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Fahrverbot nach „Cannabis“-Fahrt – kann hiervon abgesehen werden?

OLG Saarbrücken

Az: Ss (B) 13/02 (18/02)

Beschluss vom 11.04.2002


Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 5.6.2001 gegen das Urteil des Amtsgerichts Merzig vom 29. Mai 2001 hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken am 11. April 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass neben dem Fahrverbot von einem Monat eine Geldbuße von 250.– Euro verhängt wird. Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet verworfen.

Gründe:

I
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines berauschenden Mittels (Cannabis) zu einer Geldbuße von 600.– DM verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 27. Februar 2000 gegen 03.20 Uhr mit einem PKW die unter der Wirkung von Cannabis.
Zur Sanktion hat das Gericht ausgeführt, die Geldbuße habe es der BKatV entnommen. Im übrigen verhänge es in Alkohol- und Drogenangelegenheiten praktisch ausnahmslos ein Fahrverbot, da der Gesichtspunkt des „Augenblicksversagens“ naturgemäß nicht angeführt werden könne und daher kein Anlass bestehe, „ausnahmsweise“ von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen.

II
Gegen dieses Urteil richtet sich die mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er erstrebt mit seinem Rechtsmittel ausschließlich, dass auf das Fahrverbot verzichtet wird. Der Senat hat jedoch wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot den gesamten Rechtsfolgenausspruch zu überprüfen. Das Rechtsmittel fuhrt zur Verhängung der Regelgeldbuße durch den Senat; im übrigen ist es offensichtlich unbegründet.

1. Die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass bei einem Verstoß gegen § 24a Abs. II StVG in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen ist. (§§ 25 Abs. I S. 2 StVG; 2 Abs. III BKatV). Der Senat hält die Vorschrift des § 24a Abs. II StVG, deren rechtfertigender Grund darin besteht, dass nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis der Genuss von Cannabis und bestimmter anderer psychoaktiver Substanzen generell abstrakt geeignet ist, durch die mit ihm verbundene Enthemmung und Herbeiführung geistig-seelischer wie körperlicher Ausfälle die Fahrsicherheit erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfG 90,145,181; BVerwG NJW 1997,269), weder aus den vom Beschwerdeführer genannten noch aus sonstigen Gründen für verfassungswidrig (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2000 – Ss(B) 69/00).
Anders als bei den Katalogtaten nach § 2 Abs. I u. II BKatV, wo ein Fahrverbot in der Regel nur in Betracht kommt, ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen, §§ 25 Abs. I S. 2 StVG, 2 Abs. III BKatV. Dem Tatrichter ist deshalb bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, in diesen Fällen ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Denn angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich die Angemessenheit des Fahrverbots von selbst. Ein Fahrverbot kann hier nur in Härtefällen ganz außergewöhnlicher Art entfallen oder wenn wegen der besonderen Umstände äußerer oder innerer Art das Tatgeschehen aus dem Rahmen typischer Begehungsweise einer solchen Ordnungswidrigkeit herausfällt (vgl. BGHSt. 38,125,134; Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl., Rn. 18 zu § 25 StVG m.w.N.; Senatsbeschluss vom 9. Juni 1995 -Ss(B) 99/95 -). Die Entscheidung, dass trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und deshalb die Verhängung eines Fahrverbots nicht erfordert, unterliegt indes in erster Linie der Würdigung des Tatrichters. Die Entscheidung des Tatrichters, dem eine gewisse Entscheidungsfreiheit eingeräumt ist (BGHSt. 38,136) kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur in eingeschränktem Umfang, nämlich auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin überprüft werden (vgl. BayObLG NZV 1994, 327f) und ist im Zweifel „bis zur Grenze des Vertretbaren“ zu respektieren. Nur bei Ermessensfehlen ist die Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren angreifbar.
Solche Rechtsfehler sind der angefochtenen Entscheidung jedoch – entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers – nicht zu entnehmen. Die oben dargestellten Grundsätze hat das Amtsgericht beachtet. Außergewöhnliche Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen könnten, sind nicht festgestellt. Die Formulierung des Gerichts, es verhänge in derartigen Fällen fast ausnahmslos ein Fahrverbot macht auch noch hinreichend deutlich, dass sich das Amtsgericht der Möglichkeit, in Ausnahmefällen von der Verhängung absehen zu können, bewusst war. Fehlt es aber am Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen könnten, dann ist in diesen Fällen auch für ein Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße in der Regel kein Raum. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich dieser ihm durch § 2 Abs. IV BKatV grundsätzlich eingeräumten Möglichkeit bewusst gewesen ist (vgl. OLG Hamm BA 02,59).
Die Verhängung des Fahrverbots wurde auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass dem Betroffenen die Fahrerlaubnis von der Verwaltungsbehörde entzogen bzw. vorläufig entzogen worden ist, da beide Maßnahmen wegen ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur und Voraussetzungen unabhängig voneinander angeordnet werden können und durch das Fahrverbot auch das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen verboten wird, es sachlich daher weiter reicht als die Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl., § 25 StVG Rn. ll). Im übrigen ist es lediglich eine Frage der Vollstreckung, ob das Fahrverbot im Hinblick auf eine mögliche Anrechnung der Zeit der amtlichen Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (vgl. § 25 Abs. VI StVG) als vollstreckt gelten kann.

Auch die lange Dauer des Verfahrens rechtfertigt ein Absehen vom Fahrverbot nicht. Das Fahrverbot ist als sogenannter Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter von einem Rückfall abzuhalten und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln. Seine Warnungs- und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot deshalb nur erfüllen, wenn es sich in einem kurzen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Da es in erster Linie spezialpräventiven Zwecken dient, kann es sinnlos erscheinen, wenn seit der Tat längere Zeit bis zur Entscheidung verstrichen ist. Es bedarf dann besonderer Umstände für die Annahme, dass es noch zu einer erzieherischen Einwirkung auf den Täter unbedingt notwendig ist (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; OLG Köln DAR 00,484; OLG Rostock BA 02,58). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein gem. § 25 Abs. I S. 1 StVG verhängtes Fahrverbot bei längerem zeitlichen Abstand zur Tat seinen Sanktionszweck u.U. dann nicht mehr erfüllen kann, wenn der Betroffene in der Zwischenzeit bei einer hohen Fahrleistung beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat (vgl. Pfälzisches OLG Zweibrücken BA 02,57; OLG Düsseldorf, OLG Köln, OLG Rostock a.a.O.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist indes eine Frage des Einzelfalls. Vorliegend kann die seit der Tat vergangene Zeit nicht dazu führen, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen. Dabei kann offen bleiben, ob und welche Bedeutung das Verschulden der Justizbehörden hat, das darin liegt, dass das Amtsgericht – ohne erkennbaren Grund – dem Verfahren erst sechs Monate nach Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung seinen Fortgang gegeben hat. Ein Absehen vom Fahrverbot scheidet hier schon deshalb aus, weil der Betroffene im Hinblick darauf, dass ihm die Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, keine Möglichkeit hatte, die Indizwirkung seiner Ordnungswidrigkeit für die Verhängung des Regelfahrverbots durch verkehrsgerechtes Verhalten zu entkräften. Im übrigen gilt auch hinsichtlich des Zeitfaktors der oben dargestellte Grundsatz, dass ein Absehen vom Fahrverbot in Fällen des § 24a StVG auf extreme Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss. Hierzu genügt es allein noch nicht, dass nunmehr 25 Monate seit der Tat verstrichen sind.

2. Allerdings ist die angefochtene Entscheidung insoweit zu beanstanden als das Amtsgericht eine Geldbuße von 600.– DM festgesetzt hat, ohne nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen. Bei der Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind solche Feststellungen jedoch nur entbehrlich, wenn wegen der Zuwiderhandlung lediglich eine „geringfügige“ Geldbuße ( von nicht mehr als 500.– DM -nunmehr 250.– Euro -) verhängt wird (vgl. Pfälzisches OLG Zweibrücken NStZ 2000, 95; OLG Düsseldorf VRS 99, 131; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 23. Januar 2002 – Ss 76/01 – ). Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch nicht zur – teilweisen – Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz. Der Senat kann vielmehr gem. § 79 Abs. VI OWiG in der Sache selbst entscheiden, da das Amtsgericht den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt hat und weitere wesentlichen tatsächlichen Feststellungen nicht zu erwarten sind. Das Amtsgericht ging erkennbar von der Regelsanktion aus. Es ist kein Grund ersichtlich und von ihm dargelegt, warum es die Regelbuße von 500.– DM überschritten hat. Der Senat hält es unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles für angemessen, die gem. §§ 1 Abs. I; 2 Abs. III; lfd. Nr. 70 BKatV (in der – seit dem 1. Januar 2002 geltenden – Fassung vom 21. November 2002, BGBl. I S. 3033 ff) vorgesehene Regelgeldbuße in Höhe von 250.– Euro zu verhängen.

Gemessen an dem erklärten Ziel (Wegfall des Fahrverbots) erweist sich die Rechtsbeschwerde nach alledem als erfolglos. Die Kostenentscheidung folgt deshalb aus § 473 Abs. I StPO i.V.m. § 46 Abs. I OWiG.

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