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Fahrverbot – Absehen bei Teilnahme an Aufbauseminar für Kraftfahrer

Oberlandesgericht Bamberg

Az: 2 Ss OWi 265/08

Beschluss vom 17.03.2008


Zum Sachverhalt:

Das AG hat den Betr. wegen fahrlässigen Überschreitens der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h zu einer Geldbuße verurteilt. Von dem im Bußgeldbescheid außerdem angeordneten einmonatigen (Regel-) Fahrverbot wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes iSv. § 25 I 1 StVG iVm. § 4 II 2 BKatV hat es mit der Begründung abgesehen, der Betr. habe mit seiner bestätigten freiwilligen Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Nachschulung, der Absolvierung von 6 Sitzungen und Übernahme der hierfür angefallenen Kursgebühren von rund 500 € gezeigt, dass die Sanktionsziele des Regelfahrverbots bereits als erreicht anzusehen seien. Es bestehe mithin hinreichender Grund für die Annahme, dass der Betr. sein Fahrverhalten nunmehr nachhaltig ändern werde, so dass es keiner weiteren Einwirkung mehr durch ein Fahrverbot bedürfe.

Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der StA führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das AG.

Aus den Gründen:

Das AG hat zutreffend erkannt, dass auf Grund der nach §§ 28, 29 StVG verwertbaren Vorahndungen hinsichtlich des Fahrverbots ein Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes nach den §§ 24, 25 I 1 StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV vorlag. Denn nach der seit dem 05.01.2006 rechtskräftigen Verhängung einer Geldbuße wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h hat der Betr. mit der vorliegenden neuerlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h am 16.10.2006 innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der (letzten) Vorahndung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begangen. Allerdings hält die Auffassung des AG, von einer die Verhängung eines Fahrverbots begründenden beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers sei allein im Hinblick auf den Besuch des Aufbauseminars nicht mehr auszugehen, rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Zwar folgt aus § 4 II 2 BKatV nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG NJW 1996, 1809/1810). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen deshalb fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Bewertungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen.

2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben vermag der vom Tatrichter festgestellte Besuch von sechs Sitzungen eines Aufbauseminars für sich allein betrachtet ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine Ausnahme vom Regelfall nicht zu begründen.

a) Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, die Teilnahme an einem Aufbauseminar mache für sich allein betrachtet bereits die Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots überflüssig. Zielrichtung und Intensität des Fahrverbots sind mit denen eines Aufbauseminars nicht vergleichbar; beide verfolgen ganz unterschiedliche Zwecke. Durch das Fahrverbot soll dem Betr. zum einen seine Verfehlung deutlich vor Augen geführt werden. Zum anderen soll er nochmals ausdrücklich zur Beachtung der Verkehrsvorschriften angehalten werden. Der Verordnungsgeber hält es daher für erforderlich, bei einem Versagen, das deutlich über den üblichen nur bußgeldbewehrten Verfehlungen liegt, eindringlich auf den Täter dort einzuwirken, wo er gefehlt hat, nämlich bei der Ausübung seiner Berechtigung zur Führung eines Kraftfahrzeugs. In diesem Bereich ist durch das Regelfahrverbot mit seiner Erziehungs- und Denkzettelfunktion ein Einschnitt gerade in die persönliche Handlungsfreiheit bezweckt (vgl. BayObLGSt 1994, 118). Demgegenüber ist das Ziel eines Aufbauseminars die Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister gem. § 4 IV und VIII StVG. Das AG hat festgestellt, dass sich das vom Betr. besuchte Seminar vom Umfang her lediglich auf sechs Sitzungen bezog. Ein derartiges Seminar beschränkt somit die persönliche Freiheit des Betr. offensichtlich in ungleich geringerem Ausmaß als ein Fahrverbot (BayObLG NZV 1996, 374; DAR 1999, 221/222). Hinzu kommt, dass es sich bei dem Aufbauseminar um eine Veranstaltung handelt, bei der – von den finanziellen Aufwendungen abgesehen – keine Leistungen in Form von Prüfungs- oder Erfolgsnachweisen zu erbringen sind. An diesem Ungleichgewicht von Fahrverbot und Aufbauseminar vermag auch der Umstand, dass der Betr. die Kosten der Schulung zu tragen hat, nichts zu ändern. Andernfalls würde derjenige, der finanziell nicht in der Lage ist, die nicht unerheblichen Mittel für ein derartiges Seminar aufzubringen, gegenüber den finanziell Bessergestellten benachteiligt.

b) Im übrigen kann das Bild der Tat durch einen erst nachträglich eintretenden Umstand nicht zugunsten des Betr. verändert werden. Der verfahrensgegenständliche Verkehrsverstoß stellt sich damit nach wie vor als Regelfall einer beharrlichen Pflichtverletzung dar. Die freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar mag insoweit zwar als Zeichen von Einsicht und Reue gewertet werden. Sie rechtfertigt aber für sich allein betrachtet grundsätzlich nicht die Annahme, es bedürfe nicht mehr der Einwirkung durch ein Regelfahrverbot. Diese Gesichtspunkte sind daher für sich betrachtet grundsätzlich nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen (BayObLG NZV 1996, 374; DAR 1999, 221/222; OLG Düsseldorf, VRS 93, 226; AG Celle ZfS 2001, 520/521; Hentschel Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. § 25 StVG Rn. 25).

c) Damit schließt der Senat nicht aus, dass im Einzelfall auf Grund der Teilnahme an einem Aufbauseminar von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann. Dies ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn neben dem Seminarbesuch zusätzlich eine Vielzahl anderer, vom Tatgericht festzustellender Gesichtspunkte zugunsten des Täters sprechen (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.12.2006, 2 Ss OWi 1601/06; BayObLG, NZV 1995, 79; DAR 1999, 221), die in einer wertenden Gesamtbetrachtung gewürdigt werden können. Ein solcher Fall liegt hier jedoch erkennbar nicht vor. Denn zugunsten des Betr. ist lediglich noch sein Geständnis zu berücksichtigen. Dieses kann jedoch die Annahme eines Ausnahmefalls ebenfalls nicht stützen (BayObLG NZV 1996, 374; DAR 1999, 221/222; OLG Düsseldorf, VRS 93, 226), weil andererseits gravierende Umstände gegen den Betr. sprechen. Der Betr. ist innerhalb von nur zwei Jahren unter Berücksichtigung der verfahrensgegenständlichen Tat in vier Fällen, nämlich durch zwei Abstandsunterschreitungen und zwei erhebliche Geschwindigkeitsverstöße in Erscheinung getreten. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung dieses Ausmaßes führt in dem jeweiligen Bußgeldbescheid regelmäßig zu dem Hinweis, dass bei erneuter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mindestens 26 km/h innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft ein Fahrverbot verhängt werde. Auch diese Warnungen hat der Betr. nicht beachtet. Dies alles hat das AG nicht in seine Erwägungen zur Verhängung eines Fahrverbots einbezogen. Auch die von der Verteidigung zu Gunsten des Betr. angeführten tatrichterlichen Einzelfallentscheidungen (u.a. AG Essen DAR 2006, 344; AG Rendsburg NZV 2006, 611) bezogen sich auf Fallgestaltungen, bei denen zur Begründung eines Ausnahmefalls neben dem Besuch eines Aufbauseminars jeweils weitere Gesichtspunkte herangezogen wurden. Dazu zählten neben dem Geständnis insbesondere fehlende oder lange zurückliegende Vorahndungen, bestimmte konkrete Verkehrssituationen bzw. sie betrafen Fahrverbote außerhalb eines Regelfalls nach § 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 2 BKatV.

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