Leitsatz:
Zur Haftungsquotierung bei einem Unfall in der Konstellation „Linksabbieger gegen Überholer“, wenn als einziger Verkehrsverstoß eine Verletzung der zweiten Rückschaupflicht (§ 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 StVO) durch den Linksabbieger feststeht (hier: kein Zurücktreten der Betriebsgefahr des Überholers).
I. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 16.12.2020, Az. 012 O 3493/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die bereits geleisteten 70.000,00 € hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 90.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 28.10.2017 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 24.820,96 € zu bezahlen, nebst Zinsen aus 12.004,42 € seit dem 28.10.2017 sowie aus 12.816,54 € seit dem 07.02.2020.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und sämtliche künftigen nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden, die dem Kläger aus dem streitgegenständlichen Unfall noch entstehen werden, zu 80% zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention des erstinstanzli-chen Verfahrens zu je 62%. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 38%. Die Nebenintervenientin trägt die Kosten der Nebenintervention aus dem erstinstanzlichen Verfahren zu 38%.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention in der Berufungsinstanz zu je 56%. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu 44%. Die Nebenintervenientin trägt die Kosten der Nebenintervention aus dem Berufungsverfahren zu 44%.
IV. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei oder die Nebenintervenientin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei oder die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger begehrt aufgrund eines Verkehrsunfalls materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihm weitere künftige materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.
Der Beklagte zu 1) befuhr am 25.04.2015 gegen 15:45 Uhr mit einem landwirtschaftlichen Gespann, bestehend aus dem bei der Beklagten zu 2) versicherten Traktor … mit dem amtlichen Kennzeichen … und dem bei der Nebenintervenientin versicherten Anhänger mit dem amtlichen Kennzeichen …5, auf dem sich eine Güllepumpe befand, die Staatsstraße 2047 von A. in Richtung M. Auf dem Beifahrersitz des Traktors befand sich die Zeugin R. Unmittelbar hinter dem Beklagten zu 1) fuhr der Zeuge W. mit einem Pkw, hinter welchem wiederum der Kläger mit seinem Motorrad Honda, amtliches Kennzeichen …, fuhr.
Auf Höhe des Abschnitts 700 ‒ km 1.900 bog der Beklagte zu 1) nach links zu einer Biogasanlage ab, während der Kläger bereits dabei war, den Zeugen W. und das vom Beklagten zu 1) gefahrene Gespann zu überholen. Infolgedessen kollidierte das vom Kläger gefahrene Motorrad mit dem linken Rad des Anhängers des vom Beklagten zu 1) gesteuerten Gespanns, wodurch der Kläger schwere Verletzungen erlitt, die zu einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80% führten (vgl. Seiten 3 f. des landgerichtlichen Urteils, Bl. 261 f. d. A.); das Motorrad hatte infolge des Unfalls einen Totalschaden.
Mit Urteil vom 16.12.2020 (Bl. 259/269 d. A.), den Bevollmächtigten sämtlicher Beteiligter zugestellt am 23.12.2020, hat das Landgericht Augsburg dem Kläger auf der Grundlage einer vollständigen gesamtschuldnerischen Einstandspflicht der Beklagten folgende Positionen zugesprochen (zuletzt im landgerichtlichen Verfahren gestellte Klageanträge s. Bl. 208 d. A.):
– Schmerzensgeld in Höhe von „weiteren 105.000 €“, wobei unberücksichtigt blieb, dass die Beklagte zu 2) zuvor nicht nur 20.000 €, sondern weitere 50.000 €, insgesamt also 70.000 € Schmerzensgeld bezahlt hatte (Nr. 1 des Tenors; vgl. Klageantrag 1);
– noch nicht bezahlte Schäden am Motorrad, Gutachterkosten, An- und Abmeldekosten, Rechtsanwaltsgebühren und Auslagenpauschale in Höhe von 3.041,91 € (Nr. 2 des Tenors; Klageantrag 2);
– Verdienstausfall in Höhe von 6.308,51 € für die Zeit vom 25.04.2015 bis Juli 2016 (Nr. 3 des Tenors; Klageantrag 3);
– gesteigerte Mietkosten für eine behindertengerechte Wohnung in Höhe von 11.765,30 € für die Zeit von Dezember 2015 bis Januar 2020 (Nr. 4 des Tenors; Klageantrag 4);
– Anschaffungskosten für einen Pkw und Kosten für eine Fahreignungsbegutachtung in Höhe von 4.294,26 € (Nr. 5 des Tenors; vgl. Klageantrag 6);
– Kosten für den unfallbedingten Feuerwehreinsatz in Höhe von 682,88 € (Nr. 6 des Tenors; Klageantrag 7);
– Taxifahrten zum behandelnden Arzt / zur Reha bis zur Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs sowie Parkgebühren im Zusammenhang mit Arztbesuchen in Höhe von 103,50 € (Nr. 7 des Tenors; vgl. Klageantrag 8);
– Feststellung der Pflicht der Beklagten, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen (Nr. 9 des Tenors; Klageantrag 10).
In folgenden Punkten hat das Landgericht die Klageanträge abgewiesen oder nicht in voller Höhe zugesprochen:
– weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 145.000 € (unter Berücksichtigung der bereits gezahlten 70.000 € und der vom Landgericht zugesprochenen „weiteren 105.000 €“ insgesamt also 320.000 €);
– Kosten für einen ambulanten Pflegedienst in Höhe von 1.253,65 € (Klageantrag 5);
– weitere Aufwendungen für Kfz und Führerschein in Höhe von 3.618,95 € (Klageantrag 6; über Nr. 5 des Tenors hinaus);
– weitere Kosten für Benzin, Navigationsgerät und Parkgebühren in Höhe von 352,41 € (Klageantrag 8; über Nr. 7 des Tenors hinaus);
– Kosten für Fensterreinigung und Aufbereitung des Kfz in Höhe von 858,48 (Klageantrag 9).
Gegen dieses Urteil, auf das hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich sowohl die Berufung der Beklagten (eingegangen am 19.01.2021 und nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 23.03.2021 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet) als auch die Berufung des Klägers (eingegangen am 25.01.2021, einem Montag, und nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 06.04.2021 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet).
Mit ihrer Berufung erstreben die Beklagten die vollständige Klageabweisung und vertreten die Auffassung, der Kläger habe derart grob fahrlässig und grob verkehrswidrig unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO überholt, dass dahinter jegliche Haftung der Beklagten zurücktrete. Außerdem beanstanden die Beklagten in ihrer Berufung, das Landgericht hätte vor Zuspruch eines Schmerzensgeldes, wie von den Beklagten beantragt, Gutachten eines Schmerztherapeuten und eines Neurologen einholen müssen. Insgesamt (also auch mit Blick auf die Erwiderung auf die Berufung des Klägers) wird hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.03.2021 (Bl. 306/309 d. A.), vom 04.06.2021 (Bl. 352/355 d. A.), vom 27.08.2021 (Bl. 374 d. A.) und vom 14.02.2022 (Bl. 401 f. d. A.) sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 02.12.2021 (Bl. 383/385 d. A.), vom 13.05.2022 (Bl. 407/416 d. A.) und vom 07.07.2022 (Bl. 434/437 d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Vortrags der auf Seiten der Beklagten beigetretenen Nebenintervenientin wird ebenfalls auf diese Protokolle sowie auf den Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.05.2021 (Bl. 338/341 d. A.) Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung beantragen die Beklagten:
I. Das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 16.12.2020, Az. 012 O 3493/16, zugestellt am 23.12.2020, wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
Mit seiner eigenen Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Klageanträge, soweit sie abgewiesen worden sind, in vollem Umfang weiter. Hinsichtlich seines Vortrags im Berufungsverfahren (sowohl hinsichtlich seiner eigenen Berufung als auch hinsichtlich seiner Erwiderung auf die Berufung der Beklagten) wird auf die Schriftsätze seines Bevollmächtigten vom 06.04.2021 (Bl. 314/327 d. A.) und vom 25.05.2021 (Bl. 343/348 d. A.) sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 02.12.2021 (Bl. 383/385 d. A.), vom 13.05.2022 (Bl. 407/416 d. A.) und vom 07.07.2022 (Bl. 434/437 d. A.) Bezug genommen.
Mit seiner Berufung beantragt der Kläger:
1. Das Urteil des Landgericht Augsburg, Az: 012 O 34393/16 wird insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen wurde.
2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Berufungsgerichts gestellt wird und den Zeitraum bis zur Entscheidung der Berufung umfasst, mindestens aber weitere 145.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 25.04.2015 unter Berücksichtigung der Entscheidung des Landgericht Augsburg Ziffer 1 einer Verurteilung zur Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 105.000,00 €.
3. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 1.253,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
4. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger weitere 3.618,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger weitere 352,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
6. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger weitere 858,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagten und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin beantragen jeweils die Zurückweisung der klägerischen Berufung.
Der Senat hat am 16.07.2021 in einem Hinweisbeschluss (Bl. 358/363 d. A.) seine vorläufige Auffassung zur Haftungsquotierung – vorbehaltlich einer Beweisaufnahme und unter der Prämisse, dass sich nicht aufklären lässt, ob der Beklagte zu 1) geblinkt hat – dargelegt und am 02.12.2021 mit dem Kläger, dem Beklagten zu 1) und den Vertretern sämtlicher Beteiligter über die Frage der Haftungsquotierung mündlich verhandelt (vgl. das Protokoll Bl. 383/385 d. A.). Am 13.05.2022 hat der Senat erneut mit den Parteien und ihren Vertretern mündlich verhandelt, den Kläger und den Beklagten zu 1) informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen W. sowie des unfallanalytischen Sachverständigen N. Hinsichtlich des Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll (Bl. 407/416 d. A.) Bezug genommen. Eine weitere mündliche Verhandlung zur Einvernahme der Zeugin R. erfolgte am 07.07.2022, wesbezüglich ebenfalls auf das Protokoll (Bl. 434/437 d. A.) verwiesen wird.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als die gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung nicht zu einer vollständigen Haftung der Beklagten, sondern zu einer Haftungsquotierung von 80 : 20 zulasten der Beklagten führt (s. zu Nrn. 1 bis 3) und das vom Landgericht (unter Nichtbeachtung der weiteren vor Klageerhebung geleisteten Zahlung in Höhe von 50.000 € versehentlich) ausgeurteilte Schmerzensgeld von 175.000 € auf 160.000 € reduziert wird, so dass unter Berücksichtigung der insoweit bereits bezahlten 70.000 € ein weiterer Zahlbetrag von 90.000 € verbleibt (s. zu Nr. 4).
1. Zur Begründung der Haftungsquotierung nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 16.07.2021 (Bl. 358/362 d. A.). Die am 13.05.2022 (Protokoll Bl. 407/416 d. A.) und am 07.07.2022 (Protokoll Bl. 434/437 d. A.) durchgeführte Beweisaufnahme gibt keinen Anlass, von der im Hinweisbeschluss dargelegten vorläufigen Einschätzung abzugehen.
a) Bezüglich der Abbiegegeschwindigkeit des Beklagten zu 1) hat die Beweisaufnahme keine neuen Erkenntnisse erbracht. Wie bereits im Hinweisbeschluss (Seite 2, Bl. 359 d. A.) ausgeführt, geht der Senat weder von einem Abbiegen mit 50 km/h noch von einem Abbiegen mit 30 bis 40 km/h aus. Auch der Sachverständige hat bei seiner Einvernahme solch hohe Abbiegegeschwindigkeiten als „sehr unwahrscheinlich“ bezeichnet (Seite 7 des Protokolls vom 13.05.2022, Bl. 413 d. A.). Andererseits nimmt der Senat aus den vom Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.03.2019 (Seiten 26 f., Bl. 148 f. d. A.) dargelegten Gründen auch die vom Beklagten zu 1) behauptete Abbiegegeschwindigkeit von lediglich 5 km/h nicht als gegeben an, da dies aufgrund des nachkollisionären Auslaufweges implizierte, dass der Beklagte zu 1) erst mit deutlicher Zeitverzögerung auf die (massive) Kollision reagiert und auch dann nur mäßig abgebremst hätte. Der Senat legt daher die vom Sachverständigen (a. a. O.) für realistisch gehaltene Abbiegegeschwindigkeit von 10 bis 20 km/h zugrunde.
b) Keine Klarheit hat die Beweisaufnahme hinsichtlich der Frage erbracht, ob der Beklagte zu 1) (gegebenenfalls rechtzeitig) geblinkt und damit seiner Pflicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO entsprochen hat. Der Kläger und der Beklagte zu 1) haben dazu einander widersprechende Angaben gemacht (vgl. Seite 3 des Protokolls vom 13.05.2022, Bl. 409 d. A.), ohne dass der Senat sich in der Lage sähe, einer der beiden Aussagen den Vorzug zu geben. Der Sachverständige konnte die Frage des Blinkens nicht aufklären (Seite 25 des Gutachtens vom 07.03.2019, Bl. 147 d. A.; Seite 6 des Protokolls vom 13.05.2022, Bl. 412 d. A.), und die Zeugen W. (vgl. Seite 4 des Protokolls vom 13.05.2022, Bl. 410 d. A.) und R. (vgl. Seite 3 des Protokolls vom 07.07.2022, Bl. 436 d. A.) konnten in ihren Vernehmungen vor dem Senat keine Angaben zu dieser Frage machen. Die Zeugin R. hat zwar in ihrer erstinstanzlichen Vernehmung (vgl. Seite 6 des Protokolls vom 18.06.2018, Bl. 102 d. A.) ausgesagt, der Beklagte zu 1) habe vor dem Abbiegen geblinkt. Diese Aussage ist jedoch aus Sicht des Senats nicht aus sich heraus belastbar, da die Zeugin in dieser Vernehmung auch ausgesagt hat, der Beklagte zu 1) habe vor dem Abbiegen „in den Spiegel und dann über die Schulter geschaut“, obwohl der Beklagte zu 1) bei seiner vorangegangenen informatorischen Anhörung in Abwesenheit der Zeugin erklärt hatte, „[e]inen Schulterblick habe ich nicht gemacht“ (Seite 4 des Protokolls vom 18.06.2018, Bl. 100 d. A.). In Anbetracht dieses Widerspruchs hätte es schon einer klaren und nachvollziehbaren Erklärung dafür bedurft, warum die Zeugin sich des Blinkens des Beklagten zu 1) sicher gewesen sei. Eine solche Erklärung konnte die Zeugin, die in der Verhandlung vom 07.07.2022 nur angab, keine Erinnerungen mehr hinsichtlich des Blinkens zu haben, dem Senat nicht geben.
c) Dass der Beklagte zu 1) vor dem Abbiegen keinen Schulterblick gemacht hat, hat er auch in seiner informatorischen Anhörung am 13.05.2022 (Seite 3 des Protokolls, Bl. 409 d. A.) noch einmal eindeutig erklärt. Damit steht sein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO fest. Dass der Kläger für den Beklagten zu 1) erkennbar war, ergibt sich zum einen aus dem unfallanalytischen Gutachten vom 07.03.2019 (Seite 26, Bl. 148 d. A.) und zum anderen aus dem sogleich zu diskutierenden Umstand, dass sich der Kläger zu Beginn des Abbiegevorgangs bereits auf der Gegenfahrbahn befand.
d) Ein Überholen des Klägers trotz unklarer Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.
aa) Wie schon im Hinweisbeschluss (Seiten 3 f., Bl. 360 f. d. A.) diskutiert, ist in diesem Zusammenhang der Umstand zu betrachten, dass der vom Kläger eingeleitete Überholvorgang nicht nur das vom Beklagten zu 1) gesteuerte Gespann, sondern unmittelbar zuvor auch das vom Zeugen W. gefahrene Auto betraf, so dass sich eine (wenn auch denkbar kurze) Kolonne ergab. Der Senat ist jedoch aufgrund der Aussage des Zeugen W. in der Sitzung vom 13.05.2022 (vgl. Seiten 4 f. des Protokolls, Bl. 410 f. d. A.) davon überzeugt, dass sich der Kläger bei Beginn des Abbiegens durch den Beklagten zu 1) zumindest schon auf gleicher Höhe (auf der Gegenfahrbahn) befand wie der Zeuge W. Die diesbezüglichen Aussagen des Zeugen W. sind im Wesentlichen konstant. So erklärte er in seiner polizeilichen Vernehmung vom 03.07.2015 (Seite 9 der beigezogenen Ermittlungsakte 611 Js 124375/15 der Staatsanwaltschaft Augsburg): „Kurz darauf habe ich gesehen, dass der Motorradfahrer hinter mir zum Überholen ansetzt und als er sich in etwa auf meiner Kopfhöhe befand habe ich gebremst, weil in diesem Moment der Traktor nach links abgebogen ist.“ In seiner erstinstanz-lichen Vernehmung vom 18.06.2018 (Seiten 8 f. des Protokolls, Bl. 104 f. d. A.) erklärte er zunächst, der Kläger hätte ihn bereits überholt, als der Beklagte zu 1) abgebogen sei, erklärte dann jedoch auf Vorhalt seiner Aussage in der polizeilichen Vernehmung vom 03.07.2015, so, wie er es bei der Polizei gesagt habe, sei es in jedem Fall richtig, da seine Erinnerung damals noch „ganz frisch“ gewesen sei. Auch vor dem Senat sagte der Zeuge zunächst aus, der Kläger hätte ihn vor Beginn des Abbiegevorgangs bereits überholt, erklärte auf Vorhalt die Diskrepanz zu seiner Aussage bei der Polizei jedoch ebenfalls mit der unterschiedlichen Erinnerung in Anbetracht der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit (vgl. Seiten 4 f. des Protokolls, vom 13.05.2022, Bl. 410 f. d. A.). Konstant ist in den Aussagen des Zeugen W. über die gesamte Zeit hinweg, dass sich der Kläger jedenfalls (auf der Gegenfahrbahn) bereits auf einer Höhe mit dem Zeugen W. befunden hat, als der Beklagte zu 1) seinen Abbiegevorgang eingeleitet hat. Dieser in sich widerspruchsfreien und auch ansonsten glaubhaften Aussage des glaubwürdigen Zeugen W. folgt der Senat. Der Zeuge W. ist neutral und am hat am Ausgang des Rechtsstreits kein eigenes Interesse. Er war darüber hinaus erkennbar äußerst gewissenhaft darum bemüht, seine Aussage so exakt wie möglich zu machen, wobei er (geringfügige) Abweichungen gegenüber der bei der Polizei gemachten Aussage reflektiert und nachvollziehbar mit der über die Zeit geänderte Erinnerung erklärt hat.
bb) Die Aussage des Zeugen W. wird auch durch das Ergebnis der unfallanalytischen Begutachtung nicht infrage gestellt. Wie der Sachverständige in der Verhandlung vom 13.05.2022 ausführte, konnte er zwar anhand der Angaben zu den Geschwindigkeiten bezüglich des Weg-Zeit-Verhältnisses des Traktorgespanns zum Motorrad machen; hingegen war es ihm mangels geeigneter Anknüpfungstatsachen nicht möglich, Aussagen dazu zu treffen, wo sich das Fahrzeug des Zeugen W. jeweils befand (Seite 7 des Protokolls, Bl. 413 d. A.).
cc) Auf der Grundlage, dass sich der Kläger zu Beginn des Abbiegevorgangs bereits (auf der Gegenfahrbahn) auf derselben Höhe befand wie der Zeuge W., ergibt sich, dass die „Kolonnensituation“ zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst war und sich die Lage nicht anders darstellte, als wenn der Zeuge W. selbst an gleicher Stelle das Gespann hätte überholen wollen.
e) Auf dieser Grundlage – Blinken durch den Beklagten zu 1) (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StVO) ungeklärt, Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die Rückschaupflicht (§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO) gegeben, kein Überholen des Klägers trotz unklarer Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO – gelangt der Senat (wie im Hinweisbeschluss [Seiten 4 f. zu Nr. 2, Bl. 361 f. d. A.] ausgeführt) zu einer Haftungsquotierung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von 80 : 20 zulasten der Beklagten.
2. Daraus ergibt sich, dass die vom Landgericht auf der Grundlage einer vollen Einstandspflicht der Beklagten zugesprochenen materiellen Schadensersatzpositionen
– noch nicht bezahlte Schäden am Motorrad, Gutachterkosten, An- und Abmeldekosten, Rechtsanwaltsgebühren und Auslagenpauschale in Höhe von 3.041,91 €,
– Verdienstausfall in Höhe von 6.308,51 € für die Zeit vom 25.04.2015 bis Juli 2016,
– gesteigerte Mietkosten für eine behindertengerechte Wohnung in Höhe von 11.765,30 € für die Zeit von Dezember 2015 bis Januar 2020,
– Anschaffungskosten für einen Pkw und Kosten für eine Fahreignungsbegutachtung in Höhe von 4.294,26 €,
– Kosten für den unfallbedingten Feuerwehreinsatz in Höhe von 682,88 €,
– Taxifahrten zum behandelnden Arzt / zur Reha bis zur Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs sowie Parkgebühren im Zusammenhang mit Arztbesuchen in Höhe von 103,50 €
von insgesamt 26.196,36 € um 20% (5.239,27 €) auf 20.957,09 € zu reduzieren sind.
3. Ebenfalls ergibt sich daraus, dass die Beklagten dem Kläger künftig aus dem streitgegenständlichen Unfall entstehende Schäden nur zu 80% ersetzen müssen. Mit Blick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes (vgl. BGH vom 10.07.2018 – VI ZR 259/15 – juris Rn. 6) war zudem auszusprechen, dass künftige immaterielle Schäden nur zu ersetzen sind, soweit sie unvorhersehbar sind.
4. Der Senat hält ein Schmerzensgeld von insgesamt 160.000 € für billig im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB.
a) Wesentliche Grundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen (BGH – GSZ – vom 06.07.1955 – GSZ 1/55 – juris Rn. 15; BGH – VGS – vom 16.09.2016 – VGS 1/16 – ju-ris Rn. 49 und 54); diese Aspekte stehen „ganz im Vordergrund“ (Rn. 54 der zuletzt genannten Entscheidung). Daneben können aber auch alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben (BGH vom 06.07.1955, a. a. O., juris Rn. 19, sowie BGH vom 16.09.2016, a. a. O., juris Rn. 55). Vergleichsfälle, wie sie z. B. in der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch nachgewiesen werden, bilden dabei in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung und sind im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitssatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen, stellen aber keine verbindlichen Präjudizien dar (vgl. näher OLG München vom 11.04.2013 – 10 U 4757/13 – juris Rn. 47 bis 50 m. w. N.; vom 02.06.2021 – 10 U 7288/20 – juris Rn. 28).
b) Vor diesem Hintergrund erachtet der Senat – unter Berücksichtigung des auf den Kläger entfallenden Mitverursachungsbeitrags von 20% – ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 160.000 € für angemessen.
aa) Dabei legt der Senat mit Blick auf den unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, das unfallchirurgische Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 03.08.2020 (Bl. 231/260 d. A.), die ärztlichen Berichte in den Klägeranlagen (vgl. K 3, 4, 5 und 6) und die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2022 (Seiten 8 f. des Protokolls, Bl. 414 f. d. A.) zugrunde, dass die den Kläger dauerhaft am stärksten belastende unfallbedingte Verletzung eine inkomplette Paraparese unterhalb des vierten Brustwirbelkörpers (TH 4 / HWK 4) ist, die dazu geführt hat, dass der Kläger
– dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen und lediglich in der Lage ist, etwa fünf Meter mit Unterarmgehstützen zurückzulegen;
– noch immer unter erheblichen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörungen dergestalt leidet, dass er sehr oft die Toilette aufsuchen muss und für die Entleerung von Blase bzw. Mastdarm sehr lange Zeit benötigt;
– bei Berührungen spastische Verkrampfungen an Armen und Beinen erleidet.
Soweit hingegen im unfallanalytischen Gutachten des Sachverständigen Dr. F. von einer inkompletten Paraparese „sub C4“, also unterhalb des vierten Halswirbelkörpers die Rede ist (Seite 21 des Gutachtens, Bl. 251 d. A.), handelt es sich ersichtlich um einen Schreib- oder Übertragungsfehler, was sich schon daraus ergibt, dass der Sachverständige zuvor (Seiten 3, 7 und 10 des Gutachtens, Bl. 233, 237 und 240 d. A.) – zum Teil eigene – Vorbefunde und Berichte wiedergibt, in denen jeweils von einer inkompletten Papraparese „sub HWK 4“ bzw. „sub TH 4“ die Rede ist, ohne dass diese Befunde diskutiert würden. Auch der Kläger selbst hat sowohl in der Klageschrift (Seite 4, Bl. 56 d. A.) als auch in der Anhörung am 13.05.2022 (Seite 8 des Protokolls, Bl. 414 d. A.) stets von einer inkompletten Paraparese unterhalb des vierten Brustwirbelkörpers gesprochen.
Zu dieser führenden Verletzung kommen weitere, zum Teil erhebliche unmittelbare Unfallfolgen hinzu (vgl. Abschlussbericht Anlage K 6, Seite 22 des unfallchirurgischen Gutachtens vom 03.08.2020, Bl. 252 d. A., und Angaben des Klägers Seite 9, vierter Absatz des Protokolls vom 13.05.2022, Bl. 415 d. A.), vor allem:
– zahlreiche schwere Verletzungen des rechten Beines, die auch zum Einsatz einer Hüft-TEP führten: pertrochantäre Femurfraktur mit Abriss des Trochanter minor; Weber-C-Fraktur; Tibiakopffraktur; Fibulafraktur; Calcaneusfraktur; Mittelfußbruch vor der ersten und der zweiten Zehe; ausgedehnte Weichteilschäden und Décollement (Hautablösung) und Nekrosen; Amputation zweite und dritte Zehe;
– eine Rippenserienfraktur (8. bis 12. Rippe links) mit beidseitiger Lungenkontusion;
– eine nicht dislozierte Acetabulumfraktur (Knochenbruch im Bereich der Hüftgelenkspfanne) links;
– Bruch von Daumen und Zeigefinger links.
Wegen dieser zahlreichen und teils schweren Verletzungen befand sich der Kläger vom Unfalltag (25.04.2015) bis zum 11.12.2015 (siebeneinhalb Monate) ununterbrochen in stationärer Behandlung, zunächst bis zum 05.05.2015 im Zentralklinikum (heute Uniklinikum) Augsburg und sodann in der auf die Akutversorgung und Rehabilitation Schwerverletzter spezialisierten berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M.. Vom 12.02. bis zum 11.03.2020 befand sich der Kläger in stationärer Rehabilitation in dieser Klinik. Mit Schriftsatz vom 23.06.2022 (Bl. 422/424 d. A.) hat der Kläger 23 unfallbedingte Operationen vorgetragen, wozu die Beklagten sich nicht geäußert haben, nachdem sie in der vorangegangenen Sitzung vom 13.05.2022 die vom Kläger behauptete Zahl von 26 Operationen mit Nichtwissen bestritten hatten. 17 der Operationen ergeben sich im Übrigen aus den als Anlage K 3 vorgelegten OP-Berichten aus der Unfallklinik M.
Neben den oben bereits genannten Dauerfolgen ist zu berücksichtigen, dass beim Kläger (Jahrgang 1954) durch den Unfall eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80% eingetreten ist und er nicht mehr in der Lage war, nach dem Unfall wieder eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen; dabei ist allerdings auch zu sehen, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. F. erklärt hat, am 01.06.2020 sein reguläres Renteneintrittsalter zu erreichen bzw. (mittlerweile) erreicht zu haben (Seite 15 des Gutachtens vom 03.08.2020, Bl. 245 d. A.).
Als weitere Dauerfolgen kommen hinzu ein Engegefühl im Brustbereich aufgrund der Rippenserienfraktur mit Lungenkontusion und vor allem eine ständige erhebliche Schmerzproblematik, die auch durch die Gabe schwerer Schmerzmittel (Tilidin, Lyrica, Morphindauergabe) nicht behoben werden konnte bzw. könnte (vgl. Seiten 24 bis 26 des Gutachtens Dr. F. vom 03.08.2020, Bl. 254/256 d. A.).
bb) Soweit die Beklagten einwenden, die Schmerzproblematik könne ohne Erholung eines Gutachtens eines Neurologen oder Schmerztherapeuten nicht berücksichtigt werden (Seite 2 des Schriftsatzes vom 30.09.2020, Bl. 243 d. A.; Seiten 3 f. der Berufungsbegründung der Beklagten, Bl. 308 f. d. A.; Seite 2 des Schriftsatzes vom 04.06.2021, Bl. 353 d. A.), folgt der Senat dem nicht. Auch ein Neurologe oder Schmerztherapeut könnte den Grad der vom Kläger erlittenen Schmerzen nicht nachweisen, da es sich dabei um subjektive Empfindungen handelt. Dem entsprechend wird ein Patient in vielen ärztlichen Untersuchungen gerade danach gefragt, wie stark der von ihm empfundene Schmerz auf einer Skala von 0 bis 10 (VAS-Skala) sei. Der Kläger hat seine Schmerzen in der Anhörung am 13.05.2022 ‒ zumal in Anbetracht der massiven Unfallverletzungen – glaubhaft bekundet. Dass er dabei keinen Belastungseifer an den Tag legte, ergibt sich für den Senat auch daraus, dass der Kläger angab, keine verbleibenden Einschränkungen im Bereich der Halswirbelkörper und der Knochenbrüche an der linken Hand zu haben (Seite 9 des Protokolls, Bl. 415 d. A.). Auch der als Unfallchirurg besonders häufig fachkundig mit Unfallfolgen befasste Sachverständige Dr. F. führte in seinem Gutachten (Seiten 23 bis 25, Bl. 253/255 d. A.) aus, die Beschwerden seien „nachvollziehbar vorgetragen und entsprechen den erhobenen Befunden“. Eine größere Sicherheit könnte auch ein Gutachten eines neurologischen oder schmerztherapeutischen Sachverständigen nicht herbeiführen.
Ebenfalls für nicht durchgreifend erachtet der Senat den Einwand der Beklagten, die Schmerzproblematik des Klägers beruhe darauf, dass er die ihm verschriebenen Schmerzmittel abgesetzt habe. Insoweit ist zu sehen, dass der Sachverständige Dr. F. nachvollziehbar ausgeführt hat, dass die Gabe von Tilidin oder Lyrica erhebliche, insbesondere psychische, Nebenwirkungen hat und dass selbst unter einer (ebenfalls mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehenden) Morphin-Dauertherapie Schmerzfreiheit nicht erwartet werden kann. Unter diesen Umständen kann es dem Kläger als Geschädigtem des Unfalls nicht vorgeworfen werden, die nach seinen Aussagen gegenüber dem Sachverständigen am 27.05.2020 letztlich nicht zum Erfolg (Schmerzfreiheit) führenden Schmerzmittel abgesetzt zu haben (vgl. Seiten 14 sowie 25 f. des Gutachtens, Bl. 244 und 255 f. d. A.).
cc) Nicht zugrunde gelegt werden kann der Schmerzensgeldbemessung hingegen das vom Kläger vorgetragene Karpaltunnelsyndrom sowie die von ihm geltend gemachte unfallbedingte Verschlechterung einer vorbestehenden erektilen Dysfunktion und im Februar 2021 festgestellte Ödeme, wobei der Senat darauf hinweist, dass diesen Aspekten in Anbetracht der sonstigen Unfallfolgen – mit Blick auf die erektile Dysfunktion auch wegen der insoweit gegebenen Vorschädigung – für die Höhe des Schmerzensgeldes nur eine relativ geringfügige, die Größenordnung nicht wesentlich ändernde Bedeutung zugekommen wäre.
(1) Der Auftritt eines Karpaltunnelsyndroms infolge der starken Beanspruchung der Hände des Klägers durch das Bewegen seines Rollstuhls wurde erstmals nicht vom Kläger, sondern vom Sachverständigen Dr. F. (Seite 6 des Gutachtens vom 03.08.2020, Bl. 236 d. A.) thematisiert, der insoweit eine Aussage im [wohl unvollständig] als Anlage K 52 vorgelegten „Zweite[n] Rentengutachten“ vom 04.10.2017 „übersetzte“. Auch diese Aussage im Gutachten des Sachverständigen veranlasste den Kläger jedoch nicht, auch ein infolge des Unfalls aufgetretenes Karpaltunnelsyndrom im erstinstanzlichen Verfahren geltend zu machen. Dies geschieht vielmehr erst in der klägerischen Berufungsbegründung (Seite 6, Bl. 319 d. A.) und damit – da keiner der in § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO normierten Zulassungsgründe vorliegt – verspätet.
(2) Auch die unfallbedingte Verschlechterung einer vorbestehenden erek-tilen Dysfunktion hat der Kläger (trotz Möglichkeit dazu) erstinstanzlich nicht geltend gemacht. Diese Problematik wurde erstmals vom Kläger gegenüber dem unfallchirurgischen Sachverständigen Dr. F. thematisiert (vgl. Seiten 11 f. und 15 des Gutachtens, Bl. 241 f. und 245 d. A.), der auf dieser Grundlage unter der Überschrift „Diagnosen [a]uf urologischem Fachgebiet“ ausführte: „Nachvollziehbar vorgetragene Verstärkung der vorbestehenden erektilen Dysfunktion“ (Seite 21 des Gutachtens, Bl. 251 d. A.). Dies nahm der Kläger jedoch nicht zum Anlass, nunmehr eine solche unfallbedingte Verschlechterung bestimmt zu behaupten und unter Beweis zu stellen (vgl. die Reaktion auf das Gutachten im Schriftsatz vom 02.09.2020, Bl. 237 f. d. A.), und auch in der klägerischen Berufungsbegründung (Seite 7, Bl. 320 d. A.) wird nur ausgeführt, die Sexualfunktion sei „nachvollziehbar eingeschränkt“. Abgesehen davon, dass die Frage, ob die Verschlechterung einer erektilen Dysfunktion auf einen (im Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen gut fünf Jahre zurückliegenden) Unfall zurückzuführen ist oder nicht, offensichtlich nicht in das Fachgebiet eines Unfallchirurgen fällt, hat der Kläger damit die Rückführbarkeit der beklagten Verschlechterung auf den streitgegenständlichen Unfall nicht einmal bestimmt behauptet.
(3) Soweit der Kläger nunmehr mit seiner Berufungsbegründung (Seite 7, Bl. 320 d. A.) Anfang 2021 aufgetretene Ödeme ins Feld führt, ist der diesbezüglich vorgelegten Anlage BK 3 nicht zu entnehmen, dass der dort beschriebene Befund etwas mit dem (im Zeitpunkt der Untersuchung fast sechs Jahre zurückliegenden) Unfall zu tun hätte.
dd) Vor diesem Hintergrund bieten aus Sicht des Senats vor allem folgende in der Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch (40. Aufl. 2022) nachgewiesene Urteile zu Schmerzensgeld bei inkompletter Querschnittslähmung mit einhergehender Blasen- oder Mastdarmentleerungsstörungen Orientierung für die Bemessung des Schmerzensgeldes:
– OLG Hamm vom 02.02.2021 (Nr. 40.1921 der Tabelle): Verletzung: Subdurales Hämatom ventral im Bereich des Spinalkanals in Höhe BWK 3/4 nach chirotherapeutischer Behandlung. Postoperativ auftretende Querschnittsymptomatik und Blasenentleerungsstörung; Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit: Hemilaminektomie (Operation an der Wirbelsäule) und Hämatomevakuation. Nach postoperativ aufgetretener Querschnittsymptomatik und Blasenentleerungsstörung für längere Zeit in das Zentrum für Tetra- und Paraplegie in I. überführt. Revisionsoperation zur Zystenentfernung und Myelondekompression. Nach Mobilisierung unter physiotherapeutischer Anleitung stationärer Aufenthalt zur neurologischen Rehabilitationsbehandlung. Person des Verletzten: 48 Jahre alter Mann; Dauerschaden: Inkompletter Querschnitt mit Blasenentleerungs- und Sexualfunktionsstörung und Schmerzsymptomatik; Schmerzensgeld: 150.000 € (indexiert 152.944 €).
– OLG München vom 18.05.2005 (Nr. 40.1923 der Tabelle): Verletzung: Inkomplette Tetraplegie nach HWK-5/6-Fraktur, Beckenringfraktur rechts mit Symphysensprengung – knöchern vereinigt mit Diastase –, LWK-2-Deckenplattenringimpression geringen Ausmaßes mit Deckenplattensenkung um 5 mm, Rippenserienfraktur 5- 9 links und 10 -11 rechts, Innenmeniskusteilentfernung am linken Knie, Milzruptur mit anschließender Entfernung der Milz, neurogene Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung; Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit: 4 Wochen Intensivstation, wobei Überlebenschance und Zukunftsprognose äußerst fraglich waren; HWK-Fraktur wurde verblockt und mit einer H-Platte in guter Achsenstellung versorgt; mehrmonatige Behandlung im Querschnittszentrum; Person des Verletzten: 61 Jahre alte Frau; Dauerschaden: Inkomplette Querschnittslähmung mit spastischen Lähmungen, insbesondere des linken Armes und des linken Beines bei einer ausgeprägten Schmerzsymptomatik im Bereich des linken Gesäßes; Schließmuskelinsuffizienz der Blase, hochgradige Darmfunktionsstörungen, Stuhl muss digital ausgeräumt werden; Klägerin kann kürzere Strecken mit 2 Armkrücken oder einem Rollator zurücklegen, außerhalb des Hauses auf Rollstuhl angewiesen; unter Berücksichtigung des inkompletten Querschnittsyndroms, des posttraumatischen Belastungssyndroms und der orthopädischtrau-matologischen Beeinträchtigung Gesamtbeeinträchtigung von 85%; im-mat. Vorbehalt für den Fall einer wesentlichen unfallbedingten Verschlechterung des Gesundheitszustandes; Schmerzensgeld: 150.000 € (indexiert 191.180 €)
– LG Heilbronn vom 24.04.2004 (Nr. 40.1920 der Tabelle): Verletzung: Querschnittslähmung, motorisch und sensibel inkomplett unterhalb des 6./7. Halsrückenmarksegments und sensibel komplett unterhalb des 2. Brustrückenmarksegments nach durch Unfall ausgelöstem Bandscheibenvorfall (C 5 bis C 7); Person des Verletzten: Mann; Dauerschaden: Inkomplette, hohe Querschnittslähmung mit inkompletter Blasen- und Mastdarmlähmung; Funktionsfähigkeit der Finger erheblich eingeschränkt (nur noch Restgreiffunktion), Fortbewegung nur noch an 2 Unterarmstützen über kurze Strecken möglich, im Alltag auf Rollstuhl angewiesen; Kläger ist bei seinen täglichen Verrichtungen auf fremde Hilfe angewiesen; Sexualfunktion gestört; Schmerzensgeld: 150.000 € (indexiert 196.223,00 €)
– OLG Hamm vom 26.11.1996 (Nr. 39.1941 der Tabelle): Verletzung: Bruch des Bogens des 4. HWK mit Kontusion des Rückenmarks, Verrenkungsbruch des 5. u. 6. BWK, motorisch inkomplette Querschnittssymptomatik unterhalb des Segments C 5, komplette Querschnittssymptomatik unterhalb Th 5 beidseits; Dauer und Umfang der Behandlung/ Arbeitsunfähigkeit/ Minderung der Erwerbsfähigkeit: 5 Monate Krankenhaus; Person des Verletzten: 24 Jahre alter Dreher; Dauerschaden: Querschnittslähmung mit Aufhebung der Gefühlswahrnehmung für Schmerz, Temperatur, Vibrations- und Lagesinn unterhalb des Segments Th 9 rechts und des Segments Th 7 links und einer neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung; auf Rollstuhl angewiesen; Besondere Umstände,die für die Entscheidungen maßgebend waren: 20% Mitverschulden; Umschulung zum Industriekaufmann; grob verkehrswidriges Verhalten des Beklagten; Schmerzensgeld: 320.000 DM (indexiert 229.081 €).
Bei aller Schwierigkeit, die individuellen Verletzungen und ihre Folgen miteinander zu vergleichen, stellen diese Entscheidungen nach Auffassung des Senats das Gefüge dar, innerhalb dessen die Schmerzensgeldbemessung im vorliegenden Fall zu erfolgen hat. Das vom Kläger ins Feld geführte Urteil des Landgerichts Regensburg vom 19.11.2015 (4 O 1318/11 ‒ juris), das ein Schmerzensgeld von 400.000 € zugesprochen hatte, bietet hingegen keinen geeigneten Orientierungspunkt für die hiesige Bemessung des Schmerzensgeldes, da es sich erkennbar um einen noch deutlich schwereren Fall handelte (komplette Querschnittslähmung ab dem fünften Brustwirbelkörper; zwölfjähriges Mädchen, das zeitlebens nicht in der Lage sein wird, selbständig ihre Notdurft zu verrichten, da sie Mastdarm und Blasenicht kontrollieren kann, und das zudem verletzungsbedingt unter Depressionen leidet).
Im Fall des Klägers spricht für eine Orientierung eher im gehobenen Bereich des oben aufgezeigten Spektrums zum einen, dass neben der führenden Wirbelsäulenverletzung mit der sehr schweren Verletzung des rechten Beins ein weiterer erheblicher Aspekt für die Bemessung des Schmerzensgeldes hinzutritt, und zum anderen, dass er sich über den langen Zeitraum von siebeneinhalb Monaten hinweg ununterbrochen in stationärer Behandlung in einer auf die Behandlung Schwerverletzter spezialisierten Unfallklinik befunden hat und sich insgesamt jedenfalls 23 Operationen unterziehen musste. Andererseits ist gerade mit Blick auf die zuletzt genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zu sehen, dass die dortige führende Verletzung (Bruch des Bogens des 4. HWK, Verrenkungsbruch des 5. u. 6. BWK) wie auch die eingetretenen Folgen (inkomplette Querschnittssymptomatik bereits unterhalb des fünften Halswirbelkörpers [C5] und komplette Querschnittssymptomatik unterhalb des fünften Brustwirbelkörpers [Th 5] beidseits) schwerer waren als im Fall des Klägers; außerdem betraf diese Entscheidung einen jungen Mann (24 Jahre), was ebenfalls für ein höheres Schmerzensgeld spricht (vgl. BGH vom 15.01.1991 – VI ZR 163/90 – juris Rn. 14). Auch mit Blick auf den vom Landgericht Heilbronn entschiedenen Fall ist zu sehen, dass der inkomplette Querschnitt dort in einer höheren Region aufgetreten ist als beim Kläger (unterhalb des 6./7. Halsrückenmarksegments).
ee) Im Ergebnis erschiene aus Sicht des Senats ohne Berücksichtigung des auf den Kläger entfallenden Mitverursachungsanteils von 20% ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 € angemessen, das wegen dieser Mitverursachung auf 160.000 € zu reduzieren ist. Abzüglich der bereits geleisteten 70.000 € bleibt also ein Anspruch auf weitere 90.000 €.
III.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die oben zu I. wiedergegebenen Berufungsanträge des Klägers sind dahingehend auszulegen, dass der Kläger über das ihm vom Landgericht Zugesprochene hinaus die mit den Berufungsanträgen zu Nrn. 2 bis 6 geltend gemachten Beträge begehrt. Damit hat die Berufung insofern Erfolg, als sie zum Ersatz weiterer materieller Schäden in Höhe von 3.863,87 € führt.
1. An materiellem Schadensersatz waren dem Kläger weitere 3.863,87 € zuzusprechen.
a) Der Kläger kann die Kosten, die ihm im Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Betrieb des behindertengerechten Autos entstanden sind, auch insoweit beanspruchen, als sie ihm vom Landgericht (in Höhe von insgesamt 3.618,95 €) nicht zugesprochen worden sind (vgl. zu diesen Seite 10 unten bis Seite 11 Mitte der Klageschrift, Bl. 62 f. d. A., beginnend mit der Position „Auto R. Rechnung“ und endend mit der Position „Kraftfahrzeugsteuerbescheid“).
aa) Das Landgericht hat diese Positionen als „nicht substantiiert dargelegt“ abgewiesen (Seite 10 des angegriffenen Urteils, Bl. 268 d. A.), ohne dem Kläger zuvor einen entsprechenden Hinweis gegeben zu haben. Der diesbezügliche neue Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz (Seiten 12 f. der Berufungsbegründung, Bl. 325 f. d. A.) ist daher gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässig. Aus ihm ergibt sich bezüglich jeder einzelnen der nicht zugesprochenen Positionen schlüssig, warum sie nur aufgrund des Unfalls angefallen seien.
bb) Die Beklagten sind diesem Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten, sondern haben lediglich ausgeführt, die vom Kläger vorgenommene Überholung sei nur wegen der Mangelhaftigkeit des erworbenen Autos erforderlich gewesen, und Kosten für den Erwerb eines nicht gebrauchsfähigen Autos seien nicht zu ersetzen; es sei nicht ersichtlich, dass der Kaufpreis erheblich höher gewesen wäre, wenn die Komplettüberholung nicht notwendig gewesen wäre, und die Unfallbedingtheit der Versicherungsprämien und Kfz-Steuern sei nicht ersichtlich (vgl. Seite 4, zweiter Absatz, des Schriftsatzes vom 04.06.2021, Bl. 355 d. A.).
cc) Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen. Der (dem Kläger im Wege des Schadensersatzes vom Landgericht zugesprochene) Kaufpreis für das Auto betrug 3.750,00 €, die Kosten für die Komplettüberholung summierten sich auf (1.996,29 € + 403,70 € + 204,90 € =) 2.604,89 €, sodass die Gesamtkosten für den Erwerb des Autos (3.750,00 € + 2.604,89 € =) 6.354,89 € betrugen. Aufgrund seiner eigenen Kenntnisse und Erfahrungen mit dem Gebrauchtwagenmarkt schätzt der Senat gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass im Januar 2016 ein intakter Renault G.Scenic mit Erstzulassung vom 31.05.2007 und einer Laufleistung von 145.000 km (vgl. den Kaufvertrag Anlage K 23) nicht für einen Preis von 3.750,00 € zu erwerben gewesen wäre, und dass ein Preis von 6.354,89 € jedenfalls nicht übersetzt gewesen wäre. Die Aufwendungen sind damit grundsätzlich erstattungsfähig. Den Ausführungen zu den Kosten eines Mietwagens in Höhe von 100,00 € (Seite 12 des Schriftsatzes vom 06.04.2021, Bl. 325 d. A.) sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Bezüglich Versicherungsprämien und Kfz-Steuer haben die Beklagten nur die Unfallbedingtheit in Abrede gestellt, ohne aber auf den diesbezüglichen Vortrag des Klägers (Seite 13 des Schriftsatzes vom 06.04.2021, erster Absatz, Bl. 326 d. A.) einzugehen.
Vor diesem Hintergrund sind die vom Landgericht nicht zugesprochenen Kosten für den Erwerb und den Betrieb des Autos in Höhe von 3.618,95 € ersatzfähig, wegen der klägerischen Mitverursachung des Unfalls allerdings nur zu 80%, so dass insoweit weitere (3.618,95 € x 0,8 =) 2.895,16 € zuzusprechen waren.
b) Ersatzfähig waren auch die vom Landgericht nicht zugesprochenen Kosten für Benzin, Navigationsgerät und Parkgebühren in Höhe von 352,41 €. Auch insoweit hat der Kläger substantiiert die Umstände vorgetragen, aus denen sich die Unfallbedingtheit ergibt (vgl. Seite 13 der Klageschrift, Bl. 65 d. A., und [gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässig] Seite 13 des Schriftsatzes vom 06.04.2021, Bl. 326 d. A.), während die Beklagten lediglich die Unfallbedingtheit in Abrede gestellt haben, ohne dem diese Wertung stützenden Sachvortrag des Klägers entgegenzutreten (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes vom 04.06.2021, dritter Absatz, Bl. 355 d. A.). Soweit der Klägervertreter (Seite 13 des Schriftsatzes vom 06.04.2021, Bl. 326 d. A.) geltend macht, der nicht zugesprochene Fehlbetrag sei höher als 352,41 €, konnte dies allerdings wegen § 308 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden, da Berufungsantrag Nr. 5 (Bl. 285 d. A.) nicht entsprechend geändert wurde (geändert wurde vielmehr nur Berufungsantrag Nr. 1 wie aus Seite 11 des Schriftsatzes vom 06.04.2021, Bl. 324 d. A., ersichtlich). Gemäß dem auf den Kläger entfallenden Mitverursachungsanteil sind von den 352,41 € 80%, also 281,93 € zu ersetzen.
c) In Ansatz zu bringen sind schließlich auch die vom Landgericht nicht zugesprochenen Kosten für die Fensterreinigung und die Aufbereitung des Fahrzeugs in Höhe von 858,48 €. Auch insoweit hat das Landgericht nicht darauf hingewiesen, dass es deren Unfallbedingtheit als nicht hinreichend dargetan angesehen hat (vgl. Seite 10, zweiter Absatz, des angegriffenen Urteils, Bl. 268 d. A.), so dass auch insoweit der erstmalige Vortrag in der klägerischen Berufungsbegründung (Seiten 13 f., Bl. 326 f. d. A.) gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen ist. Aus Sicht des Senats hat der (auf den Rollstuhl angewiesene) Kläger im Übrigen bereits mit der Stellung des Antrags (Seite 4 des Schriftsatzes vom 24.01.2020, Bl. 207 d. A.) substantiiert vorgetragen, dass er nur aufgrund seiner unfallbedingten körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage ist, seine Fenster und sein Auto selbst zu putzen, was er in seiner Berufungsbegründung (Seiten 13 f., Bl. 326 f. d. A.) erneut erläuterte. Die Reaktion der Beklagten: „Wo ist die Unfallbedingtheit?“ (Seite 4 des Schriftsatzes vom 04.06.2021, Bl. 355 d. A.) erscheint insoweit unverständlich, stellt aber jedenfalls kein substantiiertes Bestreiten dar. Auch der Betrag von 858,48 € ist zu 80%, also in Höhe von 686,78 € zu ersetzen.
d) Insgesamt ergibt sich damit ein weiterer von den Beklagten als Gesamtschuldnern zu leistender materieller Schadensersatz in Höhe von (2.895,16 € + 281,93 € + 686,78 € =) 3.863,87 €.
2. Keinen Erfolg hat die klägerische Berufung hingegen insoweit, als sie auf Ersatz der Kosten für einen ambulanten Pflegedienst in Höhe von 1.253,65 € gerichtet war (vgl. Seiten 9 f. des angegriffenen Urteils, Bl. 267 f. d. A.; Seiten 11 f. der klägerischen Berufungsbegründung, Bl. 324 f. d. A.; Seite 3 des Schriftsatzes vom 04.06.2021, Bl. 354 d. A.). Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Kläger insoweit wegen des von ihm bezogenen Pflegegeldes, das zweckgebunden zur Deckung der Pflegekosten gezahlt wurde, kein Schaden entstanden ist. Dass der Kläger das empfangene Pflegegeld stattdessen fehlerhaft auf den (insoweit dann nicht geltend gemachten) Verdienstausfall angerechnet hat, ändert daran nichts.
3. Daraus, dass (wie oben zu II. 4 ausgeführt) das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von 175.000 € auf die Berufung der Beklagten hin um 15.000 € auf 160.000 € zu reduzieren war, ergibt sich zugleich, dass die klägerische Berufung insoweit erfolglos bleibt, als sie auf ein höheres als das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld gerichtet war.
IV.
Hinsichtlich der Verzinsung der zugesprochenen Beträge ist Folgendes auszuführen:
1. Dem Klagevortrag (vgl. Seiten 13 bis 15 der Klageschrift, Bl. 65/67 d. A. und Anlagen K 42 bis K 47) ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger vorgerichtlich die Zahlung eines bestimmbaren Schmerzensgeldes angemahnt hätte, sodass die Beklagten insoweit auch nicht in Verzug geraten konnten. Ein Anspruch auf Verzinsung ab Unfall (wie beantragt) besteht nicht. Zinsen können daher erst (gemäß § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ab Rechtshängigkeit verlangt werden. Die den Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld enthaltende Klageschrift wurde am 27.10.2017 zugestellt, so dass Prozesszinsen ab dem 28.10.2017 zu bezahlen sind (vgl. § 187 Abs. 1 BGB).
2. Die zugesprochenen materiellen Schadensersatzbeträge betreffen in Höhe von12.004,12 € bereits mit der am 27.10.2017 zugestellten Klage geltend gemachte Ansprüche (Klageanträge 2 und 6 bis 8 sowie in Höhe von 2.911,62 € Klageantrag 3), so dass der ausgeurteilte Betrag insoweit ab dem 28.10.2017 zu verzinsen ist.
In Höhe von 12.816,54 € betreffen die zugesprochenen materiellen Schadensersatzbeträge Anträge, die erst mit Schriftsatz vom 24.01.2020 (Bl. 204/208 d. A.) gestellt wurden (Klageanträge 4 und 9 sowie in Höhe von 3.396,89 € Klageantrag 3). Da der Schriftsatz vom 24.01.2020 am 06.02.2020 zugestellt wurde, waren Prozesszinsen ab dem 07.02.2020 zu bezahlen (vgl. § 187 Abs. 1 BGB).
V.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 1 ZPO. Dazu ist Folgendes zu erläutern: Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens betrug 357.279,85 € (vgl. den Streitwertbeschluss des Landgerichts vom 16.12.2020, Bl. 261 d. A.); dieser Betrag ergibt sich aus der Summe der bezifferten Klageanträge (wiedergegeben auf den Seiten 4 f. des landgerichtlichen Urteils, Bl. 262 f. d. A.) zuzüglich eines Ansatzes von 25.000 € für den Feststellungsantrag. Bezüglich der erstinstanzlich gestellten Anträge obsiegt der Kläger (wie oben dargelegt) insgesamt zu (90.000 € [weiteres Schmerzensgeld über die bereits vor Klageerhebung geleisteten 70.000 € hinaus] + 24.820,96 € [gemäß obigen Ausführungen zuzusprechender materieller Schadensersatz] + 20.000 € [80% der für den Feststellungsantrag angesetzten 25.000 €] =) 134.820,96 €, im Verhältnis zum erstinstanzlichen Streitwert also zu (gerundet) 38%. Bei der Bestimmung des Streitwerts für das Berufungsverfahren war wegen der rechtzeitigen Korrektur des Schmerzensgeldantrages (vgl. Seite 11 der klägerischen Berufungsbegründung, Bl. 324 d. A.) die zweite vorgerichtliche Schmerzensgeldzahlung hingegen zu berücksichtigen, sodass der Streitwert für das Berufungsverfahren um 50.000 € geringer ausfällt (307.279,85 €). Gemessen daran obsiegt der Kläger zu (134.820,96 € : 307.279,85 € ≈) 44%.
2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
3. Ein Grund für die Zulassung der Revision (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) war nicht gegeben.