7. Zu Herrn B:
Auch Herr B ist nach Auffassung des Klägers mit 0,5 mitzuzählen. Dafür könnte in der Tat – wie der Kläger hervorhebt – die Bekundung Herrn B sprechen, nach der eine Kündigung nicht erfolgt ist, er aber auf Abruf wieder anfangen solle. Die Mitzählung Herrn B mit 0,5 – wie auch vom Kläger in der Berufungsbegründung verlangt (Bl. 195 d. A.) – kann jedoch unterstellt werden. Dem Arbeitsgericht ist jedenfalls darin zu folgen, dass Herr B nicht mit 0,75 zu zählen ist – was der Kläger in der Berufungsbegründung auch nicht angreift.
II Danach ergibt sich insgesamt einschließlich der unstreitig mitzuzählenden Personen folgende Zählung:
1. Kläger|1
2. R |1
3. D |0,75
4. P |0,75
5. D |0,5
6. S |0,75
7. U |1
8. C |1
9. D |0,5
10. B |0,5
11. M |0
12. R |1 (unterstellt)
13. R |0,5 (unterstellt)
14. A |0
Dieses ergibt in der Summe 9,25, womit die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Zahl 10 nicht überschritten ist.
B. Sofern der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung schließlich auf § 138 BGB, § 242 BGB und § 612 a BGB stützt, folgt die Kammer den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter 4. der Entscheidungsgründe (Bl. 144/145 d. A.). Der Kläger stellt in der Berufungsbegründung nur in knapper Form dar (Bl. 196 d. A.), warum er anderer Ansicht als das Arbeitsgericht ist. Neue, vom Arbeitsgericht nicht behandelte Argumente werden nicht angeführt. Zu dem wesentlichen Argument, die Beklagte habe die Kündbarkeit des Klägers durch Reduzierung der Arbeitszeiten anderer Arbeitnehmer bzw. durch Ruhendstellen vorbereitet, wurde bereits oben das Notwendige gesagt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.