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Kündigung (außerordentliche) – Arbeitszeiterschleichung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 4 Sa 996/06

Urteil vom 08.11.2007


In dem Rechtsstreit hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2007 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11. Oktober 2006, Az.: 1 Ca 774/06, wird Z.tenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006, die Weiterbeschäftigung der Klägerin und Annahmeverzugsansprüche.

Die Klägerin (geb. am 14.07.1959, verheiratet, ein erwachsener Sohn) war seit dem 01.04.1992 bei der Beklagten als Angestellte, seit dem 01.07.1995 in Vollzeit beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die Klägerin erhielt zuletzt nach der Vergütungsgruppe V b BAT ein Bruttomonatsgehalt von € 2.802,51. Die Beklagte beschäftigt ca. 80 Arbeitnehmer, darunter teilweise Saisonarbeitskräfte. Die Klägerin war Vorsitzende des dreiköpfigen Personalrates.

Nach der Stellenbeschreibung (Bl. 123-127 d. A.) oblag der Klägerin zu 75 % ihrer Arbeitszeit die Leitung der Personalstelle und zu 25 % die Sachbearbeitung für die Verpflegungsbetriebe. Danach war sie u.a. verantwortlich für die Führung und Kontrolle der Haupt- und Nebenkassen sowie die Einrichtung und Pflege der Software des Zeiterfassungssystems an allen Standorten.

Mit Schreiben vom 23.03.2006, das der Klägerin am gleichen Tag zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Zustimmung des Personalrates fristlos. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 06.04.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Sie begehrt klageerweiternd außerdem ihre Weiterbeschäftigung und Vergütung für die Monate von März bis August 2006.

Die Beklagte stützt ihre Kündigung auf mehrere Vorwürfe. Sie wirft der Klägerin zum einen vor, dass sie am 09./ 10.03.2006 einen Geldbetrag von € 26,00 aus der Kasse entwendet haben soll. Zum anderen legt sie der Klägerin eine Vielzahl von Pflichtverstößen bei der Arbeitszeiterfassung zur Last.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer nochmaligen Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.10.2006 (dort Seite 3 – 17 = Bl. 326 – 340 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 11.10.2006 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 2.258,07 brutto zu zahlen, weil sie nicht berechtigt gewesen sei, die im November 2005 gezahlte Sonderzuwendung vom Gehalt der Klägerin für den Monat März 2006 einzubehalten. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006 sei durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt. Die Klägerin habe das Zeiterfassungssystem manipuliert. Sie habe sich – unstreitig – montags während ihrer Arbeitszeit zur Krankengymnastik begeben, beim Verlassen des Arbeitsplatzes die Stempeluhr nicht betätigt und am Dienstagmorgen das Ende der Krankengymnastik im Zeiterfassungssystem manuell als Arbeitszeitende eingetragen. So habe sie beispielsweise am 20.02.2006, dem Tag ihrer Observierung durch einen Detektiv, die Gymnastikpraxis um 16.37 Uhr verlassen und am Dienstag als Arbeitszeitende 17.07 Uhr manuell erfasst. Das Entlastungsvorbringen der Klägerin sei nicht überzeugend. Das gleiche gelte für ihre Erklärungsversuche, weshalb das Zeiterfassungssystem bei ihr – ebenfalls unstreitig – freitags nicht automatisch eine 30-minütige Mittagspause abgezogen habe. Die Klägerin habe das Zeiterfassungssystem durch das Anlegen einer gesonderten Gleitzeitmaske mit der Bezeichnung „GleitZeit“ manipuliert, damit ihr freitags keine 30-minütige Mittagspause abgezogen werde. Außerdem habe sich die Klägerin unberechtigte Zeitgutschriften bei Dienstreisen gutgeschrieben. Eine Abmahnung sei vor Ausspruch der Kündigung wegen der Schwere der Vertragsverletzungen entbehrlich gewesen.
Die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Auf den Vorwurf der Unterschlagung von Kassengeldern müsse daher nicht näher eingegangen werden. Schließlich habe die Beklagte nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme auch den Personalrat ordnungsgemäß angehört und die erforderliche Zustimmung eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 8 ff. des Urteils vom 11.10.2006 (= Bl. 331 ff. d. A.) verwiesen.

Die Klägerin, der das Urteil am 30.11.2006 zugestellt worden ist, hat am 27.12.2006 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 01.03.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 01.03.2007 begründet.

Die Klägerin bestreitet die ihr vorgeworfenen Pflichtverletzungen und trägt vor, sie habe seit ihrem Krankenhausaufenthalt im März 2003 jeden Montag während der Arbeitszeit die Krankengymnastik besucht, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Sie habe mit der Geschäftsführerin der Beklagten vereinbart, dass sie die entsprechenden Ausfallzeiten nacharbeite. Aufgrund dieser Vereinbarung habe sie montags nicht ausgestempelt und dienstags entweder die Uhrzeit des Verlassens der Reha-Klinik manuell nachgetragen und die ergebende Differenzarbeitszeit nachgearbeitet, wenn sie nicht noch am selben Tag wieder ins Büro gefahren sei, um die Zeit nachzuarbeiten. Am 20.02.2006 habe sie nach dem schriftlichen Bericht des Detektivs die Reha-Klinik um 16:37 Uhr verlassen, während am Dienstag als Arbeitszeitende 17:07 Uhr im Zeiterfassungssystem erfasst worden sei. Sie wisse nicht, weshalb eine falsche Eintragung erfolgt sei. Dies könne auf einem Irrtum der Beklagten ebenso beruhen, wie auf einer Manipulation durch Dritte oder einem Fehler des Detektivs. Ihr Zeiterfassungskonto sei am 21.02.2006 offenbar durch einen Unbekannten nachbearbeitet worden.

Auch der Vorwurf, sie habe die Arbeitszeitmaske „GleitZeit“ manipuliert, um sich seit 2002 jeweils freitags eine halbe Stunde Arbeitszeit zu erschleichen, sei falsch. Es treffe zwar zu, dass ihr freitags keine 30-minütige Mittagspause abgezogen worden sei. Hier sei zwischen der normalen Gleitzeitmaske, die für alle Mitarbeiter gelte und einer speziellen Gleitzeitmaske, die für die Mitarbeiterin Z. angelegt worden sei, zu unterscheiden. Die spezielle Maske „GleitZeit“ sei für die Mitarbeiterin Ulrike Z. angelegt worden, die mit der Geschäftsführerin verabredet hatte, freitags früher gehen zu können, dafür aber keine Mittagspause zu nehmen. Um zu verhindern, dass das System die Mittagspause nicht automatisch herausrechne, sei die Mittagspause von Frau Z., die früher Schluss gemacht habe, auf 13.30 bis 14.00 Uhr eingegeben worden. Aus unerfindlichen Gründen sei die 30-minütige Mittagspause nicht mehr abgezogen worden. Sie habe die Gleitzeitmaske nicht für sich aktiviert; jedenfalls nicht wissentlich. Sie habe auch nicht gewusst, dass ihre Arbeitszeit fehlerhaft berechnet worden ist. Sie wisse auch nicht, ob möglicherweise auch für andere Mitarbeiter die Arbeitszeit irrtümlich fehlerhaft berechnet worden sei oder werde. Sie könne demnach nicht ausschließen, dass die Arbeitszeit durch einen eigenen Irrtum, etwa bei der Aktivierung der Maske „GleitZeit“ ausgelöst worden sei. Ebenso könne der Fehler durch andere irrtümlich verursacht worden sein.

Sie sei nicht die einzige Mitarbeiterin gewesen, die Zugriff auf das Zeiterfassungssystem gehabt habe. Das Codewort sei kein Geheimnis gewesen und seit Inbetriebnahme des Systems im Jahr 2002 nicht geändert worden. Das Codewort sei vom Hersteller eingegeben und im Bedienerhandbuch eingetragen worden.

Die Beklagte habe die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Die Geschäftsführerin der Beklagten sei bereits Ende des Jahres 2005 von ihrem Stellvertreter als auch von ihrer persönlichen Referentin auf den Verdacht hingewiesen worden, dass sie – die Klägerin – ihre Arbeitszeiten manipuliere. Damit habe die Frist zu laufen begonnen. Die Beklagte habe keine umfangreichen Ermittlungen, insbesondere durch Beauftragung einer Detektei aufnehmen müssen, weil ihr bekannt gewesen sei, dass sie sich montags während ihrer Arbeitszeit zu einer Reha-Behandlung begeben habe. Die Beklagte müsse sich die Kenntnisse des stellvertretenden Geschäftsführers zurechnen lassen. Jedenfalls habe die Beklagte die Ermittlungen nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt. Die Beklagte habe auch nicht bis zum Antritt ihres Urlaubs am 13.03.2006 abwarten müssen, um ihren Computer zu überprüfen. Tatsächlich habe sie ihr Recht auf Einsichtnahme in das Zeiterfassungssystem bereits lange vorher genutzt. Anders lasse sich nicht erklären, dass der Verdacht gegen sie bereits Ende 2005 aufgekommen sei.

Schließlich sei die Beteiligung des Personalrates fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe dem Personalrat verschwiegen, seit wann sie von ihren vorgeblichen Verdachtsmomenten Kenntnis hatte. Für eine Verdachtskündigung sei die Anhörung unzureichend gewesen, weil dem Personalrat ihre Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht vorgelegen habe. Die Geschäftsführung der Beklagten habe gezielt verhindert, dass der Personalrat über die Angelegenheit berät. Dies belege die erstinstanzliche Zeugenaussage der stellvertretenden Personalratsvorsitzenden B.. Eine Beratung des Personalrates habe nicht stattgefunden. Der stellvertretende Geschäftsführer der Beklagten habe an der Beratung und Beschlussfassung des Personalrates teilgenommen. Mangels förmlicher Ladung unter Mitteilung der Tagesordnung und ordnungsgemäßem Personalratsbeschluss liege keine rechtswirksame Zustimmung vor. Das Ersatzmitglied A. hätte an der „Beschlussfassung“ nicht teilnehmen dürfen, weil sie die umfangreichen Nachforschungen angestellt und in die Vorbereitung und Mitteilung an den Personalrat selbst stark involviert gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 01.03.2007 (Bl. 385 – 400 d. A.), vom 09.07.2007 (Bl. 515 – 539 d. A.) und vom 31.10.2007 (Bl. 629 – 637 d. A.), jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.10.2006, Az.:1 Ca 747/06, teilweise abzuändern und

1.1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 23.03.2006 und vom 27.03.2006 nicht aufgelöst worden ist,

1.2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen auf ihrem angestammten Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen,

1.3. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat März 2006 € 2.802,51 brutto, abzüglich € 384,00 netto (Krankengeld), abzüglich gezahlter € 65,05 netto abzurechnen und zu zahlen,

1.4. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat April 2006 € 2.802,51 brutto, abzüglich gezahltem Krankengeld von € 96,00 netto und Arbeitslosengeld von € 961,52 netto abzurechnen und zu zahlen,

1.5. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Mai 2006 € 2.802,51 brutto, abzüglich gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.030,00 netto abzurechnen und zu zahlen,

1.6. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Juni 2006 € 2.802,51 brutto, abzüglich gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.030,00 netto abzurechnen und zu zahlen,

1.7. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat Juli 2006 € 2.802,51 brutto, abzüglich gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.030,00 netto abzurechnen und zu zahlen,

1.8. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Monat August 2006 € 2.802,51 brutto, abzüglich gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.030,00 netto abzurechnen und zu zahlen,

2. das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

1. die Berufung zurückzuweisen,
2. den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Im Schriftsatz vom 03.04.2007 hat sie noch einen weiteren Sachverhalt als Kündigungsgrund nachgeschoben und die Kündigung außerdem damit begründet, die Klägerin habe die beiden ihr nahestehende Reinigungskräfte Petra Y. und deren Tochter Daniela W., die Lebenspartnerin des Sohnes der Klägerin, systematisch und in betrügerischer Absicht begünstigt. Diese Reinigungskräfte hätten mit Hilfe der Klägerin jahrelang wöchentlich jeweils nur neun Stunden (insgesamt 18 Stunden) gearbeitet, obwohl sie für 15 und 18 Wochenstunden (insgesamt 33 Stunden) vergütet worden seien. Die Klägerin bestreitet die Vorwürfe.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 03.04.2007 (Bl. 460 – 491 d. A.), vom 05.06.2007 (Bl. 496 – 501 d. A.), vom 16.08.2007 (Bl. 543 – 568 d. A.), vom 09.10.2007 (Bl. 627 – 628 d. A.) und vom 07.11.2007 (Bl. 700 – 702 d. A.), jeweils nebst Anlagen verwiesen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben, über die Behauptung der Beklagten, die drei Personalratsmitglieder hätten vor Aushändigung der schriftlichen Zustimmungserklärung vom 23.03.2006 alleine beraten und den Zustimmungsbeschluss gefasst durch Vernehmung der Zeugen Doris A., Gabi B., Ursula C. und Jörg V.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.11.2007 (Bl. 762 – 771 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist überwiegend zulässig. Soweit die Klägerin zweitinstanzlich Zahlungsansprüche für die Zeit vom 01.03.2006 bis zum 23.03.2006 in Höhe eines Teilbetrages von € 2.258,07 brutto weiterverfolgt, ist sie durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert, weil sie insoweit obsiegt hat.

In der Sache hat das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Sowohl der Weiterbeschäftigungsantrag als auch der Auflösungsantrag der Klägerin fallen als uneigentliche Hilfsanträge nicht zur Entscheidung an. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, sind auch die Anträge der Klägerin auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 24.03.2006 bis zum 31.08.2006 unbegründet.

1.

Die zulässige Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis ist durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.

Die außerordentliche Kündigung ist durch einen wichtigen Grund im Sinne der §§ 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG, 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT gerechtfertigt. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe liegen nicht vor. Die Berufungskammer folgt gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zunächst den Gründen der angefochtenen Entscheidung und stellt dies hiermit fest. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist ergänzend folgendes auszuführen:

1.1.

Die Kläger ist Personalratsvorsitzende. Personalratsmitgliedern kann nach § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG während ihrer Amtszeit nur gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Mit dieser Formulierung wird auf die in § 626 BGB geregelte Kündigung aus wichtigem Grund Bezug genommen. Daher sind die in § 626 BGB enthaltenen und aus dieser Vorschrift abgeleiteten allgemeinen Regeln zur Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung auch im Rahmen des § 15 KSchG anzuwenden (BAG Urteil vom 27.09.2001 – 2 AZR 487/00 – EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 54). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ob ein bestimmter Sachverhalt den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigt, hängt damit wesentlich auch von der Dauer der ohne diese Kündigung verbleibenden Vertragszeit ab. Im Falle des Bestehens eines besonderen Kündigungsschutzes als Funktionsträger nach § 15 Abs. 2 KSchG ist, um eine Benachteiligung aufgrund der Personalratstätigkeit zu vermeiden, maßgeblich, ob dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren Nicht-Personalratsmitglied dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre (sog. fiktive Kündigungsfrist, vgl. BAG 27.09.2001, a.a.O.). Die fiktive Kündigungsfrist beträgt im Falle der Klägerin nach § 53 Abs. 2 BAT sechs Monate zum Quartalsende, so dass die fiktive Kündigungsfrist am 30.09.2006 ausliefe.

1.2.

Auch unter Berücksichtigung dieses strengen Maßstabes ist die außerordentliche Kündigung vorliegend durch einen wichtigen Grund bedingt. Das Arbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen begangen hat.

1.2.1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich auch das Arbeitsgericht angeschlossen hat, ist der Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll kontrollierbare Arbeitszeit korrekt zu stempeln, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (vgl. unter vielen: BAG Urteil vom 24.11.2005 – 2 AZR 39/05 -NZA 2006, 484 ff., mit zahlreichen Nachweisen). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an (BAG 12.08.1999 – 2 AZR 832/98 – NZA 2000, 27 ff.). Überträgt der Arbeitgeber den Nachweis der täglich geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und täuscht der Arbeitnehmer durch falsches Betätigen oder Nichtbetätigen der Gleitzeiteinrichtung oder in anderer Weise für sich (oder einen Dritten) eine höhere Arbeitszeit vor, als tatsächlich geleistet worden ist, so stellt dies einen schweren Vertrauensmissbrauch dar.

1.2.2.

Im vorliegenden Fall rechtfertigt bereits der vorsätzliche Missbrauch der Gleitzeiteinrichtung den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 23.03.2006. Das Arbeitsgericht konnte es deshalb dahinstehen lassen, ob der Klägerin auch noch die Unterschlagung von Kassengeldern vorzuwerfen ist.

1.2.3.

Die Klägerin hat auch nach Überzeugung der Berufungskammer die Gleitzeiteinrichtung dadurch vorsätzlich missbraucht, dass sie montags beim Verlassen ihres Arbeitsplatzes die Stempeluhr regelmäßig nicht betätigt hat, um eine Krankengymnastikpraxis aufzusuchen. Sie hat unstreitig dienstags manuell eine Gehenszeit in das Gleitzeitsystem eingegeben, zu der sie tatsächlich ihre Arbeit nicht beendet hat. Durch diese Manipulation hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Gehaltsanspruch für eine Zeit vorgetäuscht, für die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Zahlungsanspruch bestand.

Die Erklärungsversuche der Klägerin, weshalb sie sich für berechtigt hielt, montags ihre Gehenszeit nicht abzustempeln und stattdessen dienstags einen wesentlich späteren Zeitpunkt als Gehenszeit manuell im System einzugeben, sind nicht überzeugend. Sie behauptet insoweit, sie habe nach einem Krankenhausaufenthalt im März 2003 mit der Geschäftsführerin der Beklagten vereinbart, dass sie jeden Montag während der Arbeitszeit die Krankengymnastik besuchen dürfe, um ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Es sei außerdem vereinbart worden, dass sie die entsprechenden Ausfallzeiten nacharbeite.

Mit dieser – von der Beklagten bestrittenen – Behauptung kann die Klägerin ihr Vorgehen nicht plausibel begründen. Sie sollte nach ihrem eigenen Vorbringen, die durch den Besuch der Gymnastikpraxis ausgefallene Arbeitszeit „nacharbeiten“. Sie hätte deshalb montags ihre Gehenszeit nur abstempeln müssen, um die Ausfallzeit im Zeiterfassungssystem zu dokumentieren. Damit wäre auch problemlos möglich gewesen, im System zu erkennen, dass sie die durch den Besuch der Krankengymnastikpraxis ausgefallene Arbeitszeit im Rahmen der Gleitzeit nachgearbeitet hat.

Es macht jedoch keinerlei Sinn, beim Verlassen des Arbeitsplatzes nicht auszustempeln, um sich stattdessen – und zwar auf die Minute genau – sowohl die tatsächliche Gehenszeit als auch die Uhrzeit des Verlassens der Gymnastikpraxis einzuprägen, um dann am Folgetag aus dem Gedächtnis das Ende des Gymnastiktermins im System als Arbeitsende einzutragen, die Zeitspanne zwischen tatsächlichem Arbeitsende und Gymnastikende zu ermitteln, um diese Ausfallzeit später – ohne sie als Arbeitszeit zu stempeln – nachzuarbeiten. Dieser umständliche Erklärungsversuch ist lebensfremd und wirkt völlig konstruiert. Es wäre für die Klägerin ein leichtes gewesen, die echte Gehenszeit zu stempeln, um ihre tatsächliche Arbeitszeit zuverlässig zu dokumentieren. Die Klägerin konnte auch auf Nachfrage der Berufungskammer nicht plausibel erklären, weshalb sie ihre Gehenszeit nicht einfach ausgestempelt hat, wenn sie ohnehin verpflichtet war, die Ausfallzeit nachzuarbeiten. Ihr Vorbringen, sie habe wegen der Krankengymnastiktermine falsche manuelle Nachtragungen ihrer Gehenszeiten vorgenommen, jedoch die nichtdokumentierten Minusstunden später zu nichtdokumentierten Arbeitszeiten nachgearbeitet, kann nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Für den 20.02.2006 räumt die Klägerin ein, dass sie am 21.02.2006 im System eine falsche Uhrzeit eingegeben hat. Zur Erklärung gibt sie an, sie habe sich „naturgemäß nicht mehr daran erinnern“ können, wann sie am 20.02.2006 die Reha-Praxis verlassen habe. Wegen dieser Vergesslichkeit wäre es umso sinnvoller gewesen, beim Verlassen des Arbeitsplatzes einfach auszustempeln.

Auch die Berufungskammer ist wie schon das Arbeitsgericht davon überzeugt, dass die Klägerin die Kontrollfunktion des Zeiterfassungssystems, das bei Dienstende zu bedienen ist, bewusst und gewollt außer Kraft gesetzt und der Beklagten ein späteres Arbeitsende vorgetäuscht hat, obwohl sie in Wahrheit schon wesentlich früher zur Krankengymnastik aufgebrochen ist. Das von der Klägerin gewählte Verfahren war geeignet und auch dazu bestimmt, jede Kontrolle der Beklagten über ihr tatsächliches Arbeitsende auszuschließen. Erheblich erschwerend kommt hinzu, dass es sich nicht nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, sondern dass ein entsprechendes Fehlverhalten der Klägerin bereits seit 2003 regelmäßig montags vorgekommen ist, weil sie sich für berechtigt hielt, während der bezahlten Arbeitszeit zur Krankengymnastik zu gehen, um „ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten“.

1.2.4.

Schließlich rechtfertigt auch der weitere Vorwurf, die Klägerin habe das Zeiterfassungssystem so manipuliert, dass ihr regelmäßig freitags keine Mittagspause in Abzug gebracht wird, obwohl sie diese – unstreitig – regelmäßig genommen hat, den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 23.03.2006.

Alle Mitarbeiter, die in Gleitzeit arbeiten, sind im Zeiterfassungssystem der Gruppe „Gleitzeit“ zugeordnet. Dieser Gruppe wird automatisch eine 30-minütige Mittagspause abgezogen. Die Klägerin hat unter der Bezeichnung „GleitZeit“ [mit großem Z] eine spezielle Konfigurationsdatei angelegt und sich mit ihrem Namen dieser Konfiguration zugeordnet, so dass ihr freitags keine Mittagspause abgezogen wurde. Durch diese Konfiguration hat sie seit Einrichtung des elektronischen Zeiterfassungssystems im März 2002 die Beklagte wöchentlich um 30 Minuten Arbeitszeit betrogen.

Das Entlastungsvorbringen der Klägerin ist unglaubhaft. Sie führt insoweit aus, dass sie die Maske „GleitZeit“ für die Mitarbeiterin Ulrike Z. angelegt habe, die freitags aus betrieblichen Gründen keine Mittagspause nehmen konnte und bereits um 13.00 Uhr gehen durfte. Damit deren Mittagspause freitags nicht automatisch herausgerechnet wurde, habe sie für Frau Z. freitags eine Pausenzeit von 13.30 bis 14.00 Uhr eingegeben. Sie könne sich nicht erklären, weshalb die Mittagspause von Frau Z. nicht mehr gebucht worden sei. Entweder sei die Maske manipuliert oder bei einem Computerabsturz oder ähnlichem verändert worden. Sie habe auch keine Erklärung, warum die Maske plötzlich bei ihren Arbeitszeiten aufgerufen worden sei. Sie habe das nicht veranlasst.

Auch dieses Vorbringen wertet die Berufungskammer – wie bereits das Arbeitsgericht – als reine Schutzbehauptung. Die Klägerin kann die Manipulation nicht mit einem EDV-technischen Fehler erklären. Sie hat nicht nur die Maske „GleitZeit“ angelegt, sondern sich nach Überzeugung der Kammer auch dieser Gruppe zugeordnet. Diese Zuordnung muss durch eine manuelle Eingabe erfolgt sein, weil das System eine Zuordnung auch bei einem Computerabsturz nicht automatisch verändert. Durch die Wahl des Namens „GleitZeit“ [mit großem Z] für diese spezielle Konfigurationsdatei hat die Klägerin jahrelang planvoll und erfolgreich vorgetäuscht, dass es sich um die normale Maske „Gleitzeit“ handelt, denn bei einer oberflächlichen Sichtung der Mitarbeiterzuordnung in der Zeiterfassung (z.B. während der Urlaubsvertretung) fällt das große Binnen-Z nicht weiter auf. Die Klägerin hätte für die Maske, die freitags keine Mittagspause abzieht, jeden anderen Namen wählen können, um die Spezialkonfiguration visuell hervorzuheben.

Das weitere Vorbringen, sie habe den Nichtabzug der freitäglichen Mittagspause nicht bemerkt, weil die Tagesarbeitszeit durch das System nicht angezeigt werde, ist ebenfalls unglaubhaft. Jeder Mitarbeiter, der an der Zeiterfassung teilnehmen muss, achtet penibel auf die Dokumentation der geleisteten Arbeitszeit. Hier musste der Klägerin auffallen, dass sie ihre Wochenarbeitszeit regelmäßig um 30 Minuten unterschritt.

Für den Vorwurf der Klägerin, ein unbekannter Dritter habe ihre Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem nachträglich manipuliert, um ihr zu schaden, gibt es keinen greifbaren Anhaltspunkt. Vielmehr hat die Klägerin selbst über mehrere Jahre hinweg ihre Arbeitszeiten fortgesetzt falsch dokumentiert.

1.3.

Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht auch insoweit, als dieses eine vorherige Abmahnung der Klägerin für entbehrlich gehalten hat.

Zwar ist eine Abmahnung bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (BAG 02.03.2006, a.a.O.). Vorliegend handelt es sich zwar in der Tat um ein steuerbares Verhalten. Dieses betraf aber in schwerwiegender Weise das Vertrauensverhältnis. Zum einen war die Klägerin als Leiterin der Personalstelle in besonderer Weise für die Wahrnehmung der Belange der Beklagten berufen. Ihr kam insoweit auch Vorbildfunktion zu. Als Leiterin der Personalstelle oblag der Klägerin die Einrichtung und Pflege der Software des Zeiterfassungssystems. Deshalb konnte die Beklagte von der Klägerin ein absolut korrektes Verhalten erwarten. Angesichts dieser gravierenden Störung des Vertrauensverhältnisses durch das Verhalten der Klägerin sind keine Tatsachen erkennbar, die eine Wiederherstellung des erforderlichen Vertrauens erwarten lassen. Angesichts ihrer betrieblichen Stellung musste der Klägerin die evidente Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens bekannt sein. Sie konnte nicht ernsthaft erwarten, ihr Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde von der Beklagten zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen. Wie für jeden Arbeitnehmer auf der Hand liegt, ist kein Arbeitgeber damit einverstanden, dass die Mitarbeiter das Zeiterfassungssystem manipulieren, um eine höhere Arbeitszeit vorzutäuschen.

1.4.

Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls wiegt das Fehlverhalten der Klägerin so schwer, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse der Klägerin am Erhalt ihres Arbeitsplatzes überwiegt.

Zu Gunsten der (im Kündigungszeitpunkt) 47-Jährigen, verheirateten Klägerin wiegt die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit von fast 14 Jahren. Der Vertrauensverlust der Beklagten in die Redlichkeit der Klägerin wiegt jedoch schwerer als die zu ihren Gunsten sprechenden sozialen Gesichtspunkte. Die Klägerin hat das in sie gesetzte Vertrauen ihre Arbeitszeiten wahrheitsgemäß anzugeben und nicht zu ihrem Vorteil eine höhere Arbeitszeit vorzuspiegeln, unbedenklich ausgenutzt und damit das Vertrauen der Beklagten in ihre Redlichkeit und Zuverlässigkeit unwiederbringlich zerstört. Das ihr vorgeworfene Fehlverhalten gibt auf eindringliche Weise die Missachtung der Belange ihres Vertragspartners zu erkennen. Ein so gravierender Verstoß im Vertrauensbereich rechtfertigt auch im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung des Betriebes den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Es war der Beklagten nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist am 30.09.2006 fortzusetzen.

1.5.

Die Kündigung ist nicht wegen Versäumung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT unwirksam. Nach diesen Vorschriften kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Bei Pflichtverletzungen, die zu einem Gesamtverhalten zusammengefasst werden können, beginnt die Ausschlussfrist mit dem letzten Vorfall, der ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bildet, die zum Anlass für die Kündigung genommen werden. In derartigen Fällen ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, wenn sich der letzte Vorfall in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung ereignet hat (vgl. BAG Beschluss vom 22.01.1998 – 2 ABR 19/97 – AP Nr. 38 zu § 626 BGB Ausschlussfrist).

Hier hat die Beklagte fortgesetzte Pflichtverletzungen der Klägerin zum Kündigungsanlass genommen, nämlich die Verstöße gegen die Arbeitspflicht und das fortgesetzte falsche Dokumentieren der Arbeitszeit. Der letzte Vorfall war am Freitag, dem 10.03.2006. Die gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende Kündigungserklärungsfrist endete frühestens am 24.03.2006.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es für den Fristbeginn unerheblich, dass bei der Beklagten bereits Ende des Jahres 2005 der unbestimmte Verdacht aufgekommen ist, dass sie ihre Arbeitszeit nicht richtig dokumentiere. Wie bereits ausgeführt, kennzeichnet die zuverlässige und vollständige Kenntnis des Kündigungssachverhalts, die die Entscheidung ermöglicht, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, den Beginn der Ausschlussfrist. Vage Vermutungen oder ein nicht beweisbarer Verdacht, setzen den Lauf der Kündigungserklärungsfrist nicht in Gang.

Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, sie habe mit der Sachverhaltsaufklärung ungebührlich lange gewartet. Die zeitliche Begrenzung der § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT soll den Arbeitgeber nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder ihn veranlassen, ohne genügende Vorprüfung des Sachverhalts oder hinreichender Beweismittel voreilig zu kündigen (vgl. zuletzt: BAG Urteil vom 01.02.2007 – 2 AZR 333/06 – NZA 2007, 744, mit zahlreichen Nachweisen). Die Beklagte durfte, um der Klägerin einen fortgesetzten Arbeitszeitbetrug nachweisen zu können, einen Detektiv einsetzen, um einen hinreichend sicheren tatsächlichen und ggf. beweisbaren Erkenntnisstand über die Pflichtverletzungen der Klägerin zu haben. Sie durfte auch bis zum Antritt des Urlaubs der Klägerin am 13.03.2006 abwarten, um in deren Abwesenheit die Eingaben in das Zeiterfassungssystem mit der gebotenen Gründlichkeit zu prüfen und das Ausmaß des Arbeitszeitbetruges zu ermitteln. Es kann deshalb nicht davon gesprochen werden, die Beklagte habe überflüssige Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt. Die außerordentliche Kündigung scheitert danach nicht an § 626 Abs. 2 BGB, § 54 Abs. 2 BAT.

1.6.

Das Arbeitsgericht hat ebenfalls zutreffend festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006 nicht wegen eines fehlerhaften Verfahrens bei der Beteiligung des Personalrates rechtsunwirksam ist.

1.6.1.

Nach § 70 Abs. 1 LPersVG bedurfte die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin der Zustimmung des Personalrates. Das Zustimmungsverfahren nach § 70 Abs. 1 LPersVG ist eine gegenüber dem Anhörungsverfahren nach § 82 Abs. 3 LPersVG weitergehende Form der Mitwirkung des Personalrates bei einer Kündigung. Demgemäß sind die für das Anhörungsverfahren geltenden Grundsätze bezüglich der Mitteilungspflichten des Arbeitgebers entsprechend auch auf das Zustimmungsverfahren anzuwenden. Das Zustimmungsverfahren für die außerordentliche Kündigung eines Personalratsmitgliedes nach § 70 LPersVG ist wie das betriebsverfassungsrechtliche Verfahren nach § 103 BetrVG ausgestaltet, so dass die gleichen Grundsätze gelten, wie sie von der Rechtsprechung für die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes entwickelt worden sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 103 BetrVG (Urteil vom 29.11.1984 – 2 AZR 581/83, Juris und BAG Urteil vom 23.08.1984 – 2 AZR 391/83- BB 1985,335), der die Kammer folgt, schließen allerdings die sachlichen Unterschiede zwischen dem Anhörungs- und dem Zustimmungsverfahren die Anwendung der zu § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze der sog. Sphärentheorie aus. Erforderlich für die Wirksamkeit der Kündigung ist daher nach § 103 Abs. 1 BetrVG die Abgabe einer rechtlich verbindlichen Zustimmungserklärung des Betriebsrates, die wiederum ein wirksames Beschlussverfahren des Betriebsrates voraussetzt. Zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse nimmt das Bundesarbeitsgericht jedoch einen Vertrauensschutz des Arbeitgebers an. Hat der für die Außenvertretung des Betriebsrates zuständige Vorsitzende bzw. sein Stellvertreter mitgeteilt, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sei erteilt, so kann der Arbeitgeber in aller Regel davon ausgehen, dass dieser Beschluss auch wirksam zustande gekommen ist. Das setzt allerdings voraus, dass er nach den Umständen des Falles keine Zweifel an einem ordnungsgemäßen Beschluss haben konnte. Wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung hingegen weiß oder hätte wissen müssen, dass der Beschluss unwirksam ist, kann er sich nicht auf den Vertrauensschutz berufen. Das trifft auch dann zu, wenn ihm Tatsachen bekannt sind oder bekannt sein müssen, aus denen sich die Unwirksamkeit des Beschlusses ergibt (BAG Urteil vom 23.08.1984, a.a.O.).

1.6.2.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die Beklagte ihren Informationspflichten hinsichtlich des Kündigungsgrundes in ausreichendem Maße nachgekommen ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin, ist die Anhörung des Personalrates nicht deshalb fehlerhaft, weil ihm die Beklagte verschwiegen habe, seit wann sie von ihren Verdachtsmomenten Kenntnis hatte. Die Beklagte hat in ihrem ersten Anhörungsschreiben vom 15.03.2007 dem Personalrat nach der exemplarischen Darstellung einiger Einzelfälle mitgeteilt, ihr sei „erst jetzt“ bekannt geworden, dass die Klägerin in den letzten Wochen jeden Montag ihren Arbeitsplatz gegen 15.30 Uhr bis 15.40 Uhr ohne auszustempeln verlasse und sich am nächsten Tag, bis auf wenige Ausnahmen, eine wesentlich längere Arbeitszeit gutgeschrieben habe. In ihrem zweiten Anhörungsschreiben vom 20.03.2006 teilte die Beklagte im Nachgang mit, sie habe seit ihrem ersten Antrag vom 15.03.2006 weitere Recherchen angestellt. Es habe sich gezeigt, dass die Klägerin sehr oft, beinahe täglich, die Zeiterfassung manipuliert habe. Hieran anschließend fügte die Beklagte weitere Beispielsfälle an. Damit hat die Beklagte dem Personalrat den aus ihrer Sicht maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung mitgeteilt. Hinzu kommt, dass Frau A., die als Ersatzmitglied für die Klägerin in den Personalrat nachgerückt ist, im Auftrag der Beklagten die umfangreichen Nachforschungen über die Manipulation der Arbeitszeit angestellt hat. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom maßgeblichen Kündigungssachverhalt war dem Personalrat auch dadurch bekannt.

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob die Anhörung des Personalrates zu einer Verdachtskündigung ausreichend gewesen sei, stellt sich nicht, weil die Anhörung zu einer Tatkündigung erfolgt ist. Die Beklagte hat die Kündigung nur hilfsweise auf den Verdacht als selbständigem Kündigungsgrund gestützt. Da bereits die Tatkündigung durchgreift, kommt es auf den Umstand, dass die Beklagte hilfsweise auch zur Wirksamkeit der Kündigung als Verdachtskündigung vorgetragen hat, nicht an.

1.6.3.

Am 23.03.2006 lag die erforderliche Zustimmung des Personalrates vor. Die Beklagte hat zumindest darauf vertrauen dürfen, dass der Personalrat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin rechtswirksam zugestimmt hat.

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Mitglieder des Personalrates vor Aushändigung der schriftlichen Zustimmungserklärung am 23.03.2006 in Abwesenheit von Vertretern der Arbeitgeberin alleine beraten und ihren Zustimmungsbeschluss gefasst haben. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat der stellvertretende Geschäftsführer der Beklagten, Herr Jörg V., nicht an der Beratung und Beschlussfassung des Personalrates teilgenommen. Dies haben die Zeuginnen Doris A., Gabi B. und Ursula C. sowie der Zeuge Jörg V. während ihrer Vernehmung übereinstimmend bestätigt. Der Zeuge Jörg V. hat die drei Personalratsmitglieder am 23.03.2006 nochmals über den Kündigungssachverhalt unterrichtet. Im Anschluss an die Unterrichtung hat er sich zurückgezogen und die drei Zeuginnen allein gelassen. Die Personalratsmitglieder hatten deshalb Gelegenheit, sich allein mit dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt zu befassen und eine einheitliche Willensbildung durch Abstimmung herbeizuführen.

Soweit die Klägerin eine ordnungsgemäße Beschlussfassung bezweifelt, weil keine förmliche Ladung unter Mitteilung der Tagesordnung und keine förmliche Abstimmung erfolgt sei, übersieht sie, dass die Beklagte zumindest auf ein ordnungsgemäßes Zustandekommen des Personalratsbeschlusses vertrauen durfte.
Die stellvertretende Personalratsvorsitzende, Frau B., hatte ausreichend Zeit, die Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder ordnungsgemäß zur Personalratssitzung einzuladen. Die Personalratsmitglieder hatten auch Gelegenheit in einer nichtöffentlichen Sitzung alleine zu beraten und einen Beschluss zu fassen, nachdem sie Herr V. verlassen hatte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Zustimmungsbeschluss des Personalrates nicht deshalb unwirksam, weil Frau A. als Ersatzmitglied an der Beratung und Beschlussfassung mitgewirkt hat. Nach § 31 Abs. 2 LPersVG darf ein Mitglied des Personalrates in Angelegenheiten, die seine persönlichen Interessen berühren, nicht beteiligt werden (Satz 1). Das Gleiche gilt für Angelegenheiten, bei denen es auf Seiten der Dienststelle mitgewirkt hat, die die Maßnahme trifft oder vorbereitet hat (Satz 2). Nach dieser Vorschrift war die Klägerin rechtlich verhindert, an der Beratung und Beschlussfassung über die eigene Kündigung teilzunehmen. Stattdessen war – wie geschehen – Frau A. als Ersatzmitglied zu laden. Frau A. war im Sinne des § 31 Abs. 2 LPersVG von der Beschlussfassung nicht unmittelbar persönlich betroffen, wie die Klägerin meint. Sie hat zwar im Auftrag der Beklagten das Zeiterfassungssystem kontrolliert und dabei die Manipulationen der Klägerin aufgedeckt. Dadurch wurden jedoch nicht ihre persönlichen Interessen im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 1 LPersVG berührt. Sie hat auch nicht im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 2 LPersVG auf Seiten der Dienststelle an der Kündigung selbst mitgewirkt.

Nach alledem ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.

2.

Der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin (Antrag 1.2.) fällt nicht zur Entscheidung an. Auch über den Auflösungsantrag der Klägerin (sog. uneigentlicher Eventualantrag, Antrag zu 2.) ist nicht zu entscheiden, weil die Kündigungsschutzklage als unbegründet abgewiesen worden ist. Da die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.03.2006 das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst hat, sind auch die Anträge auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate von April 2006 bis August 2006 (Anträge 1.4. bis 1.8.) erfolglos.

3.

Der zweitinstanzlich gestellte Antrag der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für den Monat März 2006 (Antrag 1.3.) in Höhe von € 2.802,51 brutto, abzüglich des ab dem 24.03.2006 gezahlten Krankengeldes in Höhe von € 384,00 netto (8 Kalendertage x € 48,00) und abzüglich bereits gezahlter € 65,05 netto, ist mangels Beschwer teilweise unzulässig.

Die Beklagte ist erstinstanzlich verurteilt worden, an die Klägerin für den Monat März 2006 eine Vergütung in Höhe von € 2.258,07 brutto zu zahlen. Die Beklagte hat das Urteil nicht angegriffen und ihrerseits keine Berufung eingelegt. Das der Klage insoweit stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig. Hinsichtlich des Teilbetrages von € 2.258,07 brutto hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt war, vom Märzgehalt 2006 die für das Kalenderjahr 2005 gezahlte Sonderzuwendung in Abzug zu bringen.

Über den erstinstanzlich ausgeurteilten Bruttobetrag von € 2.258,07 und den bereits gezahlten Nettobetrag von € 65,05 hinaus, stehen der Klägerin für den Monat März 2006 keine Vergütungsansprüche zu, weil das Arbeitsverhältnis am 23.03.2006 geendet hat.

4.

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Rechtsbehelfsbelehrung

Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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