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Antrag § 802g ZPO – Vorlage Originalvollmacht Rechtsanwalt

AG Kiel – Az.: 21 M 1194/21 – Beschluss vom 16.09.2021

Auf die Erinnerung der Gläubigerin vom 08.09.2021 (Eingang 09.09.2021) wird der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag (Verhaftungsauftrag) vom 17.05.2021/ Eingang 21.05.2021 auszuführen.

Gründe

1. Die Gläubigerin ist im Zwangsvollstreckungsverfahren anwaltlich vertreten.

Unter dem 17.05.2021 erteilte sie über ihre Rechtsanwälte dem Gerichtsvollzieher den Auftrag, den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft zu laden. In dem Formular beantragte sie den Erlass des Haftbefehls für den Fall, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibe (Ankreuzfeld unter H). Sie stellte schon im Antragsformular den Antrag, den Haftbefehl dem Gerichtsvollzieher wieder zuzuleiten, dem Gerichtsvollzieher gegenüber werde der Antrag auf Verhaftung des Schuldners gestellt (Ankreuzfeld unter H).

Eine Originalvollmacht der Gläubiger war dem Antrag nicht beigefügt.

Trotz ordnungsgemäßer Ladung erschien der Schuldner nicht zu Termin. Die Gläubigerin hat dazu am 09.08.2021 einen Haftbefehl nach § 802g ZPO erwirkt. Entsprechend der Vorgabe im Auftrag hat das Gericht den Haftbefehl mit der Sonderakte dem Gerichtsvollzieher wieder vorgelegt zur Vollstreckung des Haftbefehls entsprechend dem Auftrag.

Der Gerichtsvollzieher verlangte mit Schreiben vom 13.08.2021 von den Gläubigervertretern, zunächst eine Originalvollmacht der Gläubigerin an sie vorzulegen, damit der Haftbefehl vollstreckt werden könne. Die Vorschrift des § 753a ZPO gelte nicht im Rahmen des Haftbefehlsverfahrens nach § 802g ZPO. Auf Einwände der Gläubigerin hin erklärte er mit Schreiben vom 25.08.2021 er bestehe weiterhin auf der Vorlage einer Originalvollmacht, um die Verhaftung durchzuführen.

Dagegen hat die Gläubigerin über ihre Prozessbevollmächtigten Erinnerung eingelegt. Sie macht geltend, die Vorschrift des § 753a ZPO solle der Verfahrensvereinfachung dienen. Das werde nicht erreicht, wenn jetzt Rechtsanwälte anders als zuvor eine Originalvollmacht einreichen müssten. Es sei ein gesetzgeberisches Versehen, dass in § 753a ZPO jetzt auch § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO nenne. Zumindest müsse eine – in der Sonderakte des Gerichtsvollziehers vorhandene – Vollmachtskopie ausreichen.

2. Die Erinnerung ist nach § 766 Abs. 2 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet.

a. Bereits für den Erlass des Haftbefehls ist die Vorlage einer Originalvollmacht durch einen vertretenden Rechtsanwalt nach § 753a ZPO nicht erforderlich. Nach § 753a ZPO haben Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 und 4 im Zwangsvollstreckungsverfahren zu versichern. Es bedarf keines Nachweises der Vollmacht. Dazu lautet § 753a Satz 2 ZPO: „Satz 1 gilt nicht für Anträge nach § 802g ZPO.“

Daraus könnten sich im Grundsatz zwei Auslegungsergebnisse ableiten lassen:

Denkbar wäre es, im Umkehrschluss aus § 753a Satz 1 ZPO nun auch für Rechtsanwälte den Nachweis einer Vollmacht dann zu verlangen, wenn Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt wird.

Denkbar ist es auch, hier die allgemeinen Regeln der ZPO weiter gelten zu lassen. Das ist konkret § 88 Abs. 2 ZPO. Danach hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

Das Gericht folgt der zweiten Auslegung.

§ 753a Satz 2 ZPO ist dahingehend auszulegen, dass die „Rückausnahme“ von Satz 1 die Regelungen in § 88 Abs. 1 und Abs. 2 1. Halbsatz verdrängt, nicht aber die Ausnahmevorschrift für Rechtsanwälte in § 88 Abs. 2, 2. Halbsatz.

Antrag § 802g ZPO – Vorlage Originalvollmacht Rechtsanwalt
(Symbolfoto: Von New Africa/Shutterstock.com)

Die Auslegung der Vorschrift nach dem Wortlaut ist offen. Der Wortlaut der Vorschrift könnte darauf hindeuten, dass § 753a Satz 2 vollständig an Satz 1 anknüpft, dass also Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 Satz 1 (Rechtsanwälte) und Abs. 2 Nr. 3 und 4 ZPO (Verbraucherzentralen, Inkassounternehmen) unterschiedslos behandelt werden und dass alle gleichermaßen für Haftbefehlsanträge eine Originalvollmacht vorlegen müssen. Der Gegenschluss ist aber nicht zwingend. Die Rückausnahme „Satz 1 gilt nicht“ kann auch bedeuten, dass für die in § 753a Abs. 1 ZPO genannten Bevollmächtigten, dann wieder die sonst in der ZPO getroffenen Regelungen gelten.

Die systematische Auslegung führt zu keinem weitergehenden Ergebnis. Die allgemeinen Regeln der ZPO – also auch § 88 ZPO – gelten nicht nur für das Erkenntnis-, sondern auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren. Die Vorschrift des § 88 steht im Titel 4 (Prozessbevollmächtigte und Beistände) im Buch 1 der ZPO „Allgemeine Vorschriften“. Sie können zwar durch spezielle Regelungen an anderer Stelle der ZPO verdrängt werden. Ob das hier für § 88 Abs. 2, zweiter Halbsatz erfolgt ist, ist aber aus den gleichen Gründen, wie zum Wortlaut ausgeführt, offen.

Die historische Auslegung spricht dafür, für Haftbefehlsanträge die allgemeinen Regeln der ZPO gelten zu lassen. Nach der Begründung im Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollte die Vorschrift der Verfahrensvereinfachung dienen (BT-Drucks. 19/20348, S. 72). Sie orientiert sich an einer entsprechenden Vorschrift im Mahnverfahren (§ 703 ZPO). Nach § 703 ZPO muss der Gläubigervertreter im Mahnverfahren seine Vollmacht selbst auf Verlangen des Schuldners hin nicht nachweisen. Eine entsprechende Regelung wollte der Gesetzgeber hier schaffen (vgl. BT-Drucks. 19/20348 S. 72). Dadurch sollte hier § 88 ZPO eingeschränkt werden (Zöller/Seibel, 33. Aufl. § 703 ZPO Rn. 1). Nach § 88 Abs. 1 ZPO kann der Prozessgegner den Mangel der Vollmacht rügen. Nach § 88 Abs. 2 ZPO hat das Gericht die Vollmacht von Amts wegen zu prüfen, wenn nicht ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt. § 703 ZPO schränkt also § 88 Abs. 1 ZPO ein; der Antragsgegner kann bei ausreichender Versicherung den Mangel der Vollmacht nicht einmal erfolgreich rügen. Die Vollmacht muss überhaupt nicht belegt werden (insoweit missverständlich Zöller/Seibel, 33. Aufl. § 703 Rn. 1, der eine Abweichung von § 88 Abs. 2 ZPO anführt).

Gerade dieses Ergebnis wollte der Gesetzgeber nach der Begründung auch mit § 753a ZPO erreichen – eine Vollmachtsrüge soll bei Rechtsanwälten, Verbraucherzentralen und Inkassounternehmen im Zwangsvollstreckungsverfahren unbeachtlich bleiben. Davon ausgenommen sind Anträge nach § 802g ZPO wegen ihrer besonderen Bedeutung (so die Formulierung BT-Drucks. 19/20348, S. 72).

Dieses Ergebnis würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn daraus im Gegenschluss abgeleitet werden müsste, dass § 88 Abs. 2 insgesamt für Anträge nach § 802g ZPO nicht gelten soll, wenn also jetzt Rechtsanwälte in jedem Fall die nach bisherigem Recht entbehrliche Originalvollmacht vorlegen müssten.

Die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm führt zum gleichen Ergebnis. Hier decken sich die Argumente mit denen der historischen Auslegung. Dem Schuldner soll – wie im Mahnverfahren – die Möglichkeit genommen werden, durch eine Vollmachtsrüge das Verfahren zu verzögern. Ebenso soll die amtswegige Vollmachtsprüfung, die sonst bei Inkassounternehmen und Verbraucherzentralen vorgeschrieben ist, entbehrlich sein. Das Verfahren soll vereinfacht und beschleunigt werden. Von dieser Vereinfachung soll der Haftbefehlsantrag ausgenommen werden.

Der Zweck ist es nicht, dass jetzt umgekehrt bei Haftbefehlsanträgen ohne eine Rüge des Schuldners bei einem Rechtsanwalt entgegen § 88 Abs. 2, 2. Halbsatz eine Vollmacht von Amts wegen zu prüfen ist, dass also das Verfahren bei jeder anwaltlichen Vertretung umgekehrt erschwert und verzögert wird.

b. Die Erinnerung ist im Übrigen selbst dann unbegründet, wenn § 753a ZPO bedeuten würde, dass auch Rechtsanwälte für einen Haftbefehlsantrag eine Vollmacht vorlegen müssen. Diese Vorgabe gilt nämlich nicht für einen Verhaftungsauftrag, wenn ein Haftbefehlsantrag schon vorliegt. § 753a Satz 2 ZPO bezieht sich auf „Anträge nach § 802g ZPO“. § 802g ZPO regelt einen Haftbefehl, der „auf Antrag des Gläubigers“ zu erlassen ist. Die Prüfung ist dem Gericht zugewiesen. Ein weiterer Antrag ist dort nicht genannt. § 802g Abs. 2 ZPO legt fest, dass die Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher „erfolgt“. Das bedeutet aber nicht, dass der Verhaftungsauftrag an den Gerichtsvollzieher einen weiteren „Antrag nach § 802g ZPO“ darstellt. Der Gerichtsvollzieher erhält vom Gläubiger einen Vollstreckungsauftrag. Er hat die Rechtmäßigkeit des Verhaftungsauftrags zu beurteilen, aber nicht wie das Vollstreckungsgericht über einen Antrag zu entscheiden. Für die entgegenstehende Auffassung des Gerichtsvollziehers könnte zwar sprechen, dass gerade in dem amtlichen Formular in Feld H die Formulierung lautet: „Gegenüber der Gerichtsvollzieherin/dem Gerichtsvollzieher stelle ich den Antrag auf Verhaftung des Schuldners“. Diese in der Terminologie falsche Formulierung in einem Formular ändert aber nichts daran, dass der Gerichtsvollzieher nicht über einen Verhaftungsantrag entscheidet, sondern dass er einen Verhaftungsauftrag ausführt.

Das gleiche folgt aus der historischen Auslegung des § 753a ZPO. In der Begründung zum Gesetzesentwurf heißt es „Anträge auf Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO werden …von der Vorschrift nicht erfasst“. Es heißt dort nicht „Anträge auf Erlass und/oder Vollstreckung eines Haftbefehls“ würden nicht erfasst. Eine Doppelprüfung, zunächst durch das Vollstreckungsgericht und dann nochmals durch den Gerichtsvollzieher, hatte der Gesetzgeber nicht vor Augen.

Nur diese Auslegung kann auch vermeiden, dass der Gerichtsvollzieher die Prüfung des Vollstreckungsgerichts ignoriert, wenn das Gericht den Haftbefehl nach § 802g ZPO bereits ohne Originalvollmacht eines Rechtsanwalts erlassen hat – und nun im gleichen Verfahren für die Verhaftung doch noch eine Vollmacht erfordert. Im Ergebnis ergäbe sich daraus nämlich die Kompetenz des Gerichtsvollziehers, einen erlassenen Haftbefehl darauf zu überprüfen, ob das Vollstreckungsgericht bei dem Erlass richtig entschieden hat. Und es hätte in allen Fällen zur Folge, dass (wie hier) das Vollstreckungsgericht auf Erinnerung des Gläubigers hin den Gerichtsvollzieher anweisen würde, die gerichtliche Auffassung zu § 753a ZPO – die bereits dem Haftbefehl zugrunde liegt – zu beachten und die Verhaftung durchzuführen.

Eine Kostenentscheidung hatte der Beschluss nicht zu enthalten. Der Schuldner ist am Verfahren nach § 766 Abs. 2 ZPO nicht beteiligt worden, weil der Haftbefehl dem Schuldner nach der gesetzlichen Vorschrift erst bei seiner Verhaftung ausgehändigt wird. Eine Kostenlast der Landeskasse ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Kosten des Verfahrens sind notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Die Entscheidung ergeht allerdings gerichtsgebührenfrei, für die Rechtsanwälte greift § 19 Abs. 2 Nr. 2 RVG.

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